Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1004

Comeback-Stimmung im Einzelhandel: Wie stehen die Chancen für Schlecker+ und Mein Real?

$
0
0
Partner und Sponsoren:
Partner und Sponsoren:

Abba haben’s getan, „Wetten dass..?“ hat’s nicht bereut – wieso also sollte ein erfolgreiches Comeback nicht auch im Drogerie- und Lebensmitteleinzelhandel gelingen, der in den vergangenen Jahren diverse Markenabschiede gesehen hat? Es gibt mehrere Antworten auf diese Frage, Momentchen noch.

Aber derzeit sieht es noch so aus, als würde 2022 tatsächlich das Jahr, in dem gleich zwei bereits verabschiedete Handelsketten unter neuer Führung die Rückkehr wagen.

Ende des vergangenen Jahres kündigte das Tiroler Unternehmen kitzVenture an, die internationalen Markenrechte an Schlecker übernommen zu haben, das vor zehn Jahren in die Pleite schlitterte (siehe Supermarktblog), und die Kette unter dem Namen „Schlecker+“ zurückzubringen. In der Mitteilung war von einem „MEGA COUP“ die Rede, dem „größte[n] Angriff in der Geschichte des europäischen Handels“ und der Weissagung, „so oder so zum Einhorn“ zu werden. Und falls überenthusiastisch formulierte Pressemitteilungen (wie bisher) ein Indiz für nahezu sicheres Scheitern sein sollten, sieht es für den Neustart von Schlecker+ eher so mäh aus.


Start für Schlecker+ im Oktober

Im Oktober jedenfalls soll es losgehen: mit dem ersten Laden und direkt mit eigenem Online-Shop, bei dem bestellte Produkte aus einem vollautomatisierten Lager innerhalb von 60 bis 90 Minuten nach Bestellung ausgeliefert werden können. Und zwar nicht nur Drogerieartikel, sondern auch Lebensmittel. Zu einem späteren Zeitpunkt soll das Sortiment (in größeren Läden) auf Baumarktprodukte sowie Büro- und Geschäftsbedarf ausgeweitet werden.

So plant es zumindest der österreichische Unternehmer Patrick Landrock, der hinter dem Vorhaben steht (und Presseankündigungen ohne Zutun teurer PR-Agenturen womöglich gerne selbst zu verfassen scheint).

Ehemalige Schlecker-Filiale in der Ausverkauf-Phase; Foto: Smb

Eine Zentrale in Nordrhein-Westfalen ist wohl bereits angemietet. 32 Filialen in Deutschland und sieben in Österreich, die als bestätigt gemeldet werden, reichen aber noch nicht aus, um ein „europäischer Handelsriese“ zu werden. (Zum Vergleich: dm und Rossmann betreiben alleine in Deutschland über 2.000 Märkte, die Wettbewerber Müller und Budni bislang unter 600 bzw. unter 200).

Erinnerung ans Dayli-Desaster

Die übertriebenen Versprechungen erinnern an das Desaster mit Dayli, das vor zehn Jahren als Schlecker-Nachfolger in Österreich ähnlich großspurig an den Start ging, um mit einem Nahversorgerkonzept richtig zu machen, was vorher alles falsch gelaufen war. Investor Rudolf Haberleitner war davon überzeugt, den Kund:innen „dermaßen viele Vorteile [zu bieten], dass der Wettbewerb den Rückstand kaum aufholen kann“. „3000 Filialen in 20 Ländern, von Süddeutschland bis Ex-Jugoslawien“ waren das erklärte Ziel: „Ich will den ganzen Balkan, so schaut’s aus.“

Zwölf Monate später, im Mai 2013, hatte Haberleitner aber nicht den ganzen Balkan, sondern fertig: Dayli meldete Insolvenz an (siehe Supermarktblog), und der Traum vom erfolgreichen Schlecker-Nachfolger war – geplatzt.

Der an vergleichbaren Ambitionen leidende Neu-Herausforderer wird also alle Hände voll zu tun haben, mit einem nicht gerade positiv belegten Markennamen und der Öffentlichkeit bislang nicht konkret vorgestellten Investor:innen einen Markt zu knacken, mit dem sich selbst ein Schwergewicht wie Edeka bislang schwer tut.

