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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Überraschende Wende: Lidl legt sein Express-Konzept auf Eis

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In der vergangenen Woche trennte sich Lidl Deutschland von seinem bisherigen Geschäftsführer Sven Seidel, wegen „unterschiedlichen Auffassungen über die Geschäftsausrichtung“. Nun wird klar, was einer der Gründe dafür gewesen ist: Lidl legt sein geplantes „Express“-Konzept, das unter Seidel entwickelt worden war und bald in Berlin starten sollte, auf Eis.

Nach einer Machbarkeitsprüfung in den vergangenen Wochen habe man sich dazu entschieden, das Konzept zum derzeitigen Zeitpunkt nicht umzusetzen, bestätigt eine Lidl-Sprecherin gegenüber Supermarktblog.com. Stattdessen wolle man sich auf andere Wachstumsprojekte und die internationale Expansion konzentrieren:

„Im Fokus steht dabei der Ausbau der internationalen Online-Shops, die schnell und konsequent in den Lidl Ländern eingeführt und ausgebaut werden.“

Lidl hat außerdem bereits angekündigt, demnächst in den USA zu starten.

Die für „Lidl Express“ geplanten Berliner Läden, die teilweise schon bereit für die Eröffnung waren, sollen zurückgebaut werden. (Die vollständige Lidl-Erklärung steht am Ende dieses Texts.)

Eröffnung stand kurz bevor

Noch im Januar hatte das Unternehmen auf Supermarktblog-Anfrage bestätigt, in Kürze mit dem neuen Konzept starten zu wollen. Details nannte Lidl nicht, fester Bestandteil des „Express“-Konzepts wäre allerdings die Abholung von Lebensmitteleinkäufen gewesen, die sich Kunden online hätten zusammenstellen können (Click & Collect). Dafür hatte Lidl mehrere Filialen an unterschiedlichen Berliner Standorten umgebaut: u.a. in einem Wohngebiet im Bezirk Schöneberg und autobahnnah in Heinersdorf.

Zweifellos wäre Lidl mit „Express“ ins Risiko gegangen. Im großen Stil hat bislang noch kein Discounter die Verzahnung des stationären Geschäfts mit dem Online-Einkauf von Lebensmitteln gewagt. Der Schritt kam aber zur rechten Zeit, vor allem, da die gesamte Branche davon ausgeht, dass Amazon mit seinem Lieferkonzept Fresh kurz vor dem Markteintritt in Deutschland steht. Lidl hätte die eigenen (stationären) Stärken mit den zuletzt sorgfältig vorbereiteten Online-Ambitionen kombinieren können und ein Format etablieren, das vor allem jüngeren Kunden mehr Flexibilität beim Einkauf bietet.

Offensichtlich hat Klaus Gehrig, Chef der Schwarz-Gruppe (zu der auch Lidl gehört), das anders gesehen – und kurz vor dem Start die Notbremse gezogen.

Discounter im Schleudergang

Mag sein, dass er damit ihm unliebsame Risiken vermeidet. Gleichzeitig hat Gehrig Lidl damit aber in einen unkontrollierbaren Schleudergang gebracht und die Zukunft des Discounters aufs Spiel gesetzt.

Unter Seidel hat sich Lidl in den vergangenen drei Jahren massiv modernisiert: mit zeitgemäßen Filialen, einem sanften Wandel zum Supermarkt-Discounter und der Ambition, auch bei der digitalen Entwicklung ein Wörtchen mitreden zu wollen. Kurz gesagt: Lidl hat sich vom schläfrigen Billiganbieter, der ausschließlich auf Niedrigpreise fixiert war, zum modernen Handelsunternehmen entwickelt.

Das mag Verfechtern der reinen Discount-Lehre nicht gefallen haben. Aber es war eine notwendige Transformation, um mittelfristig nicht den Anschluss an die großen Supermarktketten und neue Online-Herausforderer zu verpassen. So wie Konkurrent Aldi, bei dem man immer noch der Ansicht zu sein scheint, es reiche, alle drei Jahre die Läden geringfügig umzudekorieren, um keine Kunden zu verlieren. Das wird auf Dauer nicht funktionieren.

Verpasste Chance

Erstaunlich ist: Das wissen die Discounter eigentlich längst selbst. Ihre Erfolge im Ausland, z.B. im Großbritannien, basieren schließlich auf einer kontinuierlichen Anpassung und Erweiterung des ursprünglichen Discount-Konzepts – notfalls auch, indem man ein Stück weit davon abweicht.

„Express“ hätte für Lidl im wichtigen Heimatmarkt so eine Abweichung sein können. Und gleichzeitig ein Zeichen dafür, die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden ernst zu nehmen. Diese Chance ist vorerst verpasst. Jetzt muss Gehrig beantworten, wie es weitergehen soll. Und ob man Lidl künftig noch ernst nehmen muss in einer Handelszukunft, die ganz sicher nicht ewig so weiter funktionieren wird, wie sich das die Großväter des Discounts vor mehreren Jahrzehnten mal ausgedacht haben.


Die Lidl-Erklärung im Wortlaut:

„Die Lidl Stiftung ordnet ihre digitalen Aktivitäten und konzentriert sich zum jetzigen Zeitpunkt auf internationale Wachstumsprojekte. Im Fokus steht dabei der Ausbau der internationalen Online-Shops, die schnell und konsequent in den Lidl Ländern eingeführt und ausgebaut werden. Online-Shops betreibt Lidl derzeit in Deutschland, Belgien und den Niederlanden.“

„Im Zuge dessen verfolgt Lidl das Projekt ‚Lidl Express‘ in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt nicht weiter. Nach einer intensiven Machbarkeitsprüfung hat sich das Unternehmen entschlossen, das Pilotprojekt zum Online-Handel mit frischen Lebensmitteln nicht in eine operative Phase zu überführen.“

„Der für den E-Commerce zuständige Bereichsvorstand der Lidl Stiftung, Dr. Heiko Hegwein, zum Ausblick auf das Digitalgeschäft des Unternehmens: ‚Wir konzentrieren uns darauf, Gutes noch besser zu machen. Wir haben erfolgreiche digitale Formate und Geschäftsmodelle, die perfekt zu uns passen. Diese werden wir jetzt optimieren, in die internationale Fläche bringen und so Umsätze generieren.'“

Fotos: Supermarktblog

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