In seinem 2014 erschienenen Buch „Vegan für alle“ ging Veganz-Gründer Jan Bredack hart mit den Discountern und ihren Geschäftsmodellen ins Gericht (S. 159f):
„Nirgendwo sind Nahrungsmittel so billig wie in Deutschland. Und nirgendwo ist die Sensibilität der Verbraucher gegenüber Preissteigerungen so ausgeprägt wie hier. (…) Die Discounter nutzen das und führen einen mörderischen Wettbewerb um die günstigsten Preise.“
Das habe schwerwiegende Konsequenzen für Landwirte, Produzenten und Beschäftigte und führe zu einer „Abwärtsspirale mit Folgen, die wir eigentlich nicht wollen“.
Inzwischen scheint Bredack seine Ablehnung ein Stück weit revidiert zu haben. Nachdem Veganz im Anschluss an den Umbau von der Supermarktkette zur Produktlinie insbesondere Kooperationen mit klassischen Super- und Drogeriemarktketten im In- und Ausland eingegangen war, folgt nun die nächste Expansionsstufe – im Discount. Anfang des Monats hat Aldi Süd angekündigt, ab dem 26. September „eine Auswahl an Produkten von Veganz“ zu verkaufen (u.a. Zitronenkekse, Tiefkühlpizza, Sandwichcreme). Auch Konkurrent Lidl kommt zum Zug.
Auf Anfrage bestätigt Veganz, dass es sich bei Aldi um eine Aktionsplatzierung handelt, die Ende September / Anfang Oktober 13 Artikel aus dem Tiefkühl- und Trockensortiment umfassen wird und sowohl süße als auch herzhafte Produkte beinhaltet. Aldi Nord ist nicht beteiligt.
Lidl hat gerade bereits acht Veganz-Snackartikel im Display als Aktion platziert, z.T. prominent vor der Kasse (in einzelnen Märkten).
Parallel dazu gibt es einen Test in der Region Hamburg, bei der sogar 31 Veganz-Artikel ins Regal kommen (u.a. Aufschnitt, veganer Käse, Doppelkekse, Bratgriller, Crispy Nuggets). Aus der Berliner Veganz-Zentrale heißt es dazu:
„Ob und wann diese Listung auf andere Regionen ausgeweitet wird, entscheidet sich nach Auswertung der ersten Testergebnisse.“
Mehr Reichweite für die Marke
Gegen den Verkauf im Discounter hatte sich Bredack lange vor allem mit dem (nachvollziehbaren) Argument gesperrt, die eigene Marke nicht den üblichen Preiskämpfen aussetzen zu wollen, mit denen die Anbieter dafür sorgen könnten, dass Produkte auch in anderen Vertriebsschienen des Handels günstiger verkauft werden als bisher. Weil geringere Margen Preisdruck erzeugen.
In der Verganhehiet galten diese Bedenken aber schon nicht für die Zusammenarbeit mit der Lidl-Schwester Kaufland. Im Supermarktblog-Interview argumentierte Bredack vor zweieinhalb Jahren:
„Ich sehe Kaufland gar nicht so sehr als Discounter. Das Markenangebot ist dort ja sehr breit und unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass unsere Produkte in der Regel zum Unverbindlichen Verkaufspreis (UVP) angeboten werden.“
Bei Aldi und Lidl dürfte sich das – zumindest auf lange Sicht – schwerer steuern lassen.
Über vegane Eigenmarken-Produkte, die inzwischen auch Discounter im Angebot haben, äußerte sich Bredack in einem Gespräch mit „Planet Interview“ Anfang 2019 kritisch:
„Für mich ist es zum Beispiel unvorstellbar, dass es bei LIDL eine vegane Pizza für 1,25 Euro gibt. Wenn ich mir allein die verwendeten Ausgangsstoffe anschaue – das kann ja nur noch Schrott sein. Und wenn ich mir dann noch vorstelle, wie wenig von dem Preis bei den Menschen bleibt, die das Produkt herstellen, dreht sich bei mir alles um.“
Neue Crowdfunding-Runde läuft
Der jetzige Strategieschwenk deutet darauf hin, dass Veganz einer Ausweitung seiner Reichweite im Handel inzwischen Priorität einräumt. Passend dazu läuft derzeit der erste Werbespot des Spezialisten für vegane Lebensmittel im Fernsehen, auf den man in Berlin mächtig stolz ist („Wir sind immer noch total aus dem Häuschen …“). Der Spot mit der Botschaft „Für eine Welt, die allen schmeckt!“ ist allerdings eher rätselhaft geraten.
Derzeit sammeln die Berliner über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch neues Kapital ein. Fast 1.000 Investoren haben bislang über 1,5 Millionen Euro zugesichert (Stand heute).
Vor genau einem Jahr hatte sich Veganz bei seinen Fans und Unterstützer:innen schon einmal 1,5 Millionen für die Expansion besorgt – über die Crowdfunding-Plattform Kapilendo (siehe Supermarktblog). Die Zwecke, für die die Gelder verwendet werden sollen, lesen sich fast identisch:
„Wir wollen unsere bereits gute Position noch weiter optimieren und benötigen daher für die Betreuung bestehender sowie die Akquise neuer Kunden weitere Mitarbeiter im Außendienst.“
In den vergangene Monaten scheint das zur Verfügung stehende Kapital aber zunächst einmal in die Entwicklung des eigenen Nachhaltigkeit-Labels geflossen zu sein, das „mehr Transparenz in den Lebensmittelmarkt und (…) die Umweltbilanz unserer Produkte“ bringen soll. Das ist durchaus löblich, dürfte aber nur eine Wirkung im großen Stil entfalten, wenn sich dem andere Hersteller anschließen – und das hat Veganz nur bedingt in der Hand.
Auch die TV-Präsenz werden sich die Berliner einiges kosten lassen – ohne dass klar ist, wie sehr das der Bekanntheit der in vielen stationären Läden ohnehin stark präsenten Marke weiterhilft.
Veganz an die Börse?
Laut „Lebensmittel Zeitung“ hat Bredack zudem vor, „bis Jahresende eine Unternehmensanleihe von rund 10 Mio. Euro an der Frankfurter Börse [zu] platzieren“ (Abo). Außerdem solle die bisherige GmbH in eine AG umgewandelt werden, um theoretisch einen späteren Börsengang zu ermöglichen.
Potenzielle Aktionäre können sich schon mal dran gewöhnen, dass es bei Veganz nach der turbulenten Entwicklung in der Vergangenheit strategisch öfter einmal drunter und drüber geht. (Auch wenn man sich damit nicht immer unbedingt einen Gefallen tut.)
Manche Partner klagten in den zurückliegenden Jahren über eine unzuverlässige Belieferung. Und als Kunde wundert man sich bisweilen, wenn sogar in den eigenen Läden Regallücken auftauchen, weil erst vor wenigen Monaten eingeführte Produktneuerungen plötzlich nicht mehr zu kaufen sind – und das Verkaufspersonal auch nicht mit einer Erklärung weiterhelfen kann.
Darüber hinaus haben sich die gastronomischen Ambitionen sich nicht überall so durchsetzen lassen wie geplant: Der über Monate verzögerte Einbau eines Bistros mit veganem Sushi, das im Restaurant über dem Hauptladen in Berlin Friedrichshain gut anzukommen scheint, ging am ursprünglichen Stammsitz in Berlin Prenzlauer Berg gründlich schief. Nach nochmaligem Umbau wird dort inzwischen von einem Partner wieder ein klassischeres Snack-Sortiment angeboten (vegan belegte Bagel, vegane Backwaren u.a.).
Hinweis: Der Text wurde nachträglich um das Bredack-Zitat aus „Planet Interview“ ergänzt.
Fotos: Supermarktblog
Den regelmäßigen Blog-Newsletter abonnieren.
Schön, dass Sie hier sind! Darf ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten?
Das Supermarktblog berichtet kritisch über den Lebensmittelhandel in Deutschland und erscheint unabhängig von großen Verlagen. Einnahmen aus Sponsorings sichern den Basisbetrieb. Im Laufe der Zeit ist der Aufwand für das Projekt jedoch deutlich gestiegen.
Die regelmäßige Unterstützung der Blog-Leser hilft mir dabei, ausführliche Analysen und Hintergrundartikel zu recherchieren, die nicht ins Themenraster klassischer Medien passen müssen. Machen Sie mit? Geht schon ab 2 Euro im Monat und dauert nur eine Minute. Herzlichen Dank!
Der Beitrag Veganz gibt Discount-Zurückhaltung auf und kooperiert mit Aldi und Lidl erschien zuerst auf Supermarktblog.