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Mr. Choc wohnt hier nicht mehr (oder: Was Sie über süßwarenfreie Kassen wissen müssen)

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Süßwarenfrei und Spaß dabei: Kaiser's wirbt mit schokolosen Kassen, platziert Ü-Eier aber bestens in Kindersichtweite

1. Süßwarenfreie Kassen sind praktisch

Weil das Kind, wenn es im Einkaufswagen sitzt, während der Erziehungsberechtigte gerade den Wocheneinkauf aufs Kassenband hebt, keine Schreianfälle kriegt, wenn es nicht von verführerisch vor seiner Nase baumelnden Schokoriegeln und Gummibärchen hypnotisiert werden kann.

Aber das wussten Sie vielleicht schon.

2. Süßwarenfreie Kassen sind tückisch

Der Süßigkeitenschwund an der Kasse bedeutet jedoch längst nicht, dass der nächste Einkauf mit dem schokonachfüllbereiten Nachwuchs gesitteter ablaufen wird.

Beispiel gefällig? In einem Berliner Markt eröffnete Kaiser’s kürzlich eine süßwarenfreie Kasse (Bild oben). Nirgendwo sonst im Markt ist die Aussicht auf die in Kinderwagenhöhe platzierte Palette mit den Überraschungseiern an der Kasse gegenüber so gut wie dort.

Süßwarenfreie Kassen gehören bei Kaufland zum Standard

Noch ein Beispiel? Bei Kaufland gehören zwei süßwarenfreie Kassen zur Standardausstattung. So lässt sich das Kind entweder frühzeitig an die stattdessen dort platzierten Tabakwaren gewöhnen. Oder von dem Sammelsurium an bunten, schillernden, glänzenden Ersatzablenkungen zur Besitzankündigung inspirieren. Süßwarenfreie Kassen sind oft mit Gutscheinen, Telefonkarten, Batterien, Kabeln und anderem Kleinkram vollgestopft. Die schmecken vielleicht nicht so gut wie ein Duplo. Aber ein Grund zum langweilebedingten Brüllen an der Kasse sind sie allemal.

(Und praktischerweise meist teurer als Schokoriegel.)

Schmeckt nicht süß, ist aber trotzdem ein prima Brüllgrund: Kleinkram an der Kaufland-Kasse

Die einzige halbwegs sichere Möglichkeit, Schreianfälle zu vermeiden, wäre vermutlich, an Kassen ausschließlich Spinat, Rosenkohl und Wirsing anzubieten. (Wobei das vermutlich zu angstbedingten Unmutsbekundungen der jungen Supermarktbesucher führt.)

3. Süßwarenfreie Kassen helfen nur bedingt beim Abnehmen

Sie sind natürlich kein Kind mehr. (Falls doch: Herzlichen Glückwunsch zu Deiner hervorragenden Lektüreauswahl.) Und trotzdem lassen Sie sich in schwachen Momenten beim Anstehen an der Kasse zu ungeplanten Schokoladenkäufen verleiten. Die gute Nachricht ist: An der süßwarenfreien Kasse bleibt Ihnen das erspart. Die schlechte Nachricht ist: Der schwache Moment führt sie womöglich vorher schon zum ganz normalen Süßigkeitenregal, wo Sie statt einem einzelnen Kinderriegel, vor dem das “New England Journal of Medicine” so eindringlich warnt, gleich die Zehnerpackung kaufen.

4. Süßwarenfreie Kassen sind vor allem Marketing

In Großbritannien hat Lidl gerade in allen 600 Filialen süßwarenfreie Kassen eingerichtet und diese “Healthy Tills” getauft (“Gesunde Kassen”), weil dort statt der üblichen Mr.-Choc-Eigenmarkenschokolade nun Obst und Multivitaminsäfte angeboten werden. Man wolle sich auf seine soziale Verantwortung besinnen, erklärt Lidl dazu. Ein klitzekleines bisschen ist daran aber auch das britische Gesundheitsministerium schuld, das Supermärkte sanft dazu drängelt, mehr gesunde Produkte in den Mittelpunkt zu rücken.

Lidls "Healthy Till" in Großbritannien

Die “Healthy Tills” sind sowieso erstmal nur ein Versuch für 10 Wochen. In dieser Zeit will Lidl die Rückmeldungen seiner Kunden analysieren, um zu entscheiden, ob Mr. Choc vielleicht doch zurückkehrt. Es geht aber sowieso nur um eine Kasse pro Laden. (In deutschen Filialen ist keine ähnliche Aktion geplant, hat die “Lebensmittelzeitung” bei Lidl erfragt.)

Dabei sind die Apfelkassen natürlich jetzt schon ein Erfolg, ein PR-Erfolg nämlich. In zahlreichen Medien sind Texte über die “Healthy Tills” erschienen, inzwischen tauchen sie sogar in deutschsprachigen Supermarktblogs auf. Und haben aus der Sicht des Discounters ihren Zweck damit schon erfüllt.

In Großbritannien testet Lidl "healthy tills": Kassen, an denen es Obst statt Gummibärchen gibt

5. Süßwarenfreie Kassen sind Ausnahmen

Das bleiben Sie auch. Der Grund dafür ist einfach und steht in einer Studie des EHI Retail Instituts aus dem Jahr 2010. Er lautet: Die Kasse braucht meistens nur ein Prozent des Platzes im Laden, die Supermärkte machen dort aber 6 Prozent des Umsatzes – (nach Tabak) vor allem mit Süßigkeiten und Kaugummi natürlich.

Die Kasse ist also einer der umsatzstärksten Plätze im Markt. Und den geben die Supermärkte so schnell ganz bestimmt nicht freiwillig her.

Fotos: Supermarktblog/Lidl


Warum wir an der Kasse wirklich mit dem Handy bezahlen sollen

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“Mehrstufige Authentifizierungsverfahren” sind erfunden worden, um die Welt sicherer zu machen, ganz sicher aber nicht unkomplizierter. Es ist also schon mal ein bisschen geflunkert, wenn Edeka behauptet, es gehe “so einfach”, den Einkauf an der Kasse künftig mit dem Handy zu bezahlen.

Dafür laden Sie bitte erstmal die Edeka-App auf Ihr Smartphone. Dann suchen Sie Ihre “Favoritenmärkte” aus und speichern die. Anschließend registrieren Sie sich fürs mobile Bezahlen, indem Sie Edeka Ihre vollständige Adresse, Ihr Geburtsdatum, Ihre Mobilnummer, Ihre Email, Ihre Staatsangehörigkeit und Ihre Ausweisnummer verraten, bevor Sie sich eine PIN-Nummer aussuchen und eine Einzugsermächtigung für Ihr Konto erteilen. Daraufhin erhalten Sie einen Freischaltcode per SMS zugestellt, den Sie zusammen mit dem anderen Freischaltcode in die App eingeben. Dafür muss der mitsamt der 1-Cent-Überweisung auf Ihrem Konto eingehen, was ein paar Tage dauern kann – und eine Mailschleife über den Edeka-Kundenservice, der kurz vor Ablauf der Sieben-Tage-Freischaltfrist noch eilig die vertrödelte Überweisung veranlasst. Fertig!

“So einfach” ist das alles nicht.

Anmeldeverfahren in der Edeka-App

Aber es funktioniert: Wer nachher in seinem “Favoritenmarkt” einkauft, stellt sich an der Kasse an, zückt das Mobiltelefon, ruft die Edeka-App auf und wählt im Menü “Bezahlen und Copupons einlösen” aus. Nach der PIN-Eingabe erscheint ein Strichcode, der für ca. 4 Minuten gültig ist und von der Kassiererin gescannt werden muss. Dann bucht Edeka die Summe vom Konto ab und schickt (ähnlich wie dm) automatisch einen E-Bon an die hinterlegte Mailadresse.

Sie brauchen beim Ausprobieren nur ein wenig Geduld, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Kassiererin erstmal leicht panisch eine Kollegin rufen muss, die ihr erklärt, wie sie der Kasse möglichst schonend die Handyzahlung beibringt und woher der zusätzliche Scanapparat aus der Ablage gefuchtelt werden muss, weil die normale Kasse die Strichcodes vom Telefon nicht verarbeiten kann.

In dieser Zeit hilft es, sich möglichst wenig umzusehen, weil Sie sonst die Blicke der Menschen in der Schlange hinter Ihnen treffen, die sich fragen, was für ein Depp da den ganzen Betrieb aufhält, weil er mit seinem blöden Telefon bezahlen muss. Die Kassiererin bedankt sich aber freundlich für die Geduld. Danach dürfen Sie stolz sein, zum ersten Mal mit dem Telefon bezahlt zu haben.

Die Frage ist nur: wozu?

Wozu sollten Supermarktkunden eine komplizierte Anmeldung ausführen, bei der Sie ziemlich viele persönliche Daten preisgeben, um dann mit ihrem Telefon zu bezahlen, das sowieso nie genug Batterielaufzeit hat und auch im Supermarkt einen ordentlichen Internetempfang benötigt, um den Strichcode zu generieren? Mit der EC-Karte geht das genauso fix. (Es sei denn, Sie vergessen Ihre Geldbörse öfter zuhause als Ihr Handy.)

Der konkreteste Nutzen für Kunden, die an der Kasse mit dem Handy bezahlen, ist: dass Sie nachher damit angeben können.

Wenn die Supermärkte solche Technologien ausprobieren, liegt das aber vor allem daran, dass sie selbst davon profitieren.

Zunächst geht es um Kundenbindung: Über die App stellt Edeka eine direkte Beziehung zu Ihnen her und bietet Rabattcoupons, durch die beim Bezahlen mit dem Telefon automatisch ein bestimmter Cent-Betrag abgezogen wird. Das heißt: der Käse oder die Kekse sind etwas billiger. Derzeit promotet Edeka auf diese Weise ausschließlich seine Eigenmarken. Das ist eher kein Zufall.

Coupons in der Edeka-App

Stefan Krüger, Geschäftsführer des App-Entwicklers Valuephone, erklärte kürzlich dem Fachmagazin “Der Handel”:

“An erster Stelle steht für den Händler immer die mobile Couponing-Lösung, beispielsweise, um Werbeerfolge messen zu können. Das Zahlen mit dem Handy steht erst an zweiter Stelle.”

Valuephone verantwortet auch die Edeka-App.

Der zweite wichtige Punkt ist: Unabhängigkeit. Edeka etabliert mit der App eine Bezahlmöglichkeit, die sich selbst steuern lässt – und deren Transaktionsgebühren nicht von Banken oder Kreditkartengesellschaften vorgegeben werden. (Ganz ohne Dienstleister geht es natürlich nicht, in diesem Fall wickelt Deutsche Post Zahlungsdienste die Buchungen ab.)

Darüber hinaus ist das App-Bezahlen ein Abwehrmechanismus: Wenn die Kunden künftig wirklich so scharf darauf sein sollten, mit ihrem Telefon zu bezahlen, dann ist das Risiko groß, dass Sie das mit Systemen von Apple oder Google tun werden, die mit ihren mobilen Betriebssystemen den Markt beherrschen. Dann könnten Apple und Google den Supermärkten aber auch vorschreiben, was für sie bei so einer Transaktion herauszuspringen hat. Das ist für eine Branche, in der es permanent um kleinste Margen geht und die ungern Kontrolle abgibt, keine schöne Aussicht. Anders formuliert: Jeder Kunde, der sich bis dahin ans Bezahlen mit der Edeka-eigenen App gewöhnt hat, kann Edeka nur recht sein, weil die Kosten dann kontrollierbar bleiben.

Wenn Sie dem Edeka-Händler Ihres Vertrauens also eine Freude machen wollen, dann zahlen Sie doch künftig an der Kasse mit der Handy-App. Sollte Ihnen die 20-Cent-Vergünstigung für den Biokäse nicht so wichtig sein, tut’s aber auch weiterhin die EC-Karte.

Screenshots: Supermarktblog/Edeka

Migros-Chef Blunschi über Tegut: “Es wird neue Märkte in Baden-Württemberg geben”

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Zentrale der Migros-Genossenschaft Zürich

Seit Anfang des Jahres gehört die hessische Supermarktkette Tegut zu Migros, dem größten Lebensmittelhändler der Schweiz (siehe dazu auch Supermarktblog vom Oktober 2012). Der will nach eigenen Auskünften einen zweistelligen Millionenbetrag in das Fuldaer Unternehmen investieren. Dort bleibt Thomas Gutberlet zwar Geschäftsführer, die Schweizer Eigenmarkenspezialisten bestimmen aber die grundlegende Ausrichtung von Tegut.

Das Supermarktblog hat sich mit Jörg Blunschi, dem Geschäftsleiter der Migros-Genossenschaft Zürich, darüber unterhalten, warum trotz der geplanten Expansion Läden geschlossen werden, wo neue Filialen eröffnen sollen und wie Migros dafür sorgen will, dass Tegut im Wettbewerb bestehen kann.

* * *

Supermarktblog: Herr Blunschi, im deutschen Lebensmittelhandel sind schon viele ausländische Unternehmen gescheitert. Warum sind Sie zuversichtlich, dass es Migros mit Tegut anders gehen wird?

Jörg Blunschi: Deutschland ist ein äußerst kompetitiver Markt. Deshalb ist es besonders schwer, sich als neuer Anbieter zu etablieren. Unter dem Namen Migros hätten wir einen solchen Schritt in diesem Umfang sicher nicht gewagt. Sie müssen aber unterscheiden zwischen einer Neugründung und der Fortführung einer sehr bekannten Kette. Genau deshalb sagen wir ja: Tegut wird Tegut bleiben. Wir wollen gemeinsam mit dem Management in Fulda das Profil schärfen, um zu wachsen. Die Werte, die Tegut seit Jahrzehnten vertritt, passen sehr gut zu Migros. Und im Schweizer Lebensmittelmarkt ist unser Marktanteil so hoch, dass es schwierig ist, noch Wachstum zu erzielen.

Sie wollen Tegut aus den roten Zahlen herausholen. Wo lagen aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren die Schwachpunkte?

Blunschi: Für ein Unternehmen mit einer Größe wie Tegut ist es sicher schwierig, in einem so dynamischen Markt mitzuhalten, weil Sie Ihre knappen Ressourcen ständig aufteilen müssen. Tegut hat zuletzt stark in seine Produktionsbetriebe investiert. Der Rhythmus, in dem zugleich das Ladennetz hätte erneuert werden müssen, war deshalb zu langsam. Bei ihrer Weiterentwicklung haben Edeka und Rewe in den vergangenen Jahren ein extremes Tempo vorgelegt. Da konnte Tegut nicht mithalten.

Migros-Zürich-Geschäftsführer Jörg Blunschi

Migros hat angekündigt, das zu ändern. Sie haben, knapp zusammengefasst, gesagt: Raus aus Thüringen, rein in die Ballungsgebiete. Richtig?

Blunschi: Ich sage nicht, dass Tegut sich aus Thüringen zurückzieht! Bei den kleinen Läden wird es sicher eine Bereinigung geben. Das wird kein Kahlschlag, wir prüfen jedoch auslaufende Mietverträge sehr genau. Tegut soll wachsen. Dazu gehört es auch, sich von Märkten zu trennen, die nicht rentabel zu betreiben sind. Mein Eindruck ist, dass Tegut seine Stärken tatsächlich in den Ballungsgebieten, vor allem Richtung Süden, ausspielen, kann. Es wird ganz sicher neue Märkte in Baden-Württemberg geben. Wir wollen aber auch im bestehenden Wirtschaftsgebiet neue Mietverträge abschließen, wenn es Gelegenheiten gibt.

Um wieviele Läden, die geschlossen werden könnten, geht es denn?

Blunschi: Genaue Zahlen kann ich Ihnen da nicht nennen. Es betrifft aber vor allem die T3-Läden [kleine "nah & gut"-Märkte bis 1200 qm, die derzeit vor allem von Handelsvertretern betrieben werden; Anm. d. Red.].

