Eins lässt sich der Nummer vier im deutschen Lebensmittel-Discount gewiss nicht vorwerfen: mangelnde Umtriebigkeit. Das Penny-Management weiß sehr genau, dass es den Wettbewerbern im Idealfall immer ein paar Schritte voraus sein muss, um Kund:innen gute Argumente an die Hand zu geben, ihren Einkauf nicht einfach bei Aldi oder Lidl zu erledigen. Also erfindet sich die Rewe-Tochter seit einigen Jahren in regelmäßigen Abständen selbst neu.
Dem muss man zweifellos Respekt zollen, und umso schwerer fällt es mir, den nächsten Satz hinzuschreiben, denn: Diesmal ist das leider schief gegangen.
Auch wenn es auf den ersten Blick erstmal anders wirkt: Denn das neue auf den etwas ausgelutschten Namen „Markthalle“ getaufte Ladendesign hat durchaus seine Reize. „Überraschend anders“ will „der neueste Penny der Welt“ sein, und verspricht dazu: „noch frischer, noch übersichtlicher, noch mehr Platz“. Getestet wurde das Konzept zuerst in Tschechien, wo die Kundschaft sich mehr Inspiration beim Einkaufen wünschte. (Allerdings: vor Corona.) In Deutschland wurden Filialen in Brieselang und Teltow bei Berlin testweise umgebaut. Das Ergebnis scheint die Geschäftsführung in Köln überzeugt zu haben.
Penny-Chef Stefan Magel erklärte der „Lebensmittel Zeitung“ vor einiger Zeit, die Umsätze in den modernisierten Läden seien um „bis zu 15 Prozent“ gestiegen. Bis Ende des Jahres sollen nun 600 deutsche Penny-Märkte nach dem Markthalle-Prinzip umgebaut sein, bis 2023 auch der Rest.
Aber vielleicht ließe sich das am Ende dieses Texts noch mal verhandeln?
Wie bei Ikea, nur für Lebensmittel
Das Positive zuerst: Der „Super Discounter“, der Penny nach dem Umbau gerne wäre, macht optisch tatsächlich einen ganz guten Eindruck: Die Sortimente sind Discount-gemäß schlicht, aber ansprechend designt. Die Mini-Weinabteilung sieht besser aus als in manch echtem Supermarkt. Und die neue Obst- und Gemüsefläche wirkt dank Holzeinfassung (ähnlich wie es Netto [mit Hund] vorgemacht hat) sehr viel höherwertiger als bisher. Sogar die klobigen Pfandschlucker mancher Bestandsfiliale sind endlich von der Verkaufsfläche verschwunden und in die Wand eingelassen worden! Dazu hat Penny seine „Frische-Packs“, die Käse- und Wurst-Aufschnitt für kleinere Haushalte vorportioniert haben, in eine separate Kühltruhe geholt, um das Angebot besser zur Geltung kommen zu lassen.
Und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass sich mir die Kernidee des neuen Ladenlayouts nicht erschließt: Denn um das 3.500 Artikel umfassende Sortiment aus Eigenmarken, Herstellermarken und Aktionsartikeln besser zur Geltung zu bringen, wagt Penny sich sogar, von der bisherigen Querregalierung im Laden Abschied zu nehmen. (Was andernorts im Discount ein sicheres Herzinfarktrisiko wäre.)
Stattdessen gibt es nun „Themenwelten“, die an einem vorgegebenen Kund:innenlauf angeordnet sind – ein bisschen wie bei Ikea, nur für Lebensmittel.
Der Hauptlauf als Nadelöhr
Jede „Themenwelt“ verfügt über eine eigene Regalbucht, in deren Mitte ein zusätzlicher Aufsteller mit dazu passenden Aktionsartikeln der Woche positioniert ist. So lassen sich Kund:innen durch den gesamten Markt leiten und auf Produkte aufmerksam machen, die sie im bisherigen Layout nicht entdeckt oder bei der Konkurrenz gekauft hätten. Clever ist auch, dass die Aktionsartikelregale auf Rollen bereits im Lager befüllt und anschließend nur noch in den Markt geschoben zu werden brauchen.
Auf Flächen, die richtig viel Platz dafür haben, sieht das auch ziemlich gut aus.



