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Normal-Bio? Super-Bio? Eine kleine Bio-Grafie

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Es ist offensichtlich ein großes Problem, das richtige Preisniveau für Bio-Lebensmittel zu finden. Dieser Satz stand vor einem Jahr schon mal hier im Blog. Und zwar in einem Eintrag über Alnatura und die Bestrebungen des Gründers Götz Rehn, “Kunden mehr Bio für ihr Geld” zu geben, also: Bio-Lebensmittel im Laden zu niedrigen Preisen anzubieten, um Leute zu regelmäßigen Bio-Kunden zu machen.

Michael Radau, Gründer der nordrhein-westfälischen Bioladenkette SuperBioMarkt glaubt, dass das vielleicht nicht der richtige Weg ist. Er sagt:

“Ich bin davon überzeugt, dass gute Lebensmittel auch einen gewissen Preis haben müssen und dass es hilft, den Kunden zu erklären, welche Wertigkeit die Lebensmittel besitzen. Wer schnell wachsen will und billig Lebensmittel anbieten, wird diesen Weg der Qualität nicht gehen können.”

Klingt kompliziert? Ist aber eigentlich ganz einfach: Sie wollen Lebensmittel kaufen, von denen Sie sicher sein können, dass sie unter besseren Bedingungen hergestellt wurden als konventionelle Produkte. Deshalb kaufen Sie Bio-Produkte z.B. im Supermarkt und im Discounter.

Bio-Lebensmittel aus dem Discounter: Ist günstig wirklich gut?

Das ist schon mal nicht schlecht, schließlich werden die Lebensmittel nach einheitlichen, in der EU-Bio-Verordnung (früher: EG-Bio-Verordnung) festgelegten Regeln produziert. Besser wär’s allerdings, Sie würden Bio im Biomarkt kaufen – sagen die Biomarkt-Gründer. Alnatura-Geschäftsführer Rehn meint, es gehe “nicht nur darum, ob das EU-Biosiegel draufgedruckt werden darf, weil die Rohstoffe Bio sind”, sondern auch um den ganzheitlichen Ansatz, den ein Händler wie Alnatura für sich in Anspruch nehme: Produkte nicht nur unter besseren Bedingungen herstellen zu lassen, sondern auch so fair, dass alle Beteiligten gut davon leben können.

Rehns Kollege Michael Radau sagt:

“Der Trend geht dahin, dass es immer häufiger ein ‘konventionelles’ Bio gibt, das im klassischen Supermarkt angeboten wird, und ein originäres Bio aus dem Fachhandel, der mit mittelständischen Betrieben zusammenarbeitet.”

Vor kurzem war Radau in Nordwestitalien, wo SuperBioMarkt über den Winter Brokkoli, Blumenkohl und Staudensellerie von einem italienischen Brüderpaar bezieht. Er habe “noch nie Menschen erlebt, die so fasziniert von Brokkoli reden können”:

“Das macht für mich auch den Unterschied aus: Partner zu haben, von denen ich weißt, dass sie das aus einer Leidenschaft heraus machen. Und nicht, weil sie mit EG-Bio-Anbau schneller mehr Geld verdienen.”

Der SuperBioMarkt-Gründer meint, das Normal-Bio in Supermärkten und Discountern sei “mainstreamiger, uniformer, intransparenter” als das Super-Bio aus dem Fachhandel, wo zahlreiche Lebensmittel von den Anbauverbänden Demeter, Bioland und Naturland stammen, die sich selbst noch sehr viel strengere Regeln gesetzt haben. (Unterschiede gibt es z.B. bei den Vorgaben zu Grundzutaten, Tierhaltung etc. Hier steht ein genauerer Überblick.) Das schlägt sich dann auch im Preis nieder.

Die EG-Bio-Verordnung (pdf) sei eher eine Art “Mindeststandard” für Bio, sagt Radau:

“Wenn eine Handelskette sich dazu entschieden hat, sich über den Preis ihrer Produkte zu differenzieren, wird sie darauf hinwirken, immer mehr immer günstiger anzubieten. Das geht irgendwann aber zu Lasten der Qualität und der Rahmenbedingungen für die Landwirte.”

EU-Landwirtschaftsminister Dacian Cioloş arbeitet zwar an einem Entwurf für eine neue Ordnung. In der soll aber vor allem geregelt werden, dass die Einhaltung der bereits existierenden Bestimmungen stärker kontrolliert wird als bisher. (Kritik zu weiteren Änderungen: hier.)

Der größte Teil der Bio-Lebensmittel in Deutschland ist aber längst Normal-Bio. Laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wurden im vergangenen Jahr 60 Prozent in klassischen Supermärkten und Discountern verkauft. (Die Zahl ist leider wegen einer neuen Berechnungsmethode nicht mit der aus dem Vorjahr vergleichbar.) Der Naturkostfachhandel kommt auf 32 Prozent.

Die Preisfixierung gilt inzwischen auch für die großen Bioketten. Obwohl die Händler ein Interesse daran haben müssten, den Markt für Bio-Lebensmittel in Deutschland gemeinsam zu entwickeln, tun Anbieter wie Alnatura und Denn’s gerade erst mal alles, um ihn zu besetzen. Und zwar am besten so, dass der direkte Wettbewerber keinen zu großen Vorsprung hat.

Laut “Lebensmittelzeitung” ist der Umsatz beider Unternehmen im vergangenen Jahr um jeweils rund 15 Prozent in die Höhe geschnellt. (Im Lebensmittelhandel sind sonst eher niedrige einstellige Wachstumsraten an der Tagesordnung, wenn überhaupt.) Bei ihrer Expansion agieren die großen Biohändler, die sonst soviel Wert auf Nachhaltigkeit legen, bisweilen wie klassische Handelsketten: Es gibt einen harten Konkurrenzkampf um Standorte, Filialen werden zum Teil aus strategischen Gründen eröffnet, notfalls auch vorübergehende Verluste in Kauf genommen.

Mittelgroße Anbieter wie SuperBioMarkt, Basic, EBL Naturkost (Nürnberg) und Bio Company (Berlin) wachsen zwar auch, können – oder wollen – beim Tempo der Großen aber selten mithalten. Um das Qualitätsniveau zu halten, ließen sich “nicht beliebig schnell” Märkte nacheinander aufmachen. “Ich kann nicht so schnell expandieren, aber organisch wachsen”, sagt Radau. “Und ich bin überzeugt davon, dass es dafür einen Markt gibt.”

Wie und ob das geht, steht im nächsten Blogeintrag. Vielleicht verraten Sie mir bis dahin: Wo kaufen Sie Bio-Produkte?

Foto: Supermarktblog

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