Merken Sie’s auch? Es wird Frühling! Und der deutsche Liefermarkt gleicht einem emsigen Bienenschwarm auf Nektarsuche: ein ewiges Surren um die besten Plätze. Nach Jahren der Expansion und teuren Solo-Touren haben die verbliebenen Anbieter eine erstaunliche Erkenntnis gewonnen: Zusammen schmeckt der Honig besser. Oder lässt sich zumindest effizienter einsammeln.
Wocheneinkauf bei Wolt: Drei-Stunden-Lieferung statt 35-Minuten-Versprechen?

Ein perfektes Beispiel für diesen Kooperationskurs: Knuspr macht ab heute sein 15.000 Produkte umfassendes Sortiment in Berlin über einen neuen Kanal zugänglich – die App von Wolt.
Die Konditionen sind dieselben wie auf knuspr.de: Bestellen ist ab 39 Euro möglich, ab 79 Euro wird die Lieferung kostenlos (interessante Ausnahme: für Abonnent:innen von Wolt+ schon ab 69,99 Euro). Eine Ausweitung der Kooperation auf die weiteren Knuspr-Liefergebiete im Großraum München und das Rhein-Main-Gebiet ist geplant.
Wolt ist hierzulande bereits der zweite Plattformpartner für die Tochter der tschechischen Rohlik-Gruppe. Ende des vergangenen Jahres hatte man sich mit Amazon zusammengetan (siehe Supermarktblog), das Knuspr nach dem Aus für den hauseigenen Lebensmittel-Lieferdienst Fresh inzwischen sehr prominent auf seiner Seite featured (im Hauptmenü von amazon.de steht „Knuspr“ noch vor „Prime Video“ und App-Nutzer:innen erhalten von Amazon Push-Nachrichten für den Lebensmitteleinkauf via Knuspr).
Offensichtlich hat man sich bei Knuspr entschieden, fokussierter zu wachsen als es andere Lieferanbieter (wie der norwegische Dienstleister Oda) bislang ausprobiert haben. Anstatt auf klassische Plakat- und Werbekampagnen zu setzen, versucht man zuerst die Kund:innenpotenziale etablierter Plattformen zu erschließen. Das ist durchaus clever, da Amazon- und Wolt-Nutzer:innen ja bereits (Lebensmittel-)bestellaffin sind.
Vorausgesetzt, die Kooperation erweiset sich als erfolgreich, bestünde theoretisch auch die Möglichkeit, Rohlik und Gurkerl in Prag und Wien zu integrieren – in beiden Städten ist Wolt ebenfalls aktiv.
Für Wolt ist der Deal jedoch ein zweischneidiges Schwert: Einerseits kann man mit Knuspr das Profil im Lebensmittel-Liefergeschäft deutlich stärken. Das passt zur Kampagne, mit der sich Wolt derzeit als Einkaufshelfer positioniert. Auf Plakaten und in Anzeigen mit Obst, Gemüse und weiteren Alltagswaren steht gerade der Slogan: „Wie wär’s mit Simsalabring?“ bzw. „Wie wär’s mit Shoppen ohne Schleppen?“

Darunter verspricht Wolt aber, den „Wocheneinkauf in ca. 35 Minuten“ zu liefern. Das kann man mit Knuspr natürlich nicht einhalten. Auch Bestellungen via Wolt werden im Knuspr-Logistikzentrum in Berlin-Schönefeld kommissioniert und mit der eigenen Logistik ausgeliefert – frühestens drei Stunden nach der Bestellung.
Das ist immer noch schnell, könnte jedoch die bisherige Positionierung von Wolt aufweichen – und das dürfte eigentlich nicht im Sinne der Doordash-Tochter sein.

Knuspr dürfte die neue Kooperation bei der Auslastung des eigenen Diensts helfen, wobei dieser (zumindest in Berlin) nach wie vor mit operativen Herausforderungen kämpft.
Die Lieferung für Premium-Kund:innen in einem vorher festgelegten 15-Minuten-Zeitfenster funktioniert weiterhin eher zufällig und ist nach meiner subjektiven Erfahrung tendenziell zu früh oder zu spät. (Letzte Verspätung: 63 Minuten.)
Auch bei der Fahrzeugflotte muss Knuspr Kompromisse machen. Während man bisher damit argumentierte, auf „speziell ausgestattete Fahrzeuge mit Temperaturführung“ zu setzen, um Lebensmittel möglichst frisch transportieren zu können, kommen Lieferungen in der Praxis zunehmend mit Miettransportern ohne erkennbare aktive Kühlung.
Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt eine Knuspr-Sprecherin dazu:
„Aufgrund der anhaltend starken Nachfrage passen wir unsere Flottengröße dynamisch an. Neben den üblichen Knuspr-Fahrzeugen, die mit aktiver Kühlung durch fest verbaute Kühlschränke ausgestattet sind, setzen unsere Delivery-Service-Partner bei Nachfragespitzen (z.B. montags, freitags, samstags) ergänzend auch Fahrzeuge ohne integrierte Kühlung ein.“
In diesen Fahrzeugen erfolge die Kühlung passiv mittels isothermischen Poliboxen mit Trockeneis. Meine Einkäufe kamen zuletzt regelmäßig auch außerhalb klassischer „Nachfragespitzen“ mit Sixt-Transportern; ähnliches berichten Kund:innen anderer Berliner Bezirke.
Für die versprochene Elektrifizierung der Flotte kann Knuspr auch fast ein Jahr nach dem Berlin-Start kein konkretes Datum nennen. Man stehe „immer noch vor der Herausforderung der langen Lieferzeiten für die Ladeinfrastruktur“, heißt es.
Neuaufstellung im Hintergrund: Positioniert sich Flink für die Übernahme?

