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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Was wir nach dem Verschwinden von Kaiser’s Tengelmann alles vermissen werden

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Edeka darf Kaiser’s Tengelmann doch noch übernehmen, hat Sigmar Gabriel entschieden (sofern sich der Marktführer an vorgegebene Auflagen hält [PDF], die freilich nicht verhindern, dass er noch marktführiger wird). Damit ist die traditionsreiche Supermarktkette demnächst Geschichte.

Weil sich die Menschen im Jahr 2116 aber sicher dafür interessieren, wie ihre Vorfahren hundert Jahre früher in Berlin, München und Nordrhein-Westfalen eingekauft haben, bevor ihnen die Lebensmitteltuben direkt in die Kühlschränke gebeamt wurden, erinnert dieser Blogeintrag an das, was wir nach dem Verschwinden von Kaiser’s Tengelmann vermissen werden. (Vielleicht.)


1. Die grundehrliche Kundenkommunikation

Kaum ein anderer Supermarkt hat seinen Kunden gegenüber so aufrichtig kommuniziert, was er von ihnen hält – per Eigentumsanzeige auf dem Einkaufskorb.

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(Gut, dachten sich die Kunden: Dann klauen wir halt stattdessen die Einkaufswagen.)

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2. Die Suchinseln

Das „erfolgreiche und innovative Filialkonzept“ mit dem verheißungsvollen Titel „Schwarz-Rot-Gold“ sollte Kaiser’s Tengelmann in den vergangenen Jahren wieder wettbewerbsfähig machen. Tatsächlich gelang es dem Unternehmen, die Verweildauer der Kunden in den Läden deutlich zu erhöhen: Aber nur, weil man seitdem eine halbe Ewigkeit braucht, die schulterhohen Regalinseln zu umlatschen, bis man dort den verdammten Reibekäse findet.

(Auf dem Bild unten nur in Ansätzen zu erkennen, weil sich außenrum diverse Aufsteller materialisiert haben.)

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3. Die sympathische Kaffeekanne

Im vergangenen Jahr hat sie noch ihren 111. Geburtstag gefeiert, und vor einiger Zeit ist ihr über das schlichte Weiß ein goldenes Mäntelchen gehängt worden. Statt der freundlichen Kaffeekanne, die Tengelmann 1971 zusammen mit der Kaiser’s Kaffee Geschäft AG übernahm, hängt nun künftig das aggressive Edeka-E an den Märkten.

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4. Die Treueherzen

Erst wenn der letzte Kunde begrüßt, der letzte Zahlbetrag genannt und das letzte Treueherz gesammelt worden sind, werdet Ihr merken, dass Payback-Punkte total nerven.

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5. Die Sonderposten-Irrgärten

Kaufen Sie schnell diese Grill-Sonderposten, bevor wieder die Türme mit den Weihnachtsartikeln wie Raketenwürmer aus dem Marktboden schießen!

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6. Die ja!-Discountkusine

Sie war blütenweiß, stets „attraktiv & preiswert“ und ihr Name kam aus der Fremde, genauer gesagt: aus den USA. Dort meldete die Tengelmann-Verwandtschaft „The Great Atlantic and Pacific Tea Company“, nach der A&P benannt wurde, bereits im Sommer 2015 Insolvenz an (zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren) und verkaufte sämtliche Supermärkte.

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7. Die Lieblingsartikelsprüche

In Buchläden empfehlen Mitarbeiter ihre Lieblingsromane, in Videotheken interessante Filme – warum soll das nicht auch im Supermarkt klappen? Dachte sich Kaiser’s und ließ z.B. Kassiererin „Fr. Krause“ in Erinnerung an längst verblichene Werbesprüche reimen: „Mars gibt Energie / Macht mich an der Kasse schnell wie nie.“

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Hübsch ist aber auch der bereits mehrfach verwendete Supermarktblog-Klassiker:

„Auch Kaffee wird bei uns videoüberwacht.“

8. Die Bonus-Kassenzettel

Kassenzettel sind langweilig, meist steht eh bloß das drauf, was man grade eingekauft hat. Kaiser’s Tengelmann versüßte Kunden die Kassenzettelannahme deshalb mit einem oder mehreren Überraschungs-Bonuskassenzetteln. Mein liebster ist nach wie vor der, auf dem man einen QR-Code abscannen soll, um Kaiser’s auf Facebook zu liken.

(Ein sicheres Herzinfarktrisiko für jeden Kunden, der hintendran in der Schlange steht und aus Umweltschutzgründen auf einen ausgedruckten Kassenbon verzichtet.)

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9. Die Disco-Illuminierung

In ausgesuchten Hauptstadt-Filialen war ein Wechsel zu örtlichen Bars oder Clubs freitagabends nicht notwendig, da sowohl die Getränkeversorgung als auch die stimmungsvolle Illumination als konkurrenzlos bezeichnet werden müssen.

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Tatsächlich verschwindet mit Kaiser’s Tengelmann einer der, nun ja, „erfolgreichsten Unternehmenszusammenschlüsse der Nachkriegszeit“. Und eine Supermarktkette, die sich zunehmend für Kooperationen mit Spezialisten wie Basic Bio und Veganz öffnete, um als Alternative zu Edeka und Rewe interessant zu bleiben. Vielleicht findet wenigstens die freundliche Kaffeekanne ein neues Zuhause, wenn zum Beispiel die kleinen Preise in ihrem Internet-Exil ein bisschen zusammenrücken und ihr dort ein Plätzchen anbieten.

Zusammen mit dem Frosch und der Schildkröte.

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Alle Texte über Kaiser’s Tengelmann im Supermarktblog.

Fotos: Supermarktblog


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