Der Storch, der Osterhase und der Lebensmittel-Lieferdienst-Fahrer werden oft fälschlich als Urheber dessen betrachtet, was Sie uns Schönes bescheren; um zumindest teilweise Aufklärung zu schaffen, steht hier jetzt, wo die kleinen Online-Lebensmittel wirklich herkommen.
(Für Details zur Arbeit der beiden erstgenannten Lieferkollegen wenden Sie sich bitte an ein anderes Blog Ihres Vertrauen.)
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Aus dem Zentrallager (wie bei myTime.de, Allyouneed Fresh)
Ihre Supermärkte Famila, Combi und Markant hat die deutsche Bünting-Gruppe ausschließlich in den Norden des Landes gestellt. Per Netz liefert sie aber überall dort hin, wo jemand auf den Bestell-Button ihres Online-Supermarkts myTime.de klickt. Bis 2013 kamen die Lieferungen aus einem famila-XXL-Markt in Oldenburg, dann machte die „rasant steigende Auftragsmenge” den Bau eines Zentrallagers nötig.
„Galileo” hat im vergangenen Jahr dort die einzelnen Schritte vom Eingang der Bestellung über die Sortierstation zur Verpackungsstation bis zum Versand filmen dürfen (Video hier ansehen).
Gelagert werden die Produkte – wie bei Amazon – „chaotisch”, das heißt: Hundefutter kann neben eingelegten Gurken stehen, weil alles da hinkommt, wo gerade Platz ist. Der Computer weiß, wo das ist und lotst die Kommissionierer – auch „Picker” genannt – auf kürzestem Weg dorthin. Und zwar so, dass sich in den engen Gängen niemals zwei gegenseitig den Weg versperren. (Also anders als in jedem regulären Supermarkt.) Bloß frische Wurst, Fleisch und Käse kommen weiter aus dem familia-Markt in der Nähe, sechs Mal am Tag mit dem Wurst-Shuttle-Service. (Echt.)
Vorteil: Die Auswahl ist recht groß. Rund 35.000 Artikel hat MyTime.de nach eigenen Angaben im Sortiment.
Nachteil: Die Lebensmittel werden per Paketdienst geliefert, müssen jedes Mal teuer und aufwändig verpackt werden. Dazu kommen lange Lieferwege.
Aus dem Supermarkt (wie bei Rewe Online, Die Bringmeister, Real Drive)
Vor zwei Wochen war ich zum ersten Mal in dem Rewe-Supermarkt, wo ich öfter einkaufe. Um mal nachzuschauen, wer diese Einkäufe für mich erledigt: sehr konzentriert aussehende junge Mitarbeiter, die abwechselnd auf ihre Scan-Apparate und in die Regale starren. Wie in vielen Städten lässt Rewe auch in Berlin aus ganz normalen Märkten liefern. Dafür gehen Mitarbeiter wie alle anderen Kunden im Markt einkaufen und arbeiten die Artikel auf der elektronischen Liste ab.
Die Sachen kommen sofort in Papier- und Plastiktüten auf kleinen Wagen, die die Einkäufer durch den Laden schieben. Am Ende wird auf einer Lagerfläche alles für den Versand vorbereitet (und bis zur endgültigen Abholung weitergekühlt).
Vorteil: Kürzere Lieferwege. Und mit der Lieferung direkt aus dem Supermarkt ist die Expansion in neue Regionen leichter, weil nicht erst ein teures Lager gebaut werden muss.
Nachteil: Sortiment und Vorrätigkeit unterscheiden sich von Laden zu Laden, selbst wenn die in derselben Stadt liegen. Die Kommissionierung ist unpraktisch, weil es kein Leitsystemen zu geben scheint. Picker stehen auch mal längere Zeit vorm riesigen Weinregal, um den richtigen Wein zu finden. (Wie wir beim Einkaufen auch, nur dass uns keiner dafür bezahlen muss.)