Die größten Tegut-Konkurrenten sind deutschlandweit aufgestellt. Kommt mittelfristig auch eine Expansion in andere Bundesländer in Frage?

Blunschi: Tegut muss sich fokussieren. Es ist ja Neuland für das Unternehmen, außerhalb des bisherigen 150-Kilometer-Kreises um die Zentrale zu wachsen. Wir müssen erst einmal beweisen, dass das funktioniert und dürfen uns nicht verzetteln. Andere Gebiete stehen für uns derzeit nicht auf der Agenda.

Die Kaufkraft ist der wesentliche Grund dafür, neue Märkte in Ballungsgebieten zu eröffnen. Heißt das, Tegut soll kein Supermarkt für alle sein, sondern nur für die, die es sich leisten können?

Blunschi: Natürlich haben wir eine Hauptzielgruppe. Aber wer das Kaufverhalten der deutschen Kunden kennt, der weiß, dass kein Händler sich davor drücken kann, auch preislich attraktiv zu sein. Kunden, die Wert auf bewussten Konsum und biologisch erzeugte Lebensmittel legen, wollen trotzdem günstige Alternativen geboten bekommen.

Tegut hat seit seiner Gründung viele Bio-Lebensmittel im Angebot. Sie haben angekündigt, “einen ansprechenden Mix, und nicht nur Bio” anbieten zu wollen, und den Bio-Anteil lediglich in absoluten Zahlen halten zu wollen. Steht Tegut die Umwandlung in einen klassischen Supermarkt bevor?

Blunschi: Nein, das nicht. Fakt ist aber: Tegut erzielt pro Quadratmeter Ladenfläche zu wenig Umsatz. Um das zu ändern, müssen Sie überlegen, wo Potenzial besteht. Die Kunst wird es sein, Tegut unverwechselbar bleiben zu lassen, Kunden aber zugleich konventionelle Produkte zu fairen Preisen zu bieten.

Sie können ja nicht das eine so lassen – und das andere ändern. Wird es weniger Bio-Produkte geben?

Blunschi: Der prozentuale Anteil von Bio-Lebensmitteln am Umsatz wird tendenziell sinken. Aber wir hoffen, dass wir mehr Kunden in die Läden holen können – und deswegen weiterhin denselben Umsatz mit Bio machen wie schon jetzt. Außer Bio ist für viele Kunden zum Beispiel Regionalität entscheidend. Wir sehen gute Chancen, Tegut dort stärker zu positionieren.

Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet hat im vergangenen Jahr gesagt, im Wettbewerb mit den Großen dürfe Tegut kein Mainstream sein. Ändert sich das mit Migros?

Blunschi: Im Gegenteil. Migros will Tegut helfen, sich stärker über Eigenmarken von der Konkurrenz zu differenzieren. Das ist bisher nur sporadisch passiert. Zukünftig wird Tegut da eigenwilliger sein. Wir haben die Wertschöpfung unserer Eigenmarken im Griff. Vom aktuellen Skandal um Pferdefleisch in Lebensmitteln ist Migros als Händler zum Beispiel nicht betroffen, weil wir genau wissen, woher die Zutaten für unsere Produkte kommen.

Bleibt die Tegut-Eigenmarke erhalten oder wird sie durch Migros-Produkte ersetzt?

Blunschi: Für mich hat die Tegut-Eigenmarke Priorität. Wir wollen eine Preiseinstiegsmarke etablieren, deren Preise sich am Wettbewerb orientieren, die im Laden aber durch ein einheitliches Erscheinungsbild viel besser sichtbar ist. Tegut hat auch jetzt schon viele günstige Produkte im Angebot, das ist für die Kunden wegen der unheitlichen Kennzeichnung nur oft nicht ersichtlich.

Gibt es dann bald die klassische Eigenmarken-Struktur: Tegut Budget, Tegut Classic und Tegut Selection – so wie bei Migros?

Blunschi: Soweit sind wir noch nicht. Es könnte natürlich in diese Richtung gehen. Aber das lässt sich nicht eins zu eins transferieren. Ein M-Classic-Produkt aus der Schweiz, also aus der mittleren Produktlinie, wäre in Deutschland beim Preis auf Bio-Niveau. Das passt nicht. Um Produkte ins Sortiment integrieren, auf denen Migros steht, braucht es eine gewisse Logik. Die erarbeiten wir gerade. Der Schlüssel zum Erfolg ist sowieso eine standortspezifische Sortimentierung: Im Markt in Thüringen werden Schweizer Produkte vermutlich nicht dieselbe Rolle spielen wie in einem Markt in Stuttgart.

Tegut-Markt in Fulda

Die Preise für Lebensmittel liegen in Schweizer Supermärkten auf einem anderen Niveau, auch weil die Kunden bereit sind, mehr zu zahlen. Wie lässt sich das überhaupt auf Deutschland übertragen?

Blunschi: Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Wertigkeit von Lebensmitteln auch bei deutschen Konsumenten wieder zunehmen wird.

In der Schweiz gibt es bei Migros das “Kulturprozent”, mit dem kulturelle Zwecke gefördert werden. Außerdem unterscheiden Migros-Produkte zwischen Haltbarkeits- und Verbrauchsdatum. Wird es das auch bei Tegut geben?

Blunschi: Alle Stärken der Migros sollen zusammen mit dem Tegut-Management überprüft werden, um zu entscheiden, ob sie auch für den deutschen Markt geeignet wären. Es wird sicher Tests in bestimmten Märkten geben. Wir werden Tegut aber nichts aufzwingen.

Anders als Migros in der Schweiz wird Tegut also auch weiterhin Alkohol und Tabak verkaufen?

Blunschi: Deutsche Kunden sind One-Stop-Shopping gewöhnt. Sie wollen nicht zu vielen verschiedenen Märkten fahren, um einzukaufen. Es wäre ein Fehler, mit Tegut etwas anderes zu versuchen. Das habe ich auch unseren Gremien von vornherein gesagt. Und die Migros-Tochter Globus führt in der Schweiz ja auch alkoholische Getränke.

Wie stehen Sie zu den Eigenheiten von Tegut: den Saisongärten, den Kundenräten – und den “Lädchen für alles”? Die passen kaum zu ihrer Ballungsraum-Strategie.

Blunschi: Selbstverständlich halten wir alle bestehenden Verträge ein. Ich finde die “Lädchen” sind eine tolle Idee. Es kann für uns aber kein Expansionsziel sein, hundert “Lädchen” neu zu gründen. Wenn Kommunen aktiv mit einem Wunsch auf uns zukommen, werden wir das weiter verfolgen, aber Neueröffnungen nicht aktiv vorantreiben können. Das wäre ein falscher Fokus. Die Saisongärten und die Kundenräte finde ich gute Initiativen, die wir weiterlaufen lassen. Das passt zum Profil von Tegut. Punkten lässt sich eher, indem wir am Sortiment, am Ladenaufbau und den Standorten feilen.

Migros betreibt seit vergangenem Jahr mit Alnatura einen Biomarkt in Zürich. Inwiefern ist die Tegut-Übernahme davon berührt? Alnatura liefert schließlich auch an Tegut.

Blunschi: Das sind ganz unterschiedliche Schienen. In Deutschland ist Alnatura eigenständig und strategischer Partner von Tegut. Das soll auch so bleiben. In der Schweiz kooperiert Migros mit Alnatura. Wir werden in diesem Jahr noch einen zweiten oder dritten Markt eröffnen. Und wir testen Alnatura-Produkte in unsern Supermärkten. Gerade wird an Sortimentskorrekturen gearbeitet, um den Vorlieben der Schweizer Verbraucher besser gerecht zu werden. Insgesamt ist unser Feedback aber extrem positiv.

Sie haben sich aber mit Alnatura-Gründer Götz Rehn noch nicht darüber unterhalten, ob er sich eine Beteiligung der Migros vorstellen könnte?

Blunschi: So wie ich Herrn Rehn einschätze, ist das für ihn kein Thema.

Aber für Migros wäre es interessant, wenn es denn irgendwann ein Thema würde?

Blunschi: Ich glaube, Alnatura wäre für viele Unternehmen interessant.

In der Schweiz hat Migros mit dem Online-Einkauf von Lebensmitteln positive Erfahrungen gesammelt. Profitiert davon auch Tegut?

Blunschi: Der Markt in der Schweiz ist natürlich übersichtlicher. Wir haben bei Leshop.ch rechtzeitig investiert. Ein großer Vorteil war, dass wir uns einen langen Atem geleistet und nicht auf einen kurzfristigen Erfolg gesetzt haben. Das trägt jetzt Früchte. Bei Tegut kümmern wir uns zunächst einmal um die Optimierung des bestehenden Filialnetzes. Dann geht es um die stationäre Expansion. Ich glaube nicht, dass wir da gleichzeitig noch eine dritte Herausforderung stemmen können. Das ist eher eine Aufgabe für die Zukunft.

Fotos: Migros (2), Supermarktblog

Nachwuchs bei “Emmas Enkel”: Es wird ein Filiälchen!

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Mal angenommen, Sie würden einen Einkaufsladen-Kaffeetrink-Abhol-Nachhauseliefer-Markt eröffnen. Würde es Ihnen da in den Sinn kommen, nach anderthalb Jahren das Konzept zu erweitern?

Vermutlich nicht.

Den beiden Gründern des Düsseldorfer Lebensmittel-Start-ups “Emmas Enkel” aber schon. Mitte Februar haben Benjamin Brüser und Sebastian Diehl (die regelmäßigen Supermarktlesern ja bereits bekannt sind) ihren Markt übers Wochenende zugemacht – und Rollen unter die Holzwürfel geschraubt, in denen die Produkte im Verkaufsraum bisher standen.

Da stehen sie jetzt auch wieder. Bloß mobiler. Brüser sagt: “Wir haben schnell gemerkt: Ein Regal mit 150 Kilo räumt man nicht mal eben weg.” Genau das sollte aber möglich sein, um in dem kleinen Innenstadtladen zum Beispiel morgens ein anderes Sortiment zu zeigen als abends. Jetzt geht das problemlos:

“Bei gutem Wetter schieben wir die Grillzutaten und die Steaks nach vorne, bei schlechtem Wetter alles, was man für einen gemütlichen Abend auf dem Sofa braucht. Und wenn Fortuna Düsseldorf gewonnen hat, kommt der Schampus vor. Andernfalls bleibt’s bei Selters.”

Die "Emmas Enkel"-Gründer Sebastian Diehl und Benjamin Brüser

Die Starlight-Express-Ladeneinrichtung hat noch einen Vorteil: Sie kann komplett rausgerollt werden, um im Laden Platz für Veranstaltungen zu machen. “Die Generalprobe hat gerade schon sehr gut funktioniert”, sagt Brüser. “Nach einer halben Stunde war alles weggeräumt.”

Über mangelnde Auslastung können sich Brüser und Diehl anderthalb Jahre nach der Eröffnung nicht beklagen. Die Kombination aus Lebensmittelmarkt, Café und Online-Shop scheint nicht nur bei den Kunden anzukommen, sondern erfreut sich auch bei den Medien einer nachhaltigen Aufmerksamkeit, die bis ins Ausland reicht.

Im vergangenen Jahr waren die “Enkel” als Finalisten für die “World Retail Awards” nominiert. Im Januar wurde der Laden als Ort im “Land der Ideen” ausgezeichnet. Und auf der CeBIT schüttelten die Gründer gerade der Bundeskanzlerin die Hand, weil die sich ansah, was die beiden mit dem Telefonkonzern Vodafone vorhaben: “Shopping-Walls”, über die sich der Lebensmitteleinkauf unkompliziert mit per Handy erledigen lassen soll.

(Wobei das freilich noch in der Praxis bewiesen werden muss, weil Vodafone-Kunden wissen, dass mit diesem Unternehmen sonst ungefähr nichts “unkompliziert” funktioniert.)

Kürzlich outete sich der ehemalige Bertelsmann-Vorstand Hartmut Ostrowski als Finanzier (pdf). Der eigentliche Test, nämlich ob das “Enkel”-Konzept auch außerhalb Düsseldorfs funktioniert, steht aber erst noch bevor. Denn jetzt gibt’s Nachwuchs. Demnächst eröffnet in Essen ein Filälchen.

Das ist etwas kleiner als in Düsseldorf. Und die Nachbarschaft ist etwas sonderbar. Eingerahmt von einem holzbrettervernagelten Leerlokal zur Linken und “La Grappa” zur Rechten lässt sich derzeit noch nicht so recht erahnen, wie der Ableger mal aussehen wird. Die Fenster sind mit Papier zugeklebt. Das Schild gehört noch dem Vormieter (“Troya Restaurant – Türkisch für Gourmets”), für Neugierige klebt aber schon der Internethinweis www.hier-ensteht-etwas-gutes.de im Schaufenster. Eine separate Facebook-Seite gibt es auch.

Noch uneröffnet: Der künftige "Emmas Enkel" in Essen

Unmittelbar gegenüber steht die riesige Firmenzentrale von Evonik Industries, die auf Fahnen ihren Claim “Kraft für Neues” flattern lässt – und damit in Hinblick auf die Neueröffnung gegenüber ja auch nicht Unrecht hat. Vor allem aber waren natürlich die Nähe zum Bahnhof und die günstige Lage ausschlaggebend. Brüser sagt:

“Die reinen Fußgängerzonen kommen nicht in Frage: Der Laden muss mit dem Auto gut erreichbar sein.”

Im Essener “Emmas Enkel” können die Kunden künftig nicht nur einkaufen, sondern – ähm: auch essen. Der Laden hat eine Gastronomieerlaubnis – und jeder, dem der Mittagstisch schmeckt, kriegt das Rezept dazu, um die Zutaten einzukaufen und zuhause selbst kochaktiv zu werden.

(Ähnlich wie bei den Online-Rezeptlieferdiensten und dem Zutatenkombinierer “Kochhaus”.)

Weitere “Enkel” sind geplant – und zwar nach dem Franchise-Prinzip. “Der Begriff ‘Franchise’ hat im Deutschen immer einen Beigeschmack, weil er meistens mit McDonald’s und Subway in Verbindung gebracht wird”, sagt Brüser. “Aber eigentlich trifft er das, was wir umsetzen, schon ganz gut.” Jeder neue Laden, auch der in Essen, wird mit einem Partner betrieben, der sich in seiner Stadt gut auskennen soll, aber nicht noch mal dieselbe Zeit und Energie in den Aufbau eines Warensystems und den Webshop zu investieren braucht.

“Es ist eine klassische Arbeitsteilung: Wir kümmern uns um Online, der Partner um seinen Laden.”

Und dann stehen irgendwann die beiden Original-”Enkel” in der Tür und meckern, wenn die Corporate Identity und das Sortiment nicht stimmen? Nee, meint Brüser:

“Was damals den Tante-Emma-Laden ausgemacht hat, der persönliche Bezug des Besitzers zu seinen Kunden, muss auch bei Emmas Enkeln praktiziert werden. Deshalb bringt es gar nichts, wenn wir jetzt von oben herab vorgeben, wie das komplette Sortiment eines Ladens auszusehen hat. Das bestimmt jeder Partner selbst.”

Es sind ziemlich viele Baustellen, auf denen das Gründerduo gerade gleichzeitig unterwegs ist. Vielleicht sogar ein oder zwei zuviel. Aber womöglich ist das die richtige Strategie, um sich im Wettbewerb stetig von den großen Supermärkten abzuheben.

Und an Selbstbewusstsein mangelt es den “Enkeln” nach der medialen Aufmerksamkeit der vergangenen Monate sowieso nicht. Nach all dem, was er seit der Eröffnung über den Handel, nicht nur den mit Lebensmitteln, gelernt habe, glaubt Brüser, dass auch bei etablierten Läden “drastische Veränderungen” notwendig seien, um sich gegenüber der reinen Onlinekonkurrenz zu wappnen:

“Sonst werden die Innenstädte auf Dauer ein großes Problem bekommen. Als stationärer Händler muss ich meinen Kunden gute Gründe bieten, nicht bequem von zuhause oder auf der Couch online einzukaufen.”

