Sag mal, dieses Kaufland – das ist die Schwester vom Lidl, hab ich das richtig kapiert?
Für Menschen, die sich die Erklärung von Handelskonzernstrukturen mit Familienzugehörigkeitsvergleichen angenehmer gestalten wollen: jawohl. Kaufland gehört wie Lidl zur Schwarz-Gruppe, die 1930 nach der Fusion zweier Unternehmen als Großhandlung “Lidl & Schwarz KG” entstand.
Dass die mit ihren Riesenläden inzwischen auch in der Stadt aufmachen, hab ich schon gelesen – aber Kauflands gibt’s doch trotzdem total oft draußen auf dem Land!
Schön, dass Sie so viel rumkommen. Und: Das eine widerspricht ja nicht dem anderen. Wo Platz ist, lässt sich so ein Riesenladen, wie Sie sagen, natürlich oft am einfachsten hinbauen. Dabei handelt es sich beim Konzept der Lidl-Schwes… – äh: von Kaufland eigentlich gar nicht um ein klassisches SB-Warenhaus [Erklärlink], wie Sie als regelmäßiger Blogleser es eventuell angenommen haben. Sondern eher um eine Art Zwitter aus SB-Warenhaus und Discounter. In manchen Märkten gibt es bis zu 60.0000 verschiedene Produkte (wie in SB-Warenhäusern) – aber die meisten zu Niedrigpreisen (wie im Discounter).
Ein SB-Warounter, sozusagen.
Einigen wir uns auf “Großflächendiscounter”. Bitte.
Das sind aber ja nicht alles Eigenmarken, die’s da zu kaufen gibt.
Stimmt. Die Eigenmarke K-Classic, die erst seit 2003 existiert, ist derzeit auf etwa 1500 Artikel gedruckt, dazu kommen unter anderem die K-Bio-Produkte (seit 2009). Und sonst stehen da viele klassische Marken im Regal. Auf deren Hersteller übt Kaufland übrigens einen enormen Druck aus. Einerseits verlangt der Konzern so genannte “Werbekostenzuschüsse” dafür, dass die Produkte in seinem “Tip”-Prospekt beworben werden oder einen guten Platz im Regal kriegen. Andererseits lässt Kaufland selbst kaum Preiserhöhungen der Hersteller zu. Wer sich mit dem Konzern deswegen nicht einig wird, kann schon mal aus dem Sortiment fliegen. Krombacher ist so eine “Auslistung” im vergangenen Jahr passiert. Die Mitarbeiterin an der Information im Markt sagt:
“Krombacher führen wir nicht, weil wir die hohen Preise nicht an die Kunden weitergeben wollen.”
Aus Neckarsulm heißt es, die Krombacher Brauerei habe “die Konditionen zu Lasten [von] Kaufland verändert”. Krombacher hingegen sagt, Kaufland mit seinen überzogenen Forderungen sei Schuld. Und versuchen Sie mal, Barilla-Nudeln bei Kaufland zu kriegen. Nicht gefunden? Ach. Kaufland erklärt:
“Uns als Händler bietet sich ein riesiges Angebot an Produkten, diesem steht jedoch nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit unserer Filialen gegenüber. Aus diesem Grund müssen wir eine Auswahl treffen.”
Das ist doch wunderbar für die Kunden, die dann ja immer möglichst wenig bezahlen müssen!
Einerseits. Und andererseits wissen Sie ja inzwischen, was im Handel passiert, wenn’s bei der Produktion von Lebensmitteln ums Kostendrücken geht: Plötzlich ist wieder Pferd in der Lasagne drin – und Sie schreien als erstes rum!
Ich will doch beim Einkaufen bloß ein bisschen Auswahl haben und nicht abgezockt werden!
Das versucht Kaufland auch zu bieten, und zwar mit einer vergleichweise hohen Flexibilität, wenn’s darum geht, die Sortimente anzupassen. In einigen Berliner Filialen stehen zum Beispiel Lebensmittel im Regal, die vielleicht nicht zum Standardrepertoire der deutsche Durchschnittshausfrau gehören, dafür aber zu dem des türkischen Supermarkts an der Ecke. Kaufland sieht sich sehr genau an, wer im Umkreis seiner Läden wohnt – und stellt sich drauf ein.
Ach, komm mir doch nicht ständig mit Berlin. Wie läuft das denn mit Kaufland im richtigen Deutschland?