Warenhaussaurier mit neuem Namen

Nicht minder interessant wird das Comeback von Real, das bislang ja gar nicht richtig weg war, aber in den vergangenen beiden Jahren dabei zusehen musste, im laufenden Betrieb ausgeschlachtet und Stück für Stück an die Konkurrenz verteilt zu werden, wie es der Investor SCP nach dem Erwerb der Handelskette von der geschrumpften Metro Group (siehe Supermarktblog) umgesetzt hat.

Real soll unter neuem Investor wieder eine Zukunft haben; Foto: Smb

Die meisten der ehemaligen Real-Häuser heißen inzwischen Edeka oder Kaufland, ein paar auch Globus. 63 übrig gebliebene gehören künftig dem „Single Family Office“ des Rechtsanwalts Sven Tischendorf, der sich in der Vergangenheit als Restrukturierungsspezialist bewiesen hat – und die Überreste in Kooperation mit Teilen des bisherigen Real-Managements eigenständig weiterführen will.

Ab 1. Juli firmiert der SB-Warenhaussaurier, wie inzwischen angekündigt, dann als „Mein Real“ und will mit dem neuen Claim „Alles was ich mag!“ wieder durchstarten: in Bühl-Vimbuch und Donaueschingen, Pritzwalk und Heidenau, Mülheim-Kärlich und Bexbach, Zwiesel, Herne, Kamp-Lintfort und anderen Orten.

Rewe-Marken bei Mein Real

Eine bunte Website ist bereits online, Pressemitteilungen mit Modernisierungsankündigungen örtlicher Marktleiter sind erfolgreich an die dankbar fast alles abdruckende Regionalpresse verschickt worden – und Sie können schon mal das Popcorn holen, um mitzuverfolgen, wie Tischendorf jetzt ein Kunststück hinkriegen will, das Metro über fast zwei Jahrzehnte verpennt hat; noch dazu mit Märkten, die keine andere Handelskette in Deutschland übernehmen wollte, weil sie als zu umsatzschwach gelten, um sich für einen Weiterbetrieb zu empfehlen.

Damit das gelingt, verkauft Mein Real künftig Eigenmarken von Rewe, das als Handelspartner mit an Bord ist und über diesen Umweg ebenfalls von der Real-Ausschlachtung profitiert, ohne selbst das Risiko umfangreicher Filialübernahmen eingehen zu müssen.

Das Bundeskartellamt hat die Kooperation bereits zähneknirschend durchgewunken und sich deswegen Schelte vom stinksauren Markenverband eingefangen, der dadurch eine „wirksame Marktstrukturkontrolle (…) verhindert“ sieht – weil die Umsätze ja auch beim bisherigen Real-Partner, der unabhängigen Einkaufsgemeinschaft RTG (der sich mehrere regionale Handelsketten angeschlossen haben) hätten bleiben können, wenn sich Tischendorf anders entschieden hätte.

Hoher Sanierungsbedarf für alte Häuser

Wieviel genau für Mein Real investiert werden soll, das „bunter, frischer, moderner“ daher zu kommen verspricht, ist bislang unklar. Die „Lebensmittel Zeitung“ berichtete von einer „Mitgift“ seitens SCP im „unteren dreistelligen Millionenbereich“.

Aber vor Ort gibt’s bereits die ein oder anderen Zweifel am erfolgreichen Gelingen des ebenfalls vollmundig angekündigten Vorhabens – so wie in der „Braunschweiger Zeitung“, die über den zunächst bereits geschlossenen Braunschweiger Real-Markt berichtet:

„Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf ist sehr hoch. Schon lange musste zum Beispiel das Dach mit vielen Trägern im Marktbereich abgestützt werden. Bauarbeiten im Markt oder auf dem abgesperrten Gelände sind seit der Schließung Ende Januar nicht wahrnehmbar.“

Auf eine Nachfrage und die Bitte zur Konkretisierung habe das Unternehmen „bislang noch nicht“ geantwortet.

In vielen Real-Häusern musste improvisiert werden, um die verschleppte Modernisierung zu kaschieren; Foto: Smb

Auf meinreal.de – das schon deswegen anders als bisher heißen muss, weil die bisherige Webadresse real.de im Zuge der Übernahme des Real-Online-Geschäfts auf den neuen Eigentümer Kaufland umleitet – wird eine erste Renovierung für den Markt in Hagen-Haspe angekündigt. In diesem Zuge soll es „eine neue Marktfassade“ und eine „neue Marktaufteilung“ mit einer an den Eingang gerückten Obst- und Gemüseabteilung geben. Das typische SB-Warenhaussortiment bleibe erhalten.

