Dass Rewe schöne, moderne Supermärkte bauen kann, ist bekannt. Dass Rewe außerdem fleißig mit neuen Konzepten experimentiert, wissen Supermarktblog-Leser auch. Bei manchen allerdings klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität. Und nirgendwo sonst wird man von der so schön angegähnt wie am Kölner Waidmarkt.
Im vergangenen Herbst eröffnete dort in einem seelenlosen Neubauquartier die erste “Made by Rewe”-Filiale: eine Art Bistro, bei dessen Gestaltung der Innenarchitekt Kreativitätsschluckauf hatte. Dabei herausgekommen ist ein moderner, aber nicht unbedingt gemütlicher Laden, der vor allem aus Kühlschwänden besteht: Raumtrennern nämlich, die auf der Vorderseite Kühlschrank sind, und auf der Rückseite Wand. (Genauer: mediterran bekachelte Wand.)
Und aus der langen Theke, über die man in die Küchenzeile schauen kann, um dabei zu sein, wie das Essen zubereitet wird.
Es ist leider vor allem ein Blick in die Traurigkeit der Systemgastronomie.
Weil nach der Bestellung des “New Delhi Curry Daal” für 6,50 Euro ein Mitarbeiter augenblicklich ein sehr scharfes Messer zur Hand nimmt, um damit – die Plastikfolie des riesigen schwarzen Plastikbottichs einzuschneiden, in dem das Hauptgericht fertig angeliefert kommt. Mit der Schöpfkelle wird eine Linsen-Portion in weiße Keramik umdeponiert, aufgewärmt, mit Minzblättchen garniert, und mit einem Klacks Joghurt serviert.
So stellt man sich bei Made by Rewe die moderne Systemgastronomie vor. Und so sieht das auch aus:
Die Konsistenz ist: breiig, das Brot: trocken, die Geschmacksrichtung: scharf. Oder wie man zu Karneval in Köln sagen würde: Bleibt der Löffel steh’n im Essen, kannst du den Geschmack vergessen.
Vom flauen Gefühl im Magen hat man danach den ganzen Tag noch was. Das Schlimmste ist aber: Offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein Versehen.
Wer sich vom Zusatz “hausgemacht” dazu verführen lässt, eine Limonade zu begehren, bekommt ein fades Zitronengesöff in ein riesiges Glas geschenkt, bei dem die Gefahr besteht, dass es bereits verdunstet ist, bis man es zum Tisch getragen hat. Macht noch mal 2,50 Euro. (Dafür gibt’s kostenlos dazu: ein Minzblatt. Und nachträglich Eiswürfel, die das Glas immerhin ein bisschen voller wirken lassen.)
In den Kühltheken liegen ein paar unspekatkulär belegte Baguettes und Brötchen, zu denen Mitarbeiter beim Abkassieren wissen wollen:
“Soll’s warm gemacht werden?”
Seinen Kaffee darf man sich selbst zubereiten: An einer glänzenden Espressomaschine, die sich als Attrappe entpuppt, wenn man an der Bedientheke die Nespresso-Kaffeekapsel ausgehändigt kriegt.
Auf der großen Tafel über der Theke steht: “Preise alle in Euro” – und das ist eine durchaus relevante Information, um nicht auf die Idee zu kommen, die Angaben müssten angesichts des erhaltenen Gegenwerts in indischen Rupien sein. (Ganzes Menü ansehen.)
Rewe hat es also fertig gebracht, einen Laden zu eröffnen, bei dem offensichtlich Geld fürs Design ausgegeben wurde, das wichtigste Kochinstrument aber die Microwelle ist und Fertigessen aus Plastikbottichen zu Restaurantpreisen bestellt werden kann. Und man wüsste schon gerne, in welcher Parallelwelt findige Marktforscher Deutschlands zweitgrößter Supermarktkette weismachen konnten, dass das nicht nur eine gute Idee ist, sondern in Großstädten auch ein konkurrenzfähiges Angebot. (Inzwischen hat ein zweites “Made by Rewe” in Köln und eines in Heidelberg eröffnet.)
Als ob das nicht schon kurios genug wäre, hat Rewe dafür auch noch eine eigene GmbH gegründet. Sie heißt: Smart People.
Nun ist es ganz sicher keine leichte Aufgabe, ein neues Gastrokonzept zu etablieren, bei dem das Essen schnell auf den Tisch kommt, immer alles frisch und vorrätig ist und die Kosten überschaubar bleiben. Aber wenn “Made by Rewe” der Standard sein soll, mit dem sich Rewe seinen Kunden als Gastro-Neuling empfehlen will, dann wird das nicht nur schiefgehen. Sondern schlimmstenfalls das Image der Supermärkte in Mitleidenschaft ziehen. Weil man als Kunde den Eindruck hat: Wer so “kocht”, der kann keinen großen Wert auf frische Zutaten legen.
Rewe müsse zum Treffpunkt werden, an dem die Leute nicht nur ihre Einkäufe erledigen, sondern auch einen Teil ihrer Freizeit verbringen, hat die Rewe-Geschäftsführung im vergangenen Jahr die Gastro-Initiative erklärt. Wenn damit Treffpunkte für Leute gemeint sind, die gerade auf Hungerdiät sind, ist die Rechnung aufgegangen.
Alle anderen werden immerhin vorgewarnt. Auf der Tafel vor der Tür steht schließlich in großen schwarzen Buchstaben über den Wochenangeboten:
“Made hot.”
Fotos: Supermarktblog