Sehr unterschiedlich. Die meisten Märkte gibt es in Baden-Württemberg und Bayern, also vor der Haustür des Mutterkon… – also: der Schwarz-Gruppe. Im Rhein-Main-Gebiet und in NRW muss Kaufland noch aufholen. Und im Norden Deutschlands wird schon seit Jahren versucht, Grundstücke für neue Märkte zu erwerben. Dagegen wehrt sich die Konkurrenz natürlich. Es kriegt ja kein vernünftiger Supermarkt gerne so einen Großflächendisocunter in den Garten gesetzt. In ganz Schleswig-Holstein gibt es bisher gerade einmal einen Markt. Das wird sich aber schon deswegen ändern, weil Kaufland in Barsinghausen (bei Hannover) ein riesiges Lager gebaut hat, das sich erst rentiert, wenn es voll ausgelastet ist und viel mehr Filialen beliefern kann.
Verstehe. Aber hast du nicht was vergessen? Hier, wie heißt der gleich, dieser – Osten!
Bei Kaufland heißt der eher: Paradies. Die neuen Bundesländer sind nämlich das Rückgrat für den Erfolg von Kaufland. Kein Konkurrent hat im Osten einen so hohen Marktanteil. Der West-Ost-Markenstudie zufolge, die von MDR Werbung und dem Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung erstellt wird, sagen 33,1 Prozent der Ostdeutschen, dass sie am liebsten zu Kaufland gehen. Im Westen sind es gerade mal 12,8 Prozent! Dafür muss Aldi sich im Osten mit gerade mal 19 Prozent Käuferpräferenz zufrieden geben (im Westen 39,2 Prozent).
Und woher kommt das bitte?
Nach der Wende hat Kaufland massiv in Eröffnungen investiert – und dank “Sonderabschreibungen”, die von der Regierung quasi als Fördermaßnahme gewährt wurden, ziemlich viel Geld sparen können.
Das heißt, Kaufland hat damals indirekt auf Steuerzahlerkosten den Osten erobert? Geht’s noch?
Ja, es geht noch: In den kommenden Jahren sollen 130 neue Märkte eröffnen, natürlich nicht nur im Osten.
Ts! Typisch Discounter, denkt immer nur an sich.
Anders als Aldi zum Beispiel weiß Kaufland das aber besser zu verstecken und war nicht so doof, ein Konzept aus dem vorigen Jahrhundert bis in alle Ewigkeit mitzuschleppen. Kaufland ist anpassungsfähiger. Der Konzern hat sich beispielsweise mit der Tierschutzorganisaton Vier Pfoten verbündet, um Hähnchen mit dem Label “Tierschutz-kontrolliert” zu verkaufen, die nach besseren Standards gehalten und geschlachtet werden als das von der EU vorgegeben ist. Und der Verkauf von Hummer ist nach Protesten inzwischen beendet. Das ist natürlich prima. Vor allem aber ist es eine prima Werbung, der Großflächendiscounter zu sein, der sich ums Tierwohl sorgt.
Auf Anfrage verrät Kaufland, dass es in den Fischabteilungen künftig auch keine lebenden Tiere mehr geben wird:
“Wir haben lediglich in neun Filialen Fisch in Lebendhälterung. Wir haben uns entschieden, diese in den nächsten Jahren sukzessive einzustellen. Bereits in diesem Jahr werden wir dies in den ersten drei Märkten umsetzen.”
Die Kassiererinnen sind auch immer so überfreundlich beim Bezahlen, wollen aber immer noch die Nummer vom Einkaufswagen wissen.
Nee, die wollen das eigentlich gar nicht. Die Nummern an den Einkaufswagen stehen ganz unten, an den Rollen. Das heißt, die Mitarbeiter müssen kurz aufstehen und sich über die Kasse beugen, um sie zu erkennen. Dabei sehen sie automatisch, ob der Kunde Waren auf der unteren Wagenschiene platziert hat, die sonst vielleicht übersehen würden.
Moment mal, dann ist die Erkundigung sozusagen der elegante Weg, um zu kontrollieren, ob ich tatsächlich alles bezahle?
Für Menschen, die sich Maßnahmen der Supermarktbetreiber gegen die unauffällige Warenentwendung nicht schönreden wollen: jawohl.
Der Text wurde am Erscheinungstag nachträglich mit Stellungnahmen von Kaufland ergänzt.
Fotos: Supermarktblog