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Wie sich Flink bei Lieferando als „Rewe express“ tarnt

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Sichtlich stolz meldete die deutsche Just-Eat-Takeaway-Tochter Lieferando zu Beginn dieser Woche eine kleine Sensation: Als „branchenweit erste Essensbestellplattform“ begrüße man „eine[n] der größten Lebensmittelhändler Deutschlands auf unserem Marktplatz“. Denn: Ab sofort können Nutzer:innen von Lieferando auch Lebensmittel bei Rewe bestellen, um sie montags bis freitags von ganz früh bis ganz spät innerhalb von 45 Minuten nachhause gebracht zu kriegen.

Der vermeintlich neue Dienst hört auf den Namen „Rewe express“ und ist – je nach Standort – in der Lieferando-App prominent als „Neu“ gekennzeichnet (hier z.B. am Berliner Alexanderplatz). Verfügbar sei das Angebot in 40 Städten, auch über die gängigen Metropolen hin aus, freut sich Lieferando.

Aber es lohnt sich dann doch, noch mal genauer hinzuschauen: Denn als verantwortlicher Dienstleister im Impressum der Marktplatz-Angebote steht die Berliner Rewe-Beteiligung Flink.

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Die ist nämlich für die Auslieferung der ausgewählten Artikel zuständig, die aus ihren bestehenden Darkstores in (aktuell) 40 deutschen Städten erfolgt, wo man auch bislang schon Supermarkt-Klassiker und Rewe-Eigenmarken zur Direktlieferung nachhause ordern konnte – sogar via Lieferando, wo Flink seit einem Dreivierteljahr präsent ist.

3,99 Euro für 1500 Meter

Auch die eingesetzte Liefermarke wird Branchenbeobachter:innen bekannt vorkommen: Rewe express existierte bislang nur als Zweitmarke im Tankstellengeschäft der Kölner; deren Tochter Lekkerland hat gleichnamige Shops an „mehr als 20 Esso-Tankstellen“ gebracht – obwohl auch andere Modelle nahe gelegen hätten. (Die sehr viel umfassendere Kooperation mit „Rewe to go“ hat Wettbewerber Aral weiter exklusiv.)

Zusammengefasst: Über Lieferando lassen sich künftig Rewe-Artikel bestellen, die dort bislang schon via Flink zu kaufen waren, unter dem Namen einer Marke, die bislang Tankstellenshops vorbehalten war.

Gibt’s relevante Unterschiede? Die Lieferung von Rewe express aus dem Darkstore in der Nähe meines Büros kostet an diesem Mittwochmorgen via Lieferando nicht ganz unüppige 3,99 Euro (bloß um 1500 Meter die Straße runtergerollt zu werden) – exakt wie bei Flink, das in der App unmittelbar darunter platziert ist. (Die in der Lieferando-Mitteilung versprochene Gebühr „ab 1,99 Euro“ scheint wohl nur für Entfernungen zu gelten, in denen sich der Einkauf im Zweifel auch werfen lässt.) Ab 69 Euro ist die Lieferung dann kostenlos – ebenfalls genau wie bei Flink.

Unterschiedliche Preise

Das „Manager Magazin“ schreibt, das bisher von Flink über Lieferando angebotene Sortiment sei „kleiner und anders bepreist“ gewesen – ohne konkreter zu werden.

Derweil berichtet die „Welt“, Produkte seien „bei Lieferando oft teurer als bei Flink“ und wittert ein „Preis-Chaos“.

Dabei geht dem zuständigen Redakteur ein bisschen was durcheinander. Richtig ist: Wer Lebensmittel via Lieferando bei Flink zw. Rewe express bestellt, zahlt im Zweifel mehr – weil die Partner ja eine (prozentuale) Provision an den Partner in Orange zahlen müssen, um auf dessen Plattform zu erscheinen. Die gibt man wohl einfach an die Kund:innen weiter.

Ein sehr schneller Stichproben-Vergleich zwischen Flink bei Lieferando und Rewe express bei Lieferando ergab bei mir keine wesentlichen Unterschiede, z.B. für Rewe Bio Bananenchips:

  • in der Flink-App: 2,49 Euro,
  • in der Lieferando-App bei Flink: 2,69 Euro,
  • in der Lieferando-App bei Rewe express: 2,69 Euro.

