“Mehrstufige Authentifizierungsverfahren” sind erfunden worden, um die Welt sicherer zu machen, ganz sicher aber nicht unkomplizierter. Es ist also schon mal ein bisschen geflunkert, wenn Edeka behauptet, es gehe “so einfach”, den Einkauf an der Kasse künftig mit dem Handy zu bezahlen.
Dafür laden Sie bitte erstmal die Edeka-App auf Ihr Smartphone. Dann suchen Sie Ihre “Favoritenmärkte” aus und speichern die. Anschließend registrieren Sie sich fürs mobile Bezahlen, indem Sie Edeka Ihre vollständige Adresse, Ihr Geburtsdatum, Ihre Mobilnummer, Ihre Email, Ihre Staatsangehörigkeit und Ihre Ausweisnummer verraten, bevor Sie sich eine PIN-Nummer aussuchen und eine Einzugsermächtigung für Ihr Konto erteilen. Daraufhin erhalten Sie einen Freischaltcode per SMS zugestellt, den Sie zusammen mit dem anderen Freischaltcode in die App eingeben. Dafür muss der mitsamt der 1-Cent-Überweisung auf Ihrem Konto eingehen, was ein paar Tage dauern kann – und eine Mailschleife über den Edeka-Kundenservice, der kurz vor Ablauf der Sieben-Tage-Freischaltfrist noch eilig die vertrödelte Überweisung veranlasst. Fertig!
“So einfach” ist das alles nicht.
Aber es funktioniert: Wer nachher in seinem “Favoritenmarkt” einkauft, stellt sich an der Kasse an, zückt das Mobiltelefon, ruft die Edeka-App auf und wählt im Menü “Bezahlen und Copupons einlösen” aus. Nach der PIN-Eingabe erscheint ein Strichcode, der für ca. 4 Minuten gültig ist und von der Kassiererin gescannt werden muss. Dann bucht Edeka die Summe vom Konto ab und schickt (ähnlich wie dm) automatisch einen E-Bon an die hinterlegte Mailadresse.
Sie brauchen beim Ausprobieren nur ein wenig Geduld, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Kassiererin erstmal leicht panisch eine Kollegin rufen muss, die ihr erklärt, wie sie der Kasse möglichst schonend die Handyzahlung beibringt und woher der zusätzliche Scanapparat aus der Ablage gefuchtelt werden muss, weil die normale Kasse die Strichcodes vom Telefon nicht verarbeiten kann.
In dieser Zeit hilft es, sich möglichst wenig umzusehen, weil Sie sonst die Blicke der Menschen in der Schlange hinter Ihnen treffen, die sich fragen, was für ein Depp da den ganzen Betrieb aufhält, weil er mit seinem blöden Telefon bezahlen muss. Die Kassiererin bedankt sich aber freundlich für die Geduld. Danach dürfen Sie stolz sein, zum ersten Mal mit dem Telefon bezahlt zu haben.
Die Frage ist nur: wozu?
Wozu sollten Supermarktkunden eine komplizierte Anmeldung ausführen, bei der Sie ziemlich viele persönliche Daten preisgeben, um dann mit ihrem Telefon zu bezahlen, das sowieso nie genug Batterielaufzeit hat und auch im Supermarkt einen ordentlichen Internetempfang benötigt, um den Strichcode zu generieren? Mit der EC-Karte geht das genauso fix. (Es sei denn, Sie vergessen Ihre Geldbörse öfter zuhause als Ihr Handy.)
Der konkreteste Nutzen für Kunden, die an der Kasse mit dem Handy bezahlen, ist: dass Sie nachher damit angeben können.
Wenn die Supermärkte solche Technologien ausprobieren, liegt das aber vor allem daran, dass sie selbst davon profitieren.
Zunächst geht es um Kundenbindung: Über die App stellt Edeka eine direkte Beziehung zu Ihnen her und bietet Rabattcoupons, durch die beim Bezahlen mit dem Telefon automatisch ein bestimmter Cent-Betrag abgezogen wird. Das heißt: der Käse oder die Kekse sind etwas billiger. Derzeit promotet Edeka auf diese Weise ausschließlich seine Eigenmarken. Das ist eher kein Zufall.
Stefan Krüger, Geschäftsführer des App-Entwicklers Valuephone, erklärte kürzlich dem Fachmagazin “Der Handel”:
“An erster Stelle steht für den Händler immer die mobile Couponing-Lösung, beispielsweise, um Werbeerfolge messen zu können. Das Zahlen mit dem Handy steht erst an zweiter Stelle.”
Valuephone verantwortet auch die Edeka-App.
Der zweite wichtige Punkt ist: Unabhängigkeit. Edeka etabliert mit der App eine Bezahlmöglichkeit, die sich selbst steuern lässt – und deren Transaktionsgebühren nicht von Banken oder Kreditkartengesellschaften vorgegeben werden. (Ganz ohne Dienstleister geht es natürlich nicht, in diesem Fall wickelt Deutsche Post Zahlungsdienste die Buchungen ab.)
Darüber hinaus ist das App-Bezahlen ein Abwehrmechanismus: Wenn die Kunden künftig wirklich so scharf darauf sein sollten, mit ihrem Telefon zu bezahlen, dann ist das Risiko groß, dass Sie das mit Systemen von Apple oder Google tun werden, die mit ihren mobilen Betriebssystemen den Markt beherrschen. Dann könnten Apple und Google den Supermärkten aber auch vorschreiben, was für sie bei so einer Transaktion herauszuspringen hat. Das ist für eine Branche, in der es permanent um kleinste Margen geht und die ungern Kontrolle abgibt, keine schöne Aussicht. Anders formuliert: Jeder Kunde, der sich bis dahin ans Bezahlen mit der Edeka-eigenen App gewöhnt hat, kann Edeka nur recht sein, weil die Kosten dann kontrollierbar bleiben.
Wenn Sie dem Edeka-Händler Ihres Vertrauens also eine Freude machen wollen, dann zahlen Sie doch künftig an der Kasse mit der Handy-App. Sollte Ihnen die 20-Cent-Vergünstigung für den Biokäse nicht so wichtig sein, tut’s aber auch weiterhin die EC-Karte.
Screenshots: Supermarktblog/Edeka