Wenn die Pläne von “Emmas Enkel” aufgehen, reicht dafür vielleicht ja auch schon: ein warmes Mittagessen.

Fotos: Emmas Enkel/Supermarktblog

Statistik-Schnäppchen (1)

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Laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) geben die Deutschen pro Jahr durchschnittlich 5413 Euro im Einzelhandel aus. Davon entfallen 2164 Euro auf Lebensmittel (etwa 40 Prozent).

(Quelle: GfK, Handelsverband Deutschland, Januar 2013)

Rund 400 Millionen Werbeprospekte werden wöchentlich an deutsche Haushalte verteilt. Handzettelleser treffen etwa 45 Prozent ihrer Kaufentscheidungen im Laden wegen der Informationen im Prospekt.

(Quelle: Studie der Forschungsgruppe gdp, Januar 2013)

2012 waren Lebensmittel 3,2 Prozent teurer als im Jahr zuvor. Im Dezember 2012 waren Obst und Gemüse um fast 10 bzw. 12 Prozent teurer als im Dezember 2011.

(Quelle: GfK Consumer Index, Februar 2013)

Der Gewinn für einen Hersteller von in Tomatensoße eingelegten Heringen beträgt in der Discount-Variante, die es für ca. 79 Cent im Laden zu kaufen gibt: 0,05 bis 0,2 Cent pro Dose.

(Quelle: Klaus Peper, Vorstandsvorsitzender Rügen Fisch AG, in: “ZDFzeit: Wie gut sind No-Name-Lebensmittel?”, Februar 2013)

Statistik-Schnäppchen sind Zahlen, die gut zusammenpassen.

Rewes Lebensmittel-Lieferdienst: Ist denn heut’ schon Weihnachten?

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Rewe liefert Lebensmittel an die Haustür

Huch, da steht ein Mann in roter Arbeitsuniform vor der Tür, überreicht tütenweise Lebensmittel und will kein Geld dafür! Haben die Veranstalter des beliebten Feiertagsspektakels “Weihnachten” etwa ins sich ankündigende Frühjahr hineinexpandiert, um dem Feiertagsspektakel “Ostern” Konkurrenz zu machen?

Ach was, es ist bloß der Lieferant von Rewe Online. Und bezahlt haben will der seine Tüten später doch. Dazu gleich mehr.

Im vergangenen Sommer erschien in diesem Blog eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Online-Einkauf von Lebensmitteln (Teil 1, Teil 2, Teil 3), an dem sich jetzt auch in Deutschland die großen Supermarktketten (und zahlreiche Neulinge, von denen die ersten schon wieder pleite sind) versuchen. Seitdem hat sich ein bisschen was getan.

Zum Beispiel bei Rewe Online, das es inzwischen nicht nur mit Suchfunktion gibt, sondern in Berlin auch als Lieferdienst. (Alle Liefergebiete im Überblick.) Deshalb folgt hier jetzt ein kleiner Nachtrag. Aber keine Angst: Diesmal geht’s ruck-zuck.

Die Bestellung
Klappt mit dem neuen System tatsächlich prima. Jedenfalls, wenn Sie an alles gedacht haben, bevor der Auftrag online abgesendet ist. Falls nicht, lassen sich weitere Artikel zwar problemlos hinzufügen. Bei Kreditkartenzahlung verschluckt sich das System aber schnell, weil dann die zuerst gesendete Bestellung storniert werden muss, bevor Sie die zweite (vollständige) noch mal neu aufgeben müssen. Wer Pech hat, kriegt deswegen alle Produkte auf der Einkaufsliste gedoppelt und muss die Mengenangaben wieder von Hand reduzieren. (Oder bekommt eine lebenslange Ration Orangensaft ins Haus.)

Rewe Online: Kreditkartenzahlung mit Hindernissen

Die Bezahlung
Neukunden stellt Rewe Online bei der ersten Bestellung vor die Wahl: Paypal oder Kreditkarte? Da es vorkommt, dass bestelle Artikel doch nicht vorrätig sind oder die Mengenangaben leicht variieren (Bananen werden zum Beispiel in Stück bestellt, aber nach Kilogrammpreis berechnet), wird der Betrag sinnvollerweise erst nach der Lieferung gebucht. Der “Kassenbon” kommt per Mail als pdf-Datei.

pdf-"Kassenbon" von Rewe Online

Barzahlung gibt es keine, und zwar “aus Sicherheitsgründen für unsere Fahrer”, wie der Kundenservice erklärt. Das ist nachvollziehbar und in Ordnung. Wer öfter bestellt, kriegt als regelmäßiger Kunde automatisch vorgeschlagen, den anfallenden Betrag vom Konto einziehen zu lassen. In jedem Fall gibt’s kein umständliches Kartengebuche an der Haustür und keine fehlgeschlagenen Verbindungen mit mobilen EC-Terminals.

Das macht’s für beide Seiten sehr viel einfacher.

Die Lieferung
Funktioniert genau wie die Abholung, indem sich der Kunde ein Zeitfenster raussucht. Morgens und abends kostet’s (in Berlin) 6 Euro, mittags 5 Euro. Ausgeliefert wird mit unübersehbar roten Rewe-Wagen (siehe Bild oben), die ein separates Kühl- und Gefrierfach eingebaut haben. Das heißt, Tiefkühlwaren kommen deutlich gefrosteter an als wenn sie erst vom Laden nachhause geschleppt werden müssen. Das meiste steckt in Plastiktüten, die auf Wunsch beim nächsten Mal zurückgegeben werden können. Treuepünktchen gibt’s ungefragt dazu, falls Sie demnächst gegen Zuzahlung Rollkoffer, Messersets oder einen Topfpark erwerben wollen.

Die Uniform der Lieferanten
Sieht tatsächlich ziemlich nach Weihnachten aus.

Das Kleingedruckte
Am Morgen des Liefertages kommt ein Lieferavis ins Email-Postfach, in dem angegeben ist, welche Artikel tatsächlich ausgeliefert werden – und welche nicht. Automatisch hinzugefügte Ersatzartikel müssen vom Kunden an der Haustür auf eigene Initiative zurückgegeben werden, sonst gelten sie als gekauft. Wenn Getränke mitbestellt wurden, berechnet Rewe zusätzlich zur Bestellgebühr einen “Sperrgutaufschlag” von 75 Cent pro Kiste und erklärt dazu:

“Wir liefern nur handelsübliche Mengen aus. Im Falle von Getränkekisten behalten wir uns vor, bei Bestellmengen von mehr als sieben Kisten, diese zu reduzieren.”

Der Gesamteindruck
Im Vergleich zu Tengelmanns “Bringmeistern” macht Rewe Online einen deutlich durchdachteren Eindruck. Die Preise für die Produkte sind – anders als beim Wettbewerber – tatsächlich dieselben wie im Markt: Von 17 Positionen meiner Bestellung waren 16 am Tag der Lieferung genauso teuer wie im Laden, eine Position war sogar geringfügig günstiger. (Rewe weist in den Lieferbedingungen aber darauf hin, dass die Lieferpreise von denen im Markt abweichen können.)

Das Fazit
Wer, wie derzeit in Berlin und Düsseldorf, die Möglichkeit hat, sich zwischen den Lieferdiensten der bekannten Supermarktketten zu entscheiden, der kommt an Rewe Online kaum vorbei. Bei der eigentlichen Lieferung ist der Unterschied zu den “Bringmeistern” marginal; aber was den Komfort bei der Bestellung, die Preise im Vergleich zum Einkauf im Markt und den Bezahlvorgang angeht, hat Rewe deutlich nachgearbeitet und liegt weit vor Tengelmann. Allerdings ist der Mindestbestellwert (40 Euro ohne Pfand) deutlich höher als bei den “Bringmeistern” (15 Euro).

Und wo bestellen Sie Ihre Lebensmittel Im Netz? Erfahrungsberichte bitte in die Kommentaren notieren, gerne auch zu kleineren Anbietern.

Foto: Supermarktblog; Screenshot: Rewe Online

Ist Aldi Schuld, dass die Tageszeitungen sterben?

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In der vergangenen Woche gab die frühere WAZ-Gruppe (inzwischen: Funke Mediengruppe) bekannt, bei ihren Zeitungen noch einmal 200 Stellen in Redaktion und Verwaltung zu streichen. In einem Brief an die Mitarbeiter nannte die Geschäftsführung mehrere Gründe für die Sparmaßnahmen. Einer davon lautete, wie von Newsroom.de zitiert:

“Unsere Anzeigenerlöse haben sich in den vergangenen fünf Jahren dramatisch verringert. Discounter werben immer weniger in der Gattung Tageszeitung, auch die Handelsbranche spart. Aldi prüft bereits in mehreren Regionen den Verzicht auf Printwerbung.”

Ist Aldi also Schuld daran, dass die Tageszeitungen ständig Mitarbeiter entlassen müssen? Nur indirekt.

Aldi investiert weniger in Zeitungsanzeigen

Richtig ist: Ganzseitige Anzeigen der Discounter bescherten den Verlagen lange Zeit komfortable Einnahmen. Seit 2010 versucht Aldi Süd, ohne Printanzeigen auszukommen; 2011 hat sich Aldi Nord dem Test angeschlossen. Dass speziell die Discounter weniger Geld für Werbung ausgeben, ist allerdings unwahrscheinlich. (2012 waren es laut Nielsen 676 Millionen Euro.) Der Handel investiere nur in andere Maßnahmen, die z.T. nicht von den klassischen Werbestatistiken erfasst werden, sind sich Fachmedien einig.

Lidl hat zuletzt vor allem im Radio geworben (siehe auch Supermarktblog) – und Konkurrenten wie Penny und Netto (ohne Hund) mitgezogen. “Horizont” zufolge stiegen die Ausgaben des Handels für Radiospots im Jahr 2011 um 31 Prozent.

Aldi hingegen setzt vor allem auf Handzettel, in denen Sonderangebote und Aktionsartikel beworben werden. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die direkt an die Haushalte verteilten Prospekten werden von viel mehr Leuten gesehen als die Zeitungsanzeigen. Vor fünf Jahren ließen sich mit Anzeigen noch 75,3 % der 30- bis 49-Jährigen Leser erreichen, und 59,6 % der 14- bis 29 Jährigen (Media-Analyse 2008 Pressemedien II). Vier Jahre später sind es noch 69,6 % (30-49 Jahre) und 50,3 % (14-29 Jahre; Media-Analyse 2012 Pressemedien II). Es gebe “zahlreiche Regionen, da erreicht man mit der Tageszeitung gerade einmal 30 Prozent der Haushalte”, zitierte die “Lebensmittelzeitung” im vergangenen Jahr einen Handelsmanager.

Für einen Discounter wie Aldi, der selbst wieder mehr junge Kunden gewinnen will, ist es also rational, sich andere Wege für seine Werbung zu suchen.

Den Tageszeitungen schadet das zweifellos. Aber die Werbereduktionen der Discounter sind, anders als große Verlagshäuser das darzustellen versuchen, nicht die Ursache der Zeitungskrise. Sondern die Wirkung.

Einen Vorteil hat der Strategieschwenk des Handels für die Zeitungen dann doch: Solche Schlagzeilen wird’s künftig nicht mehr geben. Vorausgesetzt natürlich, dass dann überhaupt noch jemand da ist, zum Schlagzeilentexten.

Foto: Supermarktblog

Platz da für den Alleskönner: Kaufland erobert die Innenstädte

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Nicht nur bei uns, sondern auch im europäischen Ausland tun sich viele SB-Warenhäuser [Erklärlink], also die richtig großen Supermärkte, derzeit schwer – weil die Kunden ihr Einkaufsverhalten ändern.

Eine Kette allerdings blieb von den Auswirkungen bisher weitgehend verschont: Kaufland.

Genau wie Lidl gehört Kaufland zur – websitelosen – Neckarsulmer Schwarz-Gruppe, die kurz davor steht, der Düsseldorfer Metro in der Liste der umsatzstärksten deutschen Lebensmittelhändler den dritten Platz streitig zu machen. In den aktuellen Top 30 der “Lebensmittelzeitung” (Pressemitteilung) liegen zwischen beiden gerade noch (geschätzte) 660 Millionen Euro – bei jeweils ungefähr 30 Milliarden Umsatz. (Ausschließlich auf die Lebensmittelsparten bezogen liegt Schwarz schon jetzt deutlich vor Metro.)

Kaufland ist daran nicht ganz unschuldig. In den vergangenen Jahren kamen pro Jahr mehrere neue Riesenmärkte hinzu, erst in letzter Zeit ist das Tempo der Neueröffnungen wieder zurückgegangen. Derzeit gibt es knapp 630 Kaufland-Häuser in Deutschland.

Mit 13,5 Milliarden Euro ist Kaufland deutlich größer als direkte Mitbewerber wie Real (9,5 Mrd.) und Globus (4,4 Mrd.). Aber Sie wollen sich ja nicht von Zahlen langweilen lassen, sondern wissen: warum? Was macht Kaufland anders als die anderen?

Um das rauszukriegen, machen wir einen Spaziergang ins Ruhrgebiet.

Gerade mal sieben S-Bahn-Minuten liegt der Essener Stadtteil Borbeck vom Hauptbahnhof entfernt. Und die Sehenswürdigkeiten würden vielleicht sogar für einen eigenen Text im “Überall ist es besser”-Reiseblog nebenan reichen. Aber wer nach 20 Uhr dort ankommt, wird nur noch von ein paar Jugendlichen mit pink gefärbten Haaren begrüßt, die auf ihrem Handy “Troublemaker” laufen lassen und laut dazu mitsingen.

Die Fußgängerzone direkt hinterm Bahnhof ist bereits abendbrotevakuiert. Im “Café Augenblick” zur Rechten wird gesaugt. Der Bestatter gegenüber hat offensichtlich einen ruhigen Abend erwischt. Die Läden sind alle zu. Wer hier noch Vergnügen sucht, muss sich für eine der beiden Spielhallen entscheiden, die sich zwischen den CDU-Ortsverein und den Optiker gequetscht haben. Oder ein paar Schritte weiter laufen. Am Platz mit dem zehngeschossigen Wohnblock, einer Art Steinplattenbalkon gewordener Ortsmitte, steht ein Neubau, in dem noch Licht brennt. Kaufland hat noch bis 22 Uhr geöffnet.

Kaufland-Markt in Essen-Borbeck

Als die größte Fläche in der Borbecker Fußgängerzone noch aus einem Geisterkaufhaus bestand, war das anders. Im Frühjahr 2009 meldete Hertie erst Insolvenz an und dann seine unrentablen Kaufhäuser aus den Innenstädten ab. In Borbeck zog zwar ein (bei Google Maps noch zu besichtigender) Drogeriemarkt als Zwischenmieter ein. Eine langfristige Lösung für den Betonbrocken war das aber nicht.

Bis Kaufland kam.

Gemeinsam mit der Stadtverwaltung plante der Konzern den Abriss des alten Gebäudes und einen komplett neuen Komplex an derselben Stelle. Im Dezember des vergangenen Jahres war Eröffnung. Die Sängervereinigung Borbeck 1890/94 trat auf und hatte sich zur Feier des Tages rote Pullis drucken lassen, auf denen stand: “Glück auf – Kaufland ist da”. Die Lokalzeitung lobte, der zweigeschossige Markt könne sich “mit einem guten Sortiment sehen lassen”. Parken ist für die Kunden seitdem kostenlos, mitten in der City.

Nur der viel kleinere, ziemlich verbaute Edeka-Laden schräg gegenüber hat nicht mitgefeiert. (Aber neuerdings immerhin bis 21 Uhr geöffnet.)

Kaufland-Markt in Essen-Borbeck

Genau das macht Kaufland anders.

