Es gibt wahrlich keinen Grund zur Enttäuschung für die 130.973 Nicht-Gewinner des “Multiquick Stabmixers”, den die Supermarktkette Edeka im vergangenen Jahr für die Plätze zwei bis zehn seiner “Selbermacher”-Aktion auslobte, jeweils für die Kategorien “Joghurt”, “Cookie” und “Smoothie”. Immerhin standen die Einreicher mit ihren Vorschlägen auf diese Weise direkt “im Kundendialog” mit ihrer Lieblingssupermarktkette. Und die drei vier erfolgreichsten Produkte gibt es jetzt im Laden zu kaufen.
Sie heißen “Choc, Nuts & Cherry Cookies”, “Banana Karamell Crunchy”, “Berry loves Cherry” und “Fruchtstärke” und sind im vergangenen Jahr von den nachnamenlosen Edeka-Einkaufsgutschein-Gewinnern Maximilian, Vanessa, Samantha und Holger im Netz erfunden worden: im “Selbermacher”-Lebensmittelgenerator, bei dem unterschiedliche Zutaten so kombiniert werden konnten, dass nachher etwas tatsächlich Essbares herauskommen sollte.
Eine, nun ja: “Fachjury” unter Vorsitz des Geschmackspapsts Kaya Yanar bewertete im zurückliegenden September, welches die spannendsten Produkte mit den tollsten selbst erfundenen Namen waren, und seit ein paar Tagen stehen die im Regal “teilnehmender Edeka-Märkte”, wo sich die scheuen Lebensmittel nach einem mittelaufwändigen Produktsafari ausfindig machen lassen, um sie vor die Kamera zu kriegen.
Gekennzeichnet sind die “Selbermacher”-Artikel eher unauffällig mit einem dezenten Weiß-auf-Schwarz-Hinweis am Packungsrand (siehe Foto). Und zwei der Kreativnamen haben die Edeka-Massenproduktion nicht überstanden – obwohl das ja durchaus Charme gehabt hätte, einen Schoko-Cookie mit “Kirschzubereitung” (Zutatenangabe auf der Packung) einfach mal, wie vorgeschlagen, “Der imperiale Keks” zu nennen. (Oder den gewöhnlichen Bananenjoghurt mit Knusper drin “Crunchy-Karamella-Krokant”.)
Edeka-Sprecher Gernot Kasel erklärt dazu:
“Bei der Namensgebung für neue Eigenmarkenprodukte müssen wir uns auch rechtlich absichern. Ist ein Namensvorschlag zu nah an einer eingetragenen Marke/Bildmarke, suchen wir nach Alternativen. Dies war auch hier der Fall, in Abstimmung mit dem Vorschlagenden.”
(Nicht, dass das Imperium rechtlich zurückschlägt.) Viel wichtiger als die Produkte jetzt zu verkaufen, ist für Edeka aber ohnehin der Effekt, sich mit seiner “Selbermacher”-Aktion als Kundenversteher und Ideenermöglicher zu präsentieren. Immerhin gehört das Angebot zur Lebensmittelkomplizenschaft derzeit bei fast allen großen Handelsketten zu den wichtigsten Marketing-Mitteln.
Anfang des Jahres hat Lidl sein Wochenprospekt – ziemlich untypisch – mit nur einer einzigen Produktabbildung zugepflastert: dem, ähm, “Fanghurt” – einem “Joghurt gesüßt auf Bratapfel mit Marzipankugeln”, das die Kunden vorher auf der Lidl-Facebookseite wählen konnten. Aus dem Laden war das “Fanghurt” dann aber schnell wieder verschwunden.
Real gehört schon zu den alten Hasen im Geschäft und meldete bereits im Februar 2013: “Der Traum eines jeden Pizza-Fans wurde Wirklichkeit”, zumindest für “Lisa aus Dresden”, die zuvor im Real-Pizzagenerator Gyrosfleisch, halbgetrocknete Tomaten, gegrillte Paprika, Zwiebeln, Gouda und Chili-Gewürz zusammenwürfelte, um daraus “Lisas Pizza” zu machen und ihre Erfindung als Eigenmarke “Real Quality” in die Tiefkühltruhen sämtlicher Real-Märkte einliefern ließ. (Dort fristet sie zwischen all den klassischen Markenpizzen ein eher einsames Dasein.)
So tolle Pizzaerfinder als Kunden zu haben, sei “eine besondere Ehre”, schleimte der Real-Geschäftsleiter damals per Pressemitteilung.
Die Kundenerfinderei ist halt nur keine Ausnahme mit Charme mehr, sondern längst die Regel. Auch außerhalb der Supermärkte. McDonald’s rief Kunden dazu auf, “Mein Burger” zu gestalten; bei der Discount-Brötchenschleuder Back Factory durften Kunden zur EM 2012 den “Sieger-Snack” belegen: “Wir haben das Fußball-Laugenbrötchen – du bestimmst was drauf soll”; 2011 ließ die Drogeriekette dm von ihren Kunden die “Winterdusche” “Eisschimmer” entwickeln.
Und als selbst Innovationsallergiker Aldi kürzlich auf Facebook abstimmen ließ, welche Bildchen künftig auf die Taschentücherboxen draufgedruckt werden sollen, war das wahrscheinlich das endgültige Zeichen dafür, dass die Mitwirker-Masche ihren Zenith langsam aber sicher überschritten hat.
Zumal sich die tatsächliche Mitbestimmungsmöglichkeiten am Ende ja doch stark in Grenzen halten.
Edeka hat schon vor zwei Jahren erste Erfahrungen mit den “Selbermachern” gesammelt. Damals sollten Kunden in “Dein Eis-Konfigurator” ihr “Lieblings-Eis” zusammenrühren. Sieger war die durchaus interessante – und ganz kleckere – Geschmacksrichtung “Cheesy Maple Pie”, eine Mischung aus Walnuss, Vanille und Käsekuchengeschmack, die jedem hauptberuflichen Lebensmittelerfinder womöglich in gefrorenem Zustand als unverkäufliche Absurdität um die Ohren gehauen worden wäre.
(Verkauft wird “nicht flächendeckend, sondern in regional und lokal unterschiedlicher Ausprägung”, heißt es auf Anfrage bei Edeka. In Berlin scheint das Cheesy-Eis wieder aus der Truhe verschwunden zu sein.)
Edeka hat sich dafür hingegen den “Deutschen Preis für Onlinekommunikation 2013″ in der Kategorie “Product Launch” abholen können. Eine Begründung der Jury ist im Netz leider nicht mehr zu finden, aber die Zentrale in Hamburg erklärte nachher:
“Ziel (…) unserer Kampagne ist es stets, nah am Kunden zu sein und diesen anspruchsvollen Wünschen gerecht zu werden.”
Das stimmt auf jeden Fall so lange, wie die “anspruchsvollen Wünsche” der Kundschaft sich aufs Joghurt- und Kekserfinden beziehen, leider nur noch in Maßen, wenn es darum geht, wesentliche Informationen zum Produkt in Erfahrung zu bringen. Wer an der Edeka-Kundenhotline wissen will, von welchem Produzenten die neuen “Selbermacher”-Produkte hergestellt werden, dem antwortet ein freundlicher Mitarbeiter:
“Wir geben grundsätzlich keine Lieferanteninformationen preis.”
Fotos: Supermarktblog