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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Die neuen Treuepunkte kleben nicht mehr

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Da sag noch mal einer, Kinder würden kein Gemüse mögen. Stimmt doch gar nicht! Das Gemüse muss bloß drollige Kulleraugen haben und auf Namen wie Karla Karotte, Bruno Brokkoli und Karl Knoblauch hören. Einen ganzen Rutsch solcher “Knuddel-Vitamine” hat der Rewe-Discounter Penny im vergangenen Herbst an seine Kunden verteilt. Beziehungsweise an dessen Nachwuchs, der die erwachsenen Geldbörsenverwalter vorher regelmäßig zu Penny gejagt hat, bis genügend Punkte an der Kasse ersammelt waren.

(Ab 50 Punkten gab’s für 99 Cent Zuzahlung ein Plüschobst oder -gemüse nach Wahl.)

 Karla Karotte, Bruno Brokkoli und Karl Knoblauch aus der "Goodness Gang" haben auch zahlreiche Obstfreunde

Im Original heißen die Vitaminchen “Goodness Gang” und haben eine Mission: Sie sollen ihre kleinen Besitzer an gesunde Lebensmittel gewöhnen. (Obwohl es vielleicht zu Missverständnissen führen könnte, wenn Kinder es für normal halten, Freunde zu essen.)

Erfunden worden ist die Bande vom Unternehmen The Continuity Company (TCC), das sich Kundenbindungsprogramme für Supermärkte und Tankstellen ausdenkt – in über 30 Ländern, von Deutschland bis Japan. In der vergangenen Woche demonstrierte TCC seinen internationalen Partnern in Berlin, mit was sich Kunden alles belohnen lassen: die kleinen mit Sammelstickern, Ice-Age-Knuddelmammuts, Angry-Birds-Spielen, Disney-Charakteren; und die großen mit Messern, Bettwäsche, Reisetaschen, Modeschmuck. Ganze Kinderzimmer und Haushalte ließen sich mit den Prämien einrichten, die TCC über solche Treueprogramme verkauft, meistens im Verbund mit Lizenzpartnern und bekannten Marken.

Supermärkte bieten die Aktionen an, weil sie wollen, dass die Kunden möglichst oft wiederkommen und seltener zur Konkurrenz gehen (siehe Supermarktblog). Dass sich die Treueversprechen mit Bonusprogrammen wie Payback beißen könnte, die ja auch Belohnungen in Aussicht stellen, glaubt TCC-Deutschland-Geschäftsführer Jörg Crosack (natürlich) nicht:

“Die Systeme ergänzen sich eher. Kundenkarten sind der Versuch, langfristig Loyalität aufzubauen. Unsere Programme zielen eher darauf ab, zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr die Frequenz im Laden zu erhöhen.”

Wobei die Supermärkte längst dazu übergegangen sind, kurz nach dem Ende einer Treueaktion schon wieder die nächste zu starten. Derzeit sei Deutschland in Europa der größte Markt für diese Art der “Customer Loyalty”, sagt Croseck. Kein Wunder, inzwischen steigen selbst die Discounter auf den Trend ein.

Lidl verschenkt "Stikeez aus dem Weltall" an Kunden

Lidl verschenkt derzeit – in Zusammenarbeit mit einem TCC-Konkurrenten – Plastiksaugnapf-Aliens namens “Stikeez” pro 15 Euro Einkaufswert. (Als die Figuren bei der ersten Aktion im vergangenen Jahr knapp wurden und nachgeliefert werden mussten, machte die Ersatz-”Bild”-Zeitung Spiegel Online daraus das “Sammelfiguren-Desaster”.) Kaufland-Kunden werden nach der Premiere im Vorjahr gerade wieder gefragt, ob sie sich Treuemesser ersammeln wollen. Nur Aldi weigert sich bisher standhaft.

Dass die übrigen Discounter mitziehen, hat für Croseck einen einfachen Grund:

“Jeder Händler hat inzwischen tolle Läden und tolle Standorte. Das reicht nicht mehr, wenn alle täglich darum kämpfen, dass die Kunden ausgerechnet zu ihnen in den Laden kommen.”

Dabei eignen sich natürlich auch die Treueprogramme nur noch begrenzt zur Differenzierung: Weil fast jede Supermarktkette eins hat. Und sich Kunden bloß noch entscheiden müssen, ob sie eher den neuen Wok gebrauchen können oder doch besser auf die Kissenbezüge bei der Konkurrenz schielen.

Viele Leute haben sich daran gewöhnt, im Supermarkt treuebelohnt zu werden – obwohl in der Regel ja immer noch was draufgezahlt werden muss. Und Verbrauchermagazine im Fernsehen berichten regelmäßig, die dann erworbenen Markenprodukte würden oft gar nicht dieselbe Qualität aufweisen wie die Originale. Croseck entgegnet, dass beispielsweise die von TCC regelmäßig angebotenen Töpfe und Pfannen des deutschen Herstellers Fissler dieselben Qualitätskontrollen durchliefen wie die Produkte, die regulär in den Handel kommen. Dort gebe es aber ja auch unterschiedliche Qualitätsstufen zu entsprechenden Preisen.

“Am Ende müssen wir sicherstellen, dass der Kunde die Qualität, für die er bezahlt, richtig einschätzt.”

(Wobei eine bekannte Marke ja oft auch das Ziel hat, dass Kunden die Qualität gar nicht erst in Frage stellen, sondern davon ausgehen, keine Billigprodukte zu kriegen. Das sagt Croseck freilich nicht dazu.)

Als nächstes sollen die Aktionen den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen, das heißt: Die neuen Treuepunkte kleben nicht mehr. Unter dem Namen “Smart Points” testet das Unternehmen derzeit u.a. bei Makro in Belgien und O’key in Russland eine Smartphone-App, die ersammelte Punkte automatisch einem virtuellen Konto hinzufügt. Die App macht Prämienvorschläge, weist den Benutzer auf den Ablauf des Sammelzeitraums hin (“Noch X Tage bis zum Ende der Aktion”) und ermöglicht eingeladenen Freunden das Mitsammeln.

Treuepunkte per "Smartpoints"-App sammeln: Bald soll auch in Deutschland getestet werden / Screenshot: TCC

Bleiben am Ende Punkte übrig, verfallen die nicht, sondern können die einem guten Zweck gespendet werden.

In Deutschland sei man derzeit noch auf der Suche nach einem geeigneten Testpartner, heißt es bei TCC. Spätestens Anfang des nächsten Jahres sollte die App, die von den Supermärkten an ihr Design angepasst werden kann, hierzulande aber zum Einsatz kommen.

Gleichzeitig wäre die Digitalsammelei eine gute Lösung, um Treuepunktesammler und Treuepunktehasser zu versöhnen. Weil die Sammler ihre Punkte nämlich in die App kriegen, indem sie nach jedem Einkauf einen QR-Code abfotografieren, der automatisch auf den Kassenzettel gedruckt wird. Und Hasser nicht mehr an die Decke gehen müssen, wenn sie vom Kassierer gefragt werden, ob sie Sammler sind. So hätte der eine Kunde am Ende sein Treuemesser. Und der andere seine Ruhe.

Ist auch sicherer als andersherum.

Fotos: Supermarktblog, Screenshot: TCC

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