DISCOUNT-BILLIG! Nur noch zu Kaufland“, mahnt Deutschlands erfolgreichster Großflächendiscounter und liefert auf dem Titel seines Wochenprospekts direkt ein unschlagbares Argument: 30% Rabatt auf Barilla-Produkte!
Die Schwester Lidl poltert gelb auf rot „Wir bleiben günstig!“ und bietet mehr (bzw., je nach Perspektive, weniger): Philadelphia Frischkäse -48%, Dr. Oetker Ristorante Pizza -38%, Coca-Cola, Fanta, Mezzo Mix oder Sprite -33%.
Aldi Süd hat „Deine Lieblingsmarken“ in petto mit dem Versprechen: „Bis zu -44% sparen“ (z.B. für Dr. Oetker Paradiescreme), wobei die Preise für De Beukelaer Prinzenrolle, Danone Actimel und Red Bull (-33%, -37%, -26%) auch im Keller sind.
Dem wollen die Supermärkte in nichts nachstehen: Rewe liefert einen „Knaller“ nach dem nächsten – Philadelphia zum Aktionspreis („46% gespart“), Ben & Jerry’s Eiscreme („25% gespart“), Pasta von 3 Glocken („44% gespart“); und zum „Knallerpreise feiern“ dekliniert Edeka die Ersparnisse in unterschiedlichen Einheiten durch: 0,47 € sparen bei Storck Toffifee, 55% auf Bauer Joghurt, 1,10 € weniger für Iglo Fischstäbchen.
Oder, anders gesagt: Es ist wieder eine ganz normale Woche im deutschen Lebensmitteleinzelhandel.

Alnatura legt „Dauerpreise“ fest
Mit einer kleinen Ausnahme: Alnatura macht bei dem gewohnten Aktionspreisgeschrei nicht mehr mit. Die papierne Version ihres Aktionsprospekts hatte die Bio-Supermarktektte schon vor vier Jahren abgeschafft und informierte Kund:innen seitdem per E-Mail-Newsletter über wöchentlich wechselnde Aktionspreise auf Bio-Produkte (siehe Supermarktblog). Seit Anfang des Monats verzichtet die Handelskette nun komplett auf kurzzeitige Sonderangebote (Ausnahmen bleiben die Kategorien Obst und Gemüse sowie Backwaren, wo die Preise ohnehin „saisonalen und erntebedingten Schwankungen“ unterlägen).


Im Gegenzug, erklärt Alnatura, habe man 1.300 Artikel quer durchs Sortiment dauerhaft im Preis gesenkt. Betroffen sind hauptsächlich Bio-Markenprodukte, die Alnatura-Eigenmarkenartikel behalten ihre bisherigen Preise.
In den Märkten sind die betroffenen Produkte derweil mit orangefarbenen Störern am Regal gekennzeichnet.

Die so genannten neuen „Dauerpreise“ sollen mindestens einen Monat ihre Gültigkeit behalten; nach Supermarktblog-Informationen gleicht die Handelskette die Preise für die Artikel mit denen der Konkurrenz ab, um jeweils der günstigste Anbieter am Markt zu sein. Gegenüber der Kundschaft erklärt Alnatura, dass man dabei helfen wolle, „noch mehr Ruhe und Überblick“ in den Einkauf zu bringen – ohne „Planen von Aktionskäufen“ und „komplizierte Preisvergleiche“:
„Damit geben wir Ihnen die Verlässlichkeit, dass Sie im Alnatura Super Natur Markt jederzeit günstig einkaufen und nicht nur innerhalb eines kurzen Aktionszeitraums.“
Mit der Initiative reduziert man freilich auch den Aufwand der Mitarbeiter:innen in den Märkten, die künftig keine Aktionspreise mehr an die Regale stecken müssen.

Drogeriemarktführer dm als Vorbild
Das ist ein Novum im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, dessen Fixierung auf Aktionspreise Fluch und Segen zugleich ist. Einerseits wissen die Ketten mit regelmäßigen Angeboten Kund:innen in ihre Läden zu locken; andererseits ist allen bewusst, dass Aktionen im Übermaß zu Lasten regulärer Umsätze gehen können und Kund:innen dazu verleiten, regelmäßig die Einkaufsstätte zu wechseln, um sich jeweils anderswo mit ihren Lieblingsmarken zum Aktionspreis zu bevorraten. (Wovon am Ende keiner der Wettbewerber was hat.)

Im Bio-Handel ist die Kommunikation von Rabatten zwar längst nicht so lautstarke ausgeprägt wie bei den regulären Supermärkten und Discountern; und obwohl sie lange nicht dieselbe Bedeutung wie im übrigen Handel haben dürften, gehören Aktionspreise auch hier bislang zur Gewohnheit.
Einzige Ausnahme im Markt ist – im Drogeriefachhandel – dm. In der Karlsruher Unternehmenszentrale schwört man schon seit 1994 auf das Konzept des „Dauerpreises“, mit dem sich „jeden Tag günstig einkaufen“ lasse, anstatt „nach kurzzeitigen Angeboten suchen“ zu müssen.
(Wobei dm inzwischen regelmäßig und umfassend Ausahmen mit wechselnden Rabatten für registrierte Mitglieder seiner dm-App macht; den ganzen Januar lief zudem eine massiv plakatierte 10-Prozent-Rabattaktion für alle Kund:innen.)

