Mit Werbung für seinen neuen Lieferservice in Berlin hat sich Kaufland bislang zurückgehalten. Zum 6. Oktober, den das Unternehmen als offiziellen Starttermin nennt, dürfte such das ändern: Kunden sollen im „Tip der Woche“ und per Filialaushang über die neue Einkaufsmöglichkeit informiert werden. Dennoch waren am Dienstag schon erste Bestellungen im „Testbetrieb“ möglich.
Ein paar Stunden vor dem ausgesuchten Termin kommt per Lieferavis eine Übersicht der lieferbaren Artikel; kurz vor der Ankunft des Kaufland-Transporters gibt’s außerdem eine SMS mit dem Hinweis, das der Fahrer gleich klingeln wird. (Und jetzt die letzte Chance ist, noch schnell nachhause zu eilen, falls man nicht schon da ist.)
Der Einkauf wird (wie bei Rewe, Bringmeister & Co.) in wiederverwertbaren Papiertüten übergeben. Das ist prima fürs Händler-Image – aber unpraktisch für den Fahrer, der auch schwere Sachen die Treppe hochkriegen muss ohne dass die Hälfte des Einkaufs rauspurzelt, wenn mal eine Tüte reißt.
Die Dienste der Wettbewerber scheint Kaufland sehr genau studiert zu haben, jedenfalls gleichen sich viele Abläufe und Modalitäten bis ins Detail. Anders formuliert: Wer bislang bei der Konkurrenz bestellt hat, dürfte kaum einen Unterschied merken. Ob der Service im Normalbetrieb tatsächlich funktioniert und wo die Schwachstellen liegen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum sagen. Dafür wird sich der hochkomplexe Lieferapparat erst mal einspielen müssen. Ein paar erste – durchweg subjektive – Einschätzungen sind aber trotzdem drin.
Die erste Lieferung im Überblick:
- Von 39 unterschiedlichen Artikeln kann Kaufland tatsächlich alle liefern – das heißt: im internen „Testbetrieb“ der vergangenen Tage haben die Kaufland-Mitarbeiter offensichtlich keine Frischkäse- und Orangensaft-Hamsterkäufe getätigt.
- Nachtrag: Auf Ersatzartikel will man komplett verzichten. Eine Kaufland-Sprecherin sagt: „Wir liefern (…) keine Alternativartikel, denn es ist unser Anspruch, den Erwartungen unser Kunden vollumfänglich zu entsprechen.“
- Der freundliche Lieferfahrer ist auf die Minute pünktlich, trotz langer Anfahrt quer durch die Stadt.
- Tiefkühlartikel sind tiefgekühlt, Obst und Gemüse frisch – ich hab sogar extra Aubergine bestellt, um den Matschauberginenangst-Faktor für Sie zu berechnen. Liegt aber bei null. Das heißt: alles in Ordnung. Eine kleine Besonderheit ist, dass Kaufland Gemüse (bislang) nicht in Gramm abrechnet, sondern zum Festpreis pro Stück. Das vereinfacht ganz sicher die Rechnung, dürfte aber argen Schwankungen unterliegen. Weil Gemüse glücklicherweise noch nicht komplett durchnormiert ist. (Bei mir gibt’s deshalb in den kommenden Tagen ausschließlich Riesen-Zucchini-Gerichte.)
Um nicht zu streberhaft zu wirken, ist glücklicherweise doch noch was schiefgegangen:
- Der Wein war weg, der Basmatireis verschwunden, das Pesto hat sich vermutlich mit dem Tofu verquatscht und die Kerzen sind wohl durchgebrannt. Offensichtlich waren zwei der Einkaufstüten noch auf Toilette, als die Tour aus dem Lieferlager ohne sie losging.Der Fahrer hat gleich drauf hingewiesen, der Kundenservice die fehlenden Artikel an zugemailt bekommen und kurz darauf angerufen, um eine nachträgliche Zustellung zu vereinbaren. Noch vor der Mittagspause ist der Einkauf dann tatsächlich komplett gewesen. Und eine Pasta-Entschuldigung gab’s obendrauf:
„Es tut mir leid, dass bei Ihrer letzten Bestellung etwas schiefgelaufen ist. Das hätte nicht passieren sollen.“
Offensichtlich übt die Kaufland-Liefermaschine noch. Aber sie reagiert auf kleine Fehler so, wie man sich das als Kunde wünscht.
- Pfand hatte ich grade keins da. (Und Getränkekisten müssten Sie bitte selbst bestellen.)
Wocheneinkauf erledigt? Zumindest fast. Trotz der üppigen Auswahl schafft’s natürlich auch Kaufland nicht, all das nachhause zu liefern, womit unberechenbare Kunden sich gerne den Kühlschrank vollhauen. Tonic Water gibt’s derzeit nur im Party-tauglichen 12er-Kasten oder im Sechser-1,5-Liter-Pack – aber nicht einzeln. Unpraktisch für alle, die nicht Chinin-abhängig werden wollen. In den Märkten ist längst Kürbiszeit, der Lieferservice hingegen bietet nur Eingemachtes und staunt ratlos über die Eingabe von „Hokkaido“. Und zugegeben: Zuckerschoten sind eher ein Nischenerbsenprodukt.
Aber all das kommt bei der Konkurrenz genauso vor.
Rentiert sich’s?
Die Erwartungen der Kunden an die Online-Lieferdienste sind, wie regelmäßige Umfragen zum Thema und Kommentare hier im Blog belegen, riesig. Es wird ein hartes Stück Arbeit für Kaufland, sich im schon ganz gut besetzten Markt nach vorne zu kämpfen – zumal auch Konkurrenten ohne stationäre Läden wie Allyouneed Fresh von DHL und Anbieter wie Food.de um Kunden werben. Die Lidl-Schwester hat durchaus das Zeug dazu, das hinzukriegen.
Die große Frage ist nur, ob es sich auf Dauer auch rentiert. Trotz teuren Nachlieferungen, um Kunden nicht zu verärgern. Trotz Preisen wie im Laden, auch bei Artikeln, die dort ganz klar als Lockangebot funktionieren. Trotz 700 Discountartikeln, an denen schon im Laden so gut wie nichts zu verdienen ist.
Oder ob all das nur als vorübergehende Amazon-Abwehrmaßnahme gedacht ist.
Wenn Sie auch schon bei Kaufland testbestellt haben, teilen Sie doch Ihre Erfahrungen in den Kommentaren mit uns!
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Fotos: Supermarktblog