Weit draußen in den Industriegebieten gibt es die Märkte zwar auch. Aber Neueröffnungen auf der “Grünen Wiese”, wie die Industrieareale an den Stadträndern sich euphemistisch selbst tauften, würden “fast nicht mehr realisiert”, verriet der Konzern der “Lebensmittelzeitung” im Januar. Auf Anfrage erklärt der Knzern:

“Wir möchten mit unseren neuen Kaufland Standorten dort hin, wo unsere Kunden leben. Eine gute und schnelle Erreichbarkeit, insbesondere auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ist für uns ein wesentlicher Standortfaktor.”

Um weiter zu wachsen, hat Kaufland in den vergangenen Jahren nicht nur Häuser übernommen, die Konkurrenten wie Real und Toom abgeben wollten. Sondern auch ehemalige Kaufhäuser.

Borbeck ist nicht der einzige ehemalige Hertie-Standort; in Dortmund-Aplerbeck und den Hamburger Stadtteilen Bramfeld und Langenhorn lief es genauso. Auch frühere Karstadt-Häuser sind zu Riesensupermärkten geworden. Für SB-Warenhaus-Betreiber ist das eine ungewöhnliche Strategie – und vermutlich auch nicht ganz günstig, weil viele Häuser aufwändig saniert (oder sogar neu gebaut) werden müssen. Aber es scheint zu funktionieren. Wenn die Kunden zum Einkaufen nicht mehr raus an den Stadtrand fahren kommen, kommt Kaufland eben zu ihnen.

Das erfordert eine gewisse Anpassungsfähigkeit, weil Flächen ab 5000 Quadratmetern, die SB-Warenhäuser gerne belegen, in Stadtzentren eher schwer zu kriegen sind.

Deshalb nimmt’s Kaufland auch eine Nummer kleiner. Verkaufsflächen ab 2000 Quadratmetern sind inzwischen ebenfalls in Ordnung, Hauptsache im Einzugsgebiet wohnen etwa 25.000 potenzielle Kunden.

Das geht, weil ein durchschnittlich großer Kaufland ganz gut als Kaufhausersatz funktioniert. Klamotten und Elektrogroßgeräte bestellen die meisten Kunden sowieso längst im Internet , Lebensmittel eher nicht. Die gibt’s bei Kaufland sowieso. Und den Kleinkram dazu: Haushaltswaren, Spielzeug, Schreibkram, Kleinelektro, im Sommer den Grill, im Winter den Christbaumständer.

Kaufland ersetzt mit seinem Konzept frühere Fußgängerzonenmagnete wie Karstadt und Hertie – aber ohne deren Fehler zu wiederholen. Dazu gehört es auch, so wie in Essen-Borbeck, noch einen Schritt weiter zu gehen.

Der an Apotheken und China-Restaurants schon nicht armen Fußgängerzone hat Kaufland dort eine weitere Apotheke und einen China-Imbiss geschenkt, die direkt in den eigenen Gebäudekomplex integriert sind. Dazu gibt es einen Bäcker, einen Kiosk mit Zeitschriften und Lotto-Abgabestelle, einen Postersatz und einen Automaten der örtlichen Bank. Wahrscheinlich müssen die übrigen Borbecker Hauptgeschäftszweige froh sein, dass ihnen nicht noch ein drittes Sonnenstudio und ein weiteres Casino dazu geklont wurde.

Kaufland funktioniert als geschlossenes System

Für die umliegenden Geschäfte ist der neue Anbieter also Fluch und Segen zugleich. Weil er einerseits dafür sorgt, wieder mehr Betrieb in die Stadt zu bringen. Aber zugleich alles daran setzt, die Kundschaft direkt aus dem Parkhaus zu sich in den Laden zu schleusen, vorbei an den untervermieteten Läden und wieder zurück zum Auto. Kaufland ist als in sich geschlossenes System angelegt. Wer einmal drin ist, braucht sonst nirgendwo mehr hin.

Mag sein, dass dadurch eine “Magnetwirkung” für Borbeck entsteht, wie es sich der Bezirksbürgermeister zur Eröffnung gewünscht hat. Aber von der profitieren nicht automatisch auch die übrigen Händler.

Es ist nachvollziehbar, dass die Lokalpolitik, egal in welcher Stadt, sich anstrengt, mit Kaufland die von den Pleitekaufhäusern hinterlassenen Lücken zu schließen. In ein paar Jahren allerdings könnten viele Innenstädte deshalb vor dem Problem stehen, dass in den Läden außenrum permanent neue “Zu vermieten”-Schilder aufgehängt werden. Die Innenstadteroberung von Kaufland ist genial und scheint zu funktionieren. Es weiß jetzt nur noch niemand so genau, auf wessen Kosten.

Mehr zum System Kaufland steht im nächsten Blogeintrag.

Der Text wurde am 28. März nachträglich mit einer Auskunft von Kaufland ergänzt.

Fotos: Supermarktblog


Kaufland verstehen – in nur 3 Minuten

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Rollband bei Kaufland

Sag mal, dieses Kaufland – das ist die Schwester vom Lidl, hab ich das richtig kapiert?

Für Menschen, die sich die Erklärung von Handelskonzernstrukturen mit Familienzugehörigkeitsvergleichen angenehmer gestalten wollen: jawohl. Kaufland gehört wie Lidl zur Schwarz-Gruppe, die 1930 nach der Fusion zweier Unternehmen als Großhandlung “Lidl & Schwarz KG” entstand.

Dass die mit ihren Riesenläden inzwischen auch in der Stadt aufmachen, hab ich schon gelesen – aber Kauflands gibt’s doch trotzdem total oft draußen auf dem Land!

Schön, dass Sie so viel rumkommen. Und: Das eine widerspricht ja nicht dem anderen. Wo Platz ist, lässt sich so ein Riesenladen, wie Sie sagen, natürlich oft am einfachsten hinbauen. Dabei handelt es sich beim Konzept der Lidl-Schwes… – äh: von Kaufland eigentlich gar nicht um ein klassisches SB-Warenhaus [Erklärlink], wie Sie als regelmäßiger Blogleser es eventuell angenommen haben. Sondern eher um eine Art Zwitter aus SB-Warenhaus und Discounter. In manchen Märkten gibt es bis zu 60.0000 verschiedene Produkte (wie in SB-Warenhäusern) – aber die meisten zu Niedrigpreisen (wie im Discounter).

Ein SB-Warounter, sozusagen.

Einigen wir uns auf “Großflächendiscounter”. Bitte.

Kaufland in Berlin

Das sind aber ja nicht alles Eigenmarken, die’s da zu kaufen gibt.

Stimmt. Die Eigenmarke K-Classic, die erst seit 2003 existiert, ist derzeit auf etwa 1500 Artikel gedruckt, dazu kommen unter anderem die K-Bio-Produkte (seit 2009). Und sonst stehen da viele klassische Marken im Regal. Auf deren Hersteller übt Kaufland übrigens einen enormen Druck aus. Einerseits verlangt der Konzern so genannte “Werbekostenzuschüsse” dafür, dass die Produkte in seinem “Tip”-Prospekt beworben werden oder einen guten Platz im Regal kriegen. Andererseits lässt Kaufland selbst kaum Preiserhöhungen der Hersteller zu. Wer sich mit dem Konzern deswegen nicht einig wird, kann schon mal aus dem Sortiment fliegen. Krombacher ist so eine “Auslistung” im vergangenen Jahr passiert. Die Mitarbeiterin an der Information im Markt sagt:

“Krombacher führen wir nicht, weil wir die hohen Preise nicht an die Kunden weitergeben wollen.”

Aus Neckarsulm heißt es, die Krombacher Brauerei habe “die Konditionen zu Lasten [von] Kaufland verändert”. Krombacher hingegen sagt, Kaufland mit seinen überzogenen Forderungen sei Schuld. Und versuchen Sie mal, Barilla-Nudeln bei Kaufland zu kriegen. Nicht gefunden? Ach. Kaufland erklärt:

“Uns als Händler bietet sich ein riesiges Angebot an Produkten, diesem steht jedoch nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit unserer Filialen gegenüber. Aus diesem Grund müssen wir eine Auswahl treffen.”

Das ist doch wunderbar für die Kunden, die dann ja immer möglichst wenig bezahlen müssen!

Einerseits. Und andererseits wissen Sie ja inzwischen, was im Handel passiert, wenn’s bei der Produktion von Lebensmitteln ums Kostendrücken geht: Plötzlich ist wieder Pferd in der Lasagne drin – und Sie schreien als erstes rum!

Ich will doch beim Einkaufen bloß ein bisschen Auswahl haben und nicht abgezockt werden!

Das versucht Kaufland auch zu bieten, und zwar mit einer vergleichweise hohen Flexibilität, wenn’s darum geht, die Sortimente anzupassen. In einigen Berliner Filialen stehen zum Beispiel Lebensmittel im Regal, die vielleicht nicht zum Standardrepertoire der deutsche Durchschnittshausfrau gehören, dafür aber zu dem des türkischen Supermarkts an der Ecke. Kaufland sieht sich sehr genau an, wer im Umkreis seiner Läden wohnt – und stellt sich drauf ein.

Ach, komm mir doch nicht ständig mit Berlin. Wie läuft das denn mit Kaufland im richtigen Deutschland?

Sehr unterschiedlich. Die meisten Märkte gibt es in Baden-Württemberg und Bayern, also vor der Haustür des Mutterkon… – also: der Schwarz-Gruppe. Im Rhein-Main-Gebiet und in NRW muss Kaufland noch aufholen. Und im Norden Deutschlands wird schon seit Jahren versucht, Grundstücke für neue Märkte zu erwerben. Dagegen wehrt sich die Konkurrenz natürlich. Es kriegt ja kein vernünftiger Supermarkt gerne so einen Großflächendisocunter in den Garten gesetzt. In ganz Schleswig-Holstein gibt es bisher gerade einmal einen Markt. Das wird sich aber schon deswegen ändern, weil Kaufland in Barsinghausen (bei Hannover) ein riesiges Lager gebaut hat, das sich erst rentiert, wenn es voll ausgelastet ist und viel mehr Filialen beliefern kann.

Verstehe. Aber hast du nicht was vergessen? Hier, wie heißt der gleich, dieser – Osten!

Bei Kaufland heißt der eher: Paradies. Die neuen Bundesländer sind nämlich das Rückgrat für den Erfolg von Kaufland. Kein Konkurrent hat im Osten einen so hohen Marktanteil. Der West-Ost-Markenstudie zufolge, die von MDR Werbung und dem Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung erstellt wird, sagen 33,1 Prozent der Ostdeutschen, dass sie am liebsten zu Kaufland gehen. Im Westen sind es gerade mal 12,8 Prozent! Dafür muss Aldi sich im Osten mit gerade mal 19 Prozent Käuferpräferenz zufrieden geben (im Westen 39,2 Prozent).

Und woher kommt das bitte?

Nach der Wende hat Kaufland massiv in Eröffnungen investiert – und dank “Sonderabschreibungen”, die von der Regierung quasi als Fördermaßnahme gewährt wurden, ziemlich viel Geld sparen können.

Das heißt, Kaufland hat damals indirekt auf Steuerzahlerkosten den Osten erobert? Geht’s noch?

Ja, es geht noch: In den kommenden Jahren sollen 130 neue Märkte eröffnen, natürlich nicht nur im Osten.

Ts! Typisch Discounter, denkt immer nur an sich.

Anders als Aldi zum Beispiel weiß Kaufland das aber besser zu verstecken und war nicht so doof, ein Konzept aus dem vorigen Jahrhundert bis in alle Ewigkeit mitzuschleppen. Kaufland ist anpassungsfähiger. Der Konzern hat sich beispielsweise mit der Tierschutzorganisaton Vier Pfoten verbündet, um Hähnchen mit dem Label “Tierschutz-kontrolliert” zu verkaufen, die nach besseren Standards gehalten und geschlachtet werden als das von der EU vorgegeben ist. Und der Verkauf von Hummer ist nach Protesten inzwischen beendet. Das ist natürlich prima. Vor allem aber ist es eine prima Werbung, der Großflächendiscounter zu sein, der sich ums Tierwohl sorgt.

Auf Anfrage verrät Kaufland, dass es in den Fischabteilungen künftig auch keine lebenden Tiere mehr geben wird:

“Wir haben lediglich in neun Filialen Fisch in Lebendhälterung. Wir haben uns entschieden, diese in den nächsten Jahren sukzessive einzustellen. Bereits in diesem Jahr werden wir dies in den ersten drei Märkten umsetzen.”

Bei Kaufland haben die Einkaufswagen Nummern

Die Kassiererinnen sind auch immer so überfreundlich beim Bezahlen, wollen aber immer noch die Nummer vom Einkaufswagen wissen.

Nee, die wollen das eigentlich gar nicht. Die Nummern an den Einkaufswagen stehen ganz unten, an den Rollen. Das heißt, die Mitarbeiter müssen kurz aufstehen und sich über die Kasse beugen, um sie zu erkennen. Dabei sehen sie automatisch, ob der Kunde Waren auf der unteren Wagenschiene platziert hat, die sonst vielleicht übersehen würden.

Moment mal, dann ist die Erkundigung sozusagen der elegante Weg, um zu kontrollieren, ob ich tatsächlich alles bezahle?

Für Menschen, die sich Maßnahmen der Supermarktbetreiber gegen die unauffällige Warenentwendung nicht schönreden wollen: jawohl.

Der Text wurde am Erscheinungstag nachträglich mit Stellungnahmen von Kaufland ergänzt.

Fotos: Supermarktblog

Discounter gegen Supermärkte – Das wahre Duell

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Discounter vs. Supermärkte

Haben Sie auch schon in der ZDF-Mediathek “Aldi gegen Lidl – Das Duell” gesehen (Dienstag, 20.15 Uhr)? Dann sind Sie hier goldrichtig. Das im ZDF ist nämlich bloß das Vorprogramm. Und eine 3D-Grafik-aufgemotzte Kopie der ebenso infantilen “Markenchecks”. Der Hauptkampf folgt jetzt: Discounter gegen Supermärkte! Es wird auch keine einzige deutsche Durchschnittsfamilie damit gequält, bis kurz vor der Bewusstlosigkeit irgendwelche Testeinkäufe erledigen zu müssen. Versprochen!

Und hier sind sie: Die Gegner

In der linken Ecke des Kuchendiagramms: die Discounter! Dazu gehören natürlich Schwergewichte wie Aldi und Lidl, aber auch Aufholer wie Netto (ohne Hund), Herausforderer Penny sowie kleinere Wettbewerber wie Norma. Über 40 Prozent des Umsatzes im deutschen Lebensmittelhandel gehen auf ihr gemeinsames Konto. In der rechten Ecke: die Supermärkte! Edeka, Rewe, Kaiser’s Tengelmann und andere kommen mit ihren Läden zwar gemeinsam nur auf 25 Prozent Marktanteil. (Der Rest wird von SB-Warenhäusern und Drogerien belegt.)

Aber Sie können sicher sein: Es wird trotzdem ein spannender Kampf.

Marktanteile der Ladentypen 2012

Erste Runde: Der Discount-Erfolg

Als die Albrecht-Brüder das vom Vater übernommene Handelsunternehmen Anfang der 60er Jahre zu einem Konzept umbauten, das auf sämtliche Annehmlichkeiten beim Einkauf verzichtete, dafür aber Lebensmittel zu konkurrenzlos günstigen Preisen anbot, war das der Startschuss für eine allgemein bekannte Erfolgsgeschichte. Die Deutschen wurden Discount-Fans. Und die großen Supermarktketten gründeten mit einiger Verspätung eigene Billigableger, um dagegen zu halten: Rewe erfand Penny, Kaiser’s Tengelmann eröffnete Plus, Spätzünder Edeka übernahm mit dem Wettbewerber Spar auch dessen Discount-Konzept Netto (ohne Hund).