Jedenfalls dürfte es kein Zufall sein, dass Alnatura sich dem Dauerpreis-Konzept anschließt, nachdem im vergangenen Jahr Petra Schäfer in die Geschäftsführung der hessischen Handelskette geholt wurde, um dort die Bereiche Einkauf & Sortiment sowie Markenkommunikation zu verantworten. Schäfer ist zuvor bei Globus und – bis 2015 – in der Geschäftsführung von dm tätig gewesen.
Höhere Kosten, niedrige Preise?
Inwiefern für die Dauerpreise neue Vereinbarungen mit den jeweiligen Herstellern getroffen wurden, mag man bei Alnatura nicht kommentieren, verspricht aber eine „faire Bezahlung für unsere Partner“.
Wobei auf den Bio-Produzenten derselbe wirtschaftliche Druck lasten dürfte, unter dem auch zahlreiche Hersteller konventioneller Lebensmittel zu leiden haben. Das „Handelsblatt“ berichtete zu Beginn des Monats über einen „Machtkampf großer Handelsketten und Konsumgütermultis, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat“ (Abo-Text): Markenhersteller wollten die Preise für ihre Produkte wegen stark steigender Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport anheben; Supermärkte und Discounter leisteten Gegenwehr, weil sie überzogene Erhöhungen vermuten. Dazwischen würden kleinere Hersteller aufgerieben, die nicht über die Verhandlungsmacht internationaler Konzerne verfügten.
Parallel dazu geht der Aktionspreislimbo im Lebensmitteleinzelhandel paradoxerweise einfach weiter, weil die Handelsketten ihrer Kundschaft signalisieren wollen, sie angesichts steigender Inflation nicht mit höheren Produktpreisen zu belasten. (Die es zwischen all den Sonderangeboten freilich trotzdem gibt.)
Im ständigen Wettbewerb der Anbieter sieht es derzeit auch nicht so aus, als würde sich daran kurzfristig etwas ändern – während zum Beispiel bei unseren österreichischen Nachbarn eine Debatte geführt wird, die in genau diese Richtung stößt.
„Weg vom Aktionsdschungel“
Im vergangenen Jahr hatte Rewe-International-Vorstand Marcel Haraszti im Interview mit dem Fachmagazin „Cash“ erklärt, dass man in Zukunft eine veränderte Preispolitik verfolge:
„Der Peak an Aktionen ist erreicht. Wir müssen Kunden in unsere Märkte holen, weil sie Vertrauen in unsere Marke, Leistung und Preise haben.“
Deshalb werde man sich „weg von einem Aktionsdschungel, hin zu einer klaren Preiskommunikation“ bewegen und „sukzessive Rabatte reduzieren“.


„Natürlich sind die Kunden preissensibel, aber sie wollen auch Regionalität, Frische, Verlässlichkeit. Lebensmittelkauf ist ein Vertrauensakt“,
glaubt Haraszti – und hat dafür auch in Kauf genommen, dass Rivale Spar, der während der Pandemie massiv auf Aktionspreise setzte, Rewe mit seinen Vertriebsformaten in Österreich zuletzt die Marktführerschaft abgenommen hat.
Eine „rein populistische Aktionspolitik“ sei angesichts einer „wirtschaftlich herausfordernden Situation, wie der, auf die wir uns zubewegen“, aber nicht angebracht, meint der Rewe-International-Chef – und schränkt gleichzeitig ein:
„Wir wenden uns ja nicht komplett ab von Aktionen, aber senken das in kleinen, bekömmlichen Dosen auf ein gesundes Niveau.“
Aktionspreise schaden Hofer-Positionierung
Auch Horst Leitner, Geschäftsführer des österreichischen Aldi-Süd-Ablegers Hofer, hatte sich zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrfach negativ über die „verrückte Aktionitis“ seiner Branche geäußert. Gegenüber „Cash“ erklärte Leitner im Februar 2021:
„Stellen Sie sich vor, 2020 sind in Österreich mehr Markenartikel zum Aktionspreis verkauft worden als zum Normalpreis, das halte ich für bedenklich für die Markenartikelindustrie. Wenn man den Wert einer Marke nicht mehr vermitteln kann, dann ist ein Markt in die Irre gegangen.“
Vor allem aber ist das für Leitner bedenklich, weil die Aktionspreisspirale die Kernpositionierung von Hofer als günstigstem Anbieter im Markt torpediert hat.

