Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001

Zukunftstechniken der Vergangenheit (1): Alleinstehende Kaufland-Kassen suchen Anschluss

$
0
0

Um was es geht

Um die Unschädlichmachung von Kleingeldabzählern, die an der Kasse soviel Zeit benötigen, dass dahinter anstehende Kunden befürchten, ihr Renteneintrittsalter erreicht zu haben bevor sie an der Reihe sind. Zur Neutralisierung dieser Spezies testet der Großflächen-Discounter Kaufland in seiner Filiale im Leipziger Paunsdorf-Center schon seit längerem zweigeteilte Kassen mit Persönlichkeitsspaltung bzw. wie’s profan im Laden heißt: „Bezahlautomaten“.

„Hierdurch wird eine noch schnellere und einfachere Abwicklung des Kassiervorgangs für die Kunden als auch für die Kassiererinnen ermöglicht“,

erklärt Kaufland auf Anfrage.

kauflandleipz01


Wie es funktioniert

1. Kunden können ihren Einkauf wie gewohnt aufs Kassenband räumen, Mitarbeiter scannen die Waren – und händigen dann einen Beleg mit Strichcode aus. Dann ist gleich der nächste Kunde dran.

kauflandzahl05

2. Mit dem Zettelchen geht’s an einen von zwölf Bezahlautomaten, die aussehen wie die Bodybuilding-Brüder klassischer Geldautomaten.

3. Am wuchtigen Bodybuilding-Automaten muss der Strichcode vom Zwischenzettel in das hervorgehobene Scan-Feld gehalten werden, damit der Automat den zu zahlenden Betrag erkennt. Bezahlt werden darf anschließend in bar oder per EC-Karte.

kauflandzahl03

4. Zur Bestätigung spuckt der Automat ein neues Zettelchen aus. Dann öffnet sich automatisch die Schleuse, aus der man mit seinem Einkaufswagen rausruckeln kann.

kauflandzahl02


Warum das keine Zukunft hat

Weil das alles viel zu kompliziert ist.

Die Bezahlautomaten im Leipziger Kaufland sind bereits seit Herbst 2008 aktiv, aber an der Kasse war ich im Juni 2016 nicht der einzige Kunde, der keinen blassen Schimmer hatte, was eigentlich von ihm verlangt wird. Das heißt: Die freundliche Kassiererin musste regelmäßig erklären, wie genau bezahlt werden soll. Und die dahinter anstehenden Kunden mussten doch wieder warten.

Selbst wenn alles reibungslos läuft und langsame Zahler nicht mehr die komplette Schlange blockieren: Der auseinander gezogene Kassiervorgang hinterlässt nicht den Eindruck, schneller zu sein. Im Gegenteil, als Kunde muss ich gefühlt zweimal aktiv werden.

Die Deutsche Bahn hat vor einigen Jahren ein ähnliches Prinzip getestet und Ticketautomaten z.B. am Hamburger Hauptbahnhof so umprogrammiert, dass man sich dort nur noch die gewünschte Verbindung aussuchen konnte, um dann an einem separaten Automaten zu bezahlen und das endgültige Ticket zu bekommen. Soweit ich weiß, ist dieses Verfahren wieder Geschichte. (Oder gibt’s die Zweiteilung noch irgendwo? Bitte in die Kommentare notieren!)

McDonald’s möchte seit einiger Zeit auch, dass seine Kunden beim Bestellen zweimal anstehen. Selbst wenn es nachweisbar schneller gehen sollte, wie die Unternehmen stets beteuern: psychologisch ist das gar nicht so clever.

Dazu kommt, dass die alleinstehenden Kaufland-Kassen (die es außer in Leipzig auch noch in Marl gibt) katastrophal unübersichtlich sind.

  • Acht Pfeile,
  • drei Bargeld-Fächer,
  • ein Scan-Feld,
  • zwei Schlitze
  • und einen Ziffernblock

sollen die Kunden auseinander sortieren, während sie die Anweisungen auf dem Display des Kassensonderlings befolgen. Das ist Quatsch. Noch dazu sind die moppeligen Terminals offensichtlich nicht auf die Kontaktlos-Bezahltechnik ausgelegt, die sich gerade in vielen Supermärkten und Discountern durchzusetzen beginnt (mehr dazu demnächst).

Der Trend geht – selbst in deutschen Supermärkten – zu Selbstbedienungskassen, die alles können: scannen, bezahlen und nölig nach ihrem Erziehungsberechtigten rufen, wenn der dumme Kunde wieder aus Versehen irgendwo falsch hingedrückt oder rumgewogen hat. (Üben hilft.)

Und sie werden, zumindest im Ausland, immer schlanker. Tesco in Großbritannien lässt inzwischen an SB-Kassen bezahlen, die bloß noch aus Touchscreen und Kartenterminal bestehen. (Aber dann halt auch kein Bargeld mehr annehmen.) Reicht ja auch:

tescosb01

Auch bei Kaufland scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die erzwungene Kassentrennung keine besonders zukunftsträchtige Idee ist. Auf die Frage, ob die Technik in weitere Märkte gebracht werden soll, antwortet das Unternehmen nicht. In neuen Filialen wie in München-Berg am Laim stehen allerdings klassische SB-Kassen:

„Dies ist ein zusätzliches Serviceangebot für unsere Kunden, mit dem wir ihnen eine Alternative zu dem bisherigen klassischen Kassensystem geben.“

Wenn die Münzrauskramer dort Spinnweben ansetzen, wird nebendran vielleicht etwas schneller ein neues Kässchen frei.

Verraten Sie mir in den Kommentaren, ob Sie sich in Ihrer Kaufland-Filiale auch schon selbst abkassieren (können)?

Fotos: Supermarktblog


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001