Zweite Runde: Supermärkte landen Überraschungstreffer

Nach einem nur wenige Jahrzehnte dauernden Nickerchen mussten die Supermärkte im neuen Jahrtausend mit Erschrecken feststellen: sie haben voll verpennt. Die Discounter hatten sich da längst überall breit gemacht. Und es war höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Anstatt sich weiter anzupassen, entschieden die Supermärkte, eine möglichst große Distanz zu den Konkurrenten aufzubauen.

Edeka verpasste sich 2005 mit seiner Werbekampagne “Wir lieben Lebensmittel” ein frisches Image (siehe auch Supermarktblog). 2008 schaffte Rewe seine Supermarktkonzepte HL Markt und Minimal ab, verordnete sich ein modernes Ladendesign und schraubte an sämtliche Filialen das leuchtend rote Rewe-Logo. Die Supermärkte füllten ihre Regale mit immer neuen Eigenmarken. Sie warben um Vertrauen. Bauten schönere Läden mit großen Frischetheken. Erfanden Bonusprogramme. Und wurden dafür geliebt.

Wolfgang Adlwarth von der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sagt:

“Ausgerechnet 2009, dem Jahr der Krise, in dem alle gedacht haben, dass sich die Anteile noch einmal zu Gunsten der Discounter verschieben, ist es zu einer Renaissance der Supermärkte gekommen.”

Seitdem legten die Supermärkte, vor allem durch die Initiativen von Edeka und Rewe, weiter zu. Die Discounter mussten zurückstecken.

Wie konnte das passieren?

Adlwarth sagt, es liege zum einen daran, dass die Krise die deutschen Haushalte bisher nicht so hart getroffen habe: “Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung sind bei den deutschen Verbrauchern derzeit sehr positiv ausgeprägt. Die Leute registrieren die Krise in den Nachrichten, aber die wenigsten erleben sie selbst.” (Der Rechnung der Bundesregierung zufolge war die Erwerbstätigkeit im vergangenen Dezember auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.)

Die Marktforscher haben aber auch eine Entwicklung in der “Preisorientierung” festgestellt. Bis 2005 sei diese kontinuierlich gestiegen. Das heißt, die von der GfK befragten Verbraucher antworteten auf die Frage nach dem für sie wichtigsten Einkaufskriterium mehrheitlich, vor allem der Preis sei entscheidend. Nach 2005 war die meistgenannte die Antwort plötzlich: Qualität. Adlwarth sagt:

“Unsere Gesellschaft stellt immer höhere Anforderungen an den Einzelnen. Wir sollen mobil und flexibel sein und inszenieren uns für unsere Umwelt, um dem gerecht zu werden, legen aber im heimischen Umfeld umso mehr Wert auf Authentizität und Heimatverbundenheit.”

Also: auf Bio-Produkte, fair gehandelte Lebensmittel, auf Regionales. Das haben Edeka und Rewe ziemlich früh kapiert und sich angepasst.

Dritte Runde: Discounter schlagen zurück

Den Discountern ist das nicht entgangen. Sie wehren sich jetzt dagegen – mit denselben Mitteln. Sie bauen ihre Läden um und verkaufen mehr Markenprodukte (wie Aldi), bieten eigene Bio-Sortimente an und nehmen sogar Delikatess-Artikel ins Sortiment auf. Lidl stellt sich dabei bekanntlich noch etwas tollpatschig an, wirbt aber zu Feiertagen in Handzetteln, auf Plakaten und sogar im Fernsehen massiv für seine “Deluxe”-Produkte. Vor einigen Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen. (Nicht nur das Sortiment, auch die teure Fernsehwerbung.)

Die GfK hat errechnet, dass “Aldi Gourmet” und “Lidl Deluxe” im Weihnachtsgeschäft 2012 “beinahe jeden fünften Haushalt” in Deutschland erreichten.

Lidl-Werbung für die "Deluxe"-Eigenmarke zu Ostern 2013

“Die Änderungen bei den Discountern sind deren Reaktion auf die Marktentwicklung der vergangenen Jahre”, erklärt Adlwarth. Und den Kunden scheint das zu gefallen. “Seit 2009 gab es Jahr für Jahr Marktanteilsverluste für die Discounter, aber wir sehen ab der zweiten Jahreshälfte 2012 eine Umkehr. Die Discounter, allen voran Aldi, liegen mit ihrem Zuwachs wieder oberhalb des Marktdurchschnitts” – und zwar mit einem Gesamtwachstum von 2,4 Prozent.

Für die ersten beiden Monate des laufenden Jahres hat die GfK gerade sogar ein Plus von 5 Prozent errechnet und schreibt in ihrer aktuellen Marktanalyse:

“Zur neuen Stärke der Discounter trägt vor allem Aldi bei.”

Das war auch dringend notwendig, vor allem, um wieder mehr junge Kunden zu erreichen. Denn die Kundschaft von Aldi werde “tendenziell älter, jüngere sind weniger stark vertreten”, erklärt Konsumforscher Adlwarth. Das liege unter anderem daran, dass die mittleren Altersgruppen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, den Discountern treu bleiben, an die sie sich in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt haben. Junge Singles und kinderlose Paare allerdings haben heute oftmals höhere Einkaufsansprüche:

“Die Zielgruppe, die sich stark am Preis orientiert, macht die Preisgünstigkeit eines Anbieters nicht mehr am Ambiente fest, sondern erwartet trotz günstiger Preise eine angenehme Einkaufsatmosphäre oder Bio-Produkte.”

Und wer gewinnt jetzt?

Keine Ahnung, wir sind hier ja nicht im ZDF. Es zeichnen sich aber ein paar ganz spannende Nebenwirkungen des Wettkampfs ab.

Die erste ist, dass der Discount zunehmend verweichlicht – weil sich zum Beispiel Aldi Nord durch die Modernisierung seiner Läden und die neuen Produkte im Sortiment vom klassischen “Hard Discount”-Konzept entfernt. Dessen oberstes Prinzip ist Einfachheit. Das größere Potenzial liegt aber augenscheinlich in der Öffnung gegenüber den Kunden, die vorm Einkaufen lieber keine Antidepressiva nehmen wollen, um sowas zu ertragen:

Alte Aldi-Nord-Filiale

Dass der Hard Discount ausstirbt, glaubt Adlwarth aber nicht:

“Soweit würde ich nicht gehen. Es gibt immer Anbieter, die in die entstandenen Lücken drängen und sich entsprechend positionieren.”

Große Ramscherfahrung hat natürlich Netto (mit Hund). Und dann gibt’s ja auch noch Norma, das sich nicht nur in Bezug auf die Fliesenauswahl vielerorts hervorragend als Ersatz für Hard-Discount-Fans eignet.

Wenn die Discounter insgesamt wieder zulegen, wird irgendwer verlieren. Das müssen nicht automatisch die Supermärkte sein. Wenn zwei sich streiten, schrumpft vielleicht der Dritte, erklärt Adlwarth: “Unter die Räder kommen könnten die Großflächenanbieter auf der grünen Wiese.” Es ist also kein Zufall, dass etwa Kaufland dorthin drängelt, wo die Kunden leben. Nämlich nicht in Industriegebieten und an Autobahnausfahrten.

Wem diese Entwicklung noch zum Verhängnis werden könnte klären wir beim nächsten Mal. Lassen Sie sich bitte bis dahin nicht von irgendwelchen ZDF-Redakteuren zu Discountproduktverkostungen zwingen.

Illustration und Fotos: Supermarktblog

Aldi und die Effizienzlücken im System

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In dieser Woche feiert Aldi seinen 100. Geburtstag und war wohl deshalb so milde gestimmt, drei “Stern”-Journalisten ein Produktlager besichtigen zu lassen, damit die feststellen konnten: “Gewiss beeindruckend, aber am Ende ist eine große Halle eben auch nur eine große Halle.” Das hinderte die Autoren nicht daran, sich trotzdem mit einem achteinhalbseitigen Glückwunschtext im Heft zu bedanken, der sehr ausführlich den Gründungsmythos des Discounts zelebriert. Oder wie Chefredakteur und Autor im Online-Video zum Heft sagen: das “Phänomen”, das “sensationell erfolgreiche Unternehmen”, das “Imperium” der “legendären” Albrecht-Brüder. (Schöner hätte es Aldi auch nicht hingekriegt.)

In vielen Texten zum Jubiläum steht jetzt wieder – so wie im “Stern” –, dass Aldi seinen Erfolg vor allem seinem simplen Konzept zu verdanken hat:

“überschaubares Angebot, niedrige Preise und natürlich: Sparsamkeit, Sparsamkeit, Sparsamkeit”.

Andreas Straub: "Aldi - Einfach billig"

Abgesehen davon, dass sich dieses Konzept gerade in vielerlei Hinsicht ändert (siehe Supermarktblog), hat dieses effiziente System offensichtlich ziemliche Lücken. Die hat Andreas Straub in seinem Buch “Aldi – Einfach billig” angedeutet, das bereits im vergangenen Jahr erschien.

Straub hat ab 2007 für Aldi Süd gearbeitet, unter anderem als Filial- und Bereichsleiter, und nach seinem unsanften Rausschmiss nicht nur aufgeschrieben, wie ruppig der Discounter mit seinen Mitarbeitern umgeht, wenn er sie loswerden will. Sondern auch, dass die Perfektion, die Aldi gerne zugeschrieben wird, in vielerlei Hinsicht Illusion ist und voller Widersprüche steckt.

Einerseits achtet Aldi sehr genau darauf, die Kosten fürs Personal möglichst niedrig zu halten – andererseits wird das Geld, so schildert Straub es, geradezu aus dem Fenster geworfen: Handwerkeraufträge werden vergeben, ohne Vergleichsangebote einzuholen; vor Filialkontrollen durch das obere Management werden Parkplätze teuer umgestaltet und bepflanzt, damit alles tiptop aussieht; und wenn es was zu feiern gibt, dann schon mal im Luxushotel.

Wie passt das zum – von den Medien so gern gepflegten – Aldi-Image, der Discounter glänze vor allem durch seine strikte Kostenkontrolle? Straub sagt:

“Die Personalkosten stehen extrem im Fokus und werden zwischen den Regionalgesellschaften ständig verglichen. In vielen anderen Bereichen haben sich die Dinge ein bisschen verselbstständigt – so wie in jedem großen anderen Konzern auch. Der Mythos, Aldi sei so extrem sparsam, entspricht nicht der Realität, wie ich sie in meiner Zeit erlebt habe. Vielleicht war das anfangs so, heute profitiert Aldi in erster Linie von den hohen Mengen und entsprechenden Einkaufsvorteilen.”

In seinem Buch erinnert sich Straub auch, wie ein Filialleiter ihm das Aldi-Prinzip zu Beginn seiner Zeit im Unternehmen auf einen einfachen Nenner brachte: “Ware hinten reinstellen, vorne rauskassieren.”

Damit das funktioniert, glaubt Aldi, müsse es strikte Regeln und genaue Anweisungen für die Mitarbeiter geben, die sich in ihrer Pingeligkeit und Selbstverständlichkeit lesen als könnten sie nicht ganz ernst gemeint sein. Zumindest nicht für Leute, die automatisch ihr Gehirn mit zur Arbeit bringen. Straub lässt aber keine Zweifel daran: Aldi meint es sehr ernst mit den Regeln. Und kontrolliert deren Einhaltung.

“Immer wenn im Arbeitsalltag etwas Unerwartetes passiert, denken viele Mitarbeiter gleich: Das ist ein Test. Jetzt bloß nichts falsch machen, das könnte mich den Job kosten. Auf diese Art und Weise wird Druck ausgeübt, der dazu führt, dass sich die Leute linienkonform verhalten.”

Wer sich dem nicht füge, lande auf der Abschussliste, erklärt Straub.

“Es gibt gewisse Regelmäßigkeiten: Wer zu teuer ist, fliegt raus. Wer sich beschwert, fliegt raus. Wer längere Zeit krank ist, fliegt auch raus. Es geht um ökonomische Vorteile. Aber manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass willkürlich entschieden wird. Dann musste irgendjemand gehen. Das wurde überall reichlich ausgeschmückt erzählt und dann herrschte wieder Disziplin. So wusste man: Der jeweilige Boss greift durch, es kann jeden jederzeit treffen.”

Viele ehemalige Mitarbeiter, die sich nach dem Erscheinen seines Buchs bei ihm gemeldet hätten, wüssten immer noch nicht genau, warum sie gehen mussten. “Oft werden keine Gründe genannt, es wird einfach vollstreckt.”

Die Logik des Aldi-Systems ist überhaupt nicht so einfach, wie es immer dargestellt wird, sondern für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Weil sie so inkonsequent zu sein scheint.

Einerseits bezahlt Aldi seine Angestellten über Tarif. (Nicht aus Freundlichkeit, sondern damit die Mitarbeiter wissen, dass sie anderswo in der Branche nicht mehr soviel verdienen werden, glaubt Straub.) Andererseits müssen leitende Mitarbeiter irgendwann gehen, weil sie eine gewisse Gehaltsstufe erreicht haben und Aldi zu teuer werden.

Die Suche nach Gründen, welche einen Rauswurf rechtfertigen könnten (der immer versucht wird, zu Gunsten des Konzerns in einen Aufhebungsvertrag umzulenken) scheint bei Aldi lange Zeit mehr Kreativität freigesetzt zu haben als die Überarbeitung des Ladenkonzepts – so liest es sich zumindest in “Einfach billig”. Der ständige Personalaustausch muss eine Menge Zeit (und Effizienz) kosten, zumal offensichtlich auch Leute gehen müssen, die ihren Job eigentlich ganz gut beherrschen und damit zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Neue Mitarbeiter müssen das erst einmal lernen. Straub erklärt sich die Strategie so:

“Natürlich muss ein neuer Filialleiter erst wieder eingearbeitet werden, aber in den ersten fünf bis zehn Jahren bezieht ein junger Mitarbeiter deutlich weniger Gehalt und engagiert sich mehr.”

Dabei ließe sich ein solches Engagement freilich auch anders befördern: indem die Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden, mit ihrer Arbeit anerkannt, und den Filialleiter, wie Straub es selbst erlebt hat, von sich aus auf Fehler oder Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen.

Darauf, dass Zufriedenheit ein viel größerer Motivator für einen reibungslosen Arbeitsablauf sein kann als Angst, scheint bei Aldi nur noch keiner gekommen zu sein.

Drei Jahre war Andreas Straub bei Aldi, und er ist der erste, der seine Erfahrungen im Konzern in diesem Umfang öffentlich gemacht hat. “Für viele ist die Art und Weise, den Job zu verlieren, erniedrigend. Sie haben Angst vor Repressalien und ich glaube, die meisten wollen nicht zurückschauen, sondern die Sache abhaken, um sich einer neuen Aufgabe zu widmen”, sagt er auf die Frage, warum da vorher noch keiner drauf gekommen ist – und ob Aldi nicht damit gerechnet haben muss, dass das mal passiert.

Straub hat es sich zur Aufgabe gemacht, weiter über die Arbeitsbedingungen in der Handelsbranche zu berichten. Er bloggt. Und hat gerade sein neues E-Book “Die Billig-Macher” veröffentlicht, in dem es nicht nur um die Methoden Aldis, sondern auch die der Konkurrenz geht. (“Zum Discountpreis von nur 1,99 Euro”, scherzt er.)

Das eigentlich Kuriose an all dem ist aber: dass Aldi, wenn dort nicht soviel Energie und Zeit in gegenseitige Denunziationen, fantasievolle Abmahnungen und grundlos erzwungene Personalwechsel fließen würde, noch viel effektiver sein könnte als jetzt.

Und damit auch: noch viel profitabler. Wie gruselig.

Foto: Rowohlt

Der neue “Stern” ist da!

