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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Amazon gewinnt Edeka als Parkplatz-Partner für seine Abholstationen

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„Liebe Kunden, wenn Sie etwas in unserem Sortiment vermissen, sprechen Sie uns einfach an“,

steht auf einem Schild im Markt mitten im Berliner Bezirk Wedding. Das hat sich Amazon nicht zweimal sagen lassen und gefragt, ob so ein Amazon Locker nicht prima ins Sortiment des Edeka-Händlers passen würde. Eine Etage höher steht auf dem Parkdeck des Ladens deshalb jetzt „Revelle“ und wartet darauf, an den Strom angeschlossen zu werden.

Während Amazon im Ausland schon seit längerem mit Banken, Einkaufszentren und Supermärkten kooperiert, um dort seine Abholstationen für Pakete aufzustellen (siehe Supermarktblog), konzentrierte sich der Konzern in Deutschland bislang auf die Tankstellenkette Shell, die in Berlin und München mehr oder weniger attraktive Fleckchen an ihren Stationen für die (inzwischen grauen) Boxen zur Verfügung stellt.

Das scheint – wie unlängst vermutet – nicht mehr genug zu sein.

Dass Amazon aber ausgerechnet Edeka als weiteren Partner für seine Locker-Initiative gewinnen konnte, ist durchaus eine Überraschung – weniger aus Sicht des Online-Händlers, der damit potenziell Zugriff auf zahlreiche attraktive Standorte bekommt, an denen Kunden bestimmt gerne ihre Amazon-Bestellungen abholen, wenn sie schon mal zum Einkaufen da sind.

Pakete abholen hinter Parkplatzflora

Für Edeka selbst allerdings wird Amazon immer stärker zum direkten Rivalen. Nicht nur im Nonfood-Geschäft, sondern auch bei der Lebensmittelversorgung, die Amazon stetig ausbaut – demnächst mit dem Start des Lieferdiensts Fresh in Berlin, der dann (ebenso wie zukünftig in München) in unmittelbarer Konkurrenz zur adoptierten Edeka-Tochter Bringmeister stehen wird.

Anders als in Großbritannien bei The Co-Op oder Morrisons darf Amazon die Locker zumindest nicht in den Edeka-Märkten installieren, sondern muss (bislang) mit deren Parkplätzen Vorlieb nehmen.

In Berlin-Reinickendorf steht „Windy“ etwas verschämt an der Markseite hinter üppiger Parkplatzflora und wird vermutlich nur von Leuten gesehen, die explizit danach gesucht haben.

In beiden Fällen handelt es sich um Märkte, die von selbstständigen Edeka-Kaufleuten betrieben werden.

Die bestimmen nicht nur direkt über ihre Sortimente, sondern haben im Zweifel auch die Freiheit, ein Unternehmen wie Amazon auf ihre Parkplätze zu lassen, das sie (noch) nicht als unmittelbaren Konkurrenten wahrnehmen.

In Pankow allerdings steht Amazon-Locker „Romy“ direkt vor dem Eingang des dortigen E-Centers, einem (laut Edeka-Website) Regiemarkt, der von der zuständigen Regionalgesellschaft Minden-Hannover betrieben wird.

Die hat den Grauling gleich neben die Packstation des Wettbewerbers DHL dübeln lassen, um etwas gegen die verpönte Einzelboxenhaltung zu unternehmen.

Das heißt: Amazon ist keineswegs nur bei Selbstständigen gelandet.

Ob es sich erstmal um einen Test handelt oder die Kooperation größer angelegt ist und die Locker künftig auf sehr viel mehr Edeka-Parkplätzen stehen werden, dürfte spätestens in ein paar Wochen feststehen. (Infrage kommen bislang freilich nur die Städte, in denen Amazon sein eigenes Logistics-Netzwerk betreibt: Berlin, München, Bochum und Umkreis, demnächst laut „Deutscher Verkehrs-Zeitung“ evtl. Frankfurt und Düsseldorf [Paywall].)