Nur nicht dort, wo ordentlich gequetscht werden muss, um alle neuen Ideen unterzubringen. In 70 Prozent der Filialen solle das vollständige Konzept umgesetzt werden, heißt es aus Köln; in Läden mit weniger als 700 Quadratmetern nur einzelne „Module“. Aber selbst das könnte heikel werden.
Ich hab mir eine mittelgroße ehemalige Plus-Filiale nach dem Umbau angeschaut, die im Zuge der Übernahme durch Netto (ohne Hund) als eine von 400 Märkten aus Wettbewerbsgründen an andere Handelsketten abgegeben worden war, in diesem Fall eben: an Penny. Und bin am Eingang gleich aufs erste Hindernis aufgelaufen. Denn so großzügig der Empfang in der neuen Obst- und Gemüse-Arena mit der „Frischegarantie“ auch sein mag: der Hauptlauf in den Markt hinein entpuppt sich als Nadelöhr, das entweder mit Rollcontainern zur Regalbefüllung oder zusätzlichen Paletten mit Aktionsware vollgestellt ist, die nicht mehr in die Themenwelt-Buchten gepasst haben.
Kein Platz mehr für den Einkaufswagen
Das lässt den Markt nicht nur enger wirken als er eigentlich ist; es sorgt auch dafür, dass sich zu Stoßzeiten niemand all zu lange vor den Süßwaren aufhalten darf, weil sich sonst zügig ein Kund:innenrückstau in Richtung Avocados bildet. Das gilt auch für größere Umbau-Märkte:

Die Aktionsware den Themenwelten zuzusortieren, ist eigentlich eine schöner Einfall; sie drängelt sich in der neuen Positionierung aber so arg in den Vordergrund, dass die Vielfalt des regulären Penny-Sortiments dahinter verschwindet. Was ziemlich fatal ist, wenn man als Kund:in nicht die Energie aufbringen möchte, jede Bucht einzeln zu durchschreiten, um alle drei Regalseiten zu durchstöbern (anstatt wie bisher das Angebot im Vorbeigehen zu scannen).
Richtig ärgerlich ist, dass manche Buchten so eng geraten sind, dass sie sich wegen des zusätzlichen Rollregals in der Mitte nur ohne Einkaufswagen betreten lassen – was dazu führt, dass Kund:innen ihre Transporthelfer vor den Aktionsartikeln parken, an die dann niemand mehr rankommt.
Gerade zu Stoßzeiten hat das eine problematische Wirkung auf den Platz im Markt, der sehr ungleich verteilt ist: Während sich vor den Buchten alles staut, eröffnet sich an der Stirnseite des Markts zwischen 5-Minuten-Terrine und Teewurst nämlich eine Rennpiste, auf der haufenweise Quadratmeter verschwendet werden, die an anderer Stelle fehlen.