Schweres Erbe für Real

Das neue hellrote Logo wirkt runder als das bisherige dunkelblaue und ist nicht mehr kursiv gesetzt; das abgestreifte ,- kehrt nicht zurück. Und wenn man Interesse am Erhalt einer zumindest tendenziell vielfältigen Handelslandschaft hat, kann man kann Tischendorfs Unternehmung nur viel Glück wünschen.

Allerdings weckt es unweigerlich Erinnerungen an frühere Schlamassel, in erster Linie die Integration des gescheiterten Walmart-Deutschland-Geschäfts in Real, für das sich Metro 2006 in der Wirtschaftspresse feiern ließ (wahrscheinlich auch deshalb, weil der US-Handelsriese damit so deutlich wie noch nie in seine Grenzen verwiesen wurde). Viele der übernommenen 85 Häuser waren damals bereits sanierungsbedürftig, ein schweres Erbe für Real.

Das „Handelsblatt“ berichtete dennoch:

„Da sind sich alle Branchenkenner einig: Metro-Chef Hans-Joachim Körber hat mit der Übernahme der deutschen Wal-Mart-Filialen ein richtiges Schnäppchen gemacht – auch wenn der genaue Kaufpreis nicht bekannt wurde.“

Schlecht gealtertes Lob

Mit 18 Jahren Abstand ist dieses Lob leider sehr schlecht gealtert. Auch weil Metro sich lange weigerte, die auch schon von Walmart aufgeschobenen Modernisierungen der Ex-Wertkauf und Ex-Spar-Warenhäuser nachzuholen und das notwendige Geld dafür in die Hand zu nehmen (siehe Supermarktblog).

Sollte das mit Verspätung nun einem branchenfremden Unternehmer gelingen, wäre das eine nachträgliche Ohrfeige für alle, die daran gescheitert sind. Aber selbst wenn Tischendorf erfolgreiche Restrukturierungen anderer Betriebe vorzuweisen hat, wird es ein ziemliches Himmelfahrtskommando, dasselbe in einem drastisch konzentrierten Markt wie dem hinzukriegen, den er sich jetzt vorgenommen hat.

Wir werden sehen, wie die Bilanz für Schlecker+ und Mein Real in zwei Jahren ausfällt. Falls der Atem bis dahin reicht.

Wie wärs’s mit: Prima leben und sparen?

Vielleicht lässt sich vorher ja auch noch ein anderer Investor vom Ehrgeiz überkommen, ehemaligen Handelsmarken neues Leben einzuhauchen: In diesem Oktober hätte die Tengelmann-Tochter Plus, einst ehrgeiziger Innovator im deutschen Discount-Markt, ihren 50. Geburtstag feiern können – wäre sie nicht 2007/2008 von Edeka übernommen und auf Netto (ohne Hund) umgestellt worden.

Und falls demnächst irgendwer auf die Idee kommt, Kund:innen wieder „Prima leben und sparen“ zu lassen (was als Versprechen in der aktuellen Zeit nichts an Relevanz eingebüßt hat): Auf der sich gerade im Aufbau befindlichen Website Plus-Sammlung.de warten zahlreiche Inspirationen, von der Einkaufstüte über Produktverpackungen bis zu den „10 Grundregeln zur Obst- und Gemüsequalitätserhaltung in der Filiale“ (und der „Partnerschaft“-Ankündigung von Karl-Erivan Haub mit Edeka), um an die Tradition anzuknüpfen.

Nicht nur die von Netto (ohne Hund) zwangsadoptierten Kleinen Preise, sondern auch Schildkröte und Frosch wären darüber sicher hocherfreut.

Das Supermarktblog erscheint unabhängig von großen Verlagen. Ihre Unterstützung hilft mir dabei, dass hier im Blog auch in Zukunft unabhängige und kritische Texte publiziert werden können. Machen Sie mit? Geht ganz einfach und dauert nur eine Minute. Herzlichen Dank dafür!
-->

Der Beitrag Comeback-Stimmung im Einzelhandel: Wie stehen die Chancen für Schlecker+ und Mein Real? erschien zuerst auf Supermarktblog.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1004