Für diesen Fall müsste sich Deutschlands größter Lebensmittelhändler allerdings fragen lassen, ob er eigentlich noch alle Aktionspreise in der Kühltruhe hat, mit einem Konzern zu kooperieren, dessen erklärtes Ziel es ist, den traditionellen Supermärkten Umsatz wegzunehmen, um Kunden stärker an die eigene Plattform zu binden.

(Und das, wie derzeit in den USA, zugleich an eigenen Supermarktkonzepten wie Amazon Go und Amazon Fresh-Pick-ups tüftelt.)

Wen kümmert schon Amazon?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, warum Edeka in Kauf nehmen könnte, einen künftigen Konkurrenten zu stärken.

Erstens: Euro. Die Mietgebühr, die Amazon für seine Abholstationen zahlt, ist derart üppig, dass die Händler nicht widerstehen können.

Zweitens: Selbstüberschätzung. Edeka ist sich zu 100 Prozent sicher, das selbst ein Unternehmen wie Amazon keinen wesentlichen Einfluss auf die Verhältnisse im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (und damit die Edeka-Marktführerschaft) haben wird – was kurzfristig sicher richtig ist. Und langfristig naiv wäre.

Drittens: Kalkül. Edeka kann sich womöglich doch vorstellen, mit Amazon im Lebensmittel-Online-Handel zu kooperieren, um es nicht selbst machen zu müssen (in welcher Form auch immer).

In Großbritannien wäre es nach derzeitigem Stand unvorstellbar, dass Amazon Fresh bei seinem ärgsten Konkurrenten Tesco einen Fuß in die Tür bekäme. (Freilich ist Tesco – trotz des schwierigen Online-Geschäfts – auch nicht der Ansicht, das Internet würde von alleine wieder weggehen.)

Antworten auf eine Supermarktblog-Anfrage an Edeka Minden-Hannover stehen noch aus und werden ggf. nachgetragen.

Edeka Minden-Hannover erklärt auf Anfrage, es handele sich um ein „Pilotprojekt“:

„Wir haben uns für ein Pilotprojekt in Berlin mit Amazon-Locker-Stationen verständigt, um Erfahrungen zu sammeln. Dabei wurde ausgeschlossen, dass die Locker von anderen Lebensmitteleinzel- und großhändlern beliefert werden können. Die Standorte wurden in Abstimmung mit den Markt-Betreibern und dem Vertrieb ausgesucht.“

Bislang sind vier Boxen aufgestellt; Standorte in Edeka-Märkten seien nicht vorgesehen.

Noch mehr Fächer in Berliner Spätis

Für Amazon ist die Sache damit aber noch nicht erledigt: Zumindest in der Hauptstadt nistet sich der Händler mit weiteren Boxen nämlich derzeit in Internetcafés und Spätis ein, der Berliner Variante des Kiosks bzw. Büdchens. Vermutlich weil die Mietpreise dort geringer ausfallen, sind die Locker deutlich breiter.

Zwischen Club Mate, Scheibenkäse, Dosenvorräten und Miet-Internet ist deshalb gut und gerne Platz für 80 Fächer – 20 bis 30 Prozent mehr als an der Tanke bzw. auf dem Supermarktparkplatz.

Die Öffnungszeiten sind ähnlich großzügig bemessen, weil viele Spätis bis tief in die Nacht auf haben oder sogar rund um die Uhr geöffnet.

In jedem Fall sieht es so aus, als arbeite Amazon hartnäckig daran, seinen Kunden die Bestellungen künftig nur dann nachhause zu bringen, wenn die wirklich unbedingt darauf bestehen. Weil sie im Zweifel auf dem Heimweg von der Arbeit sowieso an einem Locker vorbeikommen, der ihre Bestellung mit einem simplen Barcode-Scan freigibt.

Fotos: Supermarktblog"


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