Was sind das bloß für Menschen, die sich samstags ins sichere Kassenanstehinferno begeben, um dort einen wesentlichen Teil ihrer Wochenendfreizeit damit zu verbringen, den vor ihnen in der Schlange drankommenden Kunden zuzusehen, wie sie der Kassiererin ankündigen, die verlangten 87 Cent in Kleingeld aufbringen zu wollen. Sicher Leute, die keine andere Wahl haben, oder? Die werktags so hart arbeiten, dass ein dazwischen geschobener Supermarktbesuch den völligen Zusammenbruch bedeuten würde. Leute, die sonst verhungern würden!
Die Forscher der TU München haben das womöglich auch erst gedacht. Und müssen ziemlich gestaunt haben, als nachher feststand: Das war ein Irrtum.
Im Auftrag des Bonussystems Deutschland-Card (das zur umtriebig buzzword-affinen Bertelsmann-Tochter Arvato gehört und so funktioniert) wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob sich die Kunden umlenken lassen, wenn man ein bisschen nachhilft.
Nämlich weg von den Stoßzeiten, die nicht bloß für schlangestehenden Kunden ärgerlich sind. Auch die Supermärkte sind wenig begeistert, wenn’s im Laden aussieht wie auf dem Bahnhof kurz vor Heiligabend. Weil dann die meisten Mitarbeiter an der Kasse benötigt werden und sich kaum noch um andere Aufgaben kümmern können. Und weil die Kunden genervt sind, deshalb vielleicht weniger einkaufen als sie wollten, oder gleich zur Konkurrenz fliehen, wenn die einplanbare Anstehzeit eine Vermisstenanzeige nach sich ziehen könnte.
Auf dem Deutschen Handelskongress 2013 hat Deutschland-Card-Geschäftsführer Markus Lessing kürzlich erste Ergebnisse einer Studie präsentiert, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gefördert wurde. (Darüber können Sie sich gleich noch ausführlicher wundern.)
An der Technischen Universität wurden jedenfalls anhand der Daten, die Deutschland-Card-Besitzer beim Einkaufen generiert haben, genau die Leute rausgesucht, die “vorwiegend zu Stoßzeiten einkaufen”, also insbesondere freitags und samstags (siehe dazu auch Supermarktblog).
Diese Kunden bekamen (u.a.) Coupons zugeschickt, auf denen ihnen “Zusatz-Punkte zur besten Einkaufszeit” bei Supermärkten von Edeka Südwest versprochen wurden: montags bis donnerstags fünf Mal so viele Bonuspunkte wie sonst (1. Coupon), und noch spezifischer: montags bis donnerstags von 12 bis 16 Uhr zehn Mal so viele (2. Coupon). Das Ergebnis ist erstaunlich: Tatsächlich verschoben viele Kunden den Zeitpunkt ihres Einkaufs auf Werktage, an denen weniger viel im Laden los ist. 16 Prozent der angeschriebenen DeutschlandCard-Besitzer ließen sich “umleiten”. In der Zeit zwischen 12 und 16 Uhr stieg die Frequenz gar um 26 Prozent. Und nicht nur das: Offensichtlich hat den Leuten das Einkaufen im Laden, der gerade nicht völlig kundenverstopft ist, auch mehr Spaß gemacht: Edeka registrierte einen um 6 Prozent höheren Bon-Wert und bis zu 19 Prozent Umsatzsteigerung bei besagten Bonusprogramm-Kunden (im Vergleich zu vor der Aktion).
Für Deutschland-Card ist die Studie natürlich vor allem ein Mittel, um weitere Unternehmen für sein Programm zu gewinnen, weil sich jetzt sagen lässt: Schaut her, mit unseren Daten könnt ihr Eueren Umsatz steigern.
Für alle anderen sind die Ergebnisse vor allem ein Rätsel, weil sie doch in der Frage münden: Was sind das bloß für Menschen, die sich samstags ins sichere Kassenanstehinferno begeben – obwohl sie sich das Einkaufen unter der Woche doch genauso gut einrichten und (nicht nur) sich selbst noch viel angenehmer gestalten könnten?
Wüssten Sie’s? Dann schreiben Sie es doch unten in die Kommentare!
(Immerhin wissen wir jetzt nebenbei, was Bonusprogramme mit unseren Einkaufsdaten alles noch so anstellen, wenn ihnen langweilig ist.)
Foto: Deutschland-Card