Ende dieser Woche öffnet die hessische Supermarktkette Tegut die Türen ihres neuen Minimarktkonzepts für reguläre Kund:innen. Der erste Standort befindet sich in der Fuldaer Innenstadt (Lindenstraße 32), unweit des Bahnhofs und einer regulären Tegut-Filiale.
Der neue Laden hört auf den Namen „Teo“ und kommt im laufenden Betrieb ohne Personal aus. Zugang erhalten Kund:innen über eine Smartphone-App, in der sie sich einmalig registrieren. Der in der App generierte QR-Code wird am Eingang gescannt, anschließend können die gewünschten Produkte entweder mit dem eigenen Smartphone oder an einer stationären SB-Kasse erfasst werden. Die Bezahlung erfolgt direkt am Smartphone oder mit Karte. Bargeld mag Teo naturgemäß keines annehmen.
Die hessische Antwort auf Amazon Go
Das Format ist eine Weiterentwicklung der „T-Box“, die Tegut seit Beginn des Jahres am wenige Kilometer entfernten Unternehmenssitz getestet hat, und die nun auf ihre Tauglichkeit im Einkaufsalltag getestet werden soll. Als Kooperationspartner sind Wanzl für die Ausstattung sowie AraCom und Snabble für IT und App an Bord.
Aus der auch schon ganz schicken, aber eher schlicht designten Box ist für den Regelbetrieb eine Art holzverkleidete Riesensushi-Rolle mit begrüntem Dach geworden, die nach allem, was bisherige Visualisierungen und Fotos von Lokalmedien verraten, ein ziemlicher Hingucker ist.
Angesichts der aktuellen Corona-Einschränkungen dürfen sich zeitgleich drei Kund:innen im Minimarkt aufhalten. Theoretisch wäre ein Betrieb rund um die Uhr möglich.
Die hessische Antwort auf Amazon Go erreicht zwar nicht denselben Automatisierungsgrad wie das ebenfalls kassenfreie US-Konzept, dürfte aber auch deutlich günstiger auf die Straße zu bringen sein – und ähnelt damit eher Konzepten, wie sie Handelsketten bereits vor einigen Jahren u.a. in Asien in Betrieb genommen haben.
Versorger für den ländlichen Raum?
Auf den EHI Technologie Tagen kündigte Tegut-IT-Leiter Alexander Bradel am Dienstag an, für die kommenden Monate zwei bis drei weitere Test-Standorte ins Auge fassen zu wollen. Diese müssen sich nicht automatisch in Stadtlagen befinden. „Wir versprechen uns viel von ländlichen Gegenden“, sagte Bradel – weil Teo dort auch an Orten betrieben werden kann, an denen sich ein regulärer Laden mit Personal nicht rentieren würde.
Als vollständiger Supermarktersatz dürfte Teo für die allermeisten Kund:innen eher nicht funktionieren; aber für den schnellen Zwischendurch-Einkauf könnte der Minimarkt schnell zum Ersatz für den Besuch im klassischen Supermarkt werden – zum Beispiel in der Mittagspause, auf dem Heimweg oder nach Ladenschluss regulärer Märkte.
Teo hält voraussichtlich zwischen 800 und 1.000 Produkte des täglichen Bedarfs bereit. Dazu gehören auch solche, für die eine Altersverifikation notwendig ist. Alkoholische Getränke stehen im Regal und lassen sich nur von Kund:innen scannen, die eine vorherige Registrierung samt Altersprüfung über die App durchlaufen haben; Zigaretten können über die App einem Automaten im Markt entnommen werden. Leergut lässt sich bei Teo zum Start nicht zurückgeben.
Ideales Format, um Konkurrenten zu ärgern
Damit es auch beim Einkauf ohne Personal mit rechten Dingen zugeht, wird die Kleinstfläche von Kameras überwacht. Auf den EHI Technologie-Tagen erklärte Bradel:
„Unsere Hoffnung ist, dass sich der Kunde korrekt verhält. Wir wissen es nicht. Deshalb probieren wir es aus.“
Geht das gut, verfolge man mit dem Konzept einen „sehr ambitionierten Hochlaufplan“, was soviel bedeutet wie: eine schnelle Expansion. Bereits vom Start des Tests bis zur nun bevorstehenden Eröffnung sind gerade mal wenige Monate vergangenen – was insbesondere im sonst eher innovationsträgen deutschen Lebensmitteleinzelhandel höchst ungewöhnlich ist.
Für Tegut wäre ein Erfolg mit Teo – der sicher nicht zufällig fast so heißt wie Unternehmensgründer Theo Gutberlet – gleich in mehrfacher Hinsicht wichtig und interessant. Mit dem Format könnten die Hessen dem Ausbreitungsdrang der vier marktbeherrschenden Handelskonzerne eine schnell zu implementierende Alternative entgegensetzen, die sich auch außerhalb des bisherigen Stammgebiets betreiben ließe – und mit der gleichzeitig getestet werden könnte, ob sich im Umkreis womöglich eine stationäre Filiale lohnen könnte.
Fällt 2021 die Expansions-Entscheidung?
Außerdem passt Teo ideal in die Tegut-Strategie, verstärkt auf kleinere Flächen für Zusatzeinkäufe zu setzen, um dafür gewappnet zu sein, dass immer mehr Kund:innen in Zukunft einen Teil ihres Warenbedarfs online bestellen könnten (siehe Supermarktblog)
Bereits im kommenden Jahr könnte die Entscheidung fallen, ob es bei den geplanten Tests bleibt, oder ob Tegut sich mit Teo auf eine breiter angelegte Expansion einlässt.
Zu wünschen wäre das den Fuldaern allemal – nicht nur, um endlich etwas Bewegung in den trägen Markt zu bringen, sondern auch, um wieder ein Stück weit die Vielfalt in einer Branche zu stärken, in der sich zunehmend alles auf vier große Anbieter konzentriert. Seine Innovationsambitionen hatte Tegut zuletzt im Sommer bewiesen, als die Handelskette in Südhessen die taggleiche Lieferung frischer Lebensmittel über Amazons Sofortbringdienst Prime Now startete (siehe Supermarktblog).
Titelfoto [M]: Tegut/Smb
Mehr über Tegut im Blog:
- Wie Tegut sich auf die Zukunft des Lebensmittelhandels einstellt (und Amazon dabei helfen soll)
- Start in Südhessen: Amazon und Tegut kooperieren für Lebensmittel-Sofortlieferung mit Prime Now
- Tegut-Trio in der Frankfurter City: Die Frische-Snack-Bio-Stadtsupermärkte

Dieser Text hat Ihnen gefallen?
Dann helfen Sie doch mit, dass mehr davon erscheinen können! Im Supermarktblog stehen seit 2011 selbst recherchierte Texte und Analysen zu den Entwicklungen im Lebensmitteleinzelhandel. Ihre Unterstützung hilft mir dabei, diese Arbeit zu finanzieren und weiter unabhängig berichten zu können. Sind Sie dabei? Geht schon ab 2,50 Euro im Monat und dauert nur eine Minute. Herzlichen Dank!
Der Beitrag Premiere noch in dieser Woche in Fulda: Tegut tauft seinen automatisierten Minimarkt „Teo“ erschien zuerst auf Supermarktblog.