Nirgendwo fühlt sich Edekas „Wir lieben Lebensmittel“-Bekenntnis so wohl wie an der Bedientheke im Supermarkt. Regelmäßig kommt es dort in den TV-Spots der Handelskette zu ungewöhnlichen Begegnungen oder spaßigen Dialogen, an deren Ende die jeweilige Thekenkraft gleichzeitig Humor und Fachwissen demonstriert, und Kund:innen glückselig nachhause gehen.
Dass dem auch Prominente nicht widerstehen können, brachte vor einem Jahr der Spot „Heiner hat’s eilig“ auf den Punkt, in dem ein zackig einkaufender Heiner Lauterbach den sehr viel entdeckungsbereiteren Kumpel Uwe Ochsenknecht durch den Markt vor sich herzuschieben versuchte. Gar nicht so einfach bei all den Leckereien:
Ochsenknecht: „Hmmm, frische Burrata. Ein Traum.“
Edeka-Thekenmitarbeiterin: „Frisch aus Apulien.“
Lauterbach: „Du stehst jetzt seit zwei Stunden an der Käsetheke. Geben Sie dem nichts mehr.“
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Dabei war das ja noch harmlos, und der Heiner würde Augen machen, wie lange der Uwe heute rumstehen müsste!
Denn die Theken-Realität des Jahres 2022 sieht völlig anders aus als es die Werbespots der Vergangenheit der Kundschaft ins Gedächtnis gestanzt haben. Das hat mehrere Gründe: Der erste ist, dass viele Kund:innen im Laden gerade wieder stärker auf den Preis achten und sich öfter für verpackte Ware entscheiden. Dazu kommt, dass viele Jüngere die Frischetheke aus Gewohheit nicht (mehr) ansteuern, weil sie zügig einkaufen wollen, ohne im Laden einer Fachkraft beim Goudascheibensäbeln zuzugucken.
Neues Personal, händeringend gesucht
Der zweite Grund ist das fehlende Personal. Fast alle Händler suchen derzeit händeringend nach Mitarbeiter:innen, die sie an der Theke einsetzen können, um die Kundschaft zu bedienen – oftmals erfolglos.
Die in Nordrhein-Westfalen beheimatete Supermarktkette Klaas+Kock ging zuletzt soweit, Leser:innen ihres Wochenprospekts einen Einkaufsgutschein im Wert von 100 Euro zu versprechen, wenn die erfolgreich eine:n Mitarbeiter:in für die Fleischtheke vermitteln, die bzw. der mindestens einen Monat beschäftigt bleibt:
„An unseren Fleischtheken ist der personelle Aufwand sehr hoch. Um Ihnen auch weiterhin frisches Fleisch, Wurst oder Käse verkaufen zu können, suchen wir dringend Mitarbeiter (gerne auch Quereinsteiger) für unsere Frischetheken.“
Zahlreiche andere Supermärkte haben auf die Personalknappheit mit verkürzten Öffnungszeiten reagiert: Tegut schließt Bedientheken früher, selbstständige Rewe-Kaufleute bestätigen gegenüber Fachmedien, bereits um 18 Uhr oder sogar schon um 15 Uhr die Ware abzuräumen.

Und sogar bei Edeka, wo die Theken seit jeher als Aushängeschild der Märkte gesehen werden, mit denen man sich unkopierbar vom Discount abgrenzen kann, tut sich bislang Unvorstellbares.
Wir öffnen erst um 11 für Sie
Selbst in neu eröffneten Edekas wie am westlichen Ende des Kurfürstendamms in Berlin ist die Wurst- und Käsetheke nicht mehr synchron zu den (bislang zugegebenermaßen großzügigen) Ladenöffnungszeiten besetzt, sondern öffnet „vorübergehend“ fünf Stunden später: um 11 Uhr am Vormittag.
Bis dahin schauen Kund:innen während ihres Einkaufs auf eine leere Auslage oder können Mitarbeiter:innen ab 10 Uhr dabei beobachten, wie sie gemächlich Ware einräumen, die dann aber noch nicht rausgerückt wird – weil ja offiziell noch nicht thekengeöffnet ist.



Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich der sinkenden Gunst, die den Frischetheken von einer zunehmenden Zahl an Kund:innen entgegen gebracht wird, so erfolgreich entgegensteuern lässt.
Für die Händler ist das ein echtes Dilemma. Denn insbesondere für selbstständige Marktbetreiber:innen sind die Verkäufe an der Theke wichtig für den Ertrag ihrer Läden. An der Frischetheke gaben Leute bislang auch mal ein bisschen mehr aus, wenn sie von Qualität und Besonderheit der Ware überzeugt waren. Lange gehörten die Theken deshalb zur Standard-Ausstattung der Supermärkte und nahmen einen entsprechend herausgehobenen Platz in den Läden ein.
Zuletzt sind die Umsätze, wie die „Lebensmittel Zeitung“ berichtet, bei vielen Händlern aber „spürbar zurückgegangen“; Kaufleute berichten von Verlusten im zweistelligen Bereich. Viele Kund:innen lehnen dankend ab, wenn sie jemand fragen will: Darf’s ein bisschen mehr sein?
„Genuss-Rabatt“ an der Frischetheke
Edeka Südwest versuchte im vorvergangenen Monate gegenzusteuern, indem Kund:innen mit Deutschland-Card 10-fach Punkte auf Ware aus der Bedientheke versprochen wurde; Edeka Minden-Hannover gibt derweil (schon länger) „Genuss-Rabatt“: „jeden Dienstag 20% auf Wurst aus der Frischetheke und im Frischpack“.
Und ein bisschen sieht es danach aus, als würde man gerade einem zentralen Supermarktbaustein der Vergangenheit beim Aussterben zusehen, oder?

Wie das vonstatten gehen kann, haben britische Supermarkt-Kund:innen bereits in Erfahrung bringen müssen: Marktführer Tesco hatte mehrfach Frischetheken in seinen Läden dichtgemacht, zuletzt eine dreistellige Zahl; Sainsbury’s verabschiedete sich schon vor fast zwei Jahren komplett aus dem Bediengeschäft, Asda folgte kurz darauf. Nur Waitrose wollte gegensteuern und kündigte eine verstärkte Konzentration aufs Thekengeschäft an. Dem sinkenden Marktanteil der Kette konnte das aber kaum etwas entgegensetzen.
Das britische Fachmagazin „The Grocer“ wollte den Theken trotzdem keine Träne nachweinen, und befürwortete gar das Aus dieser „unüberzeugenden Form des Handelstheaters“ (Abo-Text). Wobei dazu gesagt werden muss, dass es den britischen Theken – im Gegensatz zu vielen anderen in europäischen Ländern mit entsprechend ausgeprägter Tradition – oftmals an überzeugenden Sortimenten und fachkundigem Personal fehlte. Das meiste sei ohnehin vorgepackt und aufgetaut gewesen, dazu habe es am Training für Mitarbeiter:innen gemangelt.
Tesco und Asda kooperieren mit Metzgereien
Auch wenn die Umsätze hierzulande gerade ähnlich spürbar zurückgehen: Die Situation in Großbritannien dürfte sich nur schwer auf Deutschland übertragen lassen, wo insbesondere selbstständige Kaufleute durchaus Wert darauf legen, dass hinter ihrer Theke möglichst kompetente Leute stehen, die im Zweifel jedes Rind der lokalen Fleischlieferant:innen schon mal persönlich gestreichelt haben, bevor es geschlachtet wurde.
Aber die Situation in Großbritannien ist dennoch interessant, und zwar wegen der Strategien, mit denen die UK-Supermärkte ihre Bedientheken substituiert haben.



Asda kündigte an, „hot food stations“ an ihre Stelle zu setzen, wo Kund:innen sich vorbereitete Essen unterschiedlicher Landesküchen zum Heimverzehr mitnehmen könnten; gleichzeitig wurden – wie bei Tesco – einzelne Standorte an Halal-Spezialisten oder örtliche Metzgereien vermietet (z.B. McGees in Nordirland), die die Theken in den Läden auf eigene Rechnung betreiben – was ja nichts anderes ist als hierzulande die Regionalbäckereien in der Vorkassenzone, und deshalb durchaus auch für Deutschland vorstellbar. Nicht zuletzt sind an die Stelle mancher Theken auch die inzwischen unvermeidbaren Sushi-Würfel gezogen.