(Es ist aber natürlich trotzdem möglich, dass Rewe bzw. Flink in den Kanälen unterschiedliche Preispunkte testen wollen.)

Flink bleibt im Hintergrund

Gleichwohl tritt Flink bei der Partnerschaft nicht erkennbar in Erscheinung; dafür lässt sich in der Lieferando-Pressemeldung Rewe prominent mit Allgemeinheiten zitieren („Die Kooperation mit der führenden Essensbestellplattform Lieferando ermöglicht uns einen weiteren Ausbau unseres Angebotes im Expresssegment des efood-Marktes“). Und – das wirkt: Zahlreiche Medien berichten über die vermeintliche Neuerung, ohne auf die Hintergründe einzugehen. (Selbst bei der „Lebensmittel Zeitung“ gab’s online bislang nicht mehr als die umgetextete Pressemitteilung.)

Wozu dann der ganze Mumpitz?

„0 Meter bis zum nächsten Supermarkt“: Bislang hat Flink für seine Dienste bloß unter der eigenen Marke geworben, jetzt kommt „Rewe express“ als Plattform-Alternative dazu; Foto: Smb

Aus Sicht der beteiligten Unternehmen gibt durchaus gute Gründe, Neues auszuprobieren. Möglich wäre z.B., dass die Marke Flink bei regelmäßigen Lieferando-Nutzer:innen nicht so gut ankommt (die Bewertungen in der App variieren stark) und Lebensmittel-Bestellungen deshalb seltener getätigt werden, als die Partner sich das erhofft haben; mit Rewe als sehr viel stärker etablierter Marke ließe sich das eventuell drehen.

Rückt Flink weiter an Rewe ran?

Sollte dieses Co-Branding erfolgreich sein, wäre das auch ein Indiz dafür, das Quick-Commerce-Geschäft von Flink noch näher an Rewe anzudocken, um es dauerhaft profitabel zu machen – und im Zweifel auch über ein generelles Re-Branding nachzudenken.

Schon im vergangenen Jahr, als Flink mit seiner Werbung und seinem Sortiment immer rewiger wurde, stand hier im Blog die Frage: (Wann) Wird Flink zu „Rewe Flink“? Die bislang offen gebliebene Antwort könnte angesichts der aktuellen Markenstrategie auf jeden Fall ein kleines Stückchen näher gerückt sein.

In jedem Fall scheint es in Köln angesichts der Markenüberlassung ein ungebremst großes Vertrauen in den Quick-Commerce-Partner zu geben, der nach dem Rückzug des Rivalen Getir aus Europa (siehe Supermarktblog) hierzulande zweifellos der größte Sofortlieferdienst für Lebensmittel ist – aber weiterhin beweisen muss, dass das überhaupt rentabel sein kann.

Kommt die Lieferung aus Märkten?

Und natürlich spricht nichts dagegen, es den zahlreichen Restaurants auf den großen Lieferplattformen gleichzutun und auf bestehende Küchen (bzw. Darkstores) zusätzliche virtuelle Marken aufzusetzen, um die Ansprache potenzieller Kund:innen dadurch zu verbreitern.

Relevant ist zugleich, was die Partnerschaft zwischen Lieferando und Rewe bislang nicht bedeutet: nämlich dass Deutschlands zweitgrößter Supermarktbetreiber sein Netz aus über 3.700 Filialen öffnet, um dort Quick-Commerce-Einkäufe von eigenem Personal kommissionieren zu lassen. (Wie es Lieferando z.B. mit Tegut praktizierte und im Ausland bei vielen Kooperationen von Handelsketten mit Lieferplattformen längst üblich ist.)

Sollte sich Rewe express zum Erfolg entwickeln, könnte das natürlich eine gute Argumentationsbasis sein, das zu ändern.

Ob Rewe express bald auch in den Apps der Lieferkonkurrenten Uber Eats und Wolt in Erscheinung tritt, ist bislang nicht kommuniziert. Auch ob Edeka sich noch im Quick-Commerce-Markt zu positionieren versucht, ist weiter unklar (siehe Supermarktblog).

Mehr zum Thema:

Der Beitrag Wie sich Flink bei Lieferando als „Rewe express“ tarnt erschien zuerst auf Supermarktblog.


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