Hui, war da neulich aber was los, als Berichte durch zahlreiche Medien schwappten, dass amerikanische Supermärkte ihre SB-Kassen einschränken oder wieder abbauen! Das „Handelsblatt“ berichtete, den Läden sei der Warenschwund beim Selbstcannen durch Fehler oder Diebstahl inzwischen „schlicht zu viel“; die BBC schrieb von einem „spectacluar failure“ der Technologie, die „theoretische Vorteile“ für Handelsunternehmen und Kund:innen hätte, aber durch komplizierte Bedienung den Erwartungen nicht gerecht würde: „The technology is, in some cases, more trouble than it’s worth.“
Deshalb habe die britische Regionalsupermarktkette Booths auch entschieden, ihre Self-Checkouts in 26 von 28 Läden wieder loszuwerden („slow“, „unreliable“, „impersonal“). Und Golem.de fragte aufgeregt bei Rewe nach, ob hierzulande ähnliches bevorstünde (Antwort: nein).
Aber zum ersten Mal wird auf breiterer Basis darüber diskutiert, dass SB-Kassen, wie sie heute vielerorts stehen und funktionieren, noch nicht die optimale Lösung für den möglichst unkomplizierten Lebensmitteleinkauf sind.
Anstatt sich in Abschaffungsdiskussionen zu verlieren, ist es allerdings viel interessanter, auf das zu schauen, was gerade passiert, damit sich das ändert.
Ewig lockt die Effizienz
Die großen deutschen Supermarktkette bestreiten zwar nach wie vor vehement, dass es überhaupt ein Problem gibt und behaupten, sie sähen „keine spürbare Zunahme [von Diebstählen] in Märkten mit SB-Kassen“; viele Erkenntnisse aus Praxis und Wissenschaft sprechen dagegen, zumal SB-Kassen-Filialen inzwischen vielerorts mit Auslassschleusen (nach)beschrankt werden (siehe Supermarktblog).
Ein Abbau der Systeme kommt aber schon deswegen nicht in Frage, weil die allermeisten Handelsketten ihn Deutschland erst seit kurzem überhaupt in den Ausbau investieren.
Bei Lidl in Europa würde dieser geradezu „rasant“ Self-Checkouts erfolgen, urteilte die „Lebensmittel Zeitung“ vor kurzem und brachte in Erfahrung, dass „bereits in rund einem Fünftel der europäischen Lidl-Filialen SB-Kassen“ stehen. Der deutsche Markt dürfte den Schnitt da bislang eher drücken. Denn hierzulande hielt sich der Discounter lange damit zurück, den anstehgewöhnten Kund:innen eine Alternative zur Bedienkasse zu bieten. Das ändert sich seit zwei Jahren – gelockt von der Verheißung, möglichst viele Aufgaben im Laden an die Kund:innen selbst auszulagern, um dem auf Effizienz bedachten Discount-Prinzip gerecht zu werden.
Drei SB-Kassen reichen vielleicht auch?
In einer ersten Testfiliale konnten Lidl-Kund:innen ihre Einkäufe an sechs Self-Checkouts scannen, bar oder per Karte bezahlen und wurden nachher mit einem auf den Bon gedruckten QR-Code durch die sich öffnende Schranke gelassen. „Retail Optimiser“ hat’s damals ausprobiert.
Die „Lebensmittel Zeitung“ wiederum weiß von einer Kölner Lidl-Filiale „mit viel Laufkundschaft“, in der inzwischen sogar 16 SB-Kassen neben zwei regulären mit Bedienung getestet würden.
Es gibt aber auch Tests, die in die gegenteilige Richtung laufen: In einer neu eröffneten Berliner Filiale, die dem Parkplatzumfang nach zu urteilen eher auf Kund:innen mit Pkw zielt, probiert Lidl gerade eine deutlich kompaktere Self-Checkout-Variante aus.