Die stehen bei Rewe, Edeka & Co. freilich oft schon zusätzlich zu den Theken in den Läden herum; und selbst wenn die Verlockung wächst, weitere Flächen an externe Partner zu vergeben, weil die eine feste Kommission (im Zweifel mit Umsatzbeteiligung) an die Ladenbetreiber:innen zahlen: Zu viele Quatschwürfel mit sehr spitzer Zielgruppe machen die Märkte auch nicht hübscher oder übersichtlicher.
Bedien-Theater auf der Großfläche
Fest steht lediglich, dass die Zeiten, in denen neue Edeka- und Rewe-Märkte automatisch mit meterlangen Bedientheken für Fleisch & Wurst, Fisch und Käse ausgestattet wurden, sich langsam dem Ende zuneigen.
Die einzige Ausnahme dürften größere Vorzeige-Standorte sein, die sich mit besonders breitem Sortiment und überdurchschnittlich hoher Frischekompetenz bei der Kundschaft zu etablieren versuchen.
Im vor einem Jahr komplett renovierten Rewe Center in Hamburg-Tonndorf zum Beispiel hat das Bedien-Theater einen höheren Stellenwert als je zuvor: Die Käsetheke ist ein einziger Traum in Holz, die Fisch-Theke glänzt in maritimem Blau und passendem Lampen-Arrangement und die Fleischtheke wird von edel aussehenden Kühlschränken mit Dry-Aged-Rindfleisch gesäumt. An „working points“ können Kund:innen zusehen, wie Mitarbeiter:innen „markteigene Kreationen herstellen“, die sich dann in den Auslagen daneben in Selbstbedienung entnehmen lassen.
Ebenso großen Wert auf Auswahl und Ambiente legt Edekas neues „Center No.1“ in Berlin-Steglitz (siehe Supermarktblog), das fast die Hälfte seiner 4.000 Quadratmeter umfassenden Verkaufsfläche für Bedien- und Gastrotheken reserviert hat. Die klassischen Bediensortimente haben allesamt ein eigenes Design im Markthallen-Ambiente und einen separaten Namen verpasst bekommen, ähnlich wie es Jumbo mit seinem Foodmarkt in den Niederlanden vorgemacht hat: Es gibt den „Kääs Markt“, „die Fischwerker“ und „die Fleischer“ samt „Grill mit Stil“, dazu Bars für Kaffee, Smoothies, Wein. Die Kund:innen sollen dableiben, gleich was essen, dann in Ruhe weiter einkaufen.
Die Discounter simulieren Thekenauswahl
Auch Durchschnitts-Supermärkte dürften sich aber schwer damit tun, die Frischetheken vollständig abzuschaffen – weil sie dann aus Kund:innensicht noch näher an die wieder aufholenden Discounter heranrücken.
Diese bemühen sich ihrerseits, den Supermarkt-Angeboten selbst mehr Frische entgegenzusetzen. Ohne Theke und zusätzliches Personal zwar, aber dafür mit erweiterter Auswahl: Für seine „Käsewelt“ hat Lidl schon vor längerer Zeit einen Kühlregalmeter freigeräumt, auf dem frisch abgepackte Käsesorten grammgenau abgewogen in Flechtkörben einsortiert sind (siehe Supermarktblog); Aldi Süd macht’s mit seiner frech „Frischetheke“ betitelten SB-Auswahl für Wurst und Käse genauso. Und Penny stellt im neuen „Markthalle“-Ladenkonzept eigene Kühltrühchen auf, in denen so genannte „Prepack“-Ware angeboten wird – was vielerorts aber eher traurig wirkt. Die Ware ist teurer als die regulär abgepackte, aber ohne die Budgets der individueller einkaufenden Kundschaft zu sehr zu strapazieren.