Rewe in Experimentierlaune: Bistro-Test in Köln, Temma eröffnet neue Läden

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Mit seinen Läden für Sofortesser, den Rewe-to-Go-Testfilialen, hat Deutschlands zweitgrößte Supermarktkette bisher kein so glückliches Händchen gehabt: die Läden sind eher eine Mischung aus zapfsäulenloser Innenstadttankstelle und teurem Stadtsupermarkt, sehr enttäuschend. Jetzt wagt sich Rewe ans nächste Experiment: Bistros, die an die eigenen Supermärkte angeschlossen werden.

Die “Lebensmittelzeitung” meldete in der vergangenen Woche, Rewe werde Restaurantbetreiber – das ist aber nur zur Hälfte richtig. Auf Anfrage des Supermarktblogs konkretisiert ein Sprecher, das Projekt mit dem Titel “Made by Rewe” sei “keine Stand-alone-Lösung, kein Markt, keine Filiale, kein (Schnell-) Restaurant”. Vielmehr gehe es darum, geeignete Rewe-Märkte um einen Bereich zu ergänzen, “in dem es frisch zubereitete, zum Teil tageszeitlich variierende, gesunde, verzehrfertige Speisen gibt – zum Mitnehmen oder für den Vor-Ort-Verzehr”.

Sozusagen Rewe to Sit and Go. Oder eben etwas altmodischer: ein Bistro. Bei Rewe heißt es konkret:

“‘Made by Rewe’ ist ein ganztägiges, systemisches Gastro-Konzept auf wenigen Quadratmetern, das grundsätzlich als integrativer Bestandteil eines unserer Rewe-Märkte gedacht ist.”

Rewe-Supermarkt

Angebot und Gestaltung sollen “italienisch angehaucht” sein. Es gibt Pizza, Pasta, Suppen, Salate, frisch zubereitete Sandwiches, Wraps und auch ein Gläschen Wein. Das ist kein Zufall, immerhin hat Rewe für seinen Test Mark Korzilius als Geschäftsführer verpflichtet, der die Schnellnudelkette Vapiano erfunden hat.

Um Rewe namenstechnisch noch etwas mehr Fantasie abzuringen, ist es schon zu spät: Das (oder der?) erste “Made by Rewe” eröffnet, wie sollte es anders sein, am Stammsitz des Konzerns in Köln. Und zwar schon im Juni, direkt neben einem gerade aufgemachten Rewe-Supermarkt am Waidmarkt in der Innenstadt. Ein Rewe-Sprecher erklärt:

“Der Test-Standort ist dahingehend ein Sonderfall, da die rund 200 qm große Bistro-Fläche nicht nur vom Supermarkt aus zugänglich ist, sondern auch von der Straße. Die Öffnungszeiten sind entsprechend des Supermarktes von 7 bis 24 Uhr.”

Anders formuliert: Wenn “Made by Rewe” tatsächlich funktioniert, würden neue Bistros nicht zwangsläufig auf separaten Flächen öffnen, sondern höchstwahrscheinlich direkt in (bereits bestehenden) Supermärkten. Das dürfte allerdings einige Umbauherausforderungen mit sich bringen, falls nicht nur neue Filialen bistroisiert werden sollen.

Eigenständige Snackcafés unter dem Rewe-Logo wären wohl noch risikoreicher. In London testete Sainsbury’s vor zwei Jahren “Sainsbury’s Fresh Kitchen”. (Mike Dawson vom German Retail Blog hat sich’s damals genauer angesehen.) Inzwischen ist die Supermarktküche wieder geschlossen. Und der französische Carrefour-Konzern tut sich mit seinen “Carrefour City Cafés” eher schwer.

In Deutschland gibt es bisher nur wenige vergleichbare Angebote. Einige selbstständige Edeka-Händler sind mit Bistros erfolgreich, aber die sind ganz konkret für die jeweiligen Märkte konzipiert. In seinem Future Store in Tönisvorst testete Real eine zeitlang ein integriertes Bistro – aber die wenigsten Kunden hatten Lust, sich beim Einkaufen unterbrechen zu lassen und für ein Tässchen Kaffee zwischen die Regale zu setzen.

Völlig unbedarft stolpert Rewe aber nicht in den Test – schließlich gibt es da ja noch die eigene Bioladenkette Temma, die im Supermarktblog bereits ausführlich vorgestellt wurde, und zu deren Filialen integrierte Deli-Cafés gehören.

Déli-Café bei Temma in Köln

Die sehen aus wie eine Mischung aus Bäcker und Snackecke, und es lässt sich darin tatsächlich ganz angenehm sitzen. Es gibt Suppen, vegetarische Polenta, Lasagne, Salate und Quiches; Kaffee und Kuchen; Frühstück, Toasts und “Klappbrote”.

Christiane Speck, Leiterin der Rewe-Abteilung Strategie/Projekte, hat sich das ausgedacht – und ist jetzt folgerichtig zweite Geschäftsführerin von “Made by Rewe”.

Damit hat sich Temma aber längst nicht erledigt. Bisher gibt es zwar nur drei Märkte, zwei in Köln, einen in Düsseldorf. Im Supermarktblog sagte Speck vor anderthalb Jahren aber schon: “In Großstädten mit hoher Kaufkraft wäre für Temma glaube ich Platz.” Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt wagt sich Rewe mit seinem Biokonzept aus der Deckung.

Temma in Köln

Gut, Bad Homburg ist mit 53.000 Einwohnern jetzt nicht unbedingt das, was man unter einer Großstadt verstehen würde – aber dort eröffnet im Juni der vierte Temma-Laden, für den gerade Mitarbeiter gesucht werden. Ausgesucht hat sich Rewe den Standort, weil dort die Kaufkraft für sein Biokonzept, das nicht gerade für Schnäppcheneinkäufer gemacht ist, entsprechend hoch ist (Eigenwerbung der Stadt: “Champagnerluft und Tradition”). Weitere Standorte folgen, bestätigt Rewe auf Supermarktblog-Anfrage:

“Wir experimentieren mit Temma in Nordrhein-Westfalen, im Großraum Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet.”

Berlin ist nicht dabei. Vermutlich, weil die Biokonkurrenz dort schon recht groß ist, im Unterschied zu Hamburg aber die Kaufkraft geringer. (Wobei sich das natürlich relativiert, wenn man sich die passenden Bezirke raussucht.)

Dass Rewe der experimentierlaunigste unter den deutschen Supermarktriesen ist, hat der Kölner Konzern schon bewiesen. Jetzt muss sich zeigen, ob die Kunden das auch belohnen.

Fotos: Supermarktblog, Rewe

Verschleckert sich Netto (ohne Hund) mit seiner Drogerie-Strategie?

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ver | schle | ckern, sich: zu viele Drogerieartikel auf zu engem Raum anbieten

* * *

Im März hat Netto (ohne Hund) [Erklärlink] den Drogerieabteilungen in seinen Läden ein neues Design verpasst und wirbt jetzt damit, mehr als 1000 Artikel anzubieten – das sind so viele wie Aldi Nord bisher insgesamt im Laden stehen hatte. Verschleckert sich Netto (ohne Hund) etwa mit seiner Drogerie-Strategie? Suchen Sie sich eine Antwort raus!

Neue Drogerie-Abteilung in einem Netto-(ohne Hund)-Markt

Antwort 1: Ja, ganz bestimmt!

Der plötzliche Sortimentsschub verschärft ein Problem, dass Netto (ohne Hund) schon vorher hatte. Mit über 3000 unterschiedlichen Produkten im Sortiment bietet die Nummer drei im deutschen Discount-Markt viel mehr Artikel an als die beiden Marktführer Aldi und Lidl, die auf 1000 bis 1600 Produkte kommen. Das bedeutet einen enormen Aufwand. Ständig muss nachbestellt oder nachgeräumt werden, wenn die Kunden einen Artikel weggekauft haben. Und damit jetzt auch noch die vielen neuen Duschgels, Badesalze, Haargels und Naturkosmetiksachen ins Regal passen, müssen sie aus den Lieferkartons rausgenommen werden. Das kostet die Mitarbeiter mehr Zeit als ein einfacher Kartontausch. Mehr Zeit kostet wiederum mehr Geld. Und gegen unnötiges Geldausgeben sind Discounter von Natur aus hochallergisch.

Als Netto (ohne Hund) vor vier Jahren Plus übernahm, mussten zahlreiche kleine Innenstadtläden auf das neue Konzept umgestellt werden, obwohl sie von vornherein viel zu klein dafür waren. In viele Filialen geht das alles gar nicht rein, was Netto (ohne Hund) drinhaben will.

Der Edeka-Disocunt schafft sich sein eigenes Schlecker-Problem – und hat Ende des vergangenen Jahres auch noch einen früheren Schlecker-Manager zu sich geholt. Die neuen bunten Hinweisschilder an den Regalen (Foto oben) sehen jetzt auch noch aus als seien sie günstig aus dem Nachlass der Pleite-Kette erworben worden. Das kann ja nix werden!

Discounter sind einfach keine Drogerien. Die Kunden haben sich viel zu sehr daran gewöhnt, zu Spezialisten wie dm und Rossmann zu gehen. Daran werden auch ein paar zusätzlich ins Regal gestopfte Rasiergels bei Netto (ohne Hund) nichts ändern.

Werbung für das neue Drogeriesortiment bei Netto (ohne Hund)

Antwort 2: Nein, im Gegenteil!

Quatsch. Mit seiner neuen Drogerie-Strategie macht Netto (ohne Hund) alles richtig. Dass die Edeka-Tochter damit ins Schwarze trifft, hat sich ja gerade gezeigt, als Lidl in seinem Wochenprospekt panisch die Preise für Drogerieprodukte senkte, um sich gegen die Initiative des Konkurrenten zur Wehr zu setzen.

Die neue Drogerie-Abteilung verschafft Netto (ohne Hund) einen ziemlich klaren Vorteil gegenüber Aldi und Lidl und liefert den Kunden ein weiteres Argument, ihre Einkäufe nicht einfach woanders zu erledigen, wenn sie gleichzeitig günstig einkaufen wollen, aber trotzdem gerne etwas mehr Auswahl hätten. Sicher, die Artikel einzeln ins Regal zu packen, macht erstmal mehr Arbeit – es sieht aber auch viel aufgeräumter aus. Genau darauf legen viele Kunden inzwischen großen Wert, wie ja selbst Aldi mit seinen Marktrenovierungen eingestehen muss.

Vor allem passt der Schachzug zur Gesamtstrategie: Während sich viele Discountketten und Supermärkte aus den kleinen Ortschaften zurückziehen, geht Netto (ohne Hund) mit seinen Läden wieder gezielt dorthin und bietet sich mit seinem großen Sortiment als Nahversorger an. Die Botschaft lautet: Komm zu uns, da kriegst du alles, was du sonst mühsam in anderen Läden zusammenkaufen müsstest. Nicht umsonst werden gerade die Backtheken ausgebaut. Und neuerdings können Kunden ab 20 Euro Einkaufswert Geld abheben. Supermarkt, Bäcker, Bank und Drogerie in einem: so geht Discount heute. (Und natürlich immer noch: auf Kosten der Fachhändler.)

Ende des vergangenen Jahres ist ein früherer Schlecker-Manager zu Netto (ohne Hund) gewechselt. Das sind ideale Voraussetzungen, um frühere Drogerie-Kunden zu Discount-Fans zu machen.

Antwort 3: Vielleicht schon, vielleicht aber auch nicht

Alles völlig uninteressant. Mit meinen Restposten aus dem Schlecker-Schlussverkauf kann ich eh Zähneputzen bis zur Rente.

Fotos: Supermarktblog

Wegen Payback: Lässt Rewe die Treueherzen sterben?

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Sie müssen jetzt ganz stark sein. Setzen Sie sich erstmal hin. Es ist nämlich gut möglich, dass Rewe – die Treueherzen sterben lässt!

Für alle, die ihren halben Hausrat bisher dadurch erneuert haben, beim Einkaufen Klebepunkte zu hamstern und diese dann gegen monetäre Zuzahlung in Pfannen, Sportartikel oder Reisekoffer zu tauschen, brächen schwere Zeiten an.

Rewe-Treueaktion im Frühjahr 2013

Alle anderen, die jetzt jauchzend in die Luft gesprungen sind, weil sie glauben, Kassierern künftig nicht mehr Auskunft über Treueverhalten geben zu müssen, sollten sich jedoch nicht zu früh freuen: Heute hat Rewe bekannt gegeben, im kommenden Jahr Partner des Payback-Bonusprogramms zu werden und die entsprechenden Kundenkarten zu akzeptieren. Bei deren Vorlage an der Kasse wird dem Besitzer ein Kleinstbetrag pro ausgegebenem Euro in Form von Punkten gutgeschrieben. In welchem Verhältnis, ist noch nicht kommuniziert.

Jetzt muss Rewe überlegen, wieviele unterschiedliche Einkaufsbelohnungssysteme sinnvoll sind – und vor allem: wieviele sich den Kunden zumuten lassen, die schon jetzt  in die Luft gehen, wenn sie bei jedem Bezahlvorgang ihre Klebepunkte-Ablehnung erneuern sollen.

Da Payback die Möglichkeit anbietet, die gesammelten (nicht-klebenden) Punkte ebenfalls in unnötigen Staubfängerhausrat umzuwandeln (“Chefspoon Lafer by WMF”, “Schildkröt Fitness Balance-Kissen”, “Gäste-Pantoffel-Set”), wären die Rewe-eigenen Treueaktionen eigentlich überflüssig. Dass der Kölner Konzern freiwillig die zusätzlichen Klebebildaktionen aufgibt, ist hingegen unwahrscheinlich. Dafür funktioniert der Köder viel zu gut bei Kindern, die darauf bestehen, sämtliche Einkäufe nur noch in den Läden zu erledigen, bei denen die Tante, wenn sie Mama oder Papa zum Schluss die Kohle abknöpft, auch Futter fürs Sammelalbum rausrückt.

(Ewig dürfte die Masche allerdings nicht ziehen; das aktuelle Klebebildchen-Thema “Unser Deutschland” ist jedenfalls schon arg an den Haaren beigezogen, und auch reichlich peinlich.)

Für Payback ist der neue Partner ein ziemlicher Scoop – weil Rewe mit seinen rund 3300 Märkten und Millionen Kunden dem Unternehmen zahlreiche neue Mitglieder zuspülen dürfte.

Dabei ist Rewe nicht der erste Supermarktpartner von Payback. Die Metro-Tochter Real war Gründungspartner des Programms und ist deshalb von Anfang an dabei, seit 13 Jahren. Lange war es bei Payback üblich, nur jeweils einen Partner aus jedem Handelsbereich zu haben. Die unmittelbare Konkurrenz musste draußen bleiben. Spätestens seitdem im vergangenen Jahr die Biosupermärkte (und Rivalen) Alnatura und Denn’s gleichzeitig Payback-Mitglieder wurden, scheint diese Regel aber außer Kraft gesetzt zu sein. Die “Lebensmittelzeitung” berichtet, Payback könne Real einen Teil der Kosten für die Mitgliedschaft erlassen, damit der Wettbewerber Rewe duldet.

Der Neuzugang bei Payback erhöht gleichzeitig den Druck auf den Bonusprogramm-Konkurrenten DeutschlandCard, dem Edeka beigetreten ist – allerdings nur in vier der sieben Regionen. Bisher.

Die Wahrscheinlichkeit, an der Kasse künftig seltener Treueauskunft geben zu müssen, ist also gering. Vermutlich ändert sich bloß die Frage. Wer auf die klebenden Treueherzchen partout nicht verzichten mag, kann ja immer noch zu Kaiser’s gehen. Dort sind die Punkte, wie das Kassenpersonal weiß, nämlich immer noch “unaufgefordert aus[zu]händigen” und definitiv:

“PFLICHT!!!”

Hinweis für Kaiser's-Kassenpersonal

Dank an Lukas für das Foto! 