Nachdem man – so wie Aldi in Deutschland – verstärkt klassische Markenartikel ins Sortiment aufgenommen hatte, hätte sich bei den Kund:innen der Eindruck ergeben, dass man den günstigsten Preis, für den man sonst „bekannt und beliebt“ sei, „nicht immer halten konnte“:
„Denn die Markenartikel, die ja die wichtigsten und beliebtesten sind, sind auch ständig irgendwo in Aktion. Wir wollten den billigsten Dauertiefpreis bei diesen Marken haben, doch die Konsumentinnen und Konsumenten wollen den Artikel nicht zum Dauertiefpreis sondern zum jeweilig günstigsten Aktionspreis.“
„Exklusivmarken“ werden wichtiger
Leitner hat daraus für Hofer seine eigene Schlussfolgerung gezogen:
„Wenn das unsere Preiswürdigkeit über längere Zeit in Frage stellt, müssen wir die einzelnen Markenartikel in Frage stellen und genauer definieren, welche Rolle diese in unserem Sortiment spielen sollen. (…) Die Marken, die etwas zur Kundenfrequenz und zum Ertrag beitragen, bleiben im Blickfeld. Marken, die nicht genug beitragen, werden wir nicht mehr berücksichtigen.“
Das klingt ein Stück weit nach Rückzug aus einem Sortimentsscharmützel, in dem man inzwischen wohl glaubt, mehr verlieren als gewinnen zu können.

Stattdessen wolle sich Hofer künftig wieder mehr auf „Exklusivmarken“ konzentrieren. Die Konsument:innen sollten wissen, „dass sie ohne zu überlegen bei uns kaufen können“ – zum „Dauertiefpreis“. Damit das gelänge, müsse der Abstand der Eigenmarken zum Preis regulärer Marken „größer werden“:
„Dadurch wird die Hürde größer, jeder Aktion nachzulaufen.“
(Die Hersteller, von denen Hofer seine Eigenmarken bezieht, dürften diese Ankündigung, künftig im Zweifel noch knapper kalkulieren zu müssen, vermutlich mit wenig Begeisterung aufgenommen haben.)
Der Preis bleibt heiß
Leitner sagt, es lasse sich nicht bestreiten, dass der „Grund Nummer eins, warum Menschen zu Hofer gehen“, nunmal der Preis sei: „[D]aran führt nichts vorbei“. Er fügte aber hinzu:
„Als einzigen Wert den Preisvorteil zu haben, ist (…) zu wenig. Es geht um das Einkaufserlebnis, die Qualität des Standortes, die Produktqualität, die verfügbare Nachhaltigkeit, was steckt hinter Bio und so weiter.“
Und so wahnsinnig viel davon scheint bei den deutschen Kolleg:innen, die sich weiterhin mit Verve in jeden Aktionsartikelschützengraben werfen, noch nicht angekommen zu sein – obwohl sich die beiden Aldis hierzulande ja in exakt derselben Situation befinden, nachdem ihnen insbesondere Lidl und Kaufland die Einführung neuer Markenprodukte regelmäßig mit Niedrigstpreisen in Daueraktion sabotiert haben.
Wie nachhaltig die Bekundungen von Rewe und Hofer in Österreich, genug von der bisherigen Preispolitik zu haben, tatsächlich sind, ist von Berlin aus nur schwer zu beurteilen. (Falls Blog-Leser:innen aus Österreich einen Beitrag dazu leisten können: Die Kommentarspalte ist offen!)
Ohne Prozenteschreierei geht’s nicht?
Aber auch ein Jahr nach den Ankündigungen des sanften Aktionspreisentzugs ist davon zumindest auf den ersten Blick wenig zu sehen. Die Rewe-Tochter Billa pflanzt sich den kritisierten Dschungel jede Woche aufs Neue ins Flugblatt: „FR & SA NOCH MEHR SPAREN: -25% auf Tiefkühl-Artikel.“

Und Hofer ruft parallel dazu nicht nur das „-50% Wochenende“ aus (mit -50% auf Stiegl Goldbräu, Merci Schokolade und Lenor Weichspüler), sondern verspricht auch, dass sich Kund:innen, wenn ein Produkt ihrer Wahl im Aktionszeitraum nicht mehr verfügbar sein sollte, „einen Artikel ihrer Wahl aus der gleichen Produktgruppe, ebenso um 50% reduziert, aussuchen“ können.
Es sieht also danach aus, dass uns die Prozenteschreierei noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird.
Aber das macht die Initiative von Alnatura – wo man offensichtlich daran glaubt, als Bio-Anbieter mit klarer Preispositionierung zu den Ausnahmen gehören und das den eigenen Kund:innen gegen die bisherige Erwartung vermitteln zu können – natürlich noch interessanter.
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Der Beitrag Alnaturas neue Dauerpreis-Strategie und die Zukunft der „Aktionitis“ im Lebensmittelhandel erschien zuerst auf Supermarktblog.