Im Gegensatz z.B. zum Wendler, Andreas Scheuer und dem amtierenden amerikanischen Präsidenten haben sich viele Kund:innen vorgenommen, in ihrem Alltag weniger Müll zu produzieren. Deswegen schließen sich immer mehr Handelsketten mit Herstellern zusammen, um dafür Lösungen anzubieten.
Anfang des Jahres stellte dm erstmals Nachfüllstationen von Beiersdorf in drei deutschen Filialen auf. Seitdem lassen sich in Hamburg und Ettlingen auf Knopfdruck Nivea-Duschprodukte in wiederverwertbare Flaschen füllen.
Seit September stehen zudem in 15 deutschen dm-Märkten Nachfüllstationen von Henkel, die Wasch- und Spülmittel der neuen Öko-Marke Love Nature ausgeben – ebenfalls in wiederbefüllbare Flaschen, die aus recyceltem Plastik hergestellt wurden und gegen eine einmalige Gebühr erworben werden (20 Cent). Mitbewerber Rossmann ist auch mit an Bord und hat die Love-Nature-Stationen in fünf Märkten platziert.
Es ist nur noch nicht so richtig klar, ob das alles eher Show oder Chance ist.
Scan, drück, füll, kleb
Henkel legt sich derzeit in jedem Fall ziemlich ins Zeug, um die Nutzung der Stationen anzuschieben und schickt dafür sogar eigene Berater:innen in die Filialen. Auf Supermarktblog-Anfrage bestätigt eine Unternehmenssprecherin:
„Zur Einführung der Marke möchten wir gezielt auf das neue Angebot aufmerksam machen und setzen geschultes eigenes Personal an den Nachfüllstationen ein. Dabei geht es vorrangig um die Aufmerksamkeit für das Angebot, denn die Nachfüllstationen sind für Verbraucher sehr einfach zu bedienen und leicht verständlich.“
Das ist – sagen wir mal: optimistisch formuliert. Denn vor allem beim ersten Mal ist die Bedienung ziemliche Fummelei. (Oder ich hab mich – ohne Fachpersonal-Beratung – einfach wahnsinnig schusselig angestellt.)
Neben dem Display der der rie-hie-sigen Station sind fünf Arbeitsschritte aufgelistet, die studiert und über das Display ganz genau verfolgt werden müssen, um den Nachtüll-Parcours in der richtigen Reihenfolge zu absolvieren. An dem für größere Menschen nicht gerade komfortabel hinter den Nachfüllstutzen angebrachten Scanner muss ein winziger Code auf der leeren Flasche gescannt werden, damit die vom System erkannt wird. Erst dann kann auf dem Display das Produkt ausgewählt und die Flasche unter den richtigen Stutzen gestellt und die Nachfüllung initialisiert werden (nicht zu lange warten, sonst geht alles von vorne los!).
Zum Schluss flutscht ein Aufkleber mit Barcode mittig aus der Maschine, der zum Bezahlen auf die Flasche geklebt werden muss. Weil das die meisten (Erst-)Kund:innen vergessen, ist man an der Kasse im Markt vorbereitet, hat sich passende Barcodes zurecht gelegt, lobt aber all jene, die ans Kleben gedacht haben. (Auch eine schöne Motivation für den Drogeriemarkteinkauf.)
Wie oft wird wiederbefüllt?
Ohne dass der Barcode-Aufkleber aus der Station entfernt wurde, ließ sich bei meinem Test der Nachfüllprozess nicht von Neuem starten – was vor allem für die nachfolgende Neukundin bzw. den nachfolgenden Neukunden irritierend ist.
Aber, tataa! Am Ende steht das Erfolgserlebnis eines (etwas übertrieben nach künstlicher Zitrone riechenden) selbst abgefüllten Spülmittels! Und beim nächsten Mal hat man ja schon Übung.
Wie oft Henkel glaubt, dass die Flaschen von Kund:innen wiederbefüllt werden, kommuniziert das Unternehmen auf Anfrage nicht und verweist stattdessen auf die Love-Nature-Website, wo die Zahl der nachgefüllten Flaschen tagesaktuell angegeben wird. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Texts waren es 2134, einen Tag zuvor 2065 – bitte rechnen Sie selbst Kopf.
Außerdem stehen die Love-Nature-Produkte zur Markteinführung auch im regulären Drogerieregal. Wobei der Hersteller online informiert: „Die Regalware kann aktuell nicht nachgefüllt werden.“ Das ist alles ein bisschen verwirrend. Und legt zumindest den Schluss nahe, dass es sich bei den Stationen auch genauso gut um einen aufwändigen Marketing-Gag zur Markeneinführung handeln könnte – einerseits.
Erfolgreiche Tests in Österreich und Tschechien
Andererseits wissen die Drogeriemärkte schon, dass die Refill-Initiativen bei ihren Kund:innen ganz gut ankommen. In Österreich hat dm seit 2018 bereits in mehr als 35 Märkten Nachfüllstationen für Reinigungsmittel aufgestellt und kooperiert dafür mit dem Vorarlberger Hersteller Planet Pure.