Das britische Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal hat im vergangenen Jahr auf weitere Nachteile hingewiesen. In der Studie „Home Delivery Fulfilment in the UK” schreiben die Autoren, der wachsende Markt der Online-Bestellungen habe sich für viele Kunden negativ auf das Einkaufserlebnis in den Läden ausgewirkt, wo die Lebensmittel kommissioniert werden:
„Es ist schwieriger als jemals zuvor, sich in den Märkten zurechtzufinden, entweder weil die Gänge voller Picker für Online-Bestellungen sind oder weil Eingänge mit abholbereiten Bestellungen blockiert sind.”
Darüber hinaus lasse sich nicht mehr richtig kalkulieren, wann die Regale leer sind.
„Deshalb müssen Mitarbeiter im laufenden Betrieb auch zu Hochfrequenzzeiten nachfüllen, um dem Bedarf gerecht zu werden, was bedeutet, dass Roll- und Gitterbehälter sowie Kartonverpackungen die Gänge zusätzlich verstopfen.”
(Freie Übersetzungen von mir; Original im PDF, S. 5.)
Diese Analyse bezieht sich freilich auf den britischen Markt. In Deutschland spielt etwa das Selbstabholen der Bestellungen im Markt („Click & Collect”) quasi keine Rolle. Die Studie beschreibt aber anschaulich, warum es auf Dauer auch keine Lösung sein kann, Online-Aufträge in bestehenden Märkten zu kommissionieren. Weil Supermärkte damit die treuen Kunden frustrieren, die weiter selbst einkaufen wollen.
Alvarez & Marsal glaubt, dass damit immer mehr Kunden Richtung Online getrieben würden und die klassischen Läden leiden. Noch näherliegend ist das Horrorszenario, dass sie einfach zur aufgeräumteren Konkurrenz um die Ecke gehen.
In „meinem” Online-Rewe war das Problem zwar lange nicht so groß wie in der Studie beschrieben. Freitagnachmittags vor dem Wochenende, wenn viele Bestellungen rausgehen, lässt sich aber zumindest erahnen, dass es auf Dauer schwierig wird, wenn Feierabendkundschaft auf Picker mit Sortierwägen und Mitarbeiter mit Gitterwägen zum Nachfüllen trifft.
Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, wo die kleinen Online-Lebensmittel herkommen können.
Aus dem „Dark Store” (wie bei Rewe)
Nein, das ist nichts Unziemliches, es heißt bloß so. „Dark Stores” sind sozusagen Supermärkte ohne Fenster, eine Mischung aus Laden und Lager. Außer den Angestellten kann darin niemand einkaufen. Sie sind aber auch nicht so riesig wie ein Zentrallager. Stattdessen passen sie z.B. prima an den Stadtrand, um von dort aus dicht bevölkerte Regionen zu beliefern.
In Großbritannien betreiben u.a. Tesco und Waitrose enstprechende Stores. Der Guardian ist auch mal in einen reingelassen worden.
In Deutschland hat Rewe in Kelsterbach bei Frankfurt einen alten Markt im Industriegebiet entsprechend umgebaut (weil in der Nähe ein neuer, modernerer eröffnet wurde). Auf Google Maps ist der Markt zwar weiter zu sehen, aber folgerichtig „geschlossen”:
Dem Vernehmen nach soll auch in Berlin ein Dunkelmarkt entstehen. Außerdem gibt es Mischformen: „Galileo” hat für den oben genannten Beitrag in einem Münchner Rewe gedreht, der zusätzlich zur normalen Ladenfläche ein Mini-Lager hat, wo Produkte lagern, die besonders oft bestellt werden und das nur für Picker zugänglich ist. (Fragen Sie bei der nächsten Bestellung mal Ihren Fahrer, ob der weiß, ob es einen fensterlosen Supermarkt auch in Ihrer Region gibt – Rewe verrät dazu nämlich nix.)
Vorteil: „Dark Stores” wären zumindest für das oben beschriebene Gänge-Vollstell-Problem eine Lösung. Und sie könnten bei schlauer Belieferung dafür sorgen, das Ärgernis fehlender Produkte einzudämmen.
Mehr zu diesem Thema steht dann aber erst im nächsten Blogeintrag.
Mit Dank an Supermarktblog-Leser Oliver R.
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Screenshots: ProSieben/Galileo (2); Fotos: Supermarktblog