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Was das Oda-Aus für den deutschen Lebensmittel-Liefermarkt bedeutet

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Als vor drei Wochen bekannt wurde, dass Oda den Betrieb seines Lebensmittel-Lieferdiensts in Finnland kurzfristig einstellen würde, versuchte man in Berlin noch zu beschwichtigen: Das Deutschland-Geschäft sei von dieser Entscheidung nicht betroffen, hierzulande böten sich dem aus Norwegen stammenden Anbieter „aufgrund der Marktgröße und der Bevölkerungsdichte“ ganz andere Expansionsmöglichkeiten. Aber dieses Versprechen hat nicht lange gehalten: Am Mittwoch gab Oda bekannt, gerade mal dreieinhalb Monate nach dem offiziellen Start in Berlin sein Deutschlandgeschäft ebenfalls abzuwickeln.

Letzter Liefertag ist bereits der 30. Juni, in nichtmal anderthalb Wochen. Kund:innen wurden am Nachmittag informiert („Es gibt traurige Neuigkeiten“):

„In den nächsten Tagen starten wir den Abverkauf mit tollen Angeboten – vorbeischauen lohnt sich also! Wir würden uns freuen, dich noch ein letztes Mal an deiner Tür begrüßen zu dürfen.“

Die Entscheidung erfolge aufgrund des „derzeit schwierigen Finanzumfelds“, in dem es für zahlreiche Unternehmen schwieriger bis unmöglich geworden ist, Mittel für die im bisherigen Umfang geplante Expansion zu akquirieren. (Farmy in der Schweiz hatte, um neues Geld zu bekommen und den Betrieb aufrecht zu erhalten, zuletzt deutliche Abstriche bei der Unternehmensbewertung in Kauf genommen.)

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Oda plant, sein Geschäftsmodell auf das Angebot eines Logistics-as-a-Service-Diensts umzustellen (LaaS), also: anderen Anbietern Technologie und Know-How zur Verfügung zu stellen, um eigene Lieferdienste betreiben zu können. Ob sich dafür in Deutschland ein Partner fände, ist ungewiss.

Picnic zielt erstmal auf den Stadtrand

In jedem Fall ist es ein spektakuläres Scheitern, mit dem sich die Norweger:innen mit ihrem Dienst aus dem deutschen Markt verabschieden, dessen Start erst lange vorbereitet worden war und der sich im vergangenen Jahr bereits verzögert hatte. Ende Januar rollten dann die ersten orangefarbenen Oda-Transporter testweise durch die Hauptstadt (siehe Supermarktblog). Anschließend erfolgte die Ausweitung der Bestell- und Liefermöglichkeiten auf Städte in Brandenburg und Niedersachsen, die vom automatisierten Zentrallager bei Berlin aus angefahren werden konnten.

Oda-Zentrallager in Mittenwalde bei Berlin; Foto: Oda Deutschland

Dabei lieferte Oda eine Perfektion, die auch im inzwischen hart umkämpften deutschen Lebensmittel-Liefermarkt ihresgleichen sucht: Bestellungen kamen in der Regel pünktlich und fehlerfrei an. Bei meinen bisherigen elf Einkäufen war ein einziges Mal ein Produkt nicht lieferbar.

Der Oda-Rückzug ist auch deshalb bitter, weil er nur zwei Tage nach dem Start des Konkurrenten Picnic in Berlin erfolgt, der sich – wie bisher schon – langsam vorzuarbeiten plant: vom südlichen (Marienfelde) zum nördlichen Stadtrand (Tegel), rund um Spandau – und später, falls es dabei bleibt, in zentraler gelegene Bezirke. „Kernzielgruppe“ seien aber „Familien in den Randgebieten von Berlin und Brandenburg“, wo Picnic mit seinem Modell fester Touren (und günstigen Preisen) zu punkten hofft.

