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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Wenn der Postmann abends klingelt

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Dass die Lebensmittel aus dem Internet zur Ankunft an der Wohnungstür angenehm nach Melonenlimonade duften, gehört wohl zu den Überraschungen des in fremde Hände gegebenen Wocheneinkaufs. Leider klebt er auch genau so. Beim Herunterwuchten des Pakets auf die Rampe des Lieferfahrzeugs hat eine der darin verpackten Flaschen Schaden genommen. Jetzt ist das Paket kaputt, der Lieferant zerknirscht – aber Zurückgeben ist auch keine Lösung. Weil sonst die Hälfte des Einkaufs gleich wieder verschwände. Und DHL ein gut durchfeuchtetes Paket mit Lebensmitteln zurück ins Lager transportieren müsste.

Also schnell auspacken: die erste Lieferung von Allyouneed.com, mit dem der Online-Supermarkt das gerade erst geschlossene Kundenverhältnis gleich zu Beginn auf die Probe stellt.

Lebensmittel aus dem orangenen Karton: Lieferung von Allyouneed.com

Kannjamalpassieren. Und in der großen Kiste steckt tatsächlich all das, was zuvor online geordert wurde: u.a. Ketchup, Grüner Tee, Rhabarbersaft, sechs fünf Flaschen der übel guten Fritz Melonenlimonade – und die Erkenntnis, dass 0,33 Liter ganz schön viel sein können, wenn sie ihr Glasgefäß gesprengt haben.

Im Gegensatz zu den Lieferdiensten klassischer Supermärkte (diesem z.B. oder diesem), die Bestellungen oftmals in ihren Filialen packen und in Tüten oder Klappkisten bringen, liefert der DHL-Ableger direkt aus dem Zentrallager, ganz klassisch per Paket (siehe Supermarktblog-Interview mit Geschäftsführer Jens Drubel). Das hat einige Vorteile. Und viele Tücken. Die größte ist, dass trotz aufwändiger Schutzverpackungen (siehe Foto) und Polsterungen auch mal was kaputt gehen kann, wenn ein schweres Paket unsanft landet.

Flaschen sind mit Kartonschutz gepolstert. Leider nicht alle

Und das geht ziemlich schnell, wenn unterschiedlich große und unterschiedlich empfindlich verpackte Lebensmittel sich in ein und dieselbe Box drängeln, die Chips genauso wie die Weinflasche.

Daran, dass es bei Allyouneed.com keine günstigen Eigenmarken zu kaufen gibt, gewöhnt man sich beim Bestellen erstaunlich schnell, weil das Angebot klassischer Markenprodukte tatsächlich ziemlich umfassend ist. (Und es schreibt einem ja auch niemand vor, Grundnahrungsmittel nicht weiter im Discounter zu kaufen.)

Doch der DHL-Supermarkt hat ein massives Verpackungsproblem. Nur knapp 60 Euro ist meine erste Bestellung wert, aber am Ende stehen zwei große Kisten in der Küche (70 mal 40 cm und 55 mal 35 cm), in denen sich wiederum kleinere Kisten befinden, dazu die unterschiedlichsten Plastiktaschen und Papierwirbel. All das lässt sich unter vollem Körpereinsatz und zu Lasten der Nachbarn im Untergeschoß nach dem Auspacken zwar auf eine einigermaßen handliche Größe schrumpfen:

In diesem handlichen Verpackungsklotz steckt viel, viel Zerkleinerungsarbeit

Aber im Vergleich zum Einkauf im Laden um der Ecke, in dem allenfalls mal eine Tüte gekauft werden muss, wenn wieder sämtliche zuhause archivierte Mehrwegtragetaschen die Begleitung verweigert haben, ist es ein kleiner Verpackungsinfarkt, den Allyouneed.com da verursacht. Und der wird beim Öffnen der Kühlbox nicht besser: Für ein bisschen Käse, eine Milch und einen fertigen Pizzateig lagern 7,5 Kilo Kühlpacks in einer silbern beschichteten Schachtel, und es ist nicht ganz klar, ob der Wert der Verpackung den der Lebensmittel nur minimal oder doch recht deutlich überschreitet.

Füllmaterial so weit das Auge reicht: Polster und Kühlakkus von Allyouneed.com

Reinigungsmittel fürs Bad sind vorsorglich extra verpackt. Das ist hygienisch, bedeutet aber: noch mehr Plastik. Die Auberginen haben sich einzeln in Plastiktüten gehüllt, verknotet und auf Plastikluftkissen gebettet. Die Champignons sind so schalldicht verpolstert, dass sie ihre Schale jederzeit als Proberaum für Nachwuchs-Metal-Bands (in Champignongröße) vermieten könnten.

Schlaft gut und weich, ihr kleinen frischen Champignons

Sieht lustig aus. Aber die CO2-Neutralität, die Allyouneed.com für den Pakettransport verspricht, ist bei soviel Müll natürlich ziemlich dahin.

Der Absender empfiehlt – tataaa! – die Entsorgung über den Hausabfall. Oder lässt sich den Müll per Retour tatsächlich zurückschicken. Es ist keine besonders lustige Vorstellung, dass quer durchs Land Packstationen mit Kartons belegt sind, in denen benutze Kühlpacks auf ihren Rücktransport ins Zentrallager warten.

Bei der zweiten Lieferung, diesmal am späten Abend, geht’s erstaunlicherweise auch einfacher: Diesmal hat der Lieferant eine Styropor-Box dabei, in der die Kühllieferung steckt, die von einer lustigen geometrischen Kartonform zusammengehalten wird. Aber keine Einweg-Kühlpacks braucht. Wäre das die Regel, wär’s ein großer, großer Vorteil.

Geht auch ohne Kühlpads: Milch aus dem Styroporkarton in der Abendzustellung

Und sonst?

Nichts fehlt, alles sieht gut aus, der Salat ist so frisch, wie es im Supermarkt lange nicht mehr der Fall war und hält sich im Kühlschrank erstaunlich lange.

Bezahlt werden kann über die unterschiedlichsten Wege: Paypal, Sofortüberweisung, Kreditkarte. Praktisch.

Die Auslieferung wird per Mail angekündigt. Mit der genannten Sendungsverfolgungsnummer lässt sich auf der DHL-Seite im Netz nachschauen, wie weit das Paket schon ist. Wer bei paket.de angemeldet ist, wird noch einmal zusätzlich per SMS benachrichtigt. Vier Mails und 2 SMS pro Bestellung sind aber womöglich etwas viel des Guten.

Allerdings:

Wer so ein Getöse um die Zustellung macht, muss dann auch – liefern. Zur zweiten Order mit Feierabendzustellung meldet paket.de jedoch am Abend zuvor: “Ihr DHL Paket (…) werden wir voraussichtlich (…) zwischen 10:00 – 13:00 Uhr zustellen.” Vereinbart war 20 bis 22 Uhr. Eine Änderung ist online nach 23 Uhr nicht mehr möglich. Zwischen 10 und 13 Uhr taucht anderntags dann aber kein Fahrer auf, der Kundenservice meldet nach einem Anruf: Geliefert wird wie bestellt zwischen 20 und 22 Uhr. Und der DHL-Kurier mailt: “voraussichtlich (…) zwischen 20:52 Uhr – 21:22 Uhr zustellen”. Was für ein Durcheinander.

Das Paket kommt schließlich nach 21.30 Uhr, und das ist okay, weil im vereinbarten Lieferzeitraum – aber vielleicht muss man die großkotzige Minutenangabe sein lassen, wenn man sie eh nicht einhalten kann?

Ein eindeutiger Nachteil gegenüber der Konkurrenz ist, dass eine einmal abgesendete Bestellung nicht mehr geändert werden kann. Wem erst nach dem Klick einfällt, dass er auch noch Marmelade und Taschentücher braucht, hat Pech. Das ist so, weil die Order gleich im Lager landet, sagt der Kundenservice. Schwer nachvollziehbar, wenn erst in drei Tagen geliefert werden soll.

Sonderwünsche kann Allyouneed.com auch nicht. Im Bestellprozess gibt es kein Fenster, in dem sich Zusatzangaben machen lassen. Auf die Mail-Frage, ob man die bestellte (haltbare) Milch auf Kundenrisiko auch ohne Kühlpacks schicken könne, mailt der Kundenservice: leider nein. (Sagt aber nix von der Mehrwegstyroporbox.)

Und die den Kunden angebotene portopflichtige Pfandflaschenrückgabe ist leider ein schlechter Witz. Da verlässt sich Allyouneed.com schlicht und einfach darauf, dass der klassische Handel das Pfand schon abwickelt. (Und schwindelt, wenn online behauptet wird, man liefere nur Pfandflaschen zu 25 Cent aus; dann hätte es ja keinen glasbruchbedingten Melonenlimonandensee gegeben.)

Das größte Problem, dass die DHL-Tochter derzeit hat, ist nicht, dass sie kein guter Supermarkt wäre. Im Gegenteil: Manches Markenprodukt mag teurer sein als bei dm oder Rewe, aber das Sortiment ist riesig, viele der verbreiteten Bedenken sind unbegründet. Problematischer ist, dass sich jede neue Bestellung als kleines Abenteuer entpuppt, weil für die Kunden nicht vorhersehbar ist, wie die bestellte Ware ankommt, und sich viele kleine Fehler so addieren, dass man wirklich sehr überzeugter Markenkäufer sein muss, um Stammkunde zu werden.

Um mehr Kunden von sich zu überzeugen, muss Allyouneed.com vor allem an einem arbeiten: an der Berechenbarkeit.

Fotos: Supermarktblog

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