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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Zwei Jahre nach dem Start: Alnatura beendet sein Lieferservice-Experiment

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Bei Alnatura in Darmstadt ist die Entscheidung gefallen, den als Test gestarteten Lebensmittel-Lieferservice nicht fortzusetzen. Damit zieht das Unternehmen, das gerade seinen 40. Geburtstag feiert, zwei Jahre nach dem Start (siehe Supermarktblog) ein Schlussstrich unter das Experiment. Letztmals werden Bestellungen am 30. September ausgeliefert; anschließend ist der Shop geschlossen. Der Abholservice wird in diesem Zuge ebenfalls eingestellt.

Die Dienste waren zuletzt im Umkreis von drei Alnatura-Filialen in Frankfurt am Main, neun in Berlin und einer in Potsdam verfügbar.

Alnatura hatte versucht, den Lieferservice auf die Kommissionierung der Einkäufe in seinen stationären Filialen aufzusetzen, und dafür eigens Fachverkäufer:innen mit zusätzlichen Lieferservice-Aufgaben eingestellt. „Alnatura Super Natur Markt Online“ – so der sperrige Name des Experiments – konnte durchaus mit einigen Vorteilen punkten: Vor allem das umfassende Bio-Sortiment, aus dem Kund:innen auswählen konnten, gehörte dazu (inklusive frischem Brot mehrerer Bio-Partnerbäckereien).

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Doch trotz einiger Nachbesserungs-Bemühungen (siehe Supermarktblog), den günstigen Lieferkonditionen (39 Euro Mindestbestellwert, Kostenloslieferung ab 59 Euro) und einer positiven Zwischenbilanz von Alnaura-Co-Geschäftsführer Lucas Rehn hinkte der Shop in vielerlei Hinsicht den Angeboten der Wettbewerber hinterher und blieb teilweise weit hinter dem technisch Möglichen. Daran konnte auch die eigens gelaunchte App wenig ändern, die nun laut FAQ „ab dem 01.10.2024 nicht mehr erreichbar“ sein wird.

Probleme mit den Lieferfahrzeugen

E-Flitzer auf dem Abschleppen; Foto: Smb

Dazu kamen laut einem Bericht der „Lebensmittel Zeitung“ Probleme mit dem elektrisch betriebenen Lieferfahrzeugen. Auch nach Supermarktblog-Informationen hatte es immer wieder technische Probleme mit den speziell für die Stadt konzipierten Wägen gegeben, die mitten in Touren ausfielen und anschließend abgeschleppt werden mussten. Online wurden die Fahrzeuge in Alnatura-typischem Grün und Aubergine zuletzt via Anzeige zum Verkauf angeboten („die ideale Lösung für Lieferdienste, Handwerker und alle Unternehmen, die einen effizienten, nachhaltigen Kleintransporter suchen“).

Screenshot: Kleinanzeigen.de/Smb

In welchem Umfang der Test für Alnatura relevante Umsätze generieren konnte und welche Durchschnittswarenkörbe im Liefergeschäft erzielt wurden, ist unbekannt. Lieferzeitfenster waren an zahlreichen Standorten in aller Regel auch kurzfristig für den nächsten Tag buchbar; voll ausgelastet schien der Service eher nicht zu sein.

Alnatura-Gründer Götz Regen hatte erst Anfang September im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt:

„Das Warenvolumen ist gut, aber wir haben die letzte Meile unterschätzt: Die E-Autos sind recht teuer und die Wege lang, weil unsere Kunden verstreut wohnen.“

Bis zuletzt hatte der Händler intensiv für das Angebot geworben und Besteller:innen regelmäßig mit Gratisprodukten zu locken versucht. Noch intensiver an der technischen Funktionsfähigkeit des wenig intuitiv zu bedienenden Shops zu arbeiten, hätte im Zweifel vielleicht mehr geholfen.

„Bio-Vielfalt bestellen“ geht bei Alnatura noch bis Ende September; Foto: Smb

Zum zweiten Mal online gescheitert

Neue Mitarbeiter:innen für den Lieferservice wurden zuletzt vor etwa zwei Monaten gesucht; viele zuvor dafür abgeschlossene Verträge waren ursprünglich von vornherein auf ein Jahr befristet.

Für Alnatura ist es bereits das zweite Mal, dass die selbst gesteuerten Online-Bemühungen scheitern: Im Januar 2020 hatten die Darmstädter:innen ihren ersten, damals in Kooperation mit dem Partner Gourmand betriebenen Webshop geschlossen (siehe Supermarktblog). Der 2022 gestartete Lieferservice, für den man auf das technologische Know-How des Schweizer Picnic-Klons Farmy zurückgriff, war der Versuch, sich online unabhängiger von Drittanbietern zu machen und regelmäßigen Bio-Kund:innen das ganze Alnatura-Sortiment aus den Filialen zugänglich zu machen.

„Man muss Dinge ausprobieren“, sagt Rehn. Aber feinjustieren muss man sie dann natürlich auch, um die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können.

Die Produkte des Händlers können weiterhin bei Partnern wie Picnic, Knuspr, Flaschenpost und Amazon Fresh (via Tegut) erworben werden, teilweise mit Aufpreisen.

Zurückziehen wird sich Alnatura jedoch nicht nur auf dem Online-Geschäft: In einer aktuellen Mitteilung heißt es, das Unternehmen fokussiere sich „zukünftig auf sein Kerngeschäft“, um „seine Position im wettbewerbsintensiven Umfeld des Bio-Marktes“ abzusichern. Auch das Partnermarktmodell soll eingestellt werden: im ersten Halbjahr 2025 sei Schluss.

Bio Company liefert mit langem Vorlauf

Das Scheitern des Alnatura-Liefer-Experiments dürfte die Bio-Fachhandelsbranche gleichwohl in ihrer tief sitzenden Online-Skepsis bestätigen. Alnatura-Wettbewerber Dennree verkauft seine Eigenmarken bislang überhaupt nicht übers Netz, während man gleichzeitig mit einer Kampagne neue Kund:innen für die stationären Läden gewinnen will.

Einen anderen Weg versuchte der Berliner Fachhändler Bio Company zu gehen: 2023 vereinbarte man eine weitreichende Kooperation mit dem norwegischen Lieferdienst Oda, der große Pläne für Deutschland hatte – und nur wenige Monate darauf schon wieder aufgab.

Bio Company liefert neuerdings in Berlin mit einem Logistik-Partner Einkäufe per E-Bike; Foto: Smb

Kürzlich hat Bio Company ebenfalls einen eigenen Lieferservice gestartet, der Bestellungen mit E-Lastenrädern nachhause bringt („Frische Kiste“). Dafür muss aber mit mindestens zwei Tagen Vorlauf bestellt werden, Fleisch sogar mit drei Tagen. Die Zustellung erfolgt je nach Liefergebiet nur an einem Tag in der Woche; die Uhrzeit lässt sich vorher nicht eingrenzen – und dafür hätte Bio Company gerne 4,95 Euro Liefergebühr.

Das mag besonders nachhaltig sein; praktisch ist es eher nicht.

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Der Beitrag Zwei Jahre nach dem Start: Alnatura beendet sein Lieferservice-Experiment erschien zuerst auf Supermarktblog.


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