Eigenmarken wurden von deutschen Lebensmittel- und Drogerieartikelhändlern lange vor allem eingesetzt, um Kund:innen beim Einkauf eine – in der Regel – günstigere Alternative zu klassischen Markenprodukten zu geben. Aber so einfach ist das längst nicht mehr, denn die Grenzen zwischen Eigenmarken und herkömmlichen Marken verschwimmen zunehmend.
Das liegt u.a. daran, dass die Händler begriffen haben, unter eigenem Namen auch höherwertige Produkte anbieten zu können, die von Konsument:innen als gleichwertiger Ersatz für reguläre Marken begriffen werden (und höhere Margen erlauben).
Gleichzeitig formieren sich in der Branche neue Allianzen – etwa um solche zu ersetzen, die über Jahrzehnte hinweg erprobt waren, aber angesichts unterschiedlciher Preisvorstellungen nach und nach zu zerbrechen beginnen.
Edeka zum Beispiel liegt nachhaltig im Clinch mit großen Herstellern wie Mars, die höhere Preise für ihre etablierten Marken durchzusetzen versuchen; die anhaltende Weigerung, diese an die eigene Kundschaft weiterzureichen, hat bei Edeka zu Lieferstopps und leeren Regalen geführt, inzwischen sogar zur Komplettauslistung betroffener Marken in den Märkten. Um für Ersatz zu sorgen, ist man in Hamburg schon länger bereit, kreative Wege zu gehen und z.B. neue Eigenmarken zu erfinden (so wie im Ketchup-Krieg von 2019).
Edeka verbündet sich mit Migros
Nun verbündet sich Edeka laut „Lebensmittel Zeitung“ mit der Schweizer Handelskette Migros und will deren Produkte anbieten: derzeit geht es um die Kaugummi-Eigenmarke Skai (als Ersatz für Orbit, Wrigley’s, Airwaves und Hubba Bubba) sowie das Kaffeesystem Coffee B, dessen Start in der Schweiz die „NZZ“ gerade als „eher harzig“ einstufte.
Dabei sind Händler, die sich mit anderen Händlern zusammentun, um deren Eigenmarken zu verkaufen, längst keine Seltenheit mehr.
Vor einem Monat kündigte der Burgwedeler Drogeriemarktbetreiber Rossmann an, ausgewählte Eigenmarken-Produkte künftig der österreichischen Handelskette Spar zur Verfügung zu stellen. Zum Start sollen Pflegeartikel der Rossmann-Marke Isana in den Spar-Regalen verfügbar sein, und zwar aus den Kategorien „Haut & Körper“, „Hair“, „Kids“, „Men“ und „Face“. Los geht’s, wie Spar auf Supermarktblog-Anfrage erklärt, voraussichtlich im Juni mit „gut 40 Produkten“ – einer noch überschaubaren Zahl. Von Rossmann heißt es auf Anfrage:
„Grundsätzlich können wir uns auch vorstellen, dieses Angebot perspektivisch auszuweiten.“
Immer hochwertiger positionierte Eigenmarken
Die Kooperation ist für beide Partner von Nutzen:
Spar sichert sich Artikel einer in Deutschland etablierten Marke, die Kund:innen im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel so sonst nicht zur Verfügung steht, und differenziert sich damit vom Wettbewerber Rewe, der in Österreich die eigene Drogeriemarktekette Bipa führt (deren Eigenmarken teilweise auch über das zu Rewe gehörende Billa verkauft werden); Rossmann wiederum erschließt sich zusätzliches Umsatzpotenzial in einem Nachbarland, in dem das Unternehmen bislang nicht mit eigenen Märkten vertreten ist (im Gegensatz zum deutschen Hauptkonkurrenten dm).

Die Kooperation soll auf weitere Spar-Länder ausgeweitet werden: Slowenien, Kroatien und Norditalien. Auch dort ist Rossmann nicht vertreten, kann aber über den Verkauf via Spar testen, wie die Eigenmarkenprodukte dort ankommen. Nur in Ungarn würde es Überschneidungen der Filialnetze geben.
Wenn die Partnerschaft erfolgreich ist, dürften weitere bekannte Rossmann-Marken folgen, von denen einige selbst immer stärker im Stil klassischer Marken positioniert sind. Die Putz- und Reinigungsmittel unter dem Namen EcoFreude z.B., Produkte der Naturkosmetikreihe Alterra – sogar Spülmittel der konventionellen Rossmann-Marke Domol sind inzwischen teilweise hochwertiger verpackungsdesignt als mancher Markenwettbewerber.

