Das IOC hat entschieden: Baseball, Softball, Karate, Sportklettern, Skateboard und Surfen sind ab den Sommerspielen im Jahr 2020 in Tokio olympisch. Weil sich Lidl mit seinem Vorschlag, endlich auch Markeneinkaufen als Disziplin zuzulassen, nicht durchsetzen konnte, ist der Supermarkt-Discounter eingeschnappt. Und veranstaltet, direkt nach dem Ende der Spiele in Rio, seinen eigenen Wettbewerb.
Auf Plakatwänden, im Wochenprospekt und im Laden tritt das Team „Starke Marken“ gegen die frechen Herausforderer „Starke Eigenmarken“ an; wer auf dem Siegertreppchen steht, sollen die Kunden entscheiden.
„Du hast die Wahl“,
kumpelt Lidl in der Werbung und stellt darunter die Kontrahenten vor: Coca-Cola vs. Freeway Cola, Kerrygold Butter vs. Milbona Golden Hills Butter, Krombacher Pils vs. Perlenbacher Premium-Pils, Iglo Fischstäbchen vs. Ocean Sea Fischstäbchen usw. Das Auffälligste daran ist: der auf rotem Untergrund hervorgehobene Preis, welcher beim Team „Starke Eigenmarken“ selbstverständlich deutlich niedriger ausfällt.
Im deutschen Lebensmittelhandel gehört es bislang eher zu den Seltenheiten, dass eine Handelskette ihre Eigenmarken so explizit mit den Originalen vergleicht.
Im Ausland ist’s hingegen an der Tagesordnung, spätestens seit Aldi in Großbritannien seine Kampagne „Like Brand. Only Cheaper“ startete. Seit 2011 stellt der Discounter in TV-Spots Markenprodukte neben seine Eigenmarken, lässt (mehr oder weniger skurrile) Kunden erklären, wie sehr sie beide Produkte mögen – und blendet dazu unübersehbar die unterschiedlichen Preise ein. Die Botschaft ist unmissverständlich: Aldi-Produkte sind genauso gut wie Marken. Aber viel billiger.
Die Kampagne dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, Aldis Image in Großbritannien aufzupolieren und den Discounter zu einem ernst zu nehmenden Wettbewerber der etablierten Supermarktketten werden zu lassen.
Kein Wunder, dass die Strategie auch in anderen Ländern übernommen wurde. Aldi Australien hat sich von der Werbeagentur BMF einen ganzen Schwung „Like Brands“-Spots basteln lassen, die noch deutlich irrwitziger als die britischen sind.
Die meisten schießen arg übers Ziel hinaus, aber der hier ist toll:
(Alle Videos hier ansehen.)
In Deutschland käme soviel Humor für Aldi wohl kaum in Frage, zumal sich der Discounter weiterhin beharrlich weigert, überhaupt im Fernsehen zu werben. Dazu wäre es womöglich kontraproduktiv, wie in den vergangenen Monaten kontinuierlich neue Markenprodukte ins eigene Sortiment aufzunehmen und zugleich dafür zu werben, stattdessen lieber Aldi-Eigenmarken zu kaufen. [Ergänzung:] In den eigenen Wochenprospekten tastet sich Aldi Süd seit einiger Zeit aber zumindest heran.
Auf explizite Kaufempfehlungen mag sich keiner der beiden einlassen, auch nicht Lidl mit seinem „Markenvergleich“. Die Kunden sollen kaufen, was ihnen schmeckt und „100% zufrieden“ sein mit den „Hammerpreisen“ für beide, sonst gibt’s „Geld zurück“.
Letztlich ist die Produkt-Gegenüberstellung aber schon ein Eigenmarken-Anschub. Die Verpackungen ähneln sich, die Lidl-Marken können z.T sogar dieselben Siegel wie ihre Markenkumpels vorweisen (MSC- bzw. und Rainforest-Alliance-Zertifizierung), lediglich der Preis weist auf einen gravierenden Unterschied hin. Genau daraufhin läuft der „Vergleich“ hinaus.
Aldi, Pampers und der „Windel-Krieg“
Den Markenartikelherstellern stinkt das PR-Geprotze der Discounter mit ihren billigen Eigenmarken auf Kosten der klassischen Marken schon lange. Sie können nur wenig dagegen unternehmen, wenn sie weiterhin gute Geschäfte mit den Ketten machen wollen. Im Frühjahr hat sich Procter & Gamble in Großbritannien dazu durchgerungen, es trotzdem zu versuchen.
Auf Facebook postete das Unternehmen ein Video, in dem Mütter die Pampers Baby-Dry-Windeln mit den (billigeren) Mamia-Windeln von Aldi verglichen und zu dem Schluss kamen, dass sie die Marken-Windeln deutlich besser finden. Per Einblendung erklärte Procter & Gamble, Pampers Baby-Dry sei:
„Bis zu 2x trockener als Aldi Mamia.“
Vermutlich hat sich die verantwortliche Marketing-Abteilung danach geschlossen in den Zwangsurlaub verabschieden müssen. Denn der darauffolgende Aldi-Konter war – gewaltig. Und die Auseinandersetzung der beiden Unternehmen ist bei den Briten seitdem als „Windel-Krieg“ bekannt.
Aldi erklärte – ebenfalls auf Facebook –, Pampers müsse ganz schön irre sein, zu behaupten, die eigenen Windeln seien besser als Mamia. Und schmückte die Replik mit den Auszeichnungen, die Mamia in unabhängigen Produktvergleichen abgestaubt hatte.
We’ve beaten Pampers for three years running at the Mother & Baby awards. Try Mamia nappies today and judge for yourself.
Posted by Aldi UK on Freitag, 29. April 2016
Einen – im Netz vielfach geteilten – TV-Spot gab’s samt Breitseite gegen Pampers gleich noch dazu:
„Aldi Mamia-Windeln haben Pampers beim ‚Mother & Baby Award‘ drei Jahre hintereinander geschlagen.“
Vermutlich werden sich’s Markenhersteller künftig sehr genau überlegen, ob sie sich auf einen vergleichbaren Stress einlassen wollen.
Eine ähnliche Angriffslust ist in Deutschland schwer vorstellbar. Hierzulande passieren Auseinandersetzungen eher im Verborgenen, wenn Handelsketten Markenprodukte zur Strafe aus dem Regal nehmen oder deren Preise abstürzen lassen, wenn sie sich zu eng an die Konkurrenz ranschmusen. Je nachdem wie Lidls „Markenvergleich“ läuft, muss das aber nicht so bleiben.
Zumal die Discounter-Eigenmarken ein bisschen Unterstützung ganz gut gebrauchen könnten. Laut GfK haben sie im ersten Halbjahr 2016 rund 1 Prozent ihres Marktanteils verloren – „was in erster Linie auf die Kappe von Aldi und den dortigen Markenlistungen geht“.
Fotos: Supermarktblog