Während sich Knuspr demonstrativ kooperationsbereit gibt, rumort es beim letzten verbliebenen großen Expresslieferdienst in Deutschland. Medienberichten zufolge vollzieht sich bei Flink gerade ein Führungswechsel: Der bisherige CEO Oliver Merkel solle das Unternehmen angeblich Ende März verlassen, sein Vertrag werde nicht verlängert, berichteten „Manager Magazin“ (Abo-Text) und „Business Insider“ im Februar. Stattdessen solle der Mitgründer und bisherige Co-Vorstand Julian Dames die Leitung übernehmen.
Laut „Manager Magazin“ steckt hinter dem Wechsel ein Machtkampf im Vorstand. Dazu kommt, dass Rewe den Flink-Aufsichtsrat im März auf einer außerordentlichen Hauptversammlung von neun auf fünf Mitglieder verkleinern wollte („Die derzeitige Größe … wird als nicht mehr notwendig erachtet“).
Diese Entwicklungen werten Beobachter:innen als mögliches Anzeichen für eine Übernahme (z.B. durch Rewe). Laut Medienberichten soll Dames als neuer CEO dem aufgeschlossener gegenüberstehen als sein Vorgänger.
Eine Supermarktblog-Anfrage zu diesem Thema blieb von Flink bis zur Veröffentlichung dieses Texts unbeantwortet.
Eine stärkere Einflussnahme oder sogar eine mögliche Übernahme durch Rewe erscheinen strategisch durchaus plausibel. Der Kölner Konzern ist bereits Anteilseigner und wichtiger Kooperationspartner von Flink und lässt über Lieferando unter dem Namen „Rewe express“ von Flink Lebensmittel ausliefern. Eine engere Verbindung oder Integration würde es Rewe ermöglichen, Flink noch gezielter als Zusatzangebot zum klassischen Rewe Lieferdienst zu positionieren – im Zweifel unter dem bereits erprobten Namen „Rewe express“ (der allerdings irritierenderweise auch als Tankstellen-Shop weiter existiert und expandiert.)
Nach Supermarktblog-Informationen soll Flink vor kurzem außerdem mehrere Dutzend Mitarbeiter:innen betriebsbedingt gekündigt haben, darunter möglicherweise auch Kommunikationsverantwortliche. Dazu hat sich das Unternehmen auf Supermarktblog-Anfrage bislang ebenfalls nicht geäußert (was eher untypisch ist).
Interpretationen der möglichen Entlassungswelle gehen auseinander: Loyalitätsgründe, Finanzierungsprobleme – es wäre aber auch denkbar, dass Flink Personal freistellt, das im Falle einer Übernahme redundant würde.
Dass tatsächlich größere Veränderungen anstehen könnten, zeigt auch eine kürzlich verschickte Einladung zur nächsten außerordentlichen Hauptversammlung am 28. April. Auf der Agenda stehen zwei bemerkenswerte Punkte: Zum einen soll das Grundkapital um bis zu 4,7 Prozent durch neue Aktien erhöht werden, die exklusiv an ein Vorstandsmitglied und acht Führungskräfte ausgegeben werden – unter Ausschluss des Bezugsrechts bestehender Aktionär:innen. Zum anderen soll der Vorstand ermächtigt werden, bis 2030 weitere Aktien (ca. 1 Prozent des Grundkapitals) für Mitarbeiter:innen, Vorstandsmitglieder und Berater:innen auszugeben.
Diese Maßnahmen deuten auf eine tiefgreifende Restrukturierung hin, bei der man Schlüsselpersonal durch direkte Unternehmensbeteiligung binden will. Gleichzeitig könnte es sich um Vorbereitungen für eine Übernahme handeln – die Umwandlung virtueller Aktien in echte Anteile für die acht Führungskräfte würde deren Position bei einem möglichen Eigentümerwechsel stärken und könnte Teil der Verhandlungen sein.
Die langfristige Ermächtigung zur Aktienausgabe bis 2030 gibt dem (möglicherweise neu besetzten) Vorstand zudem erhebliche Flexibilität ohne weitere Hauptversammlungen.

