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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Raus aus der Restekiste: Neues von der Haltbarkeit

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Sogar im Resteverkaufen sind uns die Briten um Lichtjahre voraus, hab ich kurz gedacht, als ich neulich im vermutlich wuseligsten Innenstadtsupermarkt Großbritanniens, Whole Foods am Piccadilly Circus in London, von einem großen Obststand begrüßt wurde. Die Begrüßung erfolgte durch den knallgelben Hinweis “2 Days Left” (“Nur noch 2 Tage”), der dazu animieren wollte, die entsprechend beschilderten Blaubeeren zu kaufen.

"Nur noch 2 Tage": Obstköder bei Whole Foods in London

Zwei Schritte weiter war allerdings klar, dass es sich dabei nicht um das auslaufende Haltbarkeitsdatum handelte und Whole Foods nicht etwa eine besonders aufmerksamkeitsstarke Möglichkeit gefunden hatte, Lebensmittel vor der Tonne zu retten.

Sondern bloß um einen gewöhnlichen Sonderangebotsköder, mit dem die Lebensmittelmarktkette ihren Kunden einbläuen möchte, dass sie gar nicht so teuer ist wie viele vermuten. (Ist sie natürlich doch; aber das muss ja nichts Schlechtes sein.)

Dabei wäre es für eine Supermarktkette eine hervorragende Möglichkeit, sich von seinen Konkurrenten abzuheben, indem man Lebensmittel, die bald verbraucht werden müssten, direkt am Eingang positioniert, und zwar mit genauso viel Mühe, Sortieraufwand und Werbezirkus, wie’s sonst nur bei frischen Produkten passiert.

In vielen Läden sind eher Restekisten und Gitterkörbe die Regel, in die Produkte mit geringer Haltbarkeit reingekippt werden und die dort dann darauf hoffen müssen, mit knalligem Reduziert-Aufkleber einen Kunden anzuleuchten, der sich ihrer erbarmt.

Nix für Einkaufsästheten: Lebensmittel aus der Restekiste bei Lidl

Die gute Nachricht ist: Das passiert immer öfter. Im vergangenen Herbst haben die Marktforscher der GfK Kunden befragt, ob sie im Supermarkt gezielt Produkte kaufen, deren Haltbarkeit bald abläuft. Im Vergleich zu 2012 haben fast ein Viertel mehr Leute mit ja geantwortet. Die GfK geht davon aus, dass das nicht nur Schnäppchenjäger sind, die die Ablaufartikel wegen ihrer Vergünstigung mitnehmen. Sondern dass die Diskussion in den Medien über die Unmengen von Lebensmitteln, die wir täglich wegwerfen (siehe Supermarktblog und Supermarktblog), gewirkt hat.

Die Haltbarkeitspuler, die bis zur Schulter in der Kühltheke hängen, um von ganz hinten auch ja den Joghurt rauszufischen, der zwei oder drei Tage länger haltbar ist als der vorne (ja, Sie sind gemeint!), gibt’s zwar immer noch.

Offensichtlich hat sich ein anderer Teil der Kundschaft aber darauf besonnen, seine Joghurtbevorratung nicht mehr jahreszeitenübergreifend zu planen, sondern einfach das einzukaufen, was in den nächsten paar Tagen realistischerweise auch verbraucht wird. Oder wie’s die GfK formuliert:

“Die Auswertung zeigt, dass die Konsumenten inzwischen unübersehbare Skrupel haben, Lebensmittel wegzuwerfen und dass sie deshalb bewusst weniger einkaufen.”

(Ob deshalb tatsächlich weniger Lebensmittel weggeschmissen werden und falls ja: wieviele, lässt sich dadurch natürlich nicht feststellen. Die GfK-Erkenntnis bezieht sich ja auf eine Kundenbefragung.)

Wenn schon so viele Konsumenten ihr Kaufverhalten umgestellt haben und eher bereit sind, auch mal Produkte mit knappem Haltbarkeitsdatum zu kaufen, wäre es natürlich prima, sie nicht ganz so mitleidig zu präsentieren wie bisher – und dadurch die Akzeptanz in den Läden noch zu vergrößern. Es muss ja nicht gleich so wuchtig sein wie der Pseudeo-Resteverkauf bei Whole Foods.

Tegut-Markt in Fulda

Die Fuldaer Fast-Biokette Tegut kennzeichnet die Produkte ganz klassisch mit Rabattaufklebern (“-30%”, “-50%”), lässt sie aber einfach dort stehen, wo auch die mit längerem Haltbarkeitsdatum zu finden sind. Tegut-Sprecherin Stella Kircher erklärt:

“Wir haben festgestellt, dass die meisten Kunden ihren gewohnten Gang gehen und sich dann spontan entscheiden, zum Beispiel die kürzer haltbare Sahne zu kaufen, wenn in naher Zeit Bedarf besteht. ‘Restecken’ wurden bei uns nicht so gut angenommen, da die meisten Kunden die Entscheidung lieber dann treffen, wenn sie das Produkt an dem angestammten Platz finden.”

Noch viel wichtiger, um möglichst wenige Lebensmittel aussortieren zu müssen, sei aber die Planung, wieviele Produkte überhaupt in den Laden kommen. Das funktioniert über die automatische Disposition, die tagesgenau festlegt, was gebraucht wird, und zum Beispiel in Ferienwochen weniger Ware anfordert:

“Die Bestellmengen richten sich nach Prognosewerten und Abverkaufsmengen, auf diesem Weg soll ein Überbestand an Waren vermieden werden.”

Wenn doch mal was abläuft, das nicht verkauft werden kann, und das aus Versehen im Regal stehen bleibt, verspricht Tegut Kunden, die ein entsprechendes Produkt finden, den gleichwertigen frischen Artikel zu schenken. Angesichts der wachsenden Zahl von Restewegkäufern kommt das Tegut aber wahrscheinlich nicht ganz so teuer zu stehen. Ist aber ein cleveres Marketing.

Verraten Sie mir, wie das bei Ihrem Supermarkt funktioniert und an welcher Stelle im Laden die reduzierten Lebensmittel stehen?

Fotos: Supermarktblog

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