Die Frage ist, ob Supermärkte wie Edeka und Rewe sich irgendwann gezwungen sehen könnten, auf ähnliche Konzerte umzusteigen, wenn die Umsätze an der Theke weiter sinken und die Personalsituation so angespannt bleibt wie jetzt.
Richtig clever wäre es nicht, den konzeptionellen Vorteil gegenüber der Konkurrenz vollständig aufzugeben.
Tierwohlfleisch-Test bei Billa
Also versucht Rewe, Kund:innen mit neuen Sortimenten, z.B. veganen Produkten, an die Theke zu locken (siehe Supermarktblog). Die österreichische Schwester Billa plant derweil, ihre Bedientheken mit höhenwertigen Produkten aufzuwerten und verkauft zunächst in „ausgewählten Märkten“ seit kurzem nur noch Tierwohlfleisch, das preislich zwischen konventioneller Ware und Bio liegt. Der Aufschlag liegt bei 15 bis 20 Prozent, die Kund:innen bereit zu zahlen sein müssen, damit das Experiment gelingt. Weil sich damit nicht sämtliche Kosten decken lassen, investiert Billa laut „Cash“ (Text frei nach Anmeldung) zusätzlich „zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro“ – was ganz gut demonstriert, welche Bedeutung die Kette der Thekenrettung beimisst.
Am Stammsitz von Rewe in Köln scheint man derweil eine Kompromisslösung gefunden zu haben, um reguläre Bedientheken in Märkten ersetzen zu können, wo die Umsätze den Platz für üppige Aufbauten nicht mehr rechtfertigen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da testete die Handelskette im Zuge ihres neuen Ladendesigns noch zusätzliche Theken, u.a. eine (hier im Blog gelobte) für „Antpasti & Spezialitäten“, die nicht in erster Linie zur Bedienung von Kund:innen genutzt wurde, sondern zur Vorbereitung der genannten Produkte, die dann zum Mitnehmen gepackt in die angedockte Kühlung kamen. Das sah durchaus schick aus, setzte sich aber nicht durch.

Mogelpackung oder cleverer Bedien-Ersatz?
Der neue Ansatz ist quasi eine Rückbesinnung darauf, nur in viel kleinerem Maße, und gleichzeitig die Mini-Variante der „working points“ aus dem Rewe Center in Tonndorf: eine Wurst-Feinkost-Käse-Verpackungstheke, die zwar noch aussieht, als würde dort bedient, eigentlich aber bloß genutzt wird, um Mitarbeiter:innen sichtbar frische Ware aufschneiden und verpacken zu lassen, die dann in die die Kühlfächer an der Front verteilt wird. (Die dasselbe Design wie die klassische Bedienung nutzen.)



Als Theke ist eine solche SB-Variante zwar eigentlich eine Mogelpackung. Aber sie leistet trotzdem hervorragende Arbeit für Wahrnehmung und Marktambiente, weil Kund:innen weiter sehen, dass Ware an Ort und Stelle verarbeitet und portioniert wird, um eine Alternative zu industriell vorgepackten Produkten zu haben.
Das ist in vielerlei Hinsicht eine clevere Lösung, günstiger im Betrieb und personalsparend noch dazu – auch wenn sich eingefleischte Dry-Aged-Konsument:innen davon wohl kaum zum Marktwechsel überzeugen lassen werden. Die dürften an den dafür ausgewählten Standorten – hier in Berlin u.a. von Kaiser’s Tengelmann übernommene Läden – aber ohnehin in der Minderheit sein.
Zeitalter der Theken-Transformation
Trotz angespannter Lage wird das große Thekensterben in deutschen Supermärkten also vorerst ausbleiben. Wenn die Umsätze jedoch weiter abrutschen, müssen sich viele Handelsketten und Selbstständige sehr wohl fragen, wie sie die Verkaufsflächen künftig schlauer nutzen können, um ihre Erträge abzusichern.
Und ob es automatisch immer die klassische Bedientheke aus dem Werbemuseum sein muss, an der gut gelaunte Fleischfachverkäufer:innen einen flotten Spruch auf den Lippen haben, wenn die geduldig anstehende Kundschaft dankbar an die Reihe kommt, um einen Schweinenacken auf die Waage geworfen zu kriegen.
Langsam muss es auch mal jemand der Edeka-Hausagentur flüstern, damit die ihren nächsten Spot nicht komplett an der Ladenrealität vorbei schöpft: Das Zeitalter der Theken-Transformation hat begonnen!
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Der Beitrag Sinkende Umsätze, fehlendes Personal: Die ungewisse Zukunft der Frischetheken im Supermarkt erschien zuerst auf Supermarktblog.