Metallwüstig, massiv und ausladend
Das dürfte auch daran liegen, dass fest verbaute Kühlregale und Theken an ihren angestammten Plätzen bleiben müssen, um die Kosten für die (durchaus aufwändigen) Umbauten zumindest halbwegs im Rahmen zu halten.
Es führt gleichwohl dazu, dass die bisher frei vor der Kühlung positionierte Nonfood-Ware in ein langes Aktionsartikel-Hufeisen gewandert ist, das keinen Durchlass mehr bietet. Und noch dazu der denkbar schlechteste Sparrings-Partner für die gegenüberliegende „Bäckerkrönung“-Theke ist, die ebenfalls am angestammten Platz verbleiben musste und eine sehr viel angenehmere Nachbarschaft verdient hätte, um ihrer Wirkung zu entfalten.
Das anschließend in die Ecke verbaute Tiefkühltsortiment in Anthrazitverkleidung mit knallrotem Aktionsfenster und neuen Hängeschränken wirkt wahnsinnig metallwüstig, massiv und ausladend.
Und wer Drogerieartikel benötigt, wird daneben in Regal-Canyons hineingeschickt, ohne überblicken zu können, welche Teilsortimente nach dem 90-Grad-Knick des Kundenlaufs dort warten: Duftkerzen? Shampoo? Hygieneartikel?
Diesen Eindruck vermag dann auch die bereits erwähnte Weinabteilung nicht mehr vollends auszugleichen. Zumal die völlig verbaute Kassenzone endgültig wirkt, als hätte dort ein Restebömbchen eingeschlagen: Das Aktionsbier steht auf der Palette vorm Putzmittel, das Jahrmarkt-Allerlei neben dem Tabakschrank mit den Horrorbildern auf den Packungen, über die Vitrine mit den Rasierklingen schielt das Büchlein mit den „Renterwitzen“ und dort, wo in größeren Filialen die neuen SB-Kassen positioniert sind, klafft in kleineren bloß eine nackte Regalwand vor den Restekühltruhen mit Quengelware.
Verstellter Blick auf Kernsortimente
Das setzt dem von Penny gewünschten Stöbern ins „ausgedehnten Regalbuchten“ ein promptes Ende; vor allem aber macht es einen schnellen Discount-Einkauf zunehmend unmöglich.
Anstatt zügig durch die Regalreihen gehen und benötigte Artikel in den Wagen legen zu können, schickt Penny seine Kundschaft nun permanent in Sackgässchen, verstellt ihr den Blick auf Kernsortimente und kann nicht mal die thematische Sortimentszuordnung einhalten – weil die Weihnachstware der Eigenmarke Douceur gerade so umfassend ausfällt, dass sie den Platz in der dafür vorgesehenen „Saison“-Bucht sprengt und doch wieder über mehrere Plätze im Markt verteilt werden muss.
Weil Regalenden fehlen, scheint jetzt noch mehr Kram auf Paletten rumzustehen, was die eigentlich beabsichtigte Hochwertigkeit des Ladendesigns konterkariert.
Bio- und Veggie-Produkte gehen im neuen Aktionsgeflimmer vollends in der Masse unter.
Und die inkonsequente Sortimentsauszeichnung – „Frühstück“, „Kochen“, „Haushalt“ bzw. „Reinigen“, „Waschmittel“, „Putzmittel“ – lassen wir mal großzügig unter den Tisch fallen.
Schleichweg durch die Getränkeabteilung
Da wirkt es fast wie Hohn, dass eines der Hauptversprechen des neuen Penny „Schnell finden statt lange suchen“ sein soll – vor allem, wenn man kurz vor der Kasse merkt, die Butter vergessen zu haben und überlegen muss, ob man sich nochmal durch sämtliche „Themenwelten“ fädeln möchte oder später lieber doch noch mal woanders einkaufen. (Die einzige Abkürzung ist durch die Getränkeabteilung im vorderen Drittel des Markts.)
Pennys „Super Discounter“-Konzept ist kreativ gedacht und mutig geplant; in zahlreichen Bestandsmärkten dürften viele Maßnahmen aber eher das Gegenteil von dem bewirken, was sie bezwecken, und den Eindruck des Aktionsartikel-Discounts, der sich nur eingeschränkt als Haupteinkaufsstätte eignet, tendenziell sogar verstärken.

Das ist auch deshalb so schade, weil es Wasser auf die Mühlen der Discount-Traditionalisten bedeutet, denen schon Querregale im Markt zuviel der Innovation gewesen sind (siehe Supermarktblog).
Am Ende ist es aber auch der Tatsache geschuldet, möglichst viel Kram auf Flächen zu stopfen, die dafür nicht wirklich ausgelegt sind, vor allem, wenn ihnen auch noch ein kreativer Kund:innenlauf übergestülpt werden soll.
Penny bleibt die Hoffnung, dass die Stammkundschaft, die ohnehin zum Einkaufen kommt, das anders sieht. In dem größeren gerade umgebauten Markt, den ich besucht habe, hing ein Zettel an der Pinnwand hinter den Kassen, auf dem sich eine Kundin „voll begeistert“ von der neuen Filiale zeigte („freundlich, sauber, man fühlt sich wohl“). Genau so, wie man sich das von seinem „Super Discounter“ im Jahr 2021 halt wünscht.

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Der Beitrag Supermärktchen der Sackgassen: Pennys neues Ladendesign im Praxis-Check erschien zuerst auf Supermarktblog.