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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Schneller anstehen in der Eine-für-alle-Kassenschlange?

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Ließe sich Ungeduld messen, wäre die Einheit dafür Kassenschlangenwartemeter (KswM): mit jedem KswM, den ein Kunde zu erdulden hat, verdoppelt sich dessen Ungeduld. Dadurch wiederum erhöht sich die Bereitschaft des Anstehers, seinem Vordermann mit dem Einkaufswagen die Ferse wegzubomben, um im Falle einer neuen Kassenöffnung ganz vorne am Band zu stehen.

Aus diesem Grund versucht die kassenschlangenvermeidende Industrie mit immer neuen technischen Mitteln, den Bezahlprozess zu beschleunigen, um dadurch die durchschnittlichen KswM zu verkürzen.

(Wo das hinführt, steht regelmäßig hier im Blog.)

Dabei könnten wir uns den ganzen Quatsch eigentlich sparen, meint Bill Hammack. In seinem Youtube-Erklärvideo klärt der „Engineer Guy“ nicht nur, warum wir so oft das Gefühl haben, ausgerechnet in der Kassenschlange zu stehen, die am langsamsten vorankommt, während links und rechts alle munter voran rücken (falls sie noch Fersen haben). Sondern auch, wie sich das ändern ließe.

Ganz ohne aufwändige technische Neuerfindungen nämlich, aber dafür mit einer Neuorganisation der Wartezone: in eine zentrale Schlange, die den vorne stehenden Kunden jeweils an die nächste frei werdende Kasse lotst. (So wie in der Postfiliale. Oder auf dem Amt.) Wenn dann ein Fehler passiert, kommt nicht die komplette Schlange zum Stehen, sondern verteilt die Leute einfach an die anderen freien Kassen um.

Seit dem vergangenen Jahr testet die französische Supermarktkette Carrefour solche „Caisses File Unique“ in ihren Märkten und hat dafür sogar ein eigenes Logo entwickelt, das aussieht, als hätten sich zwei Strichmännchen beim Einkaufen ans Hinterteil eines dreischwänzigen Drachen verirrt. Das Prinzip funktioniert genau wie von Hammack beschrieben: Alle Kunden stehen in derselben Schlange an, auf einem Bildschirm wird dem vordersten Nachrücker die frei werdende Kassennummer angezeigt – und bis auf die Genickstarre vom Glotzen auf den Monitor sind alle glücklich.

(Das Foto ist aus einer polnischen Carrefour-Filiale.)

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Die Briten sind das Einheitsanstehen sowieso gewöhnt und fädeln sich in ihrem Supermarkt bereitwillig zwischen die Absperrbänder, so wie bei der Passkontrolle am Flughafen.

In seiner Londoner Stadtfiliale hat selbst Aldi das Anstehprinzip übernommen.

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Die „File Unique“ hat aber einen entscheidenden Nachteil: Sie lohnt sich nur für Märkte, in denen von vornherein mehrere Kassen offen sind und bei wutschnaubender Kundentraubenbildung nicht erst die Kollegin vom anderen Ende des Markts hergeklingelt werden muss, wo sie gerade mit Regaleinräumen beschäftigt war, so wie im deutschen Durchschnittsdiscounter.

Für Süßigkeitenfaster ist die Einheitsschlange sogar ein echter Alptraum, weil sich dann der Leidensweg entlang der Quengelware deutlich verlängert:

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Damit hätten wir dann auch schon das allergrößte Problem der Eine-für-alle-Schlange gestreift: Kunden hassen es zutiefst, sich anzustellen, wenn mehr als drei, vier, fünf Leute vor ihnen stehen. Weil kaum jemand daran denkt, dass das in der Zentralkassenschlange im Zweifel schneller geht als in einer von vielen kürzeren Schlangen. Die Supermärkte wiederum wollen nicht riskieren, dass Kunden gleich wieder kehrt machen und ihren Einkauf einfach stehen lassen. Also wird’s vermutlich so schnell nix mit dem schnelleren Kassenanstehen.

Da können Sie ruhig mal drüber nachdenken wenn Sie das nächste Mal wieder in der Schlange gefangen sind, in der ganz vorne ein Kunde dem Kassierer seine Kleingeldsammlung zeigt.

Mehr zum Thema:

Mit Dank an Supermarktblog-Leser Ein Oecher.

Fotos: Supermarktblog


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