Gegenüber der Hauptkasse an der Wand stehen drei SB-Terminals, die groß darauf hinweisen, dass dort ausschließlich per Karte – und nicht in bar – bezahlt werden kann. Bargeldmodule sind dementsprechend keine eingebaut. Die (noch skeptisch wirkende) Kundschaft wird per Aufsteller informiert:
„Hier kannst du schnell & einfach selbst bezahlen“.
Anders als in der oben genannten Testfiliale gibt es hinter den SB-Kassen im Berliner Markt auch keine Auslassschranke, die mittels QR-Code geöffnet werden müsste. Wer bezahlt hat, kann einfach gehen.
Nicht richtig durchdachter SB-Einstieg
Aus Sicht von Lidl hat diese Kompaktvariante den Vorteil, dass die drei SB-Kassen im Zweifel keine (oder zumindest nicht zu jeder Tageszeit eine) eigene Aufsicht benötigen, sondern diese von der Hauptkasse gegenüber miterfolgen kann bzw. muss. An der Fensterfront ist eine zusätzliche Videokamera angebracht, die den SB-Kassenbereich erfasst und das Geschehen dort auf einem Bildschirm zeigt.
(Wie praktikabel das wirklich ist bzw. wie sehr das Personal damit ausgelastet ist, die eigene Kasse am Laufen zu halten – darüber lässt sich durchaus streiten; viele andere machen’s derzeit aber genauso: die Drogeriemarktketten dm und Rossmann zum Beispiel).



Per Schrittanleitung werden Lidl-Kund:innen an den Terminals durch den Scan- und Bezahlprozess geleitet; richtig durchdacht ist der SB-Kassen-Einbau in der Filiale aber nicht – es gibt z.B. keine Einkaufskörbe für kleine Besorgungen, die ideal zum Selbstcannen wären. (Zumal es die Korb-Abstellfläche auf der linken Kassenseite – „Artikel hier ablegen oder direkt scannen“ – sonst ja nicht bräuchte.)
Dass der Minibildschirm des Bezahlterminals ausgerechnet an der SB-Kasse dafür wirbt, „Bei Lidl einfach Bargeld abheben“ zu können (wofür man freilich an eine Bedienkasse gehen müsste), zeugt auch nicht gerade von großer Durchdachtheit.
So bereitet sich Lidl auf Scan & Go vor
Dafür ist die Selbstscan-Oberfläche übersichtlich gestaltet, per Schaltfläche ist man schnell bei der Übersicht für loses Obst & Gemüse bzw. Backwaren – und zum Schluss wird standardmäßig nach dem Scan der Lidl-Plus-App gefragt. Für alle, die wirklich nur zwei Snacks für die Mittagspause kaufen wollen oder die Milch fürs Frühstück vergessen haben, ist das eine sehr angenehme Verkürzung des Kassierprozesses.
Ziel von Lidl dürfte es aber sein, künftig auch größere Warenkörbe über die Self-Checkouts laufen zu lassen, und zwar – so wie u.a. Kaufland, Rewe, Penny das schon praktizieren – per „Scan & Go“. In zwei niederländischen Lidl-Filialen wird genau das seit Dezember ausprobiert: In Beuningen und Apeldoorn bekommen Lidl-Plus-Nutzer:innen in ihrer App eine „Scan & Go“-Option angezeigt, über die sie Artikel aus den Märkten während des Einkaufs mit dem eigenen Smartphone erfassen können.

Zuvor benötigt es einen „Check-in“, indem die App per GPS-Signal bestimmt, in welchem Markt man sich aufhält, oder Nutzer:innen einen im Eingangsbereich angebrachten QR-Code scannen. Am Ende werden die erfassten Artikel auf eine der SB-Kassen übertragen, die dann als Bezahlterminals funktionieren.
Ob bzw. wann Lidl Scan & Go auch nach Deutschland bringen will, hat der Discounter bislang nicht kommuniziert.
