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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Nützliche Verpackungen: Die Frischhalte-Matte und der Ausquetsch-Beschleuniger

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Im Film „König von Deutschland“ spielt Olli Dittrich den Supernormalo Thomas Müller, der von einer Firma überwacht wird, die minutiös protokolliert, was er sagt, denkt und kauft. Weil das so sehr den Einstellungen des Durchschnittsdeutschen entspricht, dass Politik und Industrie davon profitieren wollen. Als sich Müller zum Beispiel darüber beschwert, dass es in Deutschland keine Kronkorken zum Drehen auf Bierflaschen gibt, bringt eine Brauerei kurze Zeit darauf tatsächlich Flaschen mit Drehkronkorken in den Handel.

Die Produktentwickler von Lidl haben den Film offensichtlich auch gesehen.

Zumindest gab es das Lidl-Eigenmarkenbier mit dem verheißungsvollen Namen Perlenbacher in der Glasflasche zuletzt tatsächlich mit Drehkronkorkenverschluss zu kaufen (Foto oben).

Dabei braucht’s natürlich keine komplizierte Marktforschung, um rauszufinden, dass Kunden Verpackungen gut fänden, die praktisch sind. Viele davon gibt es sogar schon. Nur leider noch nicht flächendeckend im Supermarkt zu kaufen. Zwei Beispiele.

Der Ausquetsch-Beschleuniger

Das amerikanische Unternehmen Liquiglide hat eine Innen-Beschichtung für Flaschen und Plastikbehälter erfunden, die dafür sorgt, dass darin enthaltene Flüssigkeiten problemlos und fast bis auf den letzten Tropfen entleert werden können. Ohne dass sich Benutzer beim Ketchup-Ausschlagen die Handfläche blau klopfen müssen oder beim Plastikbehälter-Aufschneiden aus Versehen die abrutschende Schere ins Auge rammen. So funktioniert das mit Mayonnaise:

Geht aber auch mit Bodylotion. Oder Marmelade. Und natürlich Ketchup.

Den Erfindern zufolge ist die Beschichtung aus vielen unterschiedlichen Materialien herstellbar, auch lebensmittelecht, vor allem nicht giftig bzw. Nanotechnologie-frei:

„Wenn Sie die Beschichtung aus einer Ketchup-Flasche mit dem Messer auskratzen würden, wäre sie essbar und völlig harmlos.“

Bis jetzt gibt noch kein Produkt in einem Liquiglide-beschichteten Behälter zu kaufen; das Unternehmen hat aber gerade einen Vertrag mit dem norwegischen Lebensmittelunternehmen Orkla Foods abgeschlossen, das – unter anderem – Mayonnaise herstellt und die Beschichtung für seine Produktbehälter nutzen will.

Womöglich haben Hersteller auch gar kein großes Interesse an der Erfindung, weil sie darauf spekulieren, dass die Kunden irgendwann das Reste-Ausquetschen aufgeben und dann einfach eine neue Ketchupflasche kaufen. Liquiglide ist der Ansicht, dass Kunden viel eher wieder dieselbe Marke kaufen, wenn sie nicht wochenlang Behälter mit Miniresten im Kühlschrank stehen sehen oder die teure Gesichtscreme zur Hälfte in der Tube bleibt.

Und für die Supermärkte wäre der Einsatz des Ausquetsch-Beschleunigers bei Eigenmarken der beste Beleg dafür, dass sie es wirklich ernst meinen, etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln unternehmen zu wollen.

Die Frischhalte-Matte

Obst und Gemüse, das nicht in Deutschland wächst, wird oft sehr früh geerntet, um den Transport in die Supermärkte unbeschadet zu überstehen. Denn während des Transports setzen die Früchte weiter das gasförmige Ethylen frei, welches den Reifungsprozess beschleunigt. Damit die Tomaten im Laden nicht liegen bleiben, weil sie schon Dellen haben oder matschig sind, kommen sie vom Strauch in die Verpackung, bevor sie richtig süß und saftig sind.

Wir haben dann zwar knackige Tomaten auf dem Teller, ärgern uns aber, dass sie praktisch nach nichts schmecken.

Das britische Unternehmen It’sFresh! hat eine dünne Matte erfunden, die das Problem löst. Sie funktioniert wie eine Art Filter, der das Ethylen, das die Früchte freisetzen, aufsaugt und speichert. Die Tomaten könnten also länger am Strauch hängen bleiben, um natürlich zu reifen, weil die It’sFresh!-Verpackung eine weitere Reifung während des Transports durch die Speicherung des Ethylens stoppt. Wenn die Früchte ankommen, sind sie saftig, aber nicht matschig. Die Supermärkte müssten weniger Ware aussortieren. Und bei uns zuhause wären Obst und Gemüse länger haltbar.

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In Großbritannien hat Tesco Avocados mit dem Filter verpackt, Marks & Spencer nutzt die Erfindung für Beeren und Nektarinen.

Im großen Stil scheint sich die It’sFresh!-Lösung bislang aber nicht durchgesetzt haben. Gut möglich, dass die Supermärkte die zusätzlichen Kosten scheuen – weil die Kunden im Zweifel doch lieber günstiges Obst einkaufen, das vor allem saftig aussehen muss, solange es im Laden liegt.

Zum Teil werden Früchte, bevor sie in den Supermarkt kommen, sogar noch zusätzlich mit Ethylen behandelt. Damit die grüne Farbe auf der Schale, die (z.B. bei Zitronen oder Orangen) wegen der frühen Ernte noch vorhanden ist, verschwindet. Anstatt Früchte haltbarer zu machen, machen Supermärkte sie also vor allem: schöner – und verkürzen damit die Haltbarkeit. (Bio-Früchte dürfen nach der Ernte nicht mehr mit Ethylen behandelt werden, deswegen sind sie manchmal grüner als konventionelle Ware.)

Kein Wunder, dass sich nützliche Verpackungen so schwer durchsetzen. Am Ende kaufen wir ja doch meistens die, die uns zum Kaufen verführen.

Foto: Supermarktblog; Abbildung: Food Freshness Technology/It’sFresh


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