Was kostet Isana bei Spar?
Gleichwohl wird es interessant zu sehen sein, wie Isana bei Spar preislich positioniert sein wird.
Die Unternehmen wollen sich dazu bislang nicht äußern. Diese Informationen würden erst zum Launch vorliegen, heißt es bei Spar. Eine Rossmann-Sprecherin erklärt, man nehme „bei der Kooperation mit SPAR Österreich eine andere Rolle ein und [sei] nicht der Händler, sondern der Lieferant – ein Lieferant mit Handelserfahrungen“:
„Zu Produktpreisen bei SPAR können wir uns nicht äußern.“
Macht nix, ein paar Grundsätzlichkeiten lassen sich auch so ableiten:
- Die Übernahme des deutschen Preisniveaus wäre aus einem einfachen Grund schwierig: Die Preise dürften allerdings nicht sortimentsübergreifend dafür kalkuliert sein, dass eine dritte Partei (neben dem Hersteller und Rossmann) daran mitverdient;
- gleichzeitig wird Spar kaum ein Interesse daran haben, die Rossmann-Marken deutlich über Eigenmarken-Entsprechungen von dm und Bipa zu bepreisen;
- praktischerweise scheint dm in Österreich für seine Eigenmarken ohnehin leicht höhere Preise als im Heimatmarkt zu verlangen (siehe die Online-Shops dm.de und dm.at) – genau diese Spanne könnte Spar und Rossmann helfen, den Verkauf für beide Seiten profitabel zu gestalten;
- möglich wäre auch, dass Spar Isana als Mittelmarke zu leicht höheren Preisen anbietet, zumal der klassische Preiseinstieg weiter durch Spar-eigene Marken wie „Beauty Kiss“ abgedeckt bleiben wird …
- … oder Spar positioniert Isana zu vergleichbaren Preisen wie Rossmann in Deutschland und macht damit eine Ansage an die Konkurrenten.
Aktuell scheint sich eine Kombination der genannten Strategien abzuzeichnen, zumindest mit Blick auf die ersten doch schon im Interspar-Online-Shop verfügbaren Isana-Produkte:

Isana Pflegecreme Reichhaltige Pflege kostet bei Interspar online aktuell 1,49 Euro, Rossmann führt den Artikel für 1,19 Euro; das Isana Duschgel Lemon & Lime kostet bei Interspar online aktuell 89 Cent, Rossmann führt es zu 65 Cent; Isana Tagescreme Q10 Anti-Falten Power LSF 30 kostet 2,99 Euro bei Interspar Online und dasselbe bei Rossmann. (Die unterschiedlichen Preise können freilich auch möglichen Online-Aufschlägen geschuldet sein, das lässt sich von Berlin aus leider nur schwer überprüfen.)
Interspar kennzeichnet die Rossmann-Artikel online mit dem Hinweis „Immer billig!“.
Das schlaue Alnatura-Modell …
Für den deutschen Bio-Fachhändler Alnatura ist diese Kooperationsform ein alter Hut. Die Darmstädter:innen setzen mit ihren unter eigenem Namen hergestellten Produkte seit jeher auf eine Doppelstrategie: In den eigenen Läden sind Alnatura-Artikel eine günstigere Alternative zu den Produkten klassischer Bio-Markenhersteller; bei Kooperationspartnern im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (und in Drogeriemärkten) positioniert sich Alnatura selbst ein Stück weit als Fachhandels-assozierte Bio-Herstellermarke.
Das ist schlau. Dementsprechend dürften auch die Preise für die Produkte kalkuliert sein.
Diese liegen in vielen Fällen einige Cent höher als bei den Bio-Eigenmarken konventioneller Händler (Rewe Bio, Rossmanns EnerBio usw.). So garantiert Alnatura im Zweifel, dass alle in der Vertriebskette beteiligten Parteien daran verdienen (Hersteller + Alnatura bzw. Hersteller + Alnatura + Partnerhändler).
… und sein unberechenbares Risiko
Malte Reupert, Betreiber der unabhängigen Leipziger Biomarktkette Biomare deutete kürzlich laut „Über Bio“ bei einer Branchendiskussion an, die Handelsmarken der großen Biomarktketten seien so kalkuliert, „dass die Unternehmen nur durch die höheren Aufschläge bei den Artikeln von Markenherstellern überleben könnten, weil eben diese die billigen Preise quersubventionieren würden“ – aber das dürfte sich allerhöchstens auf den Betrieb der eigenen Märkte beziehen; andernfalls würde Alnatura mit dem Verkauf seiner Produkte bei anderen Händlern wissentlich Verluste in Kauf nehmen, und zumindest das scheint mir – sagen wir: unplausibel.