Eine weitere interessante Option wäre übrigens die Übernahme von Flink durch den derzeitigen Exklusivpartner Lieferando bzw. dessen Mutterkonzern Just Eat Takeaway – dem schon einmal Interesse nachgesagt wurde und der bereits eine geringe Beteiligung an Flink halten könnte (siehe Supermarktblog). In diesem Szenario könnte Rewe seine Anteile verkaufen, aber als exklusiver Lieferpartner trotzdem vom Quick-Commerce-Sektor profitieren.
Für Lieferando, das bisher eher zögerlich an eigenen Express-Lösungen gearbeitet hat (siehe Supermarktblog), wäre der Deal ein Schnellstart im Lebensmittel-Sofortliefergeschäft, in dem man zunehmend ambitionierter auftritt. Der Marktführer könnte Flink in seine Plattform integrieren und mit „Rewe express“ eine starke Partnermarke im Portfolio behalten.
Allerdings stünde einer solchen Übernahme zunächst wohl das Bundeskartellamt im Weg. Da Lieferando in Deutschland bereits eine marktbeherrschende Stellung im Essensliefergeschäft innehat, könnten die Wettbewerbshüter:innen eine zusätzliche Konzentration im Liefermarkt kritisch sehen. Alternativ ließe sich argumentieren, dass der Quick Commerce für Lebensmittel ein anderes Marktsegment darstellt als die Restaurantlieferung – zumal in größeren Städten mit Wolt, Uber Eats und Knuspr noch relevante Wettbewerber existieren.
Unabhängig von möglichen kartellrechtlichen Hürden könnten die aktuellen Kapitalmaßnahmen und Umstrukturierungen bei Flink sowohl eine engere Anbindung an Rewe als auch die Vorbereitung für einen Verkauf an einen anderen Marktteilnehmer bedeuten. Dass Veränderungen anstehen, scheint jedoch immer wahrscheinlicher.
Medizin im Mikrolager: Flink erweitert mit Apotheken und DocMorris das Sortiment

Parallel zu den Führungsturbulenzen erweitert Flink sein Sortiment: In der App ist mittlerweile prominent – und farblich abgehoben über den regulären Kategorien – eine umfassende Arzneimittelauswahl positioniert: „Erkältung & Schmerzmittel“, „Beauty & Pflege“, „Sonstige Arzneimittel“, „Kinder & Familie“, „Sanitätshaus“ sowie „Vitamine, Sport & Ernährung“.
Dafür kooperiert Flink in drei Städten mit stationären Apotheken, die auch konkret als Lieferpartner in der App benannt sind: die Apotheke Kürsch in Köln, die Stresemann Apotheke in Hamburg und die Arcaden Apotheke in Berlin. In einem Pop-up werden Kund:innen informiert:
„Dieses Sortiment wird nicht von Flink, sondern von einem Drittanbieter verkauft. Flink liefert die Medikamente im Auftrag der folgenden Apotheke: (…)“
Auch die Öffnungszeiten für die Zusatzsortimente sind apothekengebunden eingeschränkt.

Flink scheint mehrere Strategien zu testen, um im neuen Sortiment Fuß zu fassen. Wie „Apotheke adhoc“ (mit Anmeldung) zuerst berichtete, hat der Lieferdienst auch erste ausgewählte Produkte der DocMorris-Eigenmarke ins Sortiment aufgenommen. Der Zugriff darauf erfolgt durch die bestehende Kooperation mit DocMorris-Partner Rewe. Flink erklärte, man liefere „diese in allen Flink-Städten in Deutschland aus“. Allerdings handelt es sich dabei bislang um gerade einmal vier Eigenmarken-Produkte (Meerwasser Nasenspary, B12 Vitamin Kur, Wärmepflaster, Heiße Zitrone).
Durch die Apotheken-Kooperation positioniert Flink seine Plattform und Marke erstmals in größerem Stil über das reine Lebensmittelsortiment hinaus – so wie es Wolt, Lieferando und Uber Eats vorgemacht haben. Sollte das erfolgreich sein, ließe sich die Kooperation theoretisch auf weitere Sortimente und Spezialanbieter ausweiten. Damit würde Flink selbst stärker in Richtung Plattformbetreiber rücken.
Die aktuellen Umstrukturierungen lassen in jedem Fall erahnen, dass der Quick-Commerce-Anbieter in Pink seine Zukunft nicht mehr lange als unabhängiger Einzelkämpfer sieht, sondern als Teil eines größeren Lieferökosystems in Rot oder Orange. Die Frage ist nur noch, wer künftig das Sagen hat.
Teile der Recherche für diesen Text erfolgten mit Unterstützung von North Data GmbH.
Nachtrag, 3. April: Seit April steht unter „Vorstand“ im Impressum der Flink-Website nur noch der Name von Julian Dames.
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Der Beitrag Warum Knuspr jetzt mit Wolt kooperiert und wer Flink übernehmen könnte erschien zuerst auf Supermarktblog.