Zügige Sortimentserweiterung

Neben der erstaunlich reibungslos funktionierenden Logistik lag der Fokus des Oda-Deutschland-Teams in den vergangenen Wochen stark auf der Erweiterung des Sortiments, in das immer mehr bekannte Markenartikel, aber auch innovative Produkte von Start-ups sowie Gartenzubehör, Artikel fürs Auto, Schreibwaren und Kinderspielzeug aufgenommen wurden, was den Wocheneinkauf bei Oda noch attraktiver machen sollte. (Und zunehmend das Versprechen einlöste, mit dem Amazon Fresh einst angetreten war.) Als Großhändler bzw. Zulieferer, die zur Komplettierung des Angebots ihre Eigenmarken zur Verfügung stellten, waren Bünting und die Berliner Bio Company dabei (die ihr zaghaft begonnenes Online-Geschäft damit gleich wieder einmotten kann).

Mit seinem Marketing zur Neukund:innengewinnung bewies Oda leider ein nicht ganz so geschicktes Händchen (siehe Supermarktblog), steuerte später aber noch nach. Den Start wertet man in Berlin dennoch als Erfolg: Man habe über 18.000 Kund:innen und einen annualisierten Jahresumsatz von 15 Millionen Euro erreicht, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

Nach Kaufland Ende 2017 ist Oda der zweite mit großen Ambitionen gestartete Lebensmittel-Lieferdienst, der sich überraschend schnell wieder aus dem Markt zurückzieht.

Das dürfte aber weniger Indiz dafür sein, dass die Heimlieferung (frischer) Lebensmittel auf Dauer eine Ausnahmeerscheinung bleiben wird; sondern eher dafür, dass es angesichts der derzeitigen Marktsituation nur mit einem starken und strategischen Partner aus dem Lebensmitteleinzelhandel möglich sein wird, das Geschäft mit dem nötigen langem Atem zu entwickeln.

(Die Risikobereitschaft regionaler Handelsketten, es mit Unterstützung des Oda-Know-Hows nach dem Ocado-Modell mit einem eigenen Lieferdienst zu versuchen, dürfte sich jedenfalls angesichts der notwendigen Investitionen in Grenzen halten.)

Wer bleibt noch übrig?

Derzeit gehören dazu: Edeka, das alles Nicht-Stationäre erleichtert an Picnic ausgelagert hat; und Rewe, das mit seinem Lieferservice Marktführer ist und seinen Kund:innen – vermutlich zur Picnic-Abwehr – neuerdings einen lieferkostenfreien Tag pro Woche anbietet (der sich von Region zu Region unterscheiden kann).

Amazon Fresh hat sein Engagement Medienberichten zufolge gerade stark zurückgefahren, die Geschäfte für Deutschland mit Spanien und Italien zusammengeführt und mit zahlreichen Auslistungen das Angebot gestrafft.

Dünner dürfte die Luft auch für Knuspr werden, das Anfang des Jahres bereits mit einer Zusammenlegung von Österreich- und Deutschland-Geschäft, verschobenem Hamburg-Start (siehe Supermarktblog) und wenig später dem Abgang des bisherigen Gesamt-Chefs Erich Comor überraschte; die neue Geschäftsführung, die seit Juni im Amt ist, hat gerade bekannt gegeben, in einer erneuten Rolle rückwärts sämtliche Lieferkostenerhöhungen der vergangenen Monate vorübergehend auszusetzen und „von jetzt an bis Ende August, den Mindestbestellwert auf nur 29€ zu senken und gratis Liefergebühren ab 69€ an allen Tagen inklusive dem Wochenende einzuführen“.

Wie es mit Bringmeister weitergeht, das sich in der Logistik neu positioniert hat, nach dem Start des Rivalen Picnic in seinem Stammgebiet Berlin aber Mühe haben wird, seine teilweise üppigen Preisaufschläge zu rechtfertigen, ist ebenfalls unklar.

Und dann sind da ja (vorerst) auch noch Flink und Getir, die um den Quick-Commerce-Vorherrschaft kämpfen. Darum geht’s hier aber ein andermal.

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Der Beitrag Was das Oda-Aus für den deutschen Lebensmittel-Liefermarkt bedeutet erschien zuerst auf Supermarktblog.


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