Als Kund:innen in den vergangenen Wochen plötzlich vor leeren Regalen in Discountern, Super- und Drogeriemärkten standen, nahm die Hamsterkauf-Berichterstattung so richtig Fahrt auf. Medien schrieben über (einzelne) Kund:innen, die an der Kasse ausrasteten, weil ihnen die übermäßige Bevorratung an Konsumgütern ihrer Wahl verwehrt bleiben sollte, nachdem erste Händler Mengenbeschränkungen eingeführt hatten.
Gleichzeitig riefen die Handelsketten allesamt dazu auf, trotz Corona-Krise nur das einzukaufen, was wirklich gebraucht wird. Damit andere nicht leer ausgehen.
Selbst in den englischen Sprachgebrauch hat es der „Hamsterkauf“ schon geschafft, der „Guardian“ lässt einen Experten erklären:
„Hamsterkauf is a German phrase inspired by hamsters stuffing their cheeks with as much food as possible.“
Dass sich das Einkaufsverhalten der Kund:innen im März massiv verändert hat, ist unbestritten: Insgesamt wurde viel mehr gekauft; die zentrale Frage ist bloß: wie genau?
Für Deutschland hat die GfK bereits die Daten für die letzte Februar- und die ersten beiden März-Wochen analysiert (siehe Supermarktblog) und festgestellt, dass es „einige Sortimente und Kategorien [gab], die massiv von Hortungskäufen getrieben wurden“. Auch unterhalb der Hamster-Schwelle“ habe es Vorratskäufe gegeben, die in manchen Kategorien „deutlich überdurchschnittlich“ ausgefallen seien. Am meisten davon profitiert haben klassische Super- und Verbrauchermärkte, die Discounter in geringerem Maße.
Wenige Goldhamster, viele Zwerghamster
Für Großbritannien liegen derweil bereits aktuellere Zahlen vor. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen verzeichnet den drastischsten Anstieg der Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel für die Woche vom 16. bis zum 21. März. Der Wettbewerber Kantar kommt zu dem gleichen Schluss und rechnet vor, dass die Wachstumsraten in den vergangenen vier Wochen bei 20,6 Prozent lagen. Der März 2020 sei der Monat mit den höchsten jemals gemessenen Umsätzen im Lebensmitteleinzelhandel gewesen (wie gesagt: in Großbritannien).
Die Einkäufe hätten sogar den jährlich üblichen Ansturm vor Weihnachten übertroffen. Vor allem in London sei sehr viel mehr gekauft worden als üblich – natürlich auch, um sich auf die (in Großbritannien erst spät verhängte) Ausgangssperre vorzubereiten.
Interessant ist, dass diejenigen, die sich in rauen Mengen mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs bevorratet haben, – nennen wir sie: Goldhamster, dass also diese Goldhamster der ausführlichen Medienberichterstattung zum Trotz eher in der Minderheit waren. Die leeren Regale dürften vor allem auf viele kleine Zwerghamster zurückzuführen sein. Die allermeisten Kund:innen haben quasi kollektivgehamstert. Das hat den Druck vor allem in Kategorien erhöht, in denen sonst nicht so viel auf einmal gekauft wird.
Millionen zusätzlicher Einkäufe
Laut den Marktforschern von Kantar sind die Umsatzsteigerungen vor allem darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Kund:innen in besagtem Zeitraum zusätzliche Einkäufe getätigt und dabei jeweils ein bisschen mehr als sonst gekauft haben. Der durchschnittliche (britische) Haushalt hat in den zurückliegenden vier Wochen laut Kantar für knapp £ 63 (rund 71 Euro) zusätzlich eingekauft. (Vor allem bei Familien, die [ältere] Kinder mit zu verpflegen hatten, lag der Betrag naturgemäß höher.)
Laut Nielsen haben britische Kund:innen im März im Schnitt gerade einmal ein Produkt mehr pro Einkauf in den Wagen gelegt (elf statt zehn Artikel); gleichzeitig sind sie drei zusätzliche Male einkaufen gewesen. Das hatte einen geradezu lawinenartigen Effekt – und zusammengerechnet 79 Millionen Einkäufe mehr verursacht als im selben Zeitraum des Vorjahres. (Ja, Millionen.)
Dass es vielen Märkten schwer gefallen ist, rechtzeitig wieder Nachschub in die Regale zu sortieren, erklärt sich damit eigentlich von selbst.
Wohnortnahe Einkäufe nehmen zu
Es bedeutet aber zugleich, dass die eingeführten Mengenbeschränkungen (die zum Teil immer noch in Kraft sind und auch von deutschen Handelsketten umgesetzt wurden; siehe Foto) gar keine so große Wirkung auf die Entspannung der Lage gehabt haben dürften.
Vor allem die Läden der großen Handelsketten – von Tesco bis Aldi – haben in Großbritannien hohe Umsatzzuwächse verzeichnen können (19 Prozent im Vergleich zum März 2019); im Gegensatz zu Deutschland sind die Discounter – Aldi und Lidl – im britischen Markt stärker gewachsen als die klassischen Supermärkte.
Gleichzeitig haben viele Britinnen und Briten ihr Verhalten inzwischen dahingehend geändert, dass sie während der Ausgangssperre verstärkt in der Nähe ihres Wohnorts einkaufen, weswegen kleinere City-Märkte und unabhängige Convenience Stores zulegen.
Ob in Deutschland ähnliche Muster zu beobachten sind, wissen wir, sobald die Marktforscher ihre Analysen für die zweite Monatshälfte veröffentlichen. Auch hierzulande signalisieren erste Auswertungen aber einen deutlichen Anstieg der Ausgaben für Lebensmittel in besagter März-Woche, laut Finanzguru von 19 auf 29 Prozent (Analyse basiert auf anonymisierten Buchungsdaten deutscher Bankkonten). Klar dürfte sein, dass Hamstereien – die kleinen und die großen – inzwischen deutlich zurückgegangen sind.
Alle Blog-Texte zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Lebensmitteleinzelhandel: hier weiterlesen.
Fotos: Supermarktblog

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Der Beitrag Einkaufsverhalten im März: Wie die Hamsterei ihren Lauf nahm erschien zuerst auf Supermarktblog.