Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1000

Gewinnt ausgerechnet Netto (mit Hund) den Wettlauf mit Aldi und Lidl um die prächtigste Obstarena?

$
0
0

Sichtlich gut gelaunt führte Lionel Souque in der vergangenen Woche durch die erste Jahrespressekonferenz unter seiner Verantwortung als Vorstandsvorsitzender der Rewe Group. Der Gewinn des Konzerns ist zwar geschrumpft, insbesondere durch die teuren Markt-Übernahmen von Kaiser’s Tengelmann und Sky; aber mit den zusätzlichen Läden und wachsenden Umsätzen sieht sich Rewe offensichtlich gut positioniert für die Zukunft.

Gleichzeitig räumte Souque ein, man sei sich der Herausforderungen in den kommenden Jahren bewusst:

„Der Verdrängungswettbewerb war schon immer hart in Deutschland und Europa, aber er wird immer härter, insbesondere wenn man sieht, was die beiden größten Discounter weltweit investieren in Werbung und die Modernisierung [ihrer] Läden.“

Rewe will selbst mit einer umfassenden Neugestaltung seiner Märkte dagegen halten (Souque: „[das] ist eine wichtige Maßnahme, um den Unterschied zum Discount-Geschäft zu halten und aufzubauen“). Im „Supermarkt 2020“-Konzept spielen vor allem ein hoher Frische-Anteil und Convenience-Produkte für unterwegs eine größere Rolle (ganz schick ist’s auch, siehe Supermarktblog bzw. die Markporträts im Rewe-Magazin „one“).

Die Strategie ist richtig. Ihr einziger Nachteil könnte sein, dass die Discounter längst Maßnahmen ergriffen haben, um sich anzupassen. Nirgendwo sonst ist die Supermarktisierung von Aldi und Lidl so offensichtlich wie in der Obst- und Gemüseabteilung.

Aldi Nord und Süd zeigen mit ihren Filialumbauten seit einiger Zeit, wie – naja: frisch das wirkt, wenn man Avocados, Blaubeeren, Paprika und Karotten aus tristen Schütten befreit und ein bisschen schicker in Szene setzt.

Unterschiedliche Frische-Strategien

Vor allem Aldi Nord sticht mit seinem Konzept hervor (siehe Supermarktblog), weil Obst und Gemüse von ihrem bisherigen Stammplatz in der Vorkassenzone ans schräg gegenüberliegende Marktende umgetopft wurden, wo das Sortiment nun in lampenbeschirmten Querreihen von Kühlmobiliar mit weiteren Frischeartikeln eingerahmt (bzw. mitgekühlt) wird.

Dafür hat Aldi Nord den (deutlich erweiterten) Brötchenknast ganz nach vorne an den Eingang gerückt – und muss jetzt in vielen Filialen damit leben, dass Mitarbeiter die Ware aus dem Aufbackofen im Lager einmal quer durch den ganzen Laden rollern, um sie die dort in den Knastschubladen versenken zu können. (Das ist für Discount-Verhältnisse ziemlich aufwändig.)

Lidl scheint sich derweil entschieden zu haben, die beiden Frischesortimente möglichst beieinander zu platzieren und macht deshalb selbst modernisierte Läden noch mal für einige Tage dicht, um Obst und Gemüse ganz nach vorne vor den Brötchenknast umzuziehen.

So sieht das aus:

Was die Auswahl betrifft, kann Lidl es längst locker mit einem durchschnittlichen Supermarkt aufnehmen. Dafür sind die aneinander geschachtelten Boxen, auf die das Sortiment kistenweise aufgebockt wird, weder besonders schön noch praktisch – weil man als Kunde im Zweifel einmal ganz rundherum laufen muss, um von den Bananen zu den Tomaten zu kommen.

Konkurrenz gibt es aber auch aus eher unerwarteter Richtung: ausgerechnet von Netto (mit Hund). Im vergangenen Jahr meldete das Unternehmen, ein Ableger der dänischen Dansk Supermarked Group, den offiziellen Amtsantritt des neuen Deutschland-Geschäftsführers Torben Godskesen und versteckte in einem Nebensatz den Hinweis, dass „in ausgewählten Filialen“ eine „neue Marktgestaltung (…) getestet wird“.

Das war für Wettbewerber gewiss noch kein Grund zur Besorgnis – der vorige Neuauftritt ist gerade mal zwei Jahre her und hier im Blog damals ziemlich durchgefallen.

Vitamquadrat mit Frischefloß

Dass sich das diesmal mit der neuen neuen Marktgestaltung etwas anders verhält, liegt insbesondere am Obst- und Gemüse-Sortiment, das (wie früher) den Eingang schmückt. Wobei „schmücken“ in diesem Fall weder übertrieben noch ironisch gemeint ist, so sehr wie sich die Dänen Mühe gegeben haben, das rundherum erneuerte und mit Holz verkleidete Vitamquadrat in Szene zu setzen.

Im Frischefloß in der Mitte sitzen Avocado, Melonen, Äpfel, Blumenkohl, Paprika und Sellerie nebeneinander und können größtenteils lose in der entsprechend benötigten Menge gekauft werden können. Als gut sichtbare Wochenangebote hinterlassen sie darüber hinaus unmittelbar einen Portemonnaie-schonenden Eindruck.

Das übrige Standardsortiment sitzt rundherum auf den Rängen der Obstarena und hat zwischendrin Platz für die To-Go-Kühltheke gelassen, in der Smoothies, abgepackte Sandwiches und Salate auf ihren Direktverzehr warten.

Dank des Verzichts auf unnötigen Schilderbehang und den seitlich angebrachten Preistafeln wirkt die Abteilung ziemlich übersichtlich; nur eine einzige von der Decke baumelnde Pappe weist darauf hin, dass es hier „Das Beste aus Deiner Region“ gibt.

Wer den Laden betritt, wird zunächst am seitlich angedockten Netto-(mit Hund)-typische Blumensortiment entlang geführt.

Das Bananenregal entlässt die Kundschaft auf der gegenüberliegenden Seite schließlich in den Rest des Markts, wo die übrigen Anpassungen eher moderat ausfallen. Wie Aldi traut sich jetzt auch Netto (mit Hund), quergestellte Regalreihen einzusetzen; Getränke sind ans hintere Ladenende gewandert und schmiegen sich dort zu großen Teilen in Mehrwegkisten an durchsichtige Trennwände; die Drogerieauswahl vor der Kasse hat in einem schulterhohen Regal Platz genommen, was den Blick auf die (unveränderte) Kassensteppe erweitert.

Viele Elemente dürften regelmäßigen Discountkäufern aus den Märkten der Wettbewerber bekannt vorkommen: Die Sortimentshinweise in Tafeloptik erinnern an Edekas und Lidls Designausflüge; und eine der ersten Neueröffnungen sieht mit den weißen Styroporbuchstaben auf hellgrauer Wandfarbe aus als sei sie direkt bei Penny abgepaust worden.

Beim Obst und Gemüse allerdings ist Netto (mit Hund) eine beachtliche Nachjustierung gelungen, die ziemlich viel zur Aufwertung des jeweiligen Markts beiträgt. Dafür waren die Dänen offensichtlich auch bereit, Kompromisse einzugehen – alleine schon, um den dafür notwendigen Platz zu schaffen.

Vorkassenbäcker adé

Der kommt in dem von mir besuchten Markt vor allem daher, dass die Filiale auf einen Vorkassenbäcker verzichtet (der allerdings schon vor einem Jahr ausgezogen ist). Regionale Bäcker als Partner gehörten bislang eigentlich zu den Merkmalen, mit denen sich Netto (mit Hund) von den größeren Konkurrenten abheben wollte. Davon scheint man sich ein Stück weit verabschiedet zu haben – was angesichts der wachsenden Aufback-Sortimente, die es inzwischen fast überall gibt, womöglich vernünftig ist.

Auch Netto (mit Hund) kommuniziert seinen Kunden am Laden zwar stolz, jetzt selbst aufzubacken (fast im Wortlaut, den auch Aldi und Lild verwenden):

„Wie das duftet. Wir backen ofenfrisch für Dich. Mehrmals täglich.“

Die tatsächliche Auswahl an frischem Brot und Brötchen im Laden ist allerdings auf wenige Artikel beschränkt und am Ende des Obst- und Gemüse-Sortiments in zwei zusammengerückten Rollknasts untergebracht, die um die Ecke einen Mini-Ofen beigestellt bekommen haben.

An die Aufbackfestspiele von Aldi und Lidl reicht Netto (mit Hund) so natürlich nicht annähernd heran – aber genau das macht die großzügige Obst- und Gemüseauswahl auf bestehenden Flächen erst möglich. Und zeugt immerhin von einer klaren Schwerpunktsetzung. (Im übrigen Laden sind dafür diverse Mit-Hund-typische Schusseligkeiten und Sortimentsunebenheiten beibehalten worden.)

Drei Tage reichten Netto (mit Hund) nach eigenen Auskünften, um eine der Testfilialen im vergangenen Jahr auf das neue Ladendesign umzubauen. In vielen schmalen bzw. verwinkelten Innenstadtfilialen dürfte das nicht so einfach werden.

Aber wenn die Dänen einen Weg finden, auch dort genügend Platz für Obst und Gemüse zu schaffen, um Kunden mit Vitaminfloß und To-Go-Theke zu locken, dürfte das selbst einigen Supermarktkonkurrenten um die Ecke Kopfschmerzen bereiten.

Fotos: Supermarktblog"

Blog-Newsletter abonnieren? Hier geht’s zur Anmeldung!

Der Beitrag Gewinnt ausgerechnet Netto (mit Hund) den Wettlauf mit Aldi und Lidl um die prächtigste Obstarena? erschien zuerst auf Supermarktblog.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1000