Ein breites Bett, zwei Nachttischwürfel, ein Einbauregal und Sitzhocker unterm schmalen Tisch: Die Zimmer der Budget-Hotelkette B&B sehen alle ziemlich funktional aus. Zumindest am Artwork über der Schlafstätte können ermattete Gäste aber erkennen, in welcher Stadt sie morgens aufgewacht sind: Bremen grüßt mit den Stadtmusikanten von der Wand, in Nürnberg hängt ein Christkindl-Markt-Adventskalender, in Berlin flitzen Ampelmännchen über die Wand.
Miit günstigen Zimmern für sparsame Urlauber hat B&B Hotel in den vergangenen Jahren ziemlich zügig expandiert. In Deutschland kommt das französische Unternehmen aktuell auf 93 Hotels mit insgesamt rund 9.400 Zimmern. Bis 2020 sollen es 150 sein, prognostizierte Deutschland-Geschäftsführer Max C. Luscher kürzlich in Berlin beim 2. Gastro-Immobilien-Kongress von Heuer Dialog in Kooperation mit dem Branchenmagazin „Food Service“.
Gerade einmal 24 Monate brauchen die Franzosen von der Projektidee bis zur Eröffnung. Die reine Bauzeit liegt bei sieben bis zehn Monaten. Das geht auch deshalb so schnell, weil nicht nur die Zimmereinrichtung fast überall die gleiche ist, sondern auch die Bauweise der Hotels. Lobby, Rezeption, Frühstücksraum und Wohnung des verantwortlichen Hotelbetreibers – fertig ist das Erdgeschoss.
Außer im neu eröffneten B&B Hotel in Halle an der Saale. Da wird im Erdgeschoss nämlich nicht gefrühstückt. Sondern gescannt. In einem am vergangenen Donnerstag neu eröffneten Rewe-City-Markt.
Halle (mit Georg Friedrich Händel als Artwork-Silhouette an der Zimmerwand) ist die erste Kooperation der Hotelkette mit einem Handelspartner – und wenn es nach Luscher geht soll sie nicht die einzige bleiben. Weil der B&B-Chef seine neuen Hotels noch viel öfter in eine WG mit einem Supermarkt ziehen lassen möchte.
Schon seit ungefähr vier Jahren eröffnen neue Häuser nicht mehr nur – wie früher – am Stadtrand oder um die Ecke von Bahnhöfen. Sondern auch mitten in der City, auch in kleineren Städten. Der Wettbewerb um die Standorte allerdings ist groß.
Im Supermarktblog-Gespräch erklärt Luscher:
„Auch wenn wir mit unseren im Vergleich relativ kleinen Häusern einen im Schnitt geringen Grund benötigen, sind die Mieten in den A-Lagen teuer. Unsere Wettbewerbsfähigkeit für Innenstädte erhöht sich, wenn wir noch flexibler werden.“
Flexibilität bedeutet, dass Luscher sich von vornherein um Partner bemüht, mit denen von vornherein ein Konzept für einen Standort ausgearbeitet wird, das einem Investor fix und fertig präsentiert werden kann. Natürlich kümmerten sich Projektentwickler auch selbst um einen für sie interessanten Mietermix, meint Luscher. Wenn aber schon alles abgestimmt sei, „kann das in Summe überzeugender wirken und dazu führen, dass wir als Partner ausgewählt werden“.
Offerte aus der Hotelbranche
Vor allem hilft die Mitbewohnersuche dem Unternehmen dabei, auch an Immobilien ranzukommen, die der Hotelkette sonst eigentlich zu groß wären – weil der Zimmerbedarf an einem neuen Standort begrenzt ist.
Wenn aber die Fläche im Erdgeschoss anderweitig belegt wird, passt es. So wie in Halle.
In der Händelstadt ist der Eingang zur Hotelrezeption an die rechte Seite des Neubaus gerückt, um nebendran Platz für den Supermarkt zu machen. Luscher sagt:
„Das hat sehr gut geklappt und ich kann mir gut vorstellen, dass wir die Zusammenarbeit (mit Rewe) fortsetzen.“
Weitere Kooperationen sind bereits in Planung. Bei einer laufenden Projektentwicklung in Rostock soll ein denn’s Biomarkt im Erdgeschoss des geplanten Hotels einziehen.
„Wir haben auch schon Gespräche mit Aldi und Karstadt geführt. Da das Konzept in Deutschland noch nicht besonders etabliert ist, leisten wir ein Stück Überzeugungs- und Pionierarbeit.“
Die Supermärkte müssten eigentlich ziemlich offen für die Offerten aus der Hotelbranche sein. Alle großen Handelsketten drängen (längst nicht mehr nur im europäischen Ausland) zunehmend in die Innenstädte, wo Kunden nicht mit dem Auto einkaufen fahren, sondern zum Beispiel auf dem Heimweg von der Arbeit noch Besorgungen für den Abend machen.
Jeder neue Standort, der nicht an die Konkurrenz fällt, kann helfen, die eigene Position zu festigen. Auch deshalb sind Supermärkte und Discounter offener für neue Modelle geworden. Lidl kauft – zum Beispiel in Berlin – Grundstücke in der Stadt und tritt als Bauträger ganzer Wohnblocks auf, nur um sich die lukrative Erdgeschoss-Lage zu sichern.
Der britische Marktführer Tesco geht noch einen Schritt weiter und verkauft quasi den Luftraum über seinen alten Supermärkten, damit auch der Platz darüber genutzt werden kann.
So soll beispielsweise der alte Tesco Extra im Londoner Stadtteil Hackney (der regelmäßigen Supermarkblog-Lesern bekannt vorkommen dürfte) abgerissen und durch einen modernen Neubau ersetzt werden, in dem die Kette auf (absichtlich) verkleinerter Fläche neu eröffnen kann – während der Stadtbezirk obendrüber mehrere hundert Apartments bauen lässt (Entwicklungsübersicht als pdf)
Das ist zum einen praktisch, um in die Jahre gekommene Läden zu erneuern und das über den Verkauf der Flächen gegenzufinanzieren. Zu anderen kann einem Supermarkt ja kaum etwas Besseres passieren als dass neue Kunden quasi direkt über ihm einziehen.
Mit Hotelgästen geht das natürlich auch. Michael Lidl, der nichts mit der Neckarsulmer Discountkette zu tun hat, sondern geschäftsführender Partner der Treugast Solutions Group ist, die Investoren, Hoteliers und Immobilienbesitzer berät, sagt:
„Gäste der Budgethotels sehen in der Nähe zum Supermarkt einen klaren Vorteil.“
Weil Supermärkte in der Regel ohnehin selten mehrgeschossig geplant würden, sei eine Partnerschaft mit Hotels vor allem „In urbanen Zentren, mit vorwiegend vertikaler Bauweise und teurerem Baugrund“ für beide Parteien lohnenswert. Lidl erklärt weiter:
„Eine Kooperation einzugehen lohnt sich allerdings nicht für alle Hotelkategorien. Vor allem Budget-Hotelketten und Hotels ohne eigenes F&B-Angebot (heißt: ‚Food & Beverage‘) können hier Synergien nutzen und die Nahversorgung der Gäste sicherstellen.“
Burger-Bar statt eigenem Restaurant
Im Ausland seien solche Kooperationen schon länger üblich. In Großbritannien kooperiere beispielsweise Aldi schon seit längerem mit der Budget-Hotelkette Travelodge. Hierzulande will B&B Hotels zum Zug kommen. Dabei mag sich Deutschland-Geschäftsführer Luscher gar nicht unbedingt auf Supermärkte als Partner festzulegen:
„Wir haben auch bereits erste Kontakte zu Restaurantketten geknüpft, bislang ist hier aber noch keine Umsetzung erfolgt.“
Ein Vapiano-Restaurant oder eine Hans-im-Glück-Burgerbar würden sich in zentralen Lagen tatsächlich genauso gut als WG-Partner eignen. Und hätten bestimmt nichts dagegen, die Hotelgäste abends frei Tisch geliefert zu kriegen – zumal sie keine große Konkurrenz befürchten müssten, weil das Konzept von B&B Hotels ohne eigene Restaurants auskommt.
Andersherum ist es womöglich kritischer. Frühstück bietet B&B Hotels seinen Gästen nämlich schon (und macht damit rund 10 Prozent seines Umsatzes). Das soll nicht nur so bleiben, wie Luscher bestätigt, sondern bestenfalls noch ein bisschen mehr werden:
„Wir folgen bei unserem Frühstücksangebot dem Wunsch unserer Gäste und werden einige Produkte aufwerten: mehr Markenprodukte, eine bessere Kaffee-Qualität, dazu Obstsalat, Tomaten und Gurken und etwas Süßes.“
(Dann voraussichtlich für 8,50 Euro pro Person statt wie bisher 7,50 Euro.)
Wo landen die Frühstücker?
Dass sich Restaurant und Hotel gegenseitig die Frühstücken wegnehmen könnten, befürchtet der B&B-Chef nicht:
„Das Frühstücksgeschäft ist für Gastronomen ohnehin eine enorme Herausforderung, viele öffnen ohnehin erst fürs Mittagsgeschäft. Ich hätte aber auch kein Problem, wenn z.B. ein ALEX im Erdgeschoss zusätzlich Frühstück anbietet. Das unterscheidet sich in der Regel stark von unserem All-you-can-Eat-Angebot.“
Auch Supermärkte sieht B&B Hotels „nicht als Konkurrenz“. Selbst wenn es natürlich naheliegt, dass Reisende, die bei der Übernachtung ein schmales Budget einplanen, das auch beim Frühstück tun – zum Beispiel mit einem morgendlichen Supermarkt-Einkauf im Erdgeschoss.
Luscher ist anderer Meinung:
„Es ergeben sich gute Synergien: Supermärkte haben wir bei unseren Hotels auch jetzt schon in der Nachbarschaft und wir sehen keine großen Zahlenunterschiede zu Hotels ohne Supermarkt in der Nähe.“
Die Standardisierung wird aufgeweicht
Völlig ohne Anpassungen wird der Neubezug der Hotel-Supermarkt-Wohngemeinschaften in den Innenstädten aber auch nicht am Konzept des französischen Unternehmens vorbeigehen. Lobby, Rezeption, Frühstücksraum und Managerwohnung im Erdgeschoss sind dann jedenfalls kaum noch möglich. Alles, was davon abweiche, sagt Luscher, sei „ein Kompromiss“. Weil es dafür sorgt, dass die Standardisierung ein Stück weit aufgeweicht wird.
Für die Gäste kann das auch von Vorteil sein. In Halle zum Beispiel sitzt man morgens nicht mit Blick auf den öden Hotelparkplatz bei Kaffee und Brötchen …
… sondern darf im vierten Stock auf den konkurrierenden Edeka am Hallmark gegenüber sehen.
Okay, okay, – und auf die beeindruckende Hallenser Marktkirche darüber bzw. wie am vergangenen Wochenende den langsam wachsenden Trödelmarkt davor.
Da kann dann, erstens, tatsächlich auch der Rewe City ein paar Etagen tiefer nicht mithalten. Und zweitens hat man sich das nach dem Zimmerausblick aufs daneben gelegene Finanzamt auch redlich verdient!
Sowas ginge doch bestimmt auch anderswo, wenn neue B&B Hotels eröffnen, oder? „Natürlich bevorzugen Gäste einen schönen Blick aus dem Frühstücksraum“, pflichtet Luscher bei.
„Aber wenn wir unsere Gäste fragen würden, ob sie bereit wären, dafür etwas mehr zu zahlen, wäre die Antwort tendenziell eher nein.“
Fotos: Supermarktblog