Fotos: Supermarktblog (2)


Die neue Penny-Milch ist jetzt “Tatort”-Star

Vom Fototapetenkönig zum Wohlfühldiscounter: Pennys radikaler Wandel

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Penny-Markt in Berlin

Wenn es eine Bibliothek nur für Bücher mit Supermarktregeln gäbe, hätte Jan Kunath seinen Mitgliedsausweis längst zurückgeben müssen. Kunath hat nämlich unerlaubt in der großen Discounterbibel herumgemalt, sogar ganze Seiten herausgerissen und ohne Erlaubnis ein paar neue Kapitel hinzugefügt. So geht man nun wirklich nicht nicht mit uralten, in Albrechtleder eingebundenen Gesetzestexten um!

Jan Kunath, Vorsitzender der Penny-Geschäftsleitung bei der Rewe GroupBloß eine Frage noch: Warum eigentlich nicht?

Seit September 2010 ist Kunath (Foto) Geschäftsführer von Rewes Sorgen-Discounter Penny, bei dem es über viele Jahre Konzept war, die besten Ideen der Konkurrenz zu mopsen und sie dann halbherzig in die eigenen Läden zu kippen. Das hat nicht funktioniert. Gegen Aldi, Lidl und Netto (ohne Hund) konnte Penny wenig ausrichten. Also hat Kunath sich eine Komplettumkrempelung überlegt:

“Wir wollten unseren eigenen Markttypen bauen – und nicht wieder einen, der aussieht wie Aldi oder Lidl mit einem Penny-Logo drüber.”

Das ist ungewöhnlich ehrlich für den Geschäftsführer eines deutschen Discounters. (Zumal die Qualifikation fürs leitende Management bisher firmenübergreifend dieselbe war wie bei Geheimdienstbewerbungen: ein ausgeprägtes Schweigeverhalten.)

Vor einem Jahr startete Rewe die radikalste Modernisierungsaktion, die es bis dato in der deutschen Discount-Branche gegeben hat. Bis 2015 müssen sämtliche Penny-Filialen mit einem modernen Ladendesign ausgestattet sein; das Logo ist schon aufgefrischt worden; nichts soll mehr an den lieblosen Einkaufsschmuddel aus vergangenen Tagen erinnern. Und im Supermarktblog verrät Kunath, wie er das hinkriegt.

Zuerst einmal nämlich mit einer Idee, die da lautet: Aldi ist nicht mehr der Maßstab. Kunath sagt:

“Penny soll über die reine Preis-Leistung auch auf andere Bedürfnisse der Kunden eingehen.”

Mit den neu gestalteten Läden fängt alles an. Vorbei sind die Zeiten gruseliger Fototapeten, jahrmarkthafter Lichtspots und notdürftig zusammengestückelter Sonderflächen. “Vor zehn Jahren konnte noch kein Kunde Supermärkte und Discounter auseinandersortieren. Heute ist das völlig anders”, sagt Kunath. “Es gibt doch keinen vernünftigen Grund, warum jemand in einem hässlichen Laden einkaufen sollte.”

Die Wände sind jetzt in hellem Grau gestrichen, die Regale einheitlich gestaltet, bunte Sortimentsschilder sorgen für Farbe. Alles ist einfach, aber modern – und viel schicker. Dazu passend ist das helle, aggressive Rot im Logo durch einen wärmeren Ton ersetzt worden, die Retro-Schrift durch einen komplett neue Typo. “Was wir jetzt machen, sieht besser aus und ist sogar billiger, weil mit ganz einfacher Wandfarbe gearbeitet wird. Die Fototapeten waren teurer”, sagt Kunath. “Das ist das Tolle. Die Läden werden freundlicher, ohne dass es im Vergleich zu vorher mehr Geld kostet.”

Neues Penny-Ladendesign

Daran zeigt sich ganz gut, wie verkorkst das alte Penny-Konzept gewesen ist, in dem es teuer war, billig auszusehen. Kunath versucht jetzt das Gegenteil.

Zur Obst- und Gemüse-Abteilung am Anfang jedes Marktes gehört nun ein Kühlregal mit Sandwiches, vorgeschnittenem Obst, Smoothies und Säften. Auf Fleischklopse mit Kartoffelsalat lässt sich zwar nicht ganz verzichten, tendenziell soll künftig aber mehr Frisches angeboten werden: Wraps, Salate, im Sommer auch mal Kokusnusssplitter. Das kommt bei den Discount-Käufern zwar an, anders als im Supermarkt aber nur bis zu einer bestimmten Preisschwelle, haben die Modernisierer herausgefunden. Belegte Sandwiches für 2,49 Euro sind vielen zu teuer. “Lassen Sie aber ein Gürkchen weg und gehen auf 1,99 Euro runter, sieht das schon wieder ganz anders aus”, erklärt Kunath.

Die Tiefkühltruhen sind vom hinteren Ende der Läden nach vorne gerückt, direkt vor die Kassen. “Weil wir keine Regale mehr auf die Tiefkühltruhen bauen, haben viele Kunden nach dem Umbau den Eindruck, die Märkte seien größer geworden.”

Regalfreie Tiefkühltruhen bei Penny

Die Weinregalimitation ist rausgeflogen. Jetzt stehen die Flaschen wieder im normalen Regal. Das spart Geld. Und besonders glaubwürdig war der Holzkistenzirkus vorher eh nicht.

Die bei Konkurrenten immer noch übliche Zwangsführung, bei der die Kunden am Eingang durch längsstehende Regale erst einmal tief in den Laden hineingelotst werden, gibt es bei Penny nicht mehr. Stattdessen setzt Kunath auf Querreihen, wie sie in Supermärkten üblich sind. Die alte Aufteilung findet der Penny-Chef “nicht mehr zeitgemäß”:

“Ich brauche einen Kunden nicht an Warengruppen vorbeilotsen, die ihn gar nicht interessieren, wenn er bloß ein Getränk und ein Sandwich kaufen will.”

Das Aktionsartikelangebot, in der Branche unschön “Non-Food” genannt, ist um die Hälfte reduziert worden – “auch damit die Mitarbeiter mehr Zeit haben, sich um die Convenience und Frische zu kümmern”. Dafür gibt es etwas mehr Lebensmittel.

“Die Grundregel im Discount lautet: Um ein neues Produkt einzulisten, wird ein anderes ausgelistet. Bei Penny ist das Sortiment aber alleine schon durch die Convenience-Produkte größer geworden. Wir haben auch in der Drogerie zusätzliche Produkte aufgenommen. Dafür gibt es zum Beispiel viel weniger Konserven als früher, weil die nicht mehr so wichtig sind.” 1700 bis 1800 Artikel sind in einem durchschnittlich großen Penny-Markt derzeit zu kaufen.

Für normale Kunden lesen sich viele der Änderungen wie Selbstverständlichkeiten, eine überfällige Modernisierung des in die Jahre gekommenen Discount-Konzepts. Dabei sind sie ein kleines Wunder – weil der Discount über viele Jahre dachte, er sei immun gegen solchen Firlefanz. Hauptsache, die Preise bleiben niedrig. Dann kommt das notwendige Übel, nämlich die Kundschaft, von alleine.

Das war ein Irrtum.

Inzwischen ist das notwendige Übel so pingelig geworden, dass sich selbst Aldi Nord den neuen Verhältnissen anpasst, wenn auch widerwillig. (Von seinem praktischen Holzpalettenkonzept will man sich dort partout nicht trennen.)

Bei Penny war die Lage hingegen so kritisch, dass Kunath nicht nur die Läden umräumen, sondern auch goldene Discount-Rituale in Frage stellen durfte.

Einzelflaschenverkauf bei Penny

Getränke konnten früher nur im Gebinde gekauft werden, was die Kundschaft nicht davon abgehalten hat, einzelne Flaschen aus der Plastikhülle herauszupulen, weil unterwegs eben niemand sechs Anderthalb-Liter-Flaschen Cola austrinkt. An der Kasse kam dann die Abfuhr vom Personal: wird nur im Gebinde verkauft. “Das haben wir abgestellt – weil die Kassiererin damit nicht umgehen kann und der Kunde unzufrieden ist”, sagt Kunath. “Im Kassensystem sind jetzt auch Einzelartikel angelegt.” Und die Mitarbeiter pulen schon mal Flaschen vor: Weil die Regale ohne zerfledderte Plastikgebinde aufgeräumter aussehen.

Die Preise stehen im Discounter am Regal klassischerweise über dem Artikel. Es gibt nur keinen vernünftigen Grund dafür, weil die meisten Kunden von sich aus erstmal unterhalb des Produkts nachsehen. Also stehen die Preise jetzt auch bei Penny drunter.

Seit einigen Wochen leistet sich Penny als erster Discounter ein eigenes Kundenmagazin: ”mittendrin”. (Das man in vielen Filialen allerdings alleine aufspüren muss.)

Die sichtbarste Änderung ist die neue Eigenmarke, die genau so heißt wie der Laden selbst: “Penny”. In der Branche ist das immer noch unüblich. Die vielen Fantasiemarken bei Aldi sollten den Kunden einst suggerieren, dass es beim Discounter eine ähnliche Vielfalt wie in den Supermärkten gebe. Aber erstens wissen die meisten Leute heute, dass das Quatsch ist. Und zweitens haben sie sich an die einheitlichen Eigenmarken der Supermärkte gewöhnt.

Praktischerweise hat Kunath vor seiner Zeit als Penny-Chef bei Rewe die Marken Rewe Bio und Rewe Feine Welt etabliert. Und die Taktik in den neuen Job mitgenommen.

(Scheint ja auch zu funktionieren: Seit vergangenem Sonntag ist die neu verpackte Penny-Milch jedenfalls einer von drei Stars im neuen Hamburger “Tatort”.)

Damit die Penny-Produkte nicht alle gleich aussehen, haben viele Artikel eigene Illustrationen, die mit dem abgebildeten Inhalt spielen: Auf der Sandwicheis-Packung rollt sich ein kleines Männchen einen Schneeball aus Vanilleeis; die Cornflakes springen gut gelaunt vom 1-Meter-Brett ins Milchschwimmbecken und bekommen dafür von anderen Flakes Haltungsnoten; und in der Buttermilch klettert ein Abenteurer in Richtung Trinkhalmspitze.

Eigenmarken-Cornflakes bei Penny

Zucker, Milchprodukte und die verbliebenen Konserven scheren sich nicht viel um die etablierten “Colorcodes”, also die Farben, an die wir uns bei gewissen Produkten gewöhnt haben. Sahne und Würfelzucker sind (zum Beispiel) hellrosa verpackt, Pfirsiche hellblau und Apfelmus in sattem Magenta.

Rosa Würfelzucker bei Penny

Bei manchen Artikeln ist’s aber auch schief gegangen: Der Anthrazit-Hintergrund für Mais und Erbsen ist bei den Kunden durchgefallen. (Und wird wieder geändert, in eine helle Variante.)

Eigenmarken-Konserven in Anthrazit bei Penny

Das komplette Sortiment will der neue Chef dann aber doch nicht auf die Penny-Marke umstellen. Drogerie- und Kosmetikartikel heißen jetzt Today. Bei Saisonartikeln will Kunath ebenfalls “eine gewisse Abwechslung”, so wie bei den kürzlich verkauften Eigenmarken-Osterartikeln mit den Hasenfabrik-Illustrationen (Douceur).

Douceur-Osterartikel mit den Hasenfabrik-Illustrationen bei Penny

Fleisch und Wurst, die bisher vom Metzgerabsender “Heinz Wille” kamen, haben nun das neue “Mühlenhof”-Schiefertafellogo auf die Packung gedruckt.

"Mühlenhof"-Fleisch bei Penny

Das sind eine Menge Änderungen in einer Branche, deren Kundschaft es normalerweise schon nicht leiden kann, wenn ihr im Stammladen ständig das Sortiment von einem Flur in den nächsten geräumt wird. Aber Kunath sagt:

“Zurück geht nicht mehr.”

Warum Rewe sich den Aufwand (und die Kosten) nicht einfach spart und auf den Discount verzichtet – und ob Penny jetzt den Supermärkten in die Quere kommt, steht im nächsten Blogeintrag.

Fotos: Rewe (1), Supermarktblog

Rewes Discount-Chef Jan Kunath: “Penny hat einiges aufzuholen”

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Mit einem neuen Konzept will sich der Rewe-Discounter Penny dauerhaft gegen die Konkurrenz durchsetzen und in der umkämpften Discount-Branche Marktanteile hinzugewinnen (siehe Supermarktblog). Das ist nicht ganz einfach. Penny-Geschäftsführer Jan Kunath erklärt, warum er glaubt, dass es trotzdem funktioniert.

Penny-Markt in Berlin

Warum verzichtet Rewe nicht einfach auf Penny?

Oder, anders gefragt: Wer behauptet eigentlich, dass Lebensmittelhändler unbedingt Discount-Ableger brauchen, um erfolgreich zu sein? Mit seinen Supermärkten fährt Rewe derzeit doch ganz gut – ist Penny da nicht bloß ein Klotz am Bein? Nein, sagt Kunath, so einfach ist es nicht. Mit 6,8 Milliarden Euro Umsatz trägt Penny rund 17 Prozent zum Umsatz der Rewe Group (inklusive Touristik, ohne selbstständige Händler) bei. Darauf zu verzichten, hieße, die eigene Einkaufsposition gegenüber den Herstellern zu schwächen. Je größer das Einkaufsvolumen ist, desto leichter lassen sich Rabatte heraushandeln, die auch den Supermärkten nutzen.

Und als Nummer zwei unter den deutschen Handelsunternehmen will Rewe dem Konkurrenten Edeka mit seinem Discounter Netto (ohne Hund) ganz bestimmt nicht alleine das Feld überlassen. Kunath formuliert’s diplomatischer:

“Der Discount hat in Deutschland über 40 Prozent Marktanteil. Als einer der führenden Lebensmitteleinzelhändler kann sich Rewe daraus nicht einfach verabschieden.”

Supermärkte haben zwar wieder an Beliebtheit zugelegt. Aber, so Kunath: “In Deutschland schauen immer noch viele Kunden stark auf den Preis.”

Ließen sich unrentable Penny-Märkte nicht einfach zu gut funktionierenden Rewe-Supermärkten umbauen?

In Einzelfällen ist das schon passiert. Oft reicht aber der Platz nicht, erklärt Kunath: “Auf 700 qm Verkaufsfläche lässt sich nicht so ohne weiteres ein leistungsfähiger Supermarkt etablieren.” Auch kein Rewe City? “Nein, auch kein Rewe City, wenn der Laden nämlich gar nicht in der City liegt.”

Darüber hinaus sind laut GfK “gut die Hälfte der Verbraucher in Deutschland [...] fast ausschließlich im Disocunt erreichbar”, und zwar weil sie “finanziell eher knapp kalkulieren müssen und sich daher vor allem für den Budget-Bereich interessieren”, also sich vermutlich eher nicht zu Rewe-Supermarkt-Kunden bekehren ließen, sondern komplett zur Konkurrenz gingen.

Verpufft der Penny-Umbau, wenn Aldi Nord jetzt auch moderner wird?

“Natürlich verschärft das den Wettbewerb, wenn ein Konkurrent seine Märkte modernisiert”, sagt Kunath. “Aber Penny hat den ersten Schritt gemacht. Und wir müssen uns mit dem Wettbewerb messen können.” Angenommen, Penny hätte weitergewurschtelt wie bisher, und Aldi Nord wäre mit seinen Marktrenovierungen vorgeprescht – dann wäre es für die Rewe-Tochter fast unmöglich gewesen, diesen Vorsprung aufzuholen. Wenn das neue Penny-Konzept funktioniert, war’s sozusagen Rettung in letzter Sekunde.

Und – funktioniert’s?

