Mit seinen Läden für Sofortesser, den Rewe-to-Go-Testfilialen, hat Deutschlands zweitgrößte Supermarktkette bisher kein so glückliches Händchen gehabt: die Läden sind eher eine Mischung aus zapfsäulenloser Innenstadttankstelle und teurem Stadtsupermarkt, sehr enttäuschend. Jetzt wagt sich Rewe ans nächste Experiment: Bistros, die an die eigenen Supermärkte angeschlossen werden.
Die “Lebensmittelzeitung” meldete in der vergangenen Woche, Rewe werde Restaurantbetreiber – das ist aber nur zur Hälfte richtig. Auf Anfrage des Supermarktblogs konkretisiert ein Sprecher, das Projekt mit dem Titel “Made by Rewe” sei “keine Stand-alone-Lösung, kein Markt, keine Filiale, kein (Schnell-) Restaurant”. Vielmehr gehe es darum, geeignete Rewe-Märkte um einen Bereich zu ergänzen, “in dem es frisch zubereitete, zum Teil tageszeitlich variierende, gesunde, verzehrfertige Speisen gibt – zum Mitnehmen oder für den Vor-Ort-Verzehr”.
Sozusagen Rewe to Sit and Go. Oder eben etwas altmodischer: ein Bistro. Bei Rewe heißt es konkret:
“‘Made by Rewe’ ist ein ganztägiges, systemisches Gastro-Konzept auf wenigen Quadratmetern, das grundsätzlich als integrativer Bestandteil eines unserer Rewe-Märkte gedacht ist.”
Angebot und Gestaltung sollen “italienisch angehaucht” sein. Es gibt Pizza, Pasta, Suppen, Salate, frisch zubereitete Sandwiches, Wraps und auch ein Gläschen Wein. Das ist kein Zufall, immerhin hat Rewe für seinen Test Mark Korzilius als Geschäftsführer verpflichtet, der die Schnellnudelkette Vapiano erfunden hat.
Um Rewe namenstechnisch noch etwas mehr Fantasie abzuringen, ist es schon zu spät: Das (oder der?) erste “Made by Rewe” eröffnet, wie sollte es anders sein, am Stammsitz des Konzerns in Köln. Und zwar schon im Juni, direkt neben einem gerade aufgemachten Rewe-Supermarkt am Waidmarkt in der Innenstadt. Ein Rewe-Sprecher erklärt:
“Der Test-Standort ist dahingehend ein Sonderfall, da die rund 200 qm große Bistro-Fläche nicht nur vom Supermarkt aus zugänglich ist, sondern auch von der Straße. Die Öffnungszeiten sind entsprechend des Supermarktes von 7 bis 24 Uhr.”
Anders formuliert: Wenn “Made by Rewe” tatsächlich funktioniert, würden neue Bistros nicht zwangsläufig auf separaten Flächen öffnen, sondern höchstwahrscheinlich direkt in (bereits bestehenden) Supermärkten. Das dürfte allerdings einige Umbauherausforderungen mit sich bringen, falls nicht nur neue Filialen bistroisiert werden sollen.
Eigenständige Snackcafés unter dem Rewe-Logo wären wohl noch risikoreicher. In London testete Sainsbury’s vor zwei Jahren “Sainsbury’s Fresh Kitchen”. (Mike Dawson vom German Retail Blog hat sich’s damals genauer angesehen.) Inzwischen ist die Supermarktküche wieder geschlossen. Und der französische Carrefour-Konzern tut sich mit seinen “Carrefour City Cafés” eher schwer.
In Deutschland gibt es bisher nur wenige vergleichbare Angebote. Einige selbstständige Edeka-Händler sind mit Bistros erfolgreich, aber die sind ganz konkret für die jeweiligen Märkte konzipiert. In seinem Future Store in Tönisvorst testete Real eine zeitlang ein integriertes Bistro – aber die wenigsten Kunden hatten Lust, sich beim Einkaufen unterbrechen zu lassen und für ein Tässchen Kaffee zwischen die Regale zu setzen.
Völlig unbedarft stolpert Rewe aber nicht in den Test – schließlich gibt es da ja noch die eigene Bioladenkette Temma, die im Supermarktblog bereits ausführlich vorgestellt wurde, und zu deren Filialen integrierte Deli-Cafés gehören.
Die sehen aus wie eine Mischung aus Bäcker und Snackecke, und es lässt sich darin tatsächlich ganz angenehm sitzen. Es gibt Suppen, vegetarische Polenta, Lasagne, Salate und Quiches; Kaffee und Kuchen; Frühstück, Toasts und “Klappbrote”.
Christiane Speck, Leiterin der Rewe-Abteilung Strategie/Projekte, hat sich das ausgedacht – und ist jetzt folgerichtig zweite Geschäftsführerin von “Made by Rewe”.
Damit hat sich Temma aber längst nicht erledigt. Bisher gibt es zwar nur drei Märkte, zwei in Köln, einen in Düsseldorf. Im Supermarktblog sagte Speck vor anderthalb Jahren aber schon: “In Großstädten mit hoher Kaufkraft wäre für Temma glaube ich Platz.” Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt wagt sich Rewe mit seinem Biokonzept aus der Deckung.
Gut, Bad Homburg ist mit 53.000 Einwohnern jetzt nicht unbedingt das, was man unter einer Großstadt verstehen würde – aber dort eröffnet im Juni der vierte Temma-Laden, für den gerade Mitarbeiter gesucht werden. Ausgesucht hat sich Rewe den Standort, weil dort die Kaufkraft für sein Biokonzept, das nicht gerade für Schnäppcheneinkäufer gemacht ist, entsprechend hoch ist (Eigenwerbung der Stadt: “Champagnerluft und Tradition”). Weitere Standorte folgen, bestätigt Rewe auf Supermarktblog-Anfrage:
“Wir experimentieren mit Temma in Nordrhein-Westfalen, im Großraum Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet.”
Berlin ist nicht dabei. Vermutlich, weil die Biokonkurrenz dort schon recht groß ist, im Unterschied zu Hamburg aber die Kaufkraft geringer. (Wobei sich das natürlich relativiert, wenn man sich die passenden Bezirke raussucht.)
Dass Rewe der experimentierlaunigste unter den deutschen Supermarktriesen ist, hat der Kölner Konzern schon bewiesen. Jetzt muss sich zeigen, ob die Kunden das auch belohnen.
Fotos: Supermarktblog, Rewe