Such dir deinen Checkout aus
Wettbewerber Aldi Nord ist derweil – ebenfalls in den Niederlanden – schon einen Schritt weiter, und zwar in Kooperation mit dem österreichischen SCO-Spezialisten Shopreme. In einigen Testmärkten stehen am Marktende mehrere Terminals, die sich auf unterschiedliche Weise selbst bedienen lassen: entweder, in dem man dort regulär die Artikel aus dem Einkaufswagen scannt und per Karte bezahlt – oder, indem die zuvor per Smartphone gescannten Artikel an die Kasse übertragen werden.
Neu ist eine dritte Lösung: die Bezahlung direkt innerhalb der App. In diesem Fall muss man gar nicht mehr ans Terminal, erhält einen QR-Coe auf dem Smartphone angezeigt und kann damit direkt zur Schranke gehen.

Auf diese Weise lässt Aldi seinen Kund:innen die Wahl, wie sie sich am liebsten selbst auschecken wollen.
Die zahlreichen Fehlermeldungen, für die klassische SB-Kassen bislang bekannt waren, werden so umgangen, weil sich eben kein „unerwartetes Objekt“ in der Einpackzone mehr befindet bzw. Artikel einzeln auf die Ablage gelegt werden müssen, damit die Kontrollwaage nicht völlig durchdreht.
Upsi, da fehlt noch was
Gleichzeitig werden Self-Checkouts derzeit in großem Stil mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet, die anhand von Kamerabildern erkennen kann, ob beim Scannen und Bezahlen jemand pfuscht. SB-Kassen-Hersteller Diebold Nixdorf verspricht Händlern, dank „Smart Vision Technology“ zu ermitteln, ob auch tatsächlich alle an die Kasse gebrachten Artikel gescannt werden – falls nicht, wird die Aufsicht informiert und kann im Zweifel die Kasse sperren.
Loses Obst und Gemüse soll die KI automatisch erkennen und den Nutzer:innen entsprechende Vorschläge auf den Bildschirm holen, damit langes Tippen durch Untermenüs entfällt. (Aldi Süd testet die Funktion in Deutschland bereits.)
Theoretisch kann die Technologie auch das ungefähre Alter der Kund:innen ermitteln und Käufe von jugendschutzrelevanten Artikeln freigeben – oder eben Mitarbeiter:innen benachrichtigen, damit die nochmal selbst checken. (Britische Supermärkte haben eine solche „Age verification“ bereits in großem Stil ausprobiert.)
Künstliche Intelligenz und Auslassschranken
Großflächig im Einsatz ist SB-Kassen-KI laut „Retail Optimiser“ u.a. bereits bei der polnischen Discountkette Biedronka, die bereits in 87 Prozent ihrer Filialen SB-Kassen stehen hat (etwa 15.000 Geräte des Herstellers NCR). Kund:innen erhalten Vorschläge für loses Obst und Gemüse, das sie in den Scanbereich legen; außerdem werden „No-scan events“ und Vorgänge registriert, bei denen scheinbar andere Artikel eingepackt als zuvor gescannt wurden. Auslassschranken würden derzeit getestet.
Und – sagen wir mal so: Dass sich auf europäischen Schrotthalden demnächst tausendfach aussortierte Self-Checkout-Geräte auftürmen, steht derzeit eher nicht zu befürchten.
Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass das Selbstcannen im Supermarkt sich noch weiter verbreitet als bisher, für Kund:innen dank KI sogar einfacher wird – aber eben, damit die Händler zufrieden sind, auch sehr viel stärker überwacht sein wird. Wer damit leben kann, um schneller wieder aus dem Laden raus zu sein, hat Glück. Allen anderen müssen sich den Platz an den weniger werdenden Bedienkassen teilen.
- Auch Rewe macht die (Nach-) Beschrankung der SB-Kassenzone zum Standard
- Scan & Go: Penny testet Handscanner in ausgewählten Märkten
Der Beitrag KI, übernehmen Sie! SB-Kassen bei Lidl, Aldi, Rewe & Co. – abbauen oder upgraden? erschien zuerst auf Supermarktblog.