“Wir sind sehr zufrieden. Es gibt eine konstante Kunden- und Umsatzentwicklung. Penny erreicht jetzt Kunden, die vorher öfter in anderen Discountern eingekauft haben”, sagt Kunath. Die Frage ist aber natürlich auch, ob der neue Penny nicht einfach Kunden anspricht, die vorher bei Rewe eingekauft haben – dann wäre Kunaths Umbau nämlich eine selbstgestellte Falle, weil die Margen im Discount deutlich kleiner sind. Kunath hält dagegen:

“Unsere Analysen zeigen, dass wir mit dem neuen Penny-Konzept die klassischen Supermärkte nicht kannibalisieren. Zumindest können wir bisher keinen entsprechenden Effekt messen.”

Fakt ist aber auch: Während Penny für viele Supermarktkunden vorher als regelmäßige Einkaufsstätte überhaupt nicht in Frage kam, sind die neu designten Läden und Produkte durchaus ein Argument, für die Grundversorgung mit Lebensmitteln auch mal die Discount-Alternative zu wählen.

Wenn das Konzept Wohlfühldiscounter aufgeht – nähert sich Penny dann noch weiter den Supermärkten an?

Nein, supermarktiger wird’s nicht, behauptet Kunath: “Wir könnten es uns gar nicht erlauben, im Verhältnis zum Rohertrag die Komplexität und damit die Kosten zu erhöhen.” Das heißt: Veränderungen dürfen nicht teuer sein. Um sich vom Wettbewerb weiter abzuheben, will der neue Chef andere Taktiken ausprobieren: “Normalerweise heißt Discount: ‘One size fits all’ – ein Sortiment für alle Läden, egal ob im Norden oder Süden. Ich glaub da nicht mehr dran. Wir wollen Penny dadurch sympathischer machen, dass es an jedem Standort ein gewisses organisiertes Maß an Individualität gibt, ohne dass es zu komplex wird.”

Deshalb sind sämtliche Läden in drei Sortimentkategorien eingeteilt worden: die kleinen, die sämtliche Basisartikel führen, die größeren mit Aktionsartikeln und die Läden, in denen Platz für Zusatzsortimente ist.

Während Aldi gerade darauf drängt, kleine Läden zu schließen, um überall dasselbe anbieten zu können, geht Penny also in die entgegengesetzte Richtung. Kunath:

“Ich bin auch bereit, in innerstädtischen Lagen mal einen Laden mit nur 500 qm auszuprobieren.”

Auch beim Image will Kunath die Wende schaffen: “Der Discount ist stark auf Leistung getrieben, das spürt auch der Kunde. Ich möchte, dass wir uns in der Ansprache sichtbar von den Wettbewerbern unterscheiden, indem wir die Mitarbeiter stärker einbeziehen.”

Berichte wie in  “Frontal 21″ aus dieser Woche sind dabei jedoch alles andere als hilfreich (Rewe hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht).

Warum ist die neue Werbekampagne “Erstmal zu Penny” so weit vor den ersten Umbauten gestartet?

Aus Kundensicht war das nicht gerade logisch. Aus Geschäftsführersicht offensichtlich schon: “Worauf hätten wir denn warten sollen?”, verteidigt Kunath seine Strategie. “Ein komplettes Netz umzubauen, dauert nun mal mehrere Jahre. Und wir wollten frühstmöglich eine Aufmerksamkeit für Penny wiederherstellen.” Abzuwarten sei schon aus finanziellen Erwägungen nicht in Frage gekommen:

“Jeder Umsatzeuro, den ich früher habe, ist von Vorteil – weil ich immer gegen die bestehenden Kosten anlaufe. Alles andere wäre kurzsichtig. Penny hat einiges aufzuholen.”

Fotos: Supermarktblog

Was vom Pferdefleischskandal übrig bleibt

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Tiefkühl-Lasagne im Supermarkt

Fast vier Monate ist es her, dass in zahlreichen Tiefkühlgerichten europäischer Supermärkte Anteile von Pferdefleisch gefunden wurden, die da nicht hingehörten: Im “Rindergulasch” von Aldi und Lidl, in den Lasagnen der Billigmarken Gut & Günstig (Edeka), A&P (Kaiser’s) und Tip (Real), dem Chili con Carne von Rewe und Kauflands Penne Bolognese.

Was ist seitdem passiert?

* * *

Als einziger deutscher Händler hat Rewe Ende Februar angekündigt, bei seinen Eigenmarken “nur noch deutsches Rindfleisch” verwenden zu wollen. 50 Produkte mit “namhaftem Rindfleisch-Anteil” müssen umgestellt werden. Passiert ist das laut Rewe zum jetzigen Zeitpunkt bereits beim Chili con Carne und den Spaghetti-Bolognese der Rewe-Eigenmarke. Auf den Produkten sei ein entsprechender Hinweis angebracht: “deutsches Rindfleisch”.

In Großbritannien, wo der Skandal seinen Ausgang nahm, will Tesco künftig mehr britisches Fleisch für seine Produkte verwenden. Das wird nicht so schnell gehen. Der “Telegraph” zitiert einen Einkäufer der britischen Fleischindustrie damit, dass die Landwirte nicht auf Knopfdruck mehr Rinder parat haben:

“Das ist ein Prozess, der sich mindestens über zwei Jahre erstreckt, von der Aufzucht bis zum Verkauf eines Tieres.”

Die meisten anderen Handelsketten erklären auf Supermarktblog-Nachfrage, sich eher auf strengere Kontrollen zu konzentrieren. Eine Kaufland-Sprecherin sagt:

“Eine komplette Umstellung auf Rindfleisch aus Deutschland haben wir derzeit nicht vorgesehen, da es sich bei diesen Vorgängen [die zum Skandal geführt haben; Red.] um kriminell motivierte Falschdeklarationen handelte und [dies] aus unserer Sicht daher ein Thema der Kontrollsysteme ist.”

Deshalb seien die “bereits sehr umfangreichen Eigenkontrollen auf die Untersuchung von Pferdefleisch ausgedehnt” worden. Lidl, das wie Kaufland zur Schwarz-Gruppe gehört, teilt mit, Tests auf Pferde-DNA künftig “systematisch” von den Herstellern einzufordern. Aldi Nord will “zusätzlichen Möglichkeiten” zur Qualitätskontrolle prüfen. Real argumentiert, dass auch der Bezug von deutschem Rindfleisch nicht zwangsläufig vor kriminellen Machenschaften schützen würde:

“Im Interesse unserer Kunden werden daher alle Lieferanten von Eigenmarkenartikeln zukünftig noch strenger und engmaschiger kontrolliert, so dass eine Wiederholung möglichst ausgeschlossen wird. Durch gezielte Projekte werden wir zukünftig die Rückverfolgbarkeit verbessern.”

Edeka schießt indirekt gegen den Konkurrenten Rewe, ein Sprecher erklärt:

“Die ausschließliche Verwendung deutschen Rindfleischs ist (…) kurzfristig ausgeschlossen, und eine entsprechende Ankündigung wäre unseriös.”

Das beurteilt Rewe auf Supermarktblog-Nachfrage anders:

“Wir sehen keinen Versorgungsengpass, da die Anzahl der umzustellenden Artikel vergleichsweise überschaubar ist. Gleiches gilt für die  damit verbundenen Volumina. In Deutschland ist genügend Rindfleisch in entsprechender Qualität verfügbar. Derzeit gehen wir davon aus, dass wir spätestens bis zum Jahresende die Umstellung haben abschließen können.”

Kaiser’s Tengelmann hat sich bisher nicht geäußert. Nachtrag: Bei Kaiser’s Tengelmann heißt es: “Die Herkunft des Fleisches ist und war bislang nicht das Problem”, denn auch deutsches Rindfleisch könne Spuren von Fremd-DNA enthalten, wenn z.B. bei der Produktion unsorgfältig gearbeitet würde. Beim Einsatz von ausschließlich deutschem Rindfleisch für Fertigprodukte sei die Frage zu stellen, “ob die benötigte Menge für alle Hersteller gewährleistet werden” könne.

[Die vollständigen Auskünfte der Handelsketten stehen hier.]

Supermarkt-Logos

* * *

In Großbritannien wird die Diskussion schärfer geführt als in Deutschland. Die britische National Beef Association beschuldigt die großen Supermarktketten, selbst Verursacher des Problems zu sein, das sie jetzt vorgeben, lösen zu wollen. Über Jahre hinweg hätten die Ketten die Preise für Lebensmittel so stark gedrückt, dass es für britische Hersteller unmöglich geworden sei profitabel zu wirtschaften. Um das zu ändern, müssten die Preise für die Produkte wieder steigen. Genau das sei bisher aber nicht passiert. Auch bei den bereits umgestellten Rewe-Produkten ist der Preis gleichgeblieben.

Die Supermärkte wissen sehr genau, warum sie mit Preiserhöhungen vorsichtig sind. Einen Monat nach Bekanntwerden der Fleisch-Panscherei, als täglich neue Details das Ausmaß des Skandals noch vergrößerten, veröffentlichte das britische Handelsmagazin “The Grocer” eine Umfrage, in der Kunden angeben sollten, wie viel sie bereit wären, künftig mehr zu zahlen, um Produkte zu kriegen, in denen auch tatsächlich das drin ist, was draufsteht. Die Hälfte der Befragten meinte:

Wie – mehr bezahlen?

Jeder zweite Kunde würde für sein Tiefkühlgericht also keinen Cent zusätzlich auszugeben, um Pferdeüberraschungen (oder ähnliches) zu vermeiden. Die Händler sollen auch so dafür garantieren, dass das von ihnen verkaufte Fertigessen in Ordnung ist.

Das ist vom Prinzip her ja auch nicht ganz falsch. Offensichtlich haben sich die Supermärkte und Discounter mit ihren Preiskämpfen aber so lange unterboten, dass die Billigmarken-Käufer jetzt gar nicht mehr einsehen, warum Lebensmittel mehr kosten sollen als bisher, um unter vernünftigen Bedingungen hergestellt werden zu können.

Sind die deutschen Verbraucher vernünftiger?

Die GfK hat ausgerechnet, dass Tiefkühl-Fertigprodukte mit Fleisch von Oktober 2012 bis Januar 2013 viel öfter gekauft wurden als im gleichen Zeitraum zuvor (plus 5,1 Prozent). Nach Bekanntwerden des Pferdefleischskandals hat sich das in ein starkes Minus verwandelt – einerseits, weil viele Gerichte aus den Läden genommen wurden, und andererseits, weil die Kunden den Rest lieber liegen gelassen haben. Im März brach der Verkauf von Lasagne und Canneloni um über 15 Prozent ein. Das ist ein ganz erheblicher Schwund.

Dabei handelt es sich offensichtlich aber eher um einen Reflex, und nicht um einen Erkenntnisgewinn.

Zumindest kaufen die wenigsten Ex-Tiefküllasagne-Esser jetzt frische Sachen ein und machen sich die Mühe, selbst zu kochen. Denn der neue Star im Supermarkt ist laut GfK jetzt – Fertigessen mit Fisch:

“Diese [Gerichte] erfreuten sich im Februar 2013 einer drei Mal so hohen und im März immerhin noch einer doppelt so hohen Mengennachfrage wie im entsprechenden Vorjahresmonat.”

Dem “Grocer” hat Tim Lang, Professor für Ernährungspolitik an der Londoner City University, den schönen Satz gesagt:

“Die Leute ändern ihre Essensgewohnheiten nur dann, wenn sie einen Herzinfarkt hatten, Krebs kriegen oder schwanger werden.”

Fotos: Supermarktblog

Statistik-Schnäppchen (2): Wie Bio sind die Deutschen?

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Tomatendose mit Bio-Siegel

Sie kaufen gerne Bio-Lebensmittel? Wunderbar! Dann tun Sie was Gutes. Zum Beispiel der Ackerflora, den Insekten, Bienen, Schmetterlingen, Vögeln und dem Grundwasser – in Polen. Verstehen Sie nicht? Gleich aber schon.

* * *

Im Jahr 2012 lag der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland bei 7,04 Milliarden Euro – 6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das kommt nicht allein daher, dass mehr Bio gekauft wurde, sondern etwa zur Hälfte dadurch, dass die Preise für Bio-Produkte gestiegen sind.

Fast ein Drittel der europäischen Bio-Lebensmittel wird von den Deutschen gekauft. Im deutschen Markt entsprechen aber gerade einmal 3,9 Prozent der eingekauften Lebensmittel Bio-Kriterien.

9 Prozent aller in Deutschland verkauften Eier sind Bio.
4,5 Prozent der Milch ist biologisch erzeugt.
3 Prozent des gemischten Hackfleisches.
0,5 Prozent des Geflügels.*

Weil mehr Leute Bio kaufen wollen, steigt die Nachfrage. Viele Produkte werden aber gar nicht in Deutschland erzeugt, sondern aus dem Ausland importiert: Kartoffeln, Obst und Gemüse, Schweinefleisch, Milchprodukte. In Polen und Litauen ist die Fläche der Äcker, die ökologisch bewirtschaftet werden, von 2004 bis 2010 um 531 Prozent bzw. 290 Prozent gestiegen, in Deutschland nur um 29 Prozent. Jeder zweite bei uns verkaufte Bio-Apfel und jede zweite Bio-Möhre stamme bereits aus dem Ausland, heißt es in einer Studie der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (pdf). Deren Fazit ist: “Der Ausbau des Bio-Landbaus in Deutschland stagniert und droht zu kippen.” Positive Effekte des Ökolandbaus, vor allem im Naturschutz, gingen verloren.

Dafür stellen andere Länder ihre Landwirtschaft ganz konkret auf die hohe Nachfrage aus Deutschland ein. Die dortige Bevölkerung hat davon aber nix. In Polen, wo die Fläche für Ökolandbau förmlich explodiert ist (und die Fläche mit rund 521.000 Hektar 2010 schon mehr als halb so groß war wie in Deutschland), lag der Pro-Kopf-Umsatz für Bio-Produkte 2011 bei lediglich 3 Euro. In Deutschland waren es 81 Euro.

Damit schaffen’s die Deutschen im europäischen Vergleich auf den fünften Platz. Noch mehr investieren die Schweizer (177 Euro), die Dänen (162 Euro), die Österreicher (127 Euro) und die Schweden (94 Euro). In der Türkei und der Ukraine sind es durchschnittlich 0 Euro. Bei 27 Euro liegt das europäische Mittel.

Es gibt in Deutschland derzeit 23096 Bio-Bauern, die Zahl der Umsteiger wächst aber nur langsam. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft schreibt dazu in seinem Jahresbericht (pdf), durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die entsprechende staatliche Förderung sei “der Anbau von Maismonokulturen für Biogas-Anlagen besonders lukrativ – in der Konkurrenz um Pachtland ziehen Bio-Betriebe dabei häufig den Kürzeren”.

Viele Bauern geben die Bio-Produktion wieder auf. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein war die Fläche, die 2010 zurück auf eine herkömmliche Bewirtschaftung umgestellt wurde, größer als die, die zum Ökolandbau wechselte. Als Grund wird die geringe Preisdifferenz zu konventionell hergestellten Lebensmitteln genannt: Weil die Zugewinne überschaubar sind, aber viele Regeln eingehalten werden müssen, sinkt der Reiz umzusteigen.

Die Zahl der Bioläden in Deutschland wächst kontinuierlich. Anfang 2013 gab es in Deutschland 684 Märkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 200 Quadratmetern.

Immer weniger Bioläden werden von unabhängigen Händlern eröffnet. Fast Dreiviertel aller Neueröffnungen gehen aufs Konto der drei großen Bioketten: Denn’s, Alnatura und Bio Company.

Mehr zum Thema: nächste Woche im Supermarktblog.

Haben Sie die ersten “Statistik-Schäppchen” schon gelesen?

* * *

Quellen: Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.: Die Bio-Branche 2013 (pdf); Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Marktanteile im Segment Bio-Lebensmittel – Folgen und Folgerungen (pdf); Berliner Zeitung: Bauer auf Abwegen.

*(jeweils Januar bis November 2012; zurück nach oben)

Foto: Supermarktblog

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