Wer derzeit die Rewe-App auf seinem Smartphone aufruft, um damit online einzukaufen, wird bei der Auswahl des Lieferzeitfensters des öfteren vom virtuellen Brückentroll gestoppt.
„…aufgrund des erhöhten Bestellaufkommens bitten wir um Verständnis, falls keine zeitnahen Termine verfügbar sind“,
heißt es immer wieder auf der – sonst leeren – Übersichtsseite zur Terminauswahl. Alles ausgebucht? Ja, aber nur vorübergehend. Denn neue Liefertermine tauchen momentan täglich in der App auf – und verschwinden im Laufe des Tages nach und nach wieder, bis der Service für den freigeschalteten Zeitraum komplett ausgebucht ist. Das geht schon eine ganze Weile so – und scheint bundesweit mehrere Liefergebiete zu betreffen. In meiner Stichprobe diese Woche waren sowohl in Berlin und Leipzig als auch im Rhein-Main-Gebiet entweder gerade keine oder nur tageweise Zeitfenster verfügbar. (Bloß Köln war, vermutlich aufgrund der dort aufgebauten Lagerkapazitäten, über mehrere Tage gut versorgt.)
Abschied vom 14-Tage-Vorlauf
Auf Supermarktblog-Anfrage bestätigt man bei Rewe Digital:
„Seit Beginn der Pandemie verzeichnen wir ein erhöhtes Bestellaufkommen und veränderte Bestellroutinen unserer Kunden, die antizipierende Anpassungen auf Seiten der Kapazitäten aber auch auf Seiten des Shops erforderlich machen. So ist es aktuell möglich, dass Zeitfenster regional sukzessiv freigeschaltet werden.“
Es gebe allerdings „keine starre, nationale Vorgabe“ dazu:
„In Abhängigkeit von der jeweiligen regionalen Corona-Situation und in enger Abstimmung mit den Fachteams, den regionalen Standorten und anhand der Nachfrage in der jeweiligen Lieferregion werden Zeitfenster mit unterschiedlichem Vorlauf zur Verfügung gestellt.“
Genauere Angaben dazu, ob es dafür einen festen Rhythmus gibt, macht Rewe nicht. In jedem Fall entfernt sich das Unternehmen damit von der bisherigen – und auch nach den Engpässen im Frühjahr wieder aufgenommenen – Gewohnheit, Zeitfenster mit einem Vorlauf von 14 Tagen zur Verfügung zu stellen. Ähnlich übrigens wie Amazon Fresh, das sich bereits seit dem Sommer darauf konzentriert, frische Lebensmittel nur noch mit geringem Vorlauf zuzustellen (siehe Supermarktblog).
Gerechter verteilte Lieferchancen
Das hat den Vorteil, dass einzelne Kund:innen nicht mehrere Termine belegen und Lieferungen für die kommenden Wochen durchreservieren, während andere gar keine Gelegenheit mehr haben, den Dienst zu nutzen.
Anders als der 96-Stunden-Vorlauf, an den man sich bei Amazon Fresh weiterhin zu halten scheint (d.h.: Liefertermine werden bis zu vier Tage im Voraus freigeschaltet), scheinen die Zeiten beim Rewe Lieferservice stärker zu variieren.
Am Donnerstagmorgen waren für mein Liefergebiet in Berlin noch sämtliche Zeitfenster für den kommenden Tag auswählbar – bis am Nachmittag wieder der virtuelle Brückentroll grüßte. Am Nikolaustag ließ sich problemlos für den Dienstag daraufbestellen (und zwar nur für den Dienstag). Meistens tauchen Zeitfenster für „Heute“ und „Morgen“ auf; am Anfang der Woche manchmal auch welche für den folgenden Samstag.
Den Lieferservice-Kund:innen verlangt das einerseits zwar mehr Spontaneität und Flexibilität ab, weil man ständig prüfen muss, ob neue Termine zur Verfügung stehen. Andererseits ist dadurch die Wahrscheinlichkeit massiv gestiegen, auch tatsächlich zeitnah beliefert zu werden. (Und sich nicht schon Ewigkeiten im Voraus für Lieferfenster in der Zukunft entscheiden zu müssen, falls überhaupt welche frei sind.)
Kund:innen bestellen kurzfristiger
Von Rewe Digital heißt es dazu:
„Insgesamt profitieren die Kunden durch das flexible Angebot an Zeitfenstern, weil dadurch die deutlich gestiegene Nachfrage und damit die erhöhte Komplexität im operativen Bereich ohne Einschränkungen hinsichtlich Angebot und Service bewältigt werden kann.“
Am Feedback der Kund:innen stelle man außerdem fest, „dass sich diese Anpassung in den letzten Monaten bewährt hat“. Es gebe sicher auch solche, die die Möglichkeit vermissen, mehrere Termine auf einen Schlag zu sichern.
„Auf der anderen Seite nutzen Kunden aber verstärkt die Möglichkeit der Belieferung am selben oder am nächsten Tag.“
Genau darauf steuert der Lebensmittel-Liefermarkt seit Beginn der Pandemie zunehmend hin. Während Sofort-Lieferdienste wie Gorillas & Co. un Ballungszentren den unmittelbaren Bedarf decken wollen (siehe Supermarktblog), erfolgt auch die Zustellung größerer Warenkörbe zunehmend kurzfristiger. Das hilft den Lieferdiensten im Zweifel auch dabei, die versprochene Warenverfügbarkeit besser einzuhalten. (Auch wenn Rewe sein Ersatzartikel-Problemchen leider immer noch nicht richtig im Griff hat.)
Picnic will auch morgens liefern
Und was macht der Wettbewerb? Edekas Bringmeister, wo man zwischendurch ähnlich verfuhr, ist kurioserweise wieder zur Vor-Pandemie-Taktik zurückgekehrt: Wenn Sie sich beeilen, können Sie sich jetzt noch schnell ihr Zeitfenster für Heiligabend sichern. Und Picnic hatte seine Kund:innen in Nordrhein-Westfalen kürzlich per E-Mail darüber informiert, die Liefertermin-Auswahl erweitern zu wollen:
„Da momentan wieder mehr los ist als gewohnt, möchten wir im Rahmen eines Pilotprojekts zusätzliche Lieferzeiten testen und freuen uns dir zwei Fahrten pro Woche am Morgen anbieten zu können. Nach erfolgreicher Testphase erweitern wir natürlich unsere morgendlichen Lieferzeiten für dich! :)“

Um den Einkauf zwischen 8.15 Uhr und 9.15 Uhr bzw. zwischen 11 und 12 Uhr nachhause gebracht zu kriegen, musste die Bestellung am Vortag bis 13 Uhr abgeschickt werden. Die Testphase scheint aktuell wieder beendet zu sein; zumindest in meinem Picnic-Liefergebiet waren die Morgen-Termine Ende November aber stets als erste vergriffen. Eine Wiederkehr dürfte also wahrscheinlich sein.
Fotos: Supermarktblog
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Der Beitrag Neue Strategie: Rewe schaltet Lieferzeitfenster Tag für Tag frei erschien zuerst auf Supermarktblog.