Was läuft schneller ab als die Frischmilch im Real-Kühlregal? Die aktuelle Online-Strategie von Metro.
„Unsere Daten-Analysen haben klar gezeigt, dass online der erfolgversprechendste Kanal für Emmas Enkel ist – deshalb konzentrieren wir uns darauf“,
erklärte eine Sprecherin des Düsseldorfer Handelsunternehmen Anfang Juli, als bekannt wurde, dass Metro nach der Übernahme des Start-ups die drei Läden schließen würde, die bis dahin zentraler Bestandteil des Laden/Liefer-Konzepts waren. „Basierend auf dem Kaufverhalten der Emmas Enkel-Kunden“ wolle man „verstärkt auf den Online-Handel“ setzen, hieß es zur angekündigten „Entwicklung (…) hin zu einem innovativen Online-Lebensmittelhändler“. Das widersprach zwar der nur wenige Monate zuvor proklamierten Strategie der Laden-Expansion, ist inzwischen aber auch schon wieder hinfällig.
Im zurückliegenden Monat informierte Emmas Enkel seine Stammkunden darüber,
„dass wir nach mehr als 5 Jahren unseren Service zum 30. September einstellen.“
Gerade mal ein halbes Jahr nach der Mehrheitsübernahme durch Metro existiert Emmas Enkel als eigenständiges Unternehmen nun nicht mehr.
Ganz verschwunden ist der Name jedoch nicht: Seit Oktober heißt der Lebensmittelmarkt auf dem Gelände der Düsseldorfer Metro-Zentrale nicht mehr „food“, sondern „Emmas Enkel“. Die bisherige Adresse emmas-enkel.de verweist auf die notdürftig umgepinselte Ex-food-Website. Der Konzern braucht Emmas Enkel also nur noch als Ladenhüter.
Supermarktblog-Leser Alexander P., von dem auch die Fotos in der Bildergalerie oben stammen, hat sich dort umgesehen und schreibt:
„Wer in 10 Sekunden die meisten ‚Emmas Enkel‘-Logos entdeckt, gewinnt! Seit Anfang der Woche wurde weiter enorm aufgerüstet, damit man nur nicht vergisst, in welchem Laden man sich gerade befindet. Kein (Hänge-)Preisschild, keine Gangbeschriftung, keine Regalbezeichnung ohne Logo; nur die erste Lieferung Jacken für die Angestellten war offensichtlich noch unvollständig, dort und auf den Brottüten prangt noch das alte ‚food‘-Logo.“
Grund für die Abwicklung des bisherigen Geschäfts sei, dass Emmas Enkel „nicht wirtschaftlich“ zu betreiben gewesen sei, hieß es kürzlich. Das mag stimmen. Wenn sich Metro mit dieser Perspektive bei dem Start-up eingekauft hat, wäre das allerdings ein strategisches Armutszeugnis.
Markenhülle statt Zukunftslabor
Die Idee der Ende 2014 bekannt gegebenen Kooperation war doch, dass der große, tendenziell eher unbewegliche Konzern von dem kleinen, ausprobierfreudigen Start-up lernen sollte, wie alternativer Lebensmittelhandel heute in einer Kombination aus Nachbarschaftsladen und Online-Bestellung funktionieren kann. Das machte auch die Übernahme der Anteile von den beiden Gründern im April plausibel. (Anders als die Tatsache, dass Metro Brüser und Diehl nicht an Bord gehalten hat und stattdessen eine externe Geschäftsführung einsetzte.)
Dass es schwer würde, mit dieser Geschäftsidee kurzfristig profitabel zu werden, hat Metro vorher gewusst. Und, so schien es zumindest, trotzdem investiert, um für die Zukunft zu lernen.
Das hat sich als Irrtum herausgestellt. Doch selbst wenn sich zwischenzeitlich ein unvorhersehbares schwarzes Loch in der Enkel-Kasse aufgetan hätte: Wozu diente dann das zwischenzeitliche Bekenntnis zur konsequenten Online-Ausrichtung?
Eine viel realistischere Erklärung für den Schlamassel ist: Kopf- und Planlosigkeit. Metro fehlt ganz offensichtlich eine Strategie im Lebensmittelhandel, nicht nur offline, sondern auch online. Das passt immerhin zur desaströsen Kommunikationsstrategie in Düsseldorf. Auf Fragen zum Umgang mit Emmas Enkel möchte man nicht mehr antworten und erklärt lapidar die Tochter Real für zuständig, „da Real Emmas Enkel übernommen hat“. Sache abgehakt.
Ein Sprecher erklärt lediglich:
„Durch das Projekt haben wir tiefe Einblicke in den Bedarf, die Wünsche und Anforderungen von Kunden, aber auch in die Machbarkeit und den wirtschaftlichen Erfolg derartiger Formate, erhalten. Nach Abschluss des Pilotprojektes wurde insofern entschieden, dass die Marke Emmas Enkel sich besser bei Real entwickeln kann.“
„ehemals food“ und „powered by Real“
Nach Supermarktblog-Informationen sind die Verantwortlichen, die damals den Einstieg bei den Enkeln eingefädelt haben, ohnehin längst an anderer Stelle im Unternehmen tätig, das gerade sein Lebensmittelgeschäft von der Elektroniksparte Media-Saturn abgespalten hat. (Womöglich, um leichter einen Käufer dafür zu finden.)
Am traurigsten ist, dass Metro mit seiner Unüberlegtheit ohne Not eine wertvolle Marke zerstört hat, die weit über die Grenzen der Branche hinaus bekannt war, vielfach ausgezeichnet und bei den Kunden positiv besetzt. Genau das, was zahlreiche Handelsketten mit teuren Investments in Werbung für ihre Geschäfte erreichen wollen.
Die „Lebensmittel Zeitung“ vermutet, dass Metro die Marke noch für den Aufbau einer Innenstadt-kompatiblen Mini-Supermarktkette nutzen könnte. Das würde das Chaos perfekt machen. Andererseits: Die (womöglich ebenfalls dafür) registrierte Marke „Real Express“ liegt ja auch schon seit einer ganzen Weile ungenutzt herum.
Die Umbenennung des Düsseldorfer Supermarkts ist im Moment jedenfalls nicht viel mehr als Enkelresteverwertung. Ein schöneres Sinnbild für die Planlosigkeit im Unternehmen als einen früheren „Extra“-Markt, der jetzt „Emmas Enkel“ heißt und den kopfschüttelnden Kunden per Handzettel als „ehemals food“ bzw. „powered by Real“ vorgestellt wird, hätte sich Metro kaum auf den Campus pflanzen können.
Sagen wir mal so: Wenn ich Unternehmensgründer wäre und morgen klopften Herren aus Düsseldorf an meine Tür, um mir zu sagen, wie interessant sie das finden, würde ich mein Start-up untern Arm packen und loslaufen. So schnell es geht, so weit weg wie möglich.
Vielen Dank an Supermarktblog-Leser Alexander P. für Informationen, Fotos und Handzettel-Scan!
Screenshot: Metro/Emmas Enkel