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Sigmar Gabriels Ministererlaubnis für Edeka verstehen – in nur 3 Minuten

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In der vergangenen Woche hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärt, er werde Deutschlands größtem Supermarktkonzern Edeka erlauben, den kleineren Wettbewerber Kaiser’s Tengelmann zu übernehmen, sofern Edeka einige Bedingungen erfüllt.

Eine solche „Ministererlaubnis“ ist möglich, wenn eine Fusion im „überragenden Interesse der Allgemeinheit“ liegt, obwohl sie bereits vom Bundeskartellamt untersagt wurde.

Genau das war im April 2015 der Fall. Das Kartellamt argumentierte u.a. mit einer zu befürchtenden „erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen“:

„In vielen Stadtteilen der Metropolen Berlin, München und Düsseldorf sowie einigen Markträumen in Oberbayern und NRW ist Kaiser’s Tengelmann der stärkste Wettbewerber von EDEKA und REWE, sodass dessen Ausscheiden die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher vor Ort erheblich reduzieren würde.“

Auch bei der Beschaffung von Markenartikeln würde die „ohnehin schon große Verhandlungsmacht der Spitzengruppe bestehend aus EDEKA, REWE und der Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl gegenüber ihren Wettbewerbern“ weiter steigen.

Problematische Verhandlungsmacht

Gabriel stellt sich mit der Ministererlaubnis auch gegen die Monopolkommission, die im Sommer von einer Erteilung abgeraten hatte (siehe auch Supermarktblog):

„Gegen die Erlaubnis spricht, dass der geplante Zusammenschluss mit erheblichen Wettbewerbsbeschränkungen auf den Absatz- und den Beschaffungsmärkten des LEH verbunden ist.“

Schon jetzt ist Edekas Macht problematisch: In den aktuellen Jahresgesprächen mit Lieferanten trete der Konzern „zunehmend rigoros auf“, berichtet die „Lebensmittel Zeitung“ aktuell. Edeka sei bei einigen Produzenten „besonders aggressiv, wenn es darum geht, Preiserhöhungen abzuschmettern“, viele seien „von der Schärfe der aktuellen Jahresgespräche überrascht“. Ende des vergangenen Jahres hatte die „Wirtschaftswoche“ über die Berfürchtung von Lieferanten geschrieben, Edeka könne die Konditionen nach einer Ministererlaubnis noch weiter drücken, um die Kosten für die Übernahme wieder reinzuholen.

Eine Fusion wird sich augenblicklich auf die Wettbewerber auswirken: Bislang hat die norddeutsche Bünting-Gruppe einen Großteil der Sortimente für Kaiser’s Tengelmann eingekauft. Wenn dieses Volumen verloren geht, verstärkt sich nicht nur die Verhandlungsmacht des Marktführers Edeka; gleichzeitig verschlechtert sich die von Bünting.

All das hat Konsequenzen für die Kunden. Prof. Dr. Tomaso Duso, vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das für Kartellbehörden Unternemensfusionen analysiert, sagt:

„[D]ie zunehmende Markt­konzentration [reduziert] den Wettbewerb und führt zu teilweise hochkonzentrierten regionalen Märkten. Dies kann zu höheren Preisen, weniger Auswahl und geringerer Quali­tät für die Verbraucher führen.“

Auflagen zur Arbeitsplatzsicherung

All diese Argumente haben für Gabriel keine Rolle gespielt. Er begründet die in Aussicht gestellte Ministererlaubnis anders:

„Wenn in einer sozialen Marktwirtschaft irgendetwas dem Gemeinwohl dient, dann doch wohl der dauerhafte Erhalt von Tausenden Arbeitsplätzen.“

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub hatte gedroht, er werde Kaiser’s Tengelmann abwickeln, wenn die Fusion nicht erlaubt würde. Dann stünden tausende Mitarbeiter auf der Straße.

Gabriel will dafür sorgen, dass das nicht passiert, und dass Edeka auch nicht so einfach Mitarbeiter entlassen kann, wenn der Konzern die Genehmigung in der Tasche hat. Deswegen gibt es die Auflagen. Drei Beispiele:

  • Fünf Jahre lang darf Edeka keine der übernommenen Kaiser’s-Tengelmann-Filialen an selbstständige Kaufleute übergeben.
  • Über Tarifverträge mit Verdi soll gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter zunächst zu denselben Bedingungen wie bei Tengelmann weiterarbeiten können.
  • Selbst nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist darf es für weitere zwei Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Damit solle den Mitarbeitern „für einen möglichst langen Zeitraum Sicherheit“ gegeben werden, schreibt Gabriel.

Das ist, freundlich formuliert, Augenwischerei.

