Im Oktober des vergangenen Jahres stellte der aufstrebende Lebensmittel-Lieferdienst Getnow nach einer gescheiterten Finanzierungsrunde einen Insolvenzantrag und schaltete seine Website über Nacht in den „Wartungsmodus“, aus dem der Shop anschließend nicht mehr heraus kam. Seit diesem Mittwoch ist Getnow wieder online – mit neuem Eigentümer. Zum 1. Januar hatte der Logistikdienstleister LIS die Geschäfte übernommen.
Im Impressum ist die neue getnow.de GmbH mit Sitz in Potsdam, vertreten durch Raik Scheffler, als Anbieter angegeben. Gegründet worden war das Start-up ursprünglich in Berlin und zuletzt nach München gezogen, wo für einen schnellen Ausbau zahlreiche Führungskräfte an Bord geholt worden waren.
Die Seite sieht auf den ersten Blick aus wie immer, verspricht weiterhin „Top Marken“, „Top Preise“ und „Top Seller“ aus dem Sortiment des Kooperationspartners Metro und erklärt, man sei „Gekommen[,] um zu bleiben“.
Gleichzeitig heißt es allerdings, dass man „bis zum Start in deiner Stadt unseren Paketservice“ nutzen solle. Eine taggleiche Lieferung, wie sie Getnow ursprünglich beworben hatte, ist derzeit nicht möglich – auch keine Auswahl unterschiedlicher Zeitfenster. (Das scheint derzeit z.B. sowohl für Berlin als auch München zu gelten.) Die komplette Seite ist auf den Paketversand geschaltet, den man im Frühjahr 2020 zusätzlich zum Kerngeschäft getestet hatte, um deutschlandweit lieferfähig zu sein (siehe Supermarktblog).

Getnow verspricht, Einkäufe würden „persönlich per DHL bis an die Haustür geliefert“, und zwar „ohne Einkaufsstress, Maskenpflicht und Abstandsregeln bei jedem Einkauf“. Die Versandkosten liegen bei 4,90 Euro, ohne Mindestbestellwert. Kund:innen wird derzeit allerdings einiges an Geduld abverlangt:
„Die Übergabe des Einkaufs von uns an die DHL erfolgt 7-10 Werktage nach Bestelleingang.“
Zusammen mit der einzurechnenden Paketlaufzeit warten Besteller:innen also im ungünstigsten Fall fast zwei Wochen darauf, dass die von ihnen bestellten Lebensmittel ankommen. Außerdem ist die Produktauswahl eingeschränkt: Gekühlte Ware kann derzeit nicht bestellt werden.
Dabei dürfte es sich wohl kaum um eine Dauerlösung handeln, wenn Getnow einen neuen Versuch starten will, sich ernsthaft im Markt zu etablieren.
Änderungen „in den nächsten Tagen“
Plausibel wäre, dass das Geschäft nach der wochenlangen Auszeit erst langsam wieder anlaufen soll, um z.B. Mitarbeiter:innen für die Kommissionierung der Einkäufe in den Metro-Filialen zurück zu holen oder neu zu finden.
Die Formulierung auf der Website („Bis zur Rückkehr in deine Stadt“) legt nahe, dass es mittelfristig nicht (alleine) bei der jetzigen Lösung bleiben soll. Wieviele der bisherigen Getnow-Standorte (im Kern München, Düsseldorf, Essen und Berlin) wieder aufgeschaltet werden, war vor Erscheinen dieses Texts zunächst nicht in Erfahrung zu bringen. Der telefonische Kundenservice war noch nicht erreichbar.
Im Laufe des Vormittags erhielten registrierte Getnoiw-Kund:innen allerdings per E-Mail die Möglichkeit, der weiteren Verwendung ihrer Daten durch die neue Getnow-Gesellschaft zu widersprechen. Gleichzeitig heißt es:
„Wir werden in Kürze wieder den von dir gewohnten Service in der bekannten Zuverlässigkeit anbieten können. Wir schalten im Moment die Liefergebiete wieder frei, eventuell können wir in deinem Liefergebiet aktuell nur unseren Paketversand anbieten. Das ändert sich in den nächsten Tagen!“
Nachtrag, 16.31 Uhr: In Düsseldorf ist die Bestellung über Lieferzeitfenster aktuell theoretisch wieder möglich. Frühester Liefertermin ist der kommende Samstag. Die Zwei- bis Vier-Stunden-Zeitfenster sind aber (noch) nicht auswählbar. Einkäufe sollen ab 120 Euro Warenwert versandkostenfrei sein. Im Laufe des Mittwochs hat Getnow darüber hinaus die Versandangabe für die übrigen Lieferregionen aktualisiert: „Die Übergabe des Einkaufs von uns an die DHL erfolgt ab dem 19.01.2021.“

Nachtrag, 23.02 Uhr: Getnow-Geschäftsführer Raik Scheffler erklärt auf Supermarktblog-Anfrage, man wolle die bisherigen Liefergebiete „sukzessive wieder aufschalten“; danach seien auch zeitfensterbasierte Einkäufe wieder möglich. An Standorten mit Direktlieferung („Home Delivery“) würden vom ersten Tag an Kühlprodukte und auch Tiefkühlprodukte angeboten. Die ersten Auslieferungen in Düsseldorf seien für Freitag geplant.
„Der Andrang unserer Kunden war so groß, dass der Freitag innerhalb kürzester Zeit vollständig ausgebucht war.“
In Sachen Logistik will sich Getnow nicht mehr auf Dienstleister verlassen, stattdessen kündigt Scheffler an:
„Die Lieferung werden wir in Eigenregie mit eigenen Fahrzeugen durchführen.“
Mitarbeiter:innen zur Kommissionierung der Einkäufe hätten zu einem Großteil übernommen werden können, ein neues Team muss also nicht aufgebaut werden.
Erklärtes Ziel sei es, „alle Standorte wieder ans Netz zu nehmen“. Hierzu stünden aber noch Gespräche mit Metro aus, „um optimale Lösungen zu suchen. Als nächstes eingeplant sind Essen, München und Berlin.“ Wo noch keine „Home Delivery“ angeboten werden könne, soll weiterhin der Paketversand als Alternative dienen. Zur neuen Management-Struktur des Unternehmens mag sich der Getnow-Chef derzeit noch nicht konkreter äußern:
„Wir stehen aktuell noch am Anfang und sind momentan mit der schnellen Wiederherstellung aller Dienstleistungen für unsere Kunden beschäftigt.“
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Der Beitrag Neuer Eigentümer: Getnow ist wieder online – und verschickt Einkäufe vorerst per DHL-Paket [Update] erschien zuerst auf Supermarktblog.