Ein Dreivierteljahr ist das letzte „Hurra“ her: Ende September eröffnete das ehemalige Düsseldorfer Supermarkt-Start-up Emmas Enkel seinen dritten Laden, diesmal in Berlin, und feierte die kleine Expansion auf Facebook. Nur wenige Monate später hat dann der Ausverkauf begonnen: Ende April 2016 übernahm der Metro-Konzern, der zuvor bereits mit 15 Prozent enkelbeteiligt war, das Unternehmen fast vollständig. Die beiden Gründer Gründer Sebastian Diehl und Benjamin Brüser gaben die Geschäftsführung ab, blieben aber Minderheitsgesellschafter. Metro wolle bei Emmas Enkel „künftig noch stärker auf online“ setzen, hieß es damals.
Jetzt ist klar, was das bedeutet: Bereits in dieser Woche sollen alle drei Läden in Düsseldorf, Essen und Berlin schließen, meldet die „Lebensmittel Zeitung“ (Paywall) und zitiert eine Dame, deren Job bei Metro „Group Director Business Innovation“ ist:
„Unsere Daten-Analysen haben klar gezeigt, dass Online der erfolgversprechendste Kanal für Emmas Enkel ist – deshalb konzentrieren wir uns darauf.“
Oder, anders gesagt: Das „Einkaufskonzept der Zukunft“ ist erledigt.
Ende der Woche ist mit den Läden Schluss, bestätigt der Konzern auf Anfrage. Mag sein, dass Metro weiter am Konzept herumschraubt und den Namen behält. Mit der Ursprungsidee hat das neue Emmas Enkel aber so gut wie nichts mehr zu tun.
Entspannt einkaufen in der „Guten Stube“
2011 starteten Brüser und Diehl mit der Vision, den Lebensmitteleinkauf in der Stadt wieder persönlicher zu machen, aber gleichzeitig modern zu sein: als Einkaufsladen-Kaffetrink-Abhol-Nachhauseliefermarkt. Für die beiden Gründer bedeutete das: Kunden in ihrem kleinen Laden freundlich zu empfangen, gut zu beraten und sie in der „Guten Stube“ einen Kaffee trinken zu lassen, während Mitarbeiter die Einkaufsartikel im Laden-Lager zusammenstellten. Wer keine Lust auf Schleppen hatte, ließ sich die Sachen einfach nachhause liefern – zu einer Zeit, als die Lieferdienste der großen Supermärkte noch ein Desaster waren.
Die Enkel-Idee funktionierte, weil sie den Kunden und seine Wünsche in den Mittelpunkt rückte. Ein bisschen war der Einkauf dort tatsächlich wie früher bei Tante Emma. Das erkannte sogar Metro-Geschäftsführer Olaf Koch, als er 2015 die Beteiligung seines Konzerns ankündigte: Emmas Enkel stünde für „die absolute Nähe zum Kunden“, ließ er sich zitieren.
Diese Nähe spart sich Metro künftig und macht das Start-up zum reinen Online-Dealer. Auch auf die Gefahr hin, damit die nächste positiv aufgeladene Einkaufsmarke gegen die Wand zu fahren. Die Metro-Tochter Real hat gerade erfolgreich seine Belegschaft erpresst, weniger Lohn zu akzeptieren, damit sie weiterhin einen Arbeitsplatz hat. Und dem Neuerwerb Emmas Enkel hackt Metros Innovationsabteilung jetzt einfach die Füße ab, auf denen das Start-up gestanden hat.
Keine „News“ mehr für treue Kunden
Dass nach dem Einstieg im vergangenen Jahr plötzlich lauter Billigmarken ins Liefersortiment aufgenommen wurde, ließ schon nichts Gutes erahnen. Weil es so gar nicht zum Nachbarschafts-Image gepasst hat.
Enkel-Gründer Sebastian Diehl fühlte sich nach meinem damaligen Kommentar im Blog falsch verstanden und kommentierte:
„Unser Ziel ist und bleibt es, ein Laden für alle zu sein, mit Fokus auf Innovation, Multichannel und Convenience. An diesen Zielen hat auch unser neuer Partner nichts geändert.“
Mit etwas Verspätung hat es das aber doch. Zumindest ließ Metro sich nicht davon abhalten, in den vergangenen Monaten immer mehr Produkte aus dem Real-Billigmarkensortiment in den Enkel-Onlineshop zu rammen. Als Geschäftsführer des Unternehmens weist das Impressum derzeit Jürgen Hotz aus, der vorher erfolglos den Deutschlandstart von Albert Heijn to Go verantwortete. In der News-Rubrik sind zuletzt im Dezember 2015 die Weihnachtsgrüße erschienen. Welche grundlegenden Änderungen sich seitdem ergeben haben, kommunizieren die Enkel ihren treuen Kunden nicht. Stattdessen steht in der „Emmas Enkel Story“ auf der Website, nach der man inzwischen eine Weile suchen muss:
„Viele weitere Läden sind schon in der Planung.“
Selbst für Metro bedeuten die Ladenschließungen einen grundlegenden Wandel in der bisher kommunizierten Strategie. Im September 2015 hieß es in den „Inside Metro News“ noch:
„Im Zuge des geplanten nationalen Ausbaus des Standortportfolios sind noch in diesem Jahr weitere Eröffnungen in den nordrhein-westfälischen Großstädten Köln, Düsseldorf und Dortmund geplant.“
Davon ist jetzt keine Rede mehr. Woher der plötzliche Sinneswandel kommt, erklärt Metro auf Supermarktblog-Anfrage nicht, eine Sprecherin sagt lediglich, man forciere die Entwicklung von Emmas Enkel „zu einem innovativen Online-Lebensmittelhändler“: „Dazu zählt eine Effizienzsteigerung in der Belieferung als auch in den Picking-Prozessen.“
Business-Bullshit statt grüner Schürzen
Brüser und Diehl werden ihre Gründe gehabt haben, warum sie Metro als Partner ins Unternehmen geholt haben. Vielleicht, weil die Expansion schwieriger war als gedacht; vielleicht, weil die Belieferung der Läden auf Dauer sichergestellt werden sollte; vielleicht, weil die großen Ketten mit ihren Lieferservices aufholten. Letztlich hat das aber dafür gesorgt, dass Emmas Enkel als sympathischer Nahversorger mit cleverem Online-Vorsprung nun endgültig Geschichte ist.
Weil die Richtung nicht mehr von freundlichen Leuten in grünen Schürzen vorgegeben wird. Sondern von Business-Innovation-Bullshit-Direktoren.
Mehr als eine leere Markenhülle wird von der Minikette auf Dauer kaum bleiben. Vielleicht war die Idee auch zu schön, um wahr zu sein: Dass Leute bereit sind, die großen Märkte links liegen zu lassen, wenn sie in einem Laden einkaufen können, wo man sie freundlich willkommen heißt und als regelmäßige Kunden wieder erkennt. Und nicht bloß als Payback-Kartenträger, dessen Einkaufsgewohnheit möglichst exakt ausgelesen werden muss, um ihm noch mehr Zeug anzudrehen.
Aber den Versuch war’s auf jeden Fall wert.
Der Eintrag wurde nachträglich mit einem Metro-Statement ergänzt.
Fotos: Supermarktblog