Zum einen ist völlig unklar, wieviele der 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann wirklich verloren gegangen wären, wenn Edeka die Übernahme verwehrt geblieben wäre. Zahlreiche Konkurrenten hatten Interesse an den Märkten angekündigt und Mitarbeiter dafür benötigt. Wahrscheinlich ist, dass – wenn überhaupt – nur ein Bruchteil der Arbeitsplätze weggefallen wäre.

Auflagen verschieben das Problem nur

Zum anderen ist es erklärtes Unternehmensziel von Edeka, möglichst viele so genannte „Regiemärkte“, die von den Regionalgesellschaften selbst betrieben werden, an selbstständige Händler abzugeben. Um doch noch seinen Willen zu bekommen, setzt Edeka quasi vorübergehend das eigene Geschäftsmodell aus, das seitens der Gewerkschaft Verdi zuletzt in der Kritik stand, weil Angestellte in Märkten von Selbstständigen nicht mehr (zwangsläufig) tarifgebunden bezahlt werden.

Für Gabriel hat die Regelung den Vorteil, sich bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht vorwerfen lassen zu müssen, ihm seien die Arbeitsplätze seiner Wähler egal.

Nach fünf Jahren kann Edeka jedoch all das umsetzen, was bisher geplant war. Die Auflagen verschieben die Konsequenzen für die Mitarbeiter nur.

Das Problem ist: Durch die Erfüllung von Gabriels Auflagen hat Edeka nach der Übernahme höchstwahrscheinlich mehr Mitarbeiter als langfristig gebraucht werden. Zum Beispiel, wenn Edeka, wie bereits erklärt, zahlreiche Kaiser’s-Filialen vor allem in Nordrhein-Westfalen in Netto-(ohne Hund)-Discountmärkte umwandelt, weil sie für das Edeka-Supermarktkonzept zu klein sind. Der Discount arbeitet jedoch mit deutlich weniger Mitarbeitern als ein klassischer Supermarkt.

Glücksfall für Edeka

Wenn Edeka die Ex-Kaiser’s-Tengelmann-Angestellten jedoch nicht schlechter stellen darf und vorübergehend auch nicht kündigen, hat das womöglich Konsequenzen für diejenigen, die nicht in den Genuss dieser Privilegien kommen – weil sie schon für Edeka bzw. Netto (ohne Hund) arbeiten. Am Ende werden vielleicht bloß andere Leute entlassen.

Die Monopolkommission hat sich ebenfalls kritisch zum Erhalt der vermeintlich bedrohten Arbeitsplätze als Grund für eine Ministererlaubnis geäußert (PDF):

„Nach Auffassung der Monopolkommission ist es auch aus tatsächlichen Gründen nicht hinreichend sicher, dass mit der Ministererlaubnis durch Edeka mehr Arbeitsplätze langfristig gesichert werden als in Alternativszenarien (…).“

Um Langfristigkeit geht es Gabriel aber gar nicht. Sondern bloß um die genannte Zeitspanne, nach der dieses Ministererlaubnisverfahren längst vergessen sein wird.

Mag sein, dass sich Edeka wegen der Auflagen zunächst stärker verpflichten und tiefer in die Tasche greifen muss. Zugleich hat der Deal aber einen riesigen Vorteil: weil es keine einzige Auflage Gabriels gibt, die die befürchtete Verschlechterung des Wettbewerbs abfedern könnte.

Damit kann Edeka einen Kompromiss umgehen, wie ihn das Kartellamt vorgeschlagen hatte, und der z.B. einen Teilverkauf von Filialen in attraktiven Lagen an Wettbewerber vorgesehen hätte. Dank Gabriel kriegt Edeka das komplette Filialnetz.

Oder, anders formuliert:

Um 16.000 Arbeitsplätze, von denen bei einer Fusionsuntersagung vermutlich nur ein Bruchteil weggefallen wäre, vorübergehend zu retten und selbst gut dazustehen, nimmt der Wirtschaftsminister in Kauf, dass andere Mitarbeiter mittelfristig die Konsequenzen tragen, sich für zahlreiche Kunden die Einkaufssituation in künftig Edeka-dominierten Bezirken verschlechtert, dass die ohnehin schon bedenkliche Verhandlungsmacht des Marktführers gegenüber Lieferanten weiter steigt, kleinere Wettbewerber geschwächt und dadurch – so wie Kaiser’s Tengelmann – zu Übernahmekandidaten werden (für die sich dann neue Ministererlaubnisse beantragen lassen).

Weshalb daran ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ bestehen sollte, weiß allein Sigmar Gabriel.


Mehr zum Thema:

Foto: Edeka


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