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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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“E Backstube”: Edeka gibt seinen Bäcker-Simulationen einen neuen Namen

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Die Erwartungshaltung weltoffener Menschen im fremdsprachigen Ausland gegenüber den Deutschen lässt sich im Wesentlichen auf drei Punkte reduzieren:

1. Die Deutschen tragen bei fast jeder Gelegenheit Lederhose.
2. Die Deutschen sind immer pünktlich.
3. Die Deutschen kaufen gerne rustikale Brote in so genannten “Bäckereien”.

Der ersten Erwartung wird allerdings schon seit längerem nur noch von maibaumaufstellenden Minderheiten entsprochen; von der zweiten wissen Sie selbst, dass sie maßlos schöngeredet ist; und die letzte war womöglich mal korrekt, müsste aber inzwischen lauten:

3. Die Deutschen kaufen gerne Aufbackware in so genannten “Discountern”.

Genau deshalb muss Edeka jetzt die Kulissen in seinen Backtheatern neu verschieben. Regelmäßige Kunden kennen das: Viele Edekas sind mit Vorkassenbäckern ausgestattet, also: Bäckern vor der Kasse, die eine eigene Theke, eigenes Verkaufspersonal und manchmal sehr eigene Preisvorstellungen haben. Seitdem die Discounter sich jedoch in kleine Aufbackparadiese verwandeln und viele Supermärkte mitziehen, ist das Geschäft für die Vorkassenbäcker schwierig geworden.

Bei Lidl kündigen Mietbäcker ihre Verträge, weil sie mit den Preisen des Backangebots aus den Ladentheken nicht mehr mithalten können.

Bei Edeka nicht.

Das liegt daran, dass viele der Edeka-Vorkassenbäcker schon lange nicht mehr unabhängig sind, sondern sowieso schon zu Edeka gehören. Das wissen viele Kunden bisher nur nicht.

"Dit is Genuss!", warb Thürmann kürzlich noch vor einigen Berliner Edeka-Läden (obwohl's ja "Jenuss" heißen müsste)

In der Region Minden-Hannover (die bei Edeka eine von deutschlandweit sieben ist und sehr ungefähr von Osnabrück bis Cottbus reicht; siehe auch Supermarktblog) kaufen die Kunden bisher zum Beispiel bei Schäfer’s und Thürmann ein. Beide sind seit den 70er bzw. 90er Jahren Edeka-Tochterunternehmen. Und sollen im Laufe des Jahres als Filialnamen verschwinden.

“Schäfer’s und Thürmann werden zu Produktmarken weiterentwickelt”,

erklärt ein Sprecher der Regionalgesellschaft auf Anfrage. Das heißt: Die Vorkassenbäcker bleiben zwar erhalten. Sie haben künftig aber keinen eigenen Namen mehr, sondern werden – ähnlich wie beim Edeka-Discounter Netto (ohne Hund) – zur “Backstube”. Und in den meisten Fällen nicht mehr von der Edeka-Großbäckerei betrieben, sondern vom jeweiligen Edeka-Kaufmann, in dessen Supermarkt die Theke steht. Bis Ende des Jahres sollen überall die neuen Schilder dran sein.

"E Backstube" am Berliner Kollwitzplatz

Dadurch könne schneller und direkter auf Veränderungen reagiert werden, heißt es im Unternehmen. Wenn das “Brot des Monats” verkostet werden solle, könne das der Händler direkt entscheiden. Das Personal, das jetzt vom Kaufmann angestellt werde, sei flexibler einsetzbar. Außerdem könne bei der Backwarenbestellung besser auf “regionale Bedürfnisse” Rücksicht genommen werden. Oder, auf Edekanisch:

“Niemand weiß besser, wie man Lebensmittel verkauft als unsere selbstständigen Edeka-Kaufleute.”

Die jetzt natürlich auch das unternehmerische Risiko tragen, ihre “E Backstube” gegen die Discounter am Laufen zu halten.

Was bedeutet das für die Kunden?

Erstmal nicht viel. Bereits umgestellte Berliner “E Backstuben” werben in den typischen Thürmann-80er-Jahre-Farben (Violett und Gelb) mit dem Spruch: “Hier bekommen Sie weiterhin alle ‘Thürmann-Produkte’ …mit Preissenkung.” Die Backwaren kommen aber überall weiterhin aus der Großbäckerei.

Das Sortiment kommt weiter aus der Großbäckerei: Vorkassenbäcker im " E Backstube"-Design

Fassen wir das also kurz zusammen: Weil Edeka den Druck der Discounter zu spüren kriegt, werden die Vorkassenbäcker umbenannt, verkaufen aber weiter dasselbe wie bisher, wobei die Namen der Edeka-eigenen Bäcker-Simulationen nicht komplett verschwinden sollen, sondern zu “Produktnamen” werden, also künftig am Regal stehen, damit die Leute wie gewohnt ihr “Schäfer’s Körnerbrot” kaufen können, nur halt in der “E Backstube”.

Aus unternehmerischer Sicht ist das ganz sicher ein ausgeklügelter Plan. Sie dürfen halt nur nicht versuchen, den demnächst Ihrem Besuch aus dem Ausland zu erklären.

Fotos: Supermarktblog

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