Über einen ähnlichen Spielraum dürften andere Fachhändler wie die Berliner Company verfügen, die ihre eigentlich für eigene Läden konzipierte Eigenmarke inzwischen auch über den Lieferservice Oda vertreibt (wo die Produkte nach Oda-Angaben genau so viel kosten sollen wie im Laden).
Gleichzeitig birgt die beschriebene Kooperationsstrategie die Gefahr, dass ein Händler mittelfristig den Verlust der Preishoheit über seine Eigenmarkenprodukte verliert – und einen Schaden für die Marke riskiert.
Gleiches Produkt, deutlich höherer Preis
Auch hierfür ist Alnatura ein ganz gutes Beispiel: Denn die in den eigenen Märkten verlangten „Dauerpreise“ (siehe Supermarktblog) entsprechen z.B. eher selten denen bei Lebensmittel-Lieferdiensten.
Alnatura-Kichererbsen im Glas gibt’s im Alnatura-Markt (und beim eigenen Lieferservice) für 1,29 Euro, Alnatura Frischkäse in der Doppelrahmstufe für 1,49 Euro, Alnatura Pesto Basilico für 1,99 Euro (jeweils UVP); Bringmeister-Kund:innen müssen für dieselben Produkte (die über den Partner Edeka bezogen werden dürften) 1,65 Euro, 1,89 Euro und 2,49 Euro bezahlen.
Der Alnatura Black-Bean-Cashew-Burger zu 2,89 Euro, die Alnatura Spinat-Cashew-Taschen zu 2,89 Euro und die Kokos-Natur-Joghurtalternative zu 1,99 Euro (jeweils UVP) schlagen beim Sofortlieferdienst Gorillas mit 3,59 Euro, 3,49 Euro und 2,39 Euro zu Buche.
Auch beim Kauf von Alnatura-Artikeln über Teguts inzwischen eingestellten Sofort-Lieferservice-Test bei Lieferando mussten Kund:innen tiefer in die Tasche greifen (siehe Supermarktblog).
(Dass Knuspr die Alnatura Gemüsestäbchen zu 2,99 Euro [UVP] zuletzt für 5,59 Euro führte, scheint immerhin ein Versehen gewesen zu sein – und ist wieder rückgängig gemacht.)

Die Preisanpassungen könnten der Tatsache geschuldet sein, dass beim Verkauf über Lieferdienste vier Parteien mitverdienen müssen (Hersteller + Alnatura + LEH-Partner (in Großhandelsfunktion) + Lieferdienst). Gleichzeitig teilen Händler dieses Schicksal natürlich mit den Herstellern klassischer Markenprodukte.
Die Günstig-Positionierung wackelt
Allerdings könnte der Preisspagath dazu führen, dass eine Händlermarke von Kund:innen auf Dauer teurer wahrgenommen wird als es dem Handelsunternehmen lieb sein dürfte – weil damit die Positionierung als günstige Herstellermarkenalternative zu wackeln beginnt. Mag sein, dass das für Alnatura im ohnehin als höherpreisig wahrgenommenen Fachhandel verschmerzbar ist; aber das gilt nicht automatisch auch für andere Partnerschaften.
So verlockend die Kooperationen mit anderen Handelsketten zum Vertrieb händlereigener Marken auch sein mögen: In allererster Linie sind sie eine Rechenaufgabe, bei der die langfristige Markenwahrnehmung als ziemlich unsichere Variable eingeplant werden muss.
Das scheinen die Handelsketten aber durchaus in Kauf zu nehmen, um neue Vertriebskanäle zu erschließen und unabhängiger von den Preisfantasien internationaler Konzerne zu werden. Jedenfalls so lange die Kund:innen mitspielen.
Das Supermarktblog erscheint unabhängig von großen Verlagen. Ihre Unterstützung hilft mir dabei, dass hier im Blog auch in Zukunft unabhängige und kritische Texte publiziert werden können. Machen Sie mit? Geht ganz einfach und dauert nur eine Minute. Herzlichen Dank dafür! |
Der Beitrag Rossmanns Kooperation mit Spar: Die Rechenaufgabe vom erfolgreichen Eigenmarken-Sharing erschien zuerst auf Supermarktblog.