Es ist noch keine acht Monate her, dass Mark Hübner vor versammelter Presse beim ersten „Knuspr Food & Facts Table“ in Berlin gut gelaunt und voller Tatendrang auf die ersten Monate nach dem Start zurückblickte. Selbstbewusst erklärte er, welchen Herausforderungen man sich stellen wolle, um die Hauptstadt zu Knusprs größtem Standort in Deutschland zu machen – und den etablierten Handelsketten Marktanteile abzujagen.
Er schilderte, wie man auf die Zusammenarbeit mit regionalen Landwirt:innen und Manufakturen setze und warum das Sortiment „Herzstück für den Erfolg“ sei, um gegen die Konkurrenz zu bestehen.

Umso überraschender kam nun kurz vor Ostern die Meldung, dass Hübner seine Rolle als Geschäftsführer von Knuspr und der österreichischen Tochter Gurkerl schon wieder abgegeben habe – fast genau auf den Tag ein Jahr nach dem Berlin-Start (siehe Supermarktblog).
Der nächste
-Chef ist weg
Die Entscheidung sei „aus persönlichen Gründen“ und „im besten Einvernehmen“ mit der tschechischen Muttergesellschaft erfolgt, heißt es offiziell. Die interimistische Leitung beider Unternehmen übernimmt Olin Novák, bislang VP of Markets bei der Rohlik Group, der nun an mehreren Tagen pro Woche zwischen München, Berlin und Wien pendelt.
Novák kennt sich mit dem neuen alten Job bestens aus: Denn er musste schon mal bei Knuspr einspringen – Anfang 2023, als der damalige CEO Erich Comor das Unternehmen verlassen hatte. Ebenfalls „auf eigenen Wunsch“ und „weil die neue Rolle mehr Energie und Zeit“ erfordere, „als er im Moment aufbringen“ könne“, hieß es damals gegenüber Fachmedien.
Merkwürdig war damals: Erst wenige Wochen zuvor hatte Comor im Zuge der Zusammenführung des Deutschland- und Österreich-Geschäfts auch die Führung der Knuspr-Schwester Gurkerl in Wien mit übernommen, bei der zuvor der bisherige CEO Maurice Beurskens gegangen war. Sein „Antrittsinterview“ für die Fachpresse im Nachbarland erschien anschließend quasi zeitgleich mit seinem plötzlichen Ausscheiden.
Bevor Mark Hübner wiederum zum 1. November 2023 in die Knuspr-Geschäftsführung aufrückte (zuvor war er als Group Chief Commercial Officer bei der Rohlik Group tätig), führte ein Interimsteam aus Novák, Lorenz Diederichs, Carolin Kracmer und Stephen Lüger die Geschäfte.
Ungünstiges Timing für den CEO-Wechsel
Drei Wechsel in etwas mehr als zwei Jahren? Diese Fluktuation wirft auf jeden Fall Fragen auf. Hübners Abgang ist auch ungewöhnlich, weil Knuspr erst in den vergangenen Wochen gleich zwei strategisch wichtige Partnerschaften bekannt gegeben hatte: im März die mit Wolt (siehe Supermarktblog). Und Ende 2024 die mit Amazon (siehe Supermarktblog), das Knuspr inzwischen sehr prominent auf seiner Seite featured und Kund:innen per Push-Nachricht zu aktivieren versucht.
Als ehemaliger Verantwortlicher für Amazon Fresh Deutschland dürfte Hübner auch wesentlich dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Kooperation zwischen Knuspr und Amazon – in deren Zuge Amazon Fresh dann hierzulande eingestellt wurde (siehe Supermarktblog) – überhaupt zustande kam.
Mit seiner Fresh-Vergangenheit wird Hübner zudem ein wichtiger Vertrauensanker für Amazon gewesen sein. Dass der jetzt einfach fehlt, spricht nicht unbedingt für Kontinuität oder Verlässlichkeit innerhalb der Rohlik Group, bei der man schon von der gemeinsamen Eroberung weiterer Märkte träumt.
Grundsätzlich ein gutes Angebot
All das ist umso bedauerlicher, weil Knuspr mit seinem Ansatz zur schnellen Lebensmittel-Lieferung schon vieles richtig macht: Auch umfassendere Einkaufe werden taggleich geliefert, frühestens im Dreistunden-Zeitfenster nach der Bestellung. Und es gibt keine überraschenden oder unpassenden Ersatzartikel – geliefert wird, was tatsächlich bestellt wurde.
Beides lässt sich von Lieferplatzhirsch Rewe nicht gerade behaupten. Lediglich bei der unkomplizierten Produkte-Reklamation, die online erfolgt, sah man sich in Köln offenbar gezwungen nachzuziehen.
Gerade hat Knuspr zudem sein bisheriges Premium-Angebot als „Xtra“ relauncht und mit zusätzlichen Vorteilen aufgewertet – zum richtigen Zeitpunkt, um Direktkund:innen ein wichtiges Argument an die Hand zu geben, das auch zu bleiben (siehe Supermarktblog).

Derweil kämpfen andere Anbieter weiter mit Nachteilen oder Einschränkungen. Zwei Jahre nach dem Hauptstadtstart kann z.B. Picnic zentrale Gebiete von Berlin immer noch nicht beliefern. Und wer Flaschenpost für den Wocheneinkauf nutzen will, braucht weiter regelmäßig viel Geduld, bis in zwei Tagen vielleicht wieder Bananen lieferbar sind. Lieferplattformen wie Lieferando und Wolt versuchen mit eigenem Konzepten und Kooperationen in diese Lücke zu stoßen.
Große Pläne, verschobene Versprechen
Doch die Knuspr-Führungswechsel sind nicht das einzige auffällige Muster. Die mehrfach verschobene Hamburg-Expansion steht exemplarisch für die Diskrepanz zwischen Ankündigungen und Umsetzungskraft, die Knuspr pflegt wie kaum ein anderes Food-Start-up: Ursprünglich war der Start für Ende 2022 geplant. Später wurde der Termin mehrfach verschoben, zwischenzeitlich ausgesetzt und schließlich für 2025 versprochen. Das klappt aber wieder nicht.
Dabei soll das Logistikzentrum längst einsatzbereit gewesen sein. In seinem E-Grocery Spotlight auf LinkedIn schrieb Branchenexperte Matthias Schu gerade über die Branchenspekulation, „dass man die im Hamburger Standort bereits verbaute Automatisierung wieder demontiert und in Tschechien zur Lageraufrüstung verwendet hätte“.
Der Hamburg-Aufschub dürfte dem Ziel geschuldet sein, dass Knuspr erst an bestehenden Standorten profitabel arbeiten will, um nicht in mehreren Städten gleichzeitig viel investieren zu müssen. Gleichwohl wird das für den Partner Amazon eine Enttäuschung sein: Seit dem Aus für Fresh, das lange auch nach Hamburg lieferte, können Kund:innen dort seit Dezember 2024 gar nicht mehr mit frischen Lebensmitteln versorgt werden. Das wird nun auf absehbare Zeit so bleiben.
Disruptiv, aber mit hoher Fluktuation
Dass man sich den strategischen Notwendigkeiten beugt, ist nachvollziehbar –passt aber nicht zu den großen Ankündigungen, zu denen man sich regelmäßig verleiten lässt, bis sie sich in Luft auflösen. Vor drei Jahren hieß es, man wolle bis 2024 „in allen großen deutschen Ballungsräumen vertreten sein, einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro erzielen und die Nummer 1 der Online-Lebensmittellieferdienste in Deutschland sein“. Nix da.
Und zu Beginn des vergangenen Jahres verkündete man den Plan, bis 2030 „in 15 weitere deutsche Städte“ kommen zu wollen und einen Jahresumsatz von über fünf Milliarden Euro anzustreben. Wie soll das klappen, wenn man inzwischen nicht mal mehr ein konkretes Datum für Hamburg kommunizieren mag?

Fakt ist: Da ist was faul bei Knuspr, zumal auch operative Herausforderungen schwerer zu bewältigen sind als anfangs gedacht. Mit den 15-Minuten-Zeitfenstern für Premium-Kund:innen hapert es nach wie vor. Und anstatt mit modernen E-Kühlfahrzeugen kommen die Einkäufe in Berlin weiter von umgeflaggten Ex-Bringmeister-Wägen und notdürftig beklebten Miet-Transportern mit Passivkühlung.
In Branchenkreisen wird zudem über den Führungsstil bei der Rohlik-Gruppe diskutiert. Manche Beobachter:innen ziehen Parallelen zwischen Gründer Tomáš Čupr und kontroversen Start-up-Gründer:innen aus den USA – dynamisch, disruptiv, aber mit hoher Fluktuation im Führungsteam.
Čupr selbst hat sich in der tschechischen Fachpresse bereits kurz nach Beginn der Amazon-Kooperation über deren Erfolg geäußert, was bei Amazon mindestens für Verwunderung gesorgt haben soll.
Kommunikationsmuster wiederholen sich
Solche Vergleiche bleiben natürlich spekulativ. Auffällig ist jedoch, dass die Kommunikationsmuster bei Führungswechseln sich wiederholen – und viele Fragen offen bleiben. Zumal stets auf Zwischenlösungen gesetzt wird, anstatt direkt geeignete Nachfolger:innen zu präsentieren, die das Vertrauen in die ursprünglichen Pläne stärken könnten.
Für Knuspr bedeutet der erneute Führungswechsel vor allem: eine weitere Phase der Unsicherheit.
Die kommenden Monate müssen zeigen, ob man unter interimistischer Leitung die Herausforderungen meistern und die Position im deutschen Markt festigen kann – oder ob sich das Führungskarussell symptomatisch für tieferliegende Probleme im Unternehmen dreht.
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Der Beitrag Das Knuspr-Karussell: Wie sich der Lebensmittel-Lieferdienst selbst ausbremst erschien zuerst auf Supermarktblog.