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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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„Nicht kostendeckend“? Warum Kauflands Lieferservice doch zum Erfolg hätte werden können

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Als Kaufland im Dezember überraschend ankündigte, seinen Lieferservice für Lebensmittel in Berlin einzustellen (siehe Supermarktblog), erklärte das Unternehmen in der Mail an seine Kunden, der Service ließe sich „auf Sicht nicht kostendeckend betreiben“ (und machte daraus nachträglich eine „Pilotphase“).

Es spricht vieles dafür, dass das in dieser Form nicht stimmt. Zumindest ist die Rechnung nicht so einfach, wie Kaufland sie darstellt.

Nach Supermarktblog-Informationen kann der Lieferservice in Berlin durchaus als Erfolg gewertet werden. Einer, der zwar nach wie vor Verluste eingefahren haben wird (alles andere wäre nach 14 Monaten auch eine ziemliche Sensation gewesen). Aller Voraussicht nach hätten sich diese jedoch mit weiteren Prozessverbesserungen und wachsenden Liefermengen in den kommenden Monaten deutlich reduzieren lassen.

Über mangelnden Zuspruch der Kunden scheint sich das Unternehmen jedenfalls nicht beklagen zu können. Laut „Heilbronner Stimme“ hat Kaufland „bei der durchschnittlichen Größe der Bestellungen […] in Berlin die eigenen Erwartungen übertroffen“. Schon kurz nach dem Start im Oktober 2016 waren die umfangreichen Werbemaßnahmen wieder reduziert worden – ein Zeichen dafür, dass sich die benötigte Auslastung wohl auch so erreichen ließ.

Darüber hinaus ist aus dem Umfeld des Unternehmens zu hören, dass sich die Effizienz im Berliner Lager stark gesteigert hat, die Kommissionierproduktivität sei zuletzt im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt worden.

Ideen für die „letzte Meile“

Gleichzeitig scheint man intensiv nach Lösungen gesucht zu haben, um die hohen Kosten für die „letzte Meile“ (bis zum Kunden) zu senken, unter anderem – wie im Spätsommer im Blog berichtet – über zusätzliche Umschlagpunkte auf Parkplätzen am Stadtrand.

Bestellungen wurden per LKW gesammelt antransportiert und auf die dort geparkten Lieferfahrzeuge umgeladen, die anschließend vornehmlich im Norden und im Osten der Stadt unterwegs waren (und sich lange Wege vom Lager in Lichterfelde sparten).

Die Effizienz hätte sich auch mit anderen Maßnahmen weiter steigern lassen: etwa, indem man zumindest einen Teil der Lieferfahrzeuge zweimal pro Schicht das Lager verlassen lässt, um mehr Lieferungen zu bewältigen. (Dafür hätten freilich die Touren und vorgelagerte Prozesse im Lager anders geplant werden müssen; Fahrer berichten von 12 bis 15 „Drops“, die bislang mit einem Fahrzeug pro Schicht erledigt werden konnten.)

Ein weiterer Kniff ist leicht bei der Konkurrenz abzugucken: Rewe z.B. liefert – trotz eigener Flotte – nicht alle Bestellungen seines Lieferservices selbst aus, sondern greift etwa zu Randzeiten auf externe Dienstleister zurück (in diesem Fall: u.a. DHL). Das hätte auch Kaufland geholfen, teure Fahrten in Randbezirke zu vermeiden, in denen nur wenige Kunden bestellen.

Ein entscheidender Vorteil

Dazu kommt, dass Kaufland im Vergleich zu vielen Konkurrenten einen entscheidenden Vorteil beim Aufbau des neuen Geschäfts hatte: Mit einem Umsatz von mehr als 90 Milliarden Euro ist die Schwarz-Gruppe (zu der Kaufland und Lidl gehören) Europas größter Handelskonzern und der viertgrößte der Welt und kann deswegen Einkaufskonditionen verhandeln, mit denen sich sehr viel bessere Roherträge erzielen lassen als z.B. bei Amazon Fresh (das viel kleinere Mengen einkauft und deshalb höhere Preise zahlen wird).

Ein wesentliches Problem in der Rechnung, ob sich der Lieferservice kostendeckend bzw. gewinnbringend betreiben lässt, werden gar nicht nur die am Standort Berlin angefallenen Kosten (für Standort, Flotte, Personal) gewesen sein – sondern insbesondere die in der Zentrale. Dort arbeiteten bislabg laut „Heilbronner Stimme“ 80 Mitarbeiter für den Kaufland Lieferservice. Auf Dauer wäre das nur rentabel gewesen, wenn Kaufland den Dienst in weitere Städte gebracht hätte, um darüber die Fixkosten in der Zentrale zu decken.

Das heißt aber auch: Die Kosten in der Zentrale wäre Kaufland so schnell nicht losgeworden.

Neue Standorte waren schon geplant

Dabei muss es im Unternehmen zwischenzeitlich sehr wohl den Glauben daran gegeben haben, über einen zügige Erweiterung der Liefergebiete eine solide Basis für den Lieferservice bauen zu können. Der Start in Hamburg war längst beschlossen, das Lager fertig gebaut, sogar schon Personal engagiert – bevor der Start im Spätsommer kurzfristig (wieder) verschoben wurde. Auch Düsseldorf und Frankfurt am Main standen als weitere Lieferstädte wohl schon fest, wie die „Lebensmittel Zeitung“ im Frühjahr berichtete (Paywall).

Nach Supermarktblog-Informationen wurden aber nicht nur für diese beiden Standorte bereits entsprechende Grundstücke gesichert, sondern darüber hinaus auch für mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen. Außerdem hätte ein zweiter Standort für die Hauptstadt etabliert werden sollen, heißt es im Berliner Umfeld des Lieferservices.

Ein zentrales Problem hätte sich mit wachsender Bestellmenge quasi von alleine erledigt: Die mittlere Fahrzeit zwischen zwei Kunden wäre deutlich reduziert worden, die Rentabilität des Diensts dadurch gestiegen.

Offensichtlich hat aber in der Schwarz-Gruppe der Glaube daran – oder schlicht die Geduld dafür – gefehlt.

Filialgeschäft hat Vorrang

Aus unterschiedlichen Quellen ist zu hören, dass das Aus für den Lieferservice vorrangig mit den Rückschlägen im stationären Geschäft zu tun haben dürfte, das stabilisiert werden muss.

Kaufland hat Umsätze eingebüßt, derzeit werden laut „LZ“ (Paywall) eine Milliarde Euro für die überfällige Modernisierung der Filialen ausgegeben. Zusätzliche Verluste außerhalb des bisherigen Kerngeschäfts stören da um so mehr – selbst wenn diese wie beim Lieferservice im Vergleich zum stationären Geschäft überschaubar gewesen sein dürften. (Für die Modernisierung einzelner Filialen gibt Kaufland z.T. zweistellige Millionenbeträge aus.)

Dass nicht nur der USA-Start der Discount-Schwester Lidl schwieriger anläuft, als man sich das in Neckarsulm vorgestellt hat, sondern auch der Kaufland-Start in Australien viel Geld kostet, dürfte zusätzlich für Druck sorgen.

Dabei waren die Voraussetzungen innerhalb der Schwarz-Gruppe eigentlich gut, um zu beweisen, dass sich mit der Lieferung von Lebensmitteln mittelfristig sehr wohl Geld verdienen lässt. Kaufland musste sich weder vor Aktionären für die Investitionen rechtfertigen, noch selbstständige Kaufleute beschwichtigen, dass ihnen die Online-Aktivitäten Umsätze wegnehmen könnten. Im besten Fall hätte man sich darauf verlassen können, der Gruppe mit Absegnung des Eigentümers – Dieter Schwarz – ein neues Geschäftsfeld zu erschließen, das zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil für die Zukunft hätte werden können.

Richtig ist: Kauflands Lieferservice zu einem dauerhaften Erfolg zu machen, hätte in den kommenden Monaten und Jahren ein großes Stück Arbeit (und weitere Investitionen) bedeutet.

Dass er „auf Sicht nicht kostendeckend [zu] betreiben“ gewesen wäre, ist jedoch unplausibel.

Fotos: Supermarktblog"


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