Der erklärte kürzlich, dass mehr als 50 Prozent der Erstkäufer:innen ihre Flaschen zum Neubefüllen wieder mit in den Laden bringen. Eigene Flaschen dürften leider nicht verwendet werden, da es im Handel eine Kennzeichnungspflicht für Verpackungen gebe.
Rossmann hat sich bereits 2018 mit Henkel zusammengetan und in seinen tschechischen Filialen u.a. in Prag, Brünn und Liberec getestet, ob Leute Persil & Co. nachfüllen wollen. Das Ergebnis scheint positiv ausgefallen zu sein. Im polnischen Łódź hat das Unternehmen zuletzt eine Art Nachfüllbar in seinen Flagship-Markt integriert und lässt dort zehn Produkte der Marken Only Bio bzw. Only Eco zapfen: Shampoo, Duschgel, Spülmittel, Waschmittel usw. Falls was daneben geht, ist ein Handwaschbecken in die Station integriert.
Schwierige Lösung für kleinere Läden
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die genannten Lösungen für die Händler eigentlich ein Alptraum in Sachen Flächenproduktivität sind, weil sie wahnsinnig viel Platz benötigen, bloß um zwei Produkte mit jeweils zwei unterschiedlichen Duftnoten abzufüllen. (Nur die Nivea-Variante von Beiersdorf lässt sich ziemlich einfach zwischen regulären Regalen platzieren.)
Platz, auf dem die Handelsketten sonst ein Vielfaches an Artikeln unterbringen, um exakt kalkulierten Umsatz zu generieren. Je größer der Nachfüllbedarf wird, desto schwieriger dürfte das für die Handelsketten werden – insbesondere in Märkten mit kleiner Verkaufsfläche.
Auf die Frage, ob bereits eine Ausweitung des Nachfüllangebots geplant sei, heißt es bei Henkel, dies werde „[a]bhängig von der Resonanz“ der Kund:innen geschehen. Laut dm-Pressemitteilung ist der Test zunächst auf ein Jahr angelegt.
Dass die Stationen im Falle ihres Erfolgs mittelfristig größere Teile des verpackten Drogeriemarktsortiments ersetzen könnten, scheint unwahrscheinlich. Als Lockmittel oder zusätzlicher Service für Kund:innen, denen Verpackungsvermdiung besonders wichtig ist, könnten sie aber durchaus funktionieren.
Nachhaltig aufwändige Konstruktionen
Dabei lässt sich derzeit gar nicht so genau sagen, wie nachhaltig das – zum Teil sehr aufwändig gestaltete – Refill-Theater wirklich ist. Der Frage, ob man die Ökobilanz der Nachfüllstationen innerhalb des Love-Nature-Kreislaufsystems kommuniziert – also in welchem Umfang Plastikflaschen neu befüllt werden müssten, um Herstellung und Betrieb der Station auszugleichen –, weicht man bei Henkel aus:
„Bis sich die Herstellung der Nachfüllstationen amortisiert hat, wird tatsächlich einige Zeit vergehen. Dies gilt für viele Investitionen, beispielsweise auch für eine neue, energie-effizientere Waschmaschine. Wir hoffen, dass unser Angebot viele Verbraucher anspricht. Je mehr Verbraucher ihr Wasch- und Spülmittel nachfüllen, desto besser.“
Pure Nature hat auf eine Anfrage zum selben Thema bislang nicht geantwortet.
Herstellern und Märkten dürfte natürlich in erster Linie daran gelegen sein, Produkte gesetzkonform und sicher zu verkaufen – und Betrug zu vermeiden. Ob es dafür zwangsläufig so aufwändige Lösungen braucht?
Nächste Station: Lebensmittelhandel
Im (kleineren) Unverpackt- oder Bio-Laden gibt es auch simplere Nachfüllmöglichkeiten, die im Zweifel ganz ohne Technik auskommen und trotzdem funktionieren. Sofern man es als Kund:in auf sich nimmt, das gewünschte Reinigunsgprodukt selbst in die mitgebrachte Flasche zu pumpen, und der Laden im Auge behält, dass an der Station kein Unsinn passiert.
Wenn eine ausreichende Zahl an Kund:innen die neuen Angebote annimmt, könnten Nachfüllstationen bald auch im Lebensmitteleinzelhandel auftauchen. (Wo man sich aktuell noch mit Unverpackt-Angeboten für Hülsenfrüchte, Nudeln und Kerne anfreunden muss.) In Österreich testet Pure Nature seinen Refill-Service bereits in drei Interspar-Märkten; kürzlich ist mit Globus in Chemnitz eine erste deutsche Anlaufstelle hinzu gekommen.
Und bei Henkel scheint man den Schritt in den Supermarkt zumindest in Betracht zu ziehen. Die Sprecherin erklärt:
„Mit Love Nature möchten wir sehr viele Verbraucher erreichen. Das Angebot über Nachfüllstationen planen wir händlerübergreifend, auch im Lebensmitteleinzelhandel, anzubieten.“
Fotos: Supermarktblog

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Der Beitrag Nachfüllstationen bei dm und Rossmann: Show oder Chance? erschien zuerst auf Supermarktblog.