Es waren andere Zeiten, als Rewe im März vor fast genau zehn Jahren seinen Teilnahmestart an „Deutschland größtem Bonusprogramm“ feierte, um sich zu Partnern wie Aral, Real und der erfolgreichen Warenhauskette Galeria Kaufhof zu gesellen. Gleich vier Seiten seines Wochenprospekts räumte man in Köln für ein „Payback aktuell“ frei, um die Partnerschaft zu feiern: Auf dem Titel linste ein charmanter Bärtiger hinter einer papiernen Zeitung am mit Köstlichkeiten geschmückten Frühstückstisch hervor, der vom Nutri-Score noch nie was gehört hatte; Betrachtende wurden zur augenblicklichen Beantragung einer Plastikmitgliedskarte aufgefordert; im Innenteil wurde die Verteilung ausgedruckter „Begrüßungs-Coupons“ zum Selbstheraustrennen angekündigt.
Irgendwo klein in der Ecke stand, dass es auch eine App gibt.
Und das Toilettenpapier im regulären Angebotsteil kostete noch die Hälfte.
Aber, wie gesagt: Es waren andere Zeiten. Und bald hat sich’s ausgepunktet: Anfang des Jahres bestätigte Rewe, seine Kooperation mit Payback nicht nur noch um zwei Jahre verlängert zu haben. Ende 2024 ist Schluss. Spätestens bis dahin muss die Handelskette ihr eigenes Kundenbindungsprogramm entwickelt haben.


Rabatte in der Rewe-eigenen App
Das ist, in erster Linie, ein Schlag für Payback: Fachmedien zufolge haben Rewe und die Discount-Schwester Penny (die dann ebenfalls raus ist) zusammen 17 der insgesamt 31 Millionen in Deutschland aktiven Payback-Karten ausgegeben. Der zu American Express gehörende Datenkrakerich wird große Mühe haben, einen adäquaten Ersatz im Lebensmitteleinzelhandel zu finden. (Nur Aldi ist in dieser Hinsicht bislang ungebunden – und hat gerade schon abgewunken.) Bislang ist zudem unklar, ob Rewe der einzige Abtrünnige bleiben wird. (Mehr dazu am Ende des Texts.)
Interessant ist in jedem Fall, wie genau die Alternative aussehen wird, mit der Deutschlands zweitgrößer Lebensmitteleinzelhändler Kund:innen künftig für ihre Einkaufsloyalität belohnen will.
(Hoffentlich vor allem: kreativer als der mut- und weitestgehend nutzlose Versuch von Lidl mit Lidl Plus, um dessen Aktivierung in vielen Filialen des Discounters vom Kassenpersonal gebettelt werden muss.)
Teilweise lässt sich bereits erahnen, wohin die Reise geht: Schon seit längerem nutzt Rewe die eigene Smartphone-App, um Kund:innen Vergünstigungen jenseits von Payback zu versprechen. Über eine digitale „Vorteilskarte“ lassen sich wöchentlich wechselnde Coupons einlösen, deren Aktivierung den rabattierten Einkauf von (Marken-)Artikeln verspricht, wie es inzwischen fast überall im Lebensmitteleinzelhandel üblich ist. Punkte für Treueaktionen gibt’s auch. Wer mag, kann zudem sein Payback einklinken.
10 Prozent aufs Mittelmarken-Sortiment
Gleichzeitig promotet Rewe vor allem zeitlich befristete Vergünstigungen seiner Eigenmarken: Bis zum 5. März gewährt man App-Nutzer:innen 10 Prozent Rabatt auf sämtliche der rund 1.300 Produkte von Rewe Beste Wahl (das gerade schon wieder ein neues Logo bekommen hat) – vorausgesetzt, mindestens zwei Beste-Wahl-Artikel landen im Einkaufswagen.

Die Aktion hilft, die Produkte der Mittelmarke zumindest vorübergehend auf Discount-Niveau zu bringen, ohne sie dauerhaft zu ja! überführen zu müssen (siehe dazu auch Supermarktblog).
Und sie gibt Kund:innen, die angesichts massiv gestiegener Lebensmittelpreise stärker aufs Budget schauen, das Gefühl, wenigstens etwas günstiger einzukaufen. (Wobei die Preise zahlreicher Discount-Eigenmarkenprodukte zuletzt erstmal erhöht wurden; siehe Rewe Preis-Bot auf Twitter.)
Ende des vergangenen Jahres hatte Rewe das Beste-Wahl- Sortiment schon mal um 10 Prozent runterrabattiert. Im Januar gab es außerdem 20 Prozent auf Getreidedrinks der Eigenmarke Rewe Bio + vegan – was großflächig auf Plakaten promotet wurde, inklusive der Aufforderung: „Jetzt Rewe App downloaden“. (Payback-Logo ist auf den Plakaten keins mehr zu sehen.)


Der Vorteil für die Handelskette liegt auf der Hand: Mit eigenem Programm zur Kund:innenbindung hat Rewe – anders als bei Payback – die volle Kontrolle über alle Daten, kann Einkaufsverhalten auswerten und verfügt über sehr viel mehr Spielräume, um auszuprobieren, mit welchen Mitteln sich die Loyalität der Nutzer:innen steigern lässt.
Ein Vörbild aus Österreich
Inspiration dafür gibt es zu allererst natürlich im Nachbarland Österreich, wo der Handelskonzern erst im Frühjahr 2021 ein eigenes Programm aufgesetzt hat: den jö Bonus Club. Der funktioniert in vielerlei Hinsicht ziemlich genau so wie es Mitglieder etablierter Bonussysteme gewohnt sind: Es gibt wochenaktuelle Vergünstigungen für bestimmte Produkte; und pro Umsatz-Euro lassen sich so genannte Ös sammeln, die drei Jahre lang gültig sind und für verschiedene Belohnungen eingelöst werden können.
Beim „Einkaufsbonus“ sorgen z.B. 100 Ös dafür, dass an der Kasse direkt 1 Euro vom Gesamtbetrag abgezogen wird; beim etwas komplexeren „Rabattsammler“ gibt es 10 Prozent Rabatt auf einen Einkauf, für den 150 Ös einzulösen sind (15 Prozent für 300 Ös, 20 Prozent für 500 Ös).

Im vergangenen Jahr hatten sich zunächst die Konditionen verschlechtert (1 Ö für 2 Euro Umsatz statt wie zuvor für 1 Euro Umsatz); Anfang dieses Monats stieg dann die Zahl der einzulösenden Ös beim „Rabattsammler“; und auch den Datenschutz hat Rewe regelmäßig am Hals, weil man bei der zuständigen Behörde einiges am Datensammel-Öniversum zu bemängeln hatte (wogegen die Gruppe jedes Mal Beschwerde einlegte).
Trotzdem nutzten zuletzt nach eigenen Angaben 4,2 Millionen Österreicher:innen (Stand: Frühjahr 2022) ihre jö-Bonuskarte, physisch oder per App, über die mittels jö&Go und den Technik-Partner Bluecode auch gleich bezahlt werden kann.
Ein Programm, mehrere Partner
Die größte Besonderheit des Programms ist, dass nicht nur die Unternehmen von Rewe International – Billa, Bipa, Penny und ADEG – an Bord sind, sondern auch andere Handelsketten: Libro (Schreibwaren und Geschenkideen), Pagro Diskont (Büromaterial), OMV (Tankstellen), Zgonc (Werkzeuge und Geräte), mjam (Lieferessen) u.a. Natürlich wäre es im Bereich des Möglichen, dass Rewe das jö-Prinzip auch auf seinen Heimatmarkt überträgt, zumal man mit Rewe, Penny, Toom Baumarkt und DER Touristik direkt vier starke Partner vorzuweisen hätte. Um weitere zu gewinnen, müsste man diese aber vor allem den anderen beiden großen Multipartnerprogrammen – Payback und DeutschlandCard – streitig machen, die es in Österreich so nicht gibt. Und das würde den Fokus doch arg davon ablenken, den digitalen Datenschatz zuallererst für sich selbst zu heben.
Genau darum wird es Rewe in nächster Zeit aber gehen (müssen), um Kund:innen dafür zu begeistern, sich im Zweifel neu zu registrieren, damit sie weiterhin das Gefühl haben, fürs Lebensmitteleinkaufen belohnt zu werden.
Und weil’s natürlich nervig ist, bis 2024 zu warten, um das Ergebnis präsentiert zu kriegen, lohnt es sich, schon mal aufzuschreiben, was alles möglich wäre für – sagen wir: „Rewe – Dein Club“, das dann als Erweiterung von „Rewe – Dein Markt“ funktionieren könnte.
1. Vorfahrt für Eigenmarken
Vergünstigungen an bestimmten Tagen oder zu Zeiten, an denen sonst in den Märkten wenig los ist wären praktisch und machbar, ganz bestimmt auch Rabatte, um die Kundschaft zurück an die Fisch- und Fleischtheken zu holen (siehe Supermarktblog); und in Großbritannien punktet Waitrose inzwischen wieder mit kostenlosem Heißgetränk zum Einkauf (die zwischenzeitliche Abschaffung hatte zu sinkenden Umsatzzahlen geführt).
Gleichzeitig ließen sich für Eigenmarken auch regulär höhere Treuepunkt-Gutschriften gewähren als fürs Restsortiment – eine hervorragende Gelegenheit, um sich im Clinch mit den großen Markenherstellern zu behaupten und den Kund:innen zu kommunizieren, dass sie auch Mittel-, Bio- oder Premiummarken zu guten Preisen kriegen, ohne zum Discounter rüberschielen zu müssen.
2. Lieferkostenfreiheit
Vor allem hat Rewe aber die Chance, das neu entwickelte Programm eng mit seinem breit aufgestellten Abhol- und Lieferservice zu verknüpfen, anstatt bloß gesammelte Punkte gegen Küchenutensilien und vergünstigte Hotelaufenthalte einzutauschen. „Rewe – Dein Club“ könnte Nutzer:innen der Rewe-Online-Services die regulären Gebühren fürs Abholen im Laden oder die Zustellung nachhause sprichwörtlich ersparen, entweder im Tausch für eine bestimmte Punktezahl oder (so wie beim Bonussystem der Deutschen Bahn) bei einem besonderen Status, der ab einer festgelegten Umsatzschwelle erreicht würde.
Was Stammkund:innen stark dazu verführen könnte, einen Großteil ihres Einkaufsbudgets weiterhin bei Rewe zu belassen, um fortlaufend in den Genuss der gewohnten Vorteile zu kommen.

3. Partner-Tests
Wenn’s noch ein bisschen ambitionierter sein darf, ließe sich so ein mitgliedschaftsgebundener Lieferkostenerlass z.B. auch auf Einkäufe bei einem Quick-Commerce-Partner wie Flink übertragen; oder direkt für die Lebensmittel-Bestellung bei Penny via Bringoo bzw. Wolt. Es müssen ja nicht alle Unternehmen immer direkt als Sammelpartner an Bord sein. Durch die Übertragung von Vorteilen auf solche Partner könnte Rewe aber hervorragend testen, ob sich eine Club-Erweiterung in Zukunft lohnen würde, weil Mitglieder sie nachfragen.
4. Zeitersparnis
Die amerikanische Drogeriemarktkette Walgreens verspricht Mitgliedern ihres Bonussystems „myWalgreens“ nicht nur, Geld zu sparen, sondern auch: Zeit. Im konkreten Fall z.B. dadurch, dass online oder per App bestellte Einkäufe innerhalb von 30 Minuten in der ausgewählten Walgreens-Filiale abgeholt werden können – oder innerhalb einer Stunde nachhause geliefert kommen.
Der Vorteil, schneller einzukaufen, ließe sich auch damit untermauern, einzelne (SB-)Kassen speziell für registrierte Club-Mitglieder zur Verfügung zu stellen. (Wobei die Gefahr wahrscheinlich groß wäre, dass sich alle anderen so sehr darüber ärgern, daneben stehen zu müssen, dass sie leichter zur Konkurrenz wechseln.)
5. Vorteilsplus im Abo
Und dann muss sich Rewe entscheiden, ob man das Modell adaptieren möchte, das zahlreiche nicht-deutsche Supermarktketten bereits testen und das hierzulande vorübergehend von Real eingeführt worden war (siehe Supermarktblog): ein kostenpflichtiges Abo, bei dem Kund:innen für einen fixen Monats- oder Jahresbetrag nach dem Amazon-Prime-Vorbild eine Vielzahl von Vergünstigungen erhalten, die Nutzer:innen des kostenlosen Standard-Clubs nicht zur Verfügung stehen.
Walmart liefert Abonnent:innen von Walmart+ (für 12,95 $ monatlich bzw. 98 $ pro Jahr) z.B. das Streaming-Angbot von Paramount+ dazu, erlässt Nutzer:innen die Lieferkosten für Bestellungen aus den Läden (ab 35 $) und reserviert ihnen die Nutzung von Scan & Go im Markt, was auch zur Diebstahlvorbeugung ganz praktisch sein dürfte. Carrefour testete mit Carrefour+ in Frankreich ein ähnliches Modell. Und Rewe hätte durchaus das Potenzial, dasselbe in Köln oder Berlin auszuprobieren, um die Bereitschaft bei deutschen Kund:innen anzupieksen.
Ideen, ein zeitgemäßes Programm zur Bindung von Kund:innen auf die Beine zu stellen, von dem der Händler und seine Kund:innen beim Lebensmitteleinkauf gleichermaßen profitieren (und das dadurch den Wechsel zur Konkurrenz erschwert), gibt es zuhauf.
Es wird allerhöchste Zeit für Rewe, sie zu nutzen.
Oh, und das noch:
Nach 2024 könnte auch das darauffolgende Jahr ein interessantes Jahr für Deutschlands bislang größtes Bonusprogramm werden. Dann würde nämlich die zuletzt 2019 um sechs Jahre verlängerte Kooperation mit dem Partner dm auslaufen. Und der unternimmt seit einiger Zeit ja nun wirklich alles, um Kund:innen für Rabatte in seine eigene App zu locken bzw. allerspätestens in zweieinhalb Jahren keinen Dienstleister mehr zu brauchen, dem man für einen weniger umfassenden Dateneinblick sehr viel Kohle überweisen muss. Anders formuliert: Uiuiuiuiui, Payback.
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Der Beitrag Nach der Trennung von Payback: 5 gute Ideen für „Rewe – Dein Club“ erschien zuerst auf Supermarktblog.