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Rewe holt Today-Artikel zurück zu Rewe

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Today-Duschgels im Rewe-Supermarkt

Sechs Jahre ist es her, dass Rewe seine Drogerie-Eigenmarke “Today” abgeschafft und durch Produkte mit dem roten Rewe-Logo ersetzt hat. Jetzt gibt es ein Comeback: In den Drogerie-Regalen vieler Rewe-Supermärkte stehen plötzlich wieder Today-Produkte, zum Beispiel die knallbunten “Limited Edition”-Duschgels “Sommerfrische”. Im Rewe-Online-Shop lassen sich bereits Today-Haarspray und Today-Cremseife bestellen.

Auf Nachfrage bestätigt ein Rewe-Sprecher:

“Today wird die klassischen Kosmetik- und Körperpflegeartikel der bisherigen Handelsmarken ja! und Rewe Qualitätsmarke ersetzen.”

In den kommenden Wochen werden in diesem Bereich zahlreiche Artikel umgestellt. Damit verabschiedet sich Rewe überraschend von der Zwei-Marken-Strategie im Drogerie-Regal. Eine schlechte Idee ist das nicht: Schon jetzt steht neben der ja!-Zahnpasta die der roten Rewe-Mittelmarke, beide kosten gleich viel – und kein Kunde versteht, was das soll.

Die Umstellung passt auch zum Relaunch der roten Mittelmarke, die seit einiger Zeit “Rewe Beste Wahl” heißt und künftig offensichtlich Lebensmitteln vorbehalten bleiben soll. Dritte Schwerpunktmarke ist Vivess (für Schreibwaren, Küchenartikel und Krimskrams).

Das neue Today-Design, durch das viele Artikel im Regal deutlich zeitgemäßer aussehen als so manches klassische Markenprodukt, ist den Kunden des Rewe-Discounters Penny schon bekannt: Seitdem Penny nämlich mit neuem Konzept auf Kundenfang ist (siehe Supermarktblog) sind dort ebenfalls viele Drogerie-Artikel durch Today ersetzt worden, nämlich in der Kategorie pflegende Kosmetik. (Putzmittel und Toilettenpapier wurden zum Teil der neuen Hausmarke Penny zugeschlagen.)

Relauchte Today-Marke bei Penny

Warum der Aufwand? Eine einzelne Marke lässt sich in den Handzetteln viel konsequenter bewerben – vor allem im Vergleich zu vorher, als Penny-Drogerieprodukte – wie im Discount üblich – für Damen, Herren und Kinder unterschiedlich hießen. Jetzt lässt sich leicht variieren, indem aus dem Rasierschaum zum Beispiel “Today Men” wird. (Das Prinzip kennen die meisten Kunden eh von Markenherstellern wie Nivea.)

Das Penny-Sortiment umfasst rund 80 Today-Produkte, heißt es bei Rewe. In den Supermärkten ist der Ersatz von 150 Drogerie-Artikeln geplant. Auf den Today-Produkten, die es jetzt bereits bei Rewe gibt, steht auch nicht (mehr) Penny als Markenabsender, sondern lediglich der Hinweis: “Hergestellt in Deutschland.”

Ohne Markenabsender: Today-Duschgel

Today ist damit die erste Eigenmarke des Rewe-Konzerns, die es sowohl im klassischen Supermarkt als auch im Discount zu kaufen gibt – ein weiteres Anzeichen dafür, wie sehr sich die beiden Konzepte annähern. Die umgebauten Penny-Filialen sehen schon jetzt sehr supermarktig aus und locken in Großstädten discountuntypisch mit langen Öffnungszeiten, zum Teil bis Mitternacht. Ob das allerdings die richtige Strategie ist, muss sich erst noch herausstellen.

Im Gespräch mit dem Supermarktblog erklärte Penny-Geschäftsführer Jan Kunath kürzlich: “Unsere Analysen zeigen, dass wir mit dem neuen Penny-Konzept die klassischen Supermärkte nicht kannibalisieren. Zumindest können wir bisher keinen entsprechenden Effekt messen.”

Mit Dank an Supermarktblog-Leser Eric D.!

Fotos: Supermarktblog


Alnatura und die Wucht der höflichen Expansion

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“Haben Sie unsere Pralinen probiert? Hier, die sind aus Brüssel”, sagt Götz Rehn mitten im Gespräch. “Oder die Dinkel-Doppelkekse? Vergleichen Sie die mal mit denen, die Sie im normalen Supermarkt kaufen können. Das ist eine ganz andere Rezeptur!”

Naschtechnisch hat sich der Ausflug an die hessische Bergstraße also schon einmal gelohnt. Oben im zweiten Stock der aus allen Nähten platzenden Bickenbacher Alnatura-Firmenzentrale sitzt Firmengründer Rehn im Konferenzraum, aber nicht nur zur Keksverteilung. Sondern um zu erklären, warum es ihn als Geschäftsführer von Deutschlands am schnellsten wachsender Bioladenkette gar nicht so sehr stört, dass es Bio inzwischen ganz selbstverständlich auch bei Aldi zu kaufen gibt. Rehn meint:

“Es geht immer auch um die Frage der Rezeptur, der Komposition eines Produktes! Und nicht nur darum, ob das EU-Biosiegel draufgedruckt werden darf, weil die Rohstoffe Bio sind.”

Es ist eine sehr – sagen wir: diplomatische Art, auf die Frage zu antworten, ob ihm die Bio-Konkurrenz der großen Handelsketten nicht zu schaffen macht.

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Die weniger diplomatische ist: “Wir wollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass es Bio nicht zum gleichen Preis wie die Produkte der Agrarindustrie gibt.” Und dabei störe das Niedrigpreis-Bio dann doch. Supermärkte und Discounter nutzten die Produkte bloß als Profilierung ihres Gesamtsortiments, ist der 63-Jährige überzeugt. Bei Alnatura sei Bio eine generelle Haltung. In einer Branche, die sonst um jeden Cent Marge feilscht, wirkt die erst einmal kurios: “Sinnvolles für Mensch und Erde” soll die Handelskette leisten.

In Zeitungsinterviews sagt Rehn, sein Ziel sei es, “den Menschen in seiner Entwicklung zu fördern”, der Wert seines Unternehmens werde “durch die Wertschätzung der Kunden” bestimmt, Ziel sei nicht “Gewinn-Maximierung”, sondern “Sinn-Maximerung”.

In den Alnatura-Läden gibt es ausschließlich biologisch erzeugte Lebensmittel, ohne Ausnahme. Milch wird mit einem Preisaufschlag verkauft, der direkt den Bauern zugute kommt. Gentechnik ist tabu. In einem “Arbeitskreis Qualität” prüfen sieben (vom Unternehmen nicht näher benannte) Fachleute Produktideen und Rezepte und entscheiden, ob sie in Produktion gehen. Die Belieferung durch regionale Erzeuger war für Alnatura schon ein Thema, als die Marketingabteilungen der klassischen Supermärkte daran keinen Gedanken verschwendeten. Und die Märkte werden nach ökologischen Baukonzepten eingerichtet, mit Photovoltaik- und Geothermie-Anlagen.

“Wir orientieren uns nicht primär an der Ökonomie, sondern stellen den Kunden in den Mittelpunkt. Damit besitzt Alnatura eine andere Qualitätsphilosophie als viele Unternehmen, die im Markt agieren”, sagt Rehn, der aus einer Freiburger Arztfamilie stammt und als Manager bei Nestlé “Yes-Torty” auf den Markt brachte, bevor er sich mit Alternativen zur etablierten Lebensmittelindustrie beschäftigte.

Heute lässt Rehn über 1000 Produkte unter dem Namen Alnatura herstellen. Viele werden bei Partnern wie der Drogeriemarktkette dm, Tegut, Budnikowsky, Hit und Globus verkauft – eine Tradition aus dem Gründungsjahr 1984:

“Ich wollte mit eigenen Filialen anfangen, musste aber feststellen, dass das, was es damals an Bioprodukten zur Auswahl gab, nicht meinem Anspruch genügte. Deshalb stand ich vor der Entscheidung: aufhören – oder einen ganz neuen Weg finden.”

Er entschied sich für die Alternative, ließ selbst produzieren. Und verkaufte die Produkte bei dm und Tegut, deren Gründer Rehns anthroposophischer Weltanschauung mit ihren Handelsunternehmen eng verbunden waren. Erst 1987 eröffnete der erste eigene Alnatura-Laden in Mannheim. Heute stammen immer noch rund 50 Prozent des Umsatzes aus dