Auf Bilanzpressekonferenzen geben Unternehmen üblicherweise darüber Auskunft, wie das vergangene Geschäftsjahr gelaufen ist. dm nutzt die Gelegenheit traditionell auch dazu, über seine gesellschaftlichen Engagements zu informieren. Das hat inzwischen bemerkenswerte Ausmaße angenommen.
Zumindest könnte man bei Durchsicht der diesjährigen Presseunterlagen unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass es sich bei dm nicht um ein Unternehmen im klassischen Sinne handelt. Sondern eher um einen gemeinnützigen Verein mit angeschlossenem Nebenerwerb im Drogeriefachgeschäft.
Seitenlang kriegen Journalisten erklärt, dass dm Theaterworkshops für seine Mitarbeiter veranstaltet, mit der „Initiative HelferHerzen“ engagierte Ehrenamtliche auszeichnet, Unterstützer des Deutschen Hebammenverbands ist, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (NABU) beim Insektenzählen hilft, die Initiative „Singende Kindergärten“ fördert und Ende November erneut 5 Prozent seines Tagesumsatzes spendet, um sich gegen den Schnäppchenwahn am „Black Friday“ aufzulehnen.
Ganz zum Schluss – oder wie es bei dm heißt: „last but not least“ – gehen die Punkte 13 und 14 schließlich auch noch auf die Umsätze und die Pläne für die kommenden Monate ein. (Alles spitze, wie immer.)
Nun ist es einerseits unbedingt begrüßenswert, wenn Wirtschaftsunternehmen einen Teil ihrer Gewinne für gemeinnützige Zwecke ausgeben. dm tut Gutes und redet darüber – wie viele Firmen.
Andererseits dürfte das breit kommunizierte Engagement längst selbst zu einer wichtigen Basis für den geschäftlichen Erfolg geworden sein.
„Zum Wohle unserer Kunden“
Zumindest sorgt es dafür, dass die Drogeriemarktkette in Verbraucherumfragen Jahr für Jahr als beliebtester Händler bzw. beliebteste Marke an der Spitze steht. Kunden kaufen gerne bei dm ein, weil sie einem Unternehmen vertrauen, das soviel an die Gesellschaft zurückgibt (und nebenbei praktischerweise auch noch Preise auf Discount-Niveau bietet).
„Die Emotionalität des Leistungsversprechens ist ein Schlüssel für zukünftiges Wachstum“,
urteilt die Unternehmensberatung OC&C, die jedes Jahr ermittelt, mit welchen Unternehmen deutsche Kunden am zufriedensten sind. dm lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich entsprechend zu inszenieren. Entscheidungen werden „zum Wohle unserer Kunden“ getroffen; gleichzeitig will man „als Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft gesellschaftlich relevant (…) sein und nachhaltig nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern auch in sozialer, ökologischer und kultureller Hinsicht (…) handeln“.
Damit hat sich die Kette eine erstaunliche Immunität erarbeitet: Selbst kleine Skandale können der sorgfältig aufgebauten Marke scheinbar nichts anhaben. Und dass der von dm selbst formulierte Anspruch immer häufiger mit der unternehmerischen Realität kollidiert, spielt für die öffentliche Wahrnehmung quasi keine Rolle.
Nachhaltig – vor allem fürs Umsatzwachstum
Junge Mütter, bei denen dm besonders beliebt ist, würden vermutlich jedem anderen Unternehmen einen Vogel zeigen, das ihnen Stillecken als „angenehmen Rückzugsort“ zwischen die Waschmittelabteilung und das Kosmetikregal bauen wollte.
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Zukunftsinstitut-Leiter Harald Welzer ist eigentlich bekannt für seine flammenden Plädoyers zur Einschränkung des ausufernden Konsums westlicher Gesellschaften, sitzt aber unbekümmert in der Jury des „HelferHerzen“-Preises, den ein Unternehmen sponsert, das mit hunderten Filialneueröffnungen in den vergangenen Jahren hartnäckig an der stetigen Konsumausweitung arbeitet.
dm erfindet Eigenmarken wie „183 Days“, bei der sämtliche Artikel nach einem halben Jahr vollständig ausgetauscht werden, damit es der jungen Zielgruppe nicht langweilig wird.
Und veranstaltet Beauty-Conventions, auf denen Teenager gegen Eintrittsgebühr vorgeführt kriegen, wie sie ihr Taschengeld bestmöglich in Kosmetik investieren. (Das Motto: „Who says you can’t buy happiness?“ – darf’s ein „Platin Ticket“ mit Meet & Greet für 89,90 Euro sein?)
Vor allem aber war die Handelskette so genial, einen Tag zu erfinden, an dem sie Kunden das Gefühl gibt, sie täten besonders viel Gutes, je mehr sie konsumieren, um den in Aussicht gestellten Spendenumsatz in die Höhe zu treiben – Pressemitteilungen vorher und nachher sind selbstverständlich.
(Zu den Höhepunkten des „Giving Friday“ gehörte auch in diesem Jahr wieder „etwas ganz Besonderes“, nämlich dass „fünf Internet-Stars (…) ihre Lieblingsprodukte von dm-drogerie markt in jeweils eine Box gepackt“ haben, um sie „exklusiv in limitierter Stückzahl am 23. November in allen deutschen dm-Märkten und online unter dm.de“ zu verkaufen.)
Natürlich sind derartige Initiativen nachhaltig – aber halt in erster Linie für den geschäftlichen Erfolg von dm.
Keinem anderen Unternehmen ist es bislang in vergleichbarer Weise gelungen, Konsum so sehr mit gutem Wissen zu kombinieren. Nebenbei hilft das hervorragend bei der Expansionskosmetik.
Neue Märkte, wo keine gebraucht werden
Im Januar ist es sieben Jahre her, dass die ehemals führende Drogeriemarktkette Schlecker Insolvenz angemeldet hat. Davon, dass sich Schlecker im Anschluss komplett aus dem Markt verabschiedete, profitierten vor allem die beiden Wettbewerber dm und Rossmann. Bei dm stiegen die Umsätze alleine in Deutschland seitdem von 5,8 auf 8,1 Milliarden Euro. Martin Dallmeier, dm-Geschäftsführer für das Ressort Finanzen und Controlling, nennt als Grund dafür das „kundenorientierte Wirtschaften“. Dass das Unternehmen seine Filialzahl in den vergangenen Jahren fast um ein Drittel erhöht hat, dürfte aber auch nicht ganz unwichtig gewesen sein.
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In Deutschland wurden seit der Schlecker-Pleite fast 500 dm-Märkte neu eröffnet. Inzwischen hat sich das Wachstum abgeschwächt. Dennoch sollen bis zum nächsten Herbst 70 weitere Läden dazu kommen. Dann gibt es dm hierzulande über 2.000 mal. Auch dort, wo eigentlich keine neue Filiale mehr gebraucht wird – außer natürlich, um die Position von dm als Marktführer abzusichern.
Markus Trojansky, in der dm-Geschäftsführung u.a. für die Expansion verantwortlich, erklärt:
„Wir lassen uns nicht treiben, sondern expandieren mit Augenmaß und zugleich ambitioniert.“
Nirgendwo ist diese Expansion mit Augenmaß so schön zu beobachten wie am Berliner Alexanderplatz. Dort hat Ende August die dritte dm-Filiale im Umkreis von 100 Metern aufgemacht: im Untergeschoss des Alexanderhauses, mit direktem Zugang vom daneben gelegenen U-Bahnhof. An Filiale 1 schräg gegenüber neben C&A weist seitdem ein Schild darauf hin, dass die Sortimente Tiernahrung, Kerzen und Babykost dort nicht mehr verkauft werden und Kunden bitteschön zu Filiale 3 wechseln sollen; Filiale 2 gibt sich neben Saturn relativ unbeeindruckt von der vermeintlichen Selbstkannibalisierung.
Letztlich ist es aus Unternehmenssicht besser, Kunden erst gar nicht in Versuchung zu führen, Drogerieartikel anderswo einzukaufen – etwa in den nahe gelegenen Netto-(ohne Hund)-Discountern oder dem riesigen Kaufland gegenüber vom Fernsehturm (siehe Supermarktblog).
dm und denn’s – ein fabelhaftes Duo?
Damit auch wirklich jeder merkt, wer hier King of Körperpflege ist, hat dm große Teile des U-Bahnhofs Alexanderplatz in ein Logo-Schaufenster verwandelt und mit Werbewegweisern zugepflastert, die einen förmlich in den neuen Laden hineindrängen.
Dass dm „Neu an der Weltzeituhr“ ist, kriegt jeder eingebimst, der gerade aus der U8 gestiegen ist; im Durchgang eine Etage drüber soll man bitte „in 50m rechts“ oder (von der anderen Seite kommend) „jetzt links“ abbiegen. „Nächster Halt: dm!“, steht auf Schildern an der Wand. Rote Pfeile lassen keine Zweifel daran, wo’s langgeht. Für die Kundenlenkung hat sich der Drogeriemarktführer zudem mit dem zweiten neuen Mieter der Untergeschossfläche zusammengetan: denn’s Biomarkt.
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Die Allianz passt insofern, dass dm und denn’s ähnliche Zielgruppen anlocken dürften – ist aber bemerkenswert, weil denn’s als direkter Konkurrent des langjährigen dm-Partners Alnatura auftritt, von dem dm sich vor zwei Jahren getrennt hat, um ein eigenes Bio-Sortiment aufzubauen.
Alnatura verkauft seine Eigenmarken inzwischen u.a. beim beim Konkurrenten Rossmann (siehe Supermarktblog). Da ist’s wohl konsequent, sich mit dem direkten Biomarkt-Rivalen zusammenzutun. Auf’s „Herzlich Willkommen“-Schild im grün-braunen denn’s-Design durfte dm sein Logo jedenfalls gleich mit draufdrucken. Möglicherweise eignet sich die gegenseitige Sympathiebekundung auch als Vorbild für weitere Allianzen dieser Art – Hauptsache, es hilft bei der Expansion. Die Allianzen von gestern sind egal.
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Aus wirtschaftlicher Sicht mag all das nachvollziehbar sein – erst recht für ein Unternehmen, das noch immer derart expansionsgetrieben agiert wie dm.
Zur Gemeinwohlprosa, mit der dm sein öffentliches Image pflegt, passt die Wachstumsstrategie von Deutschlands erfolgreich(st)em Verkäufer von Drogerieartikeln, Naturkost und Shoppinglaune aber ganz und gar nicht. So lange Journalisten schöne Geschichten erzählen können und Kunden die Konsumabsolution zu ihrem Einkauf mitgeliefert kriegen, braucht sich dm darüber vermutlich aber keine Sorgen zu machen.
Fotos: SupermarktblogImage may be NSFW.
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Der Beitrag Bald 2.000 dm-Märkte in Deutschland: Dekorative Expansionskosmetik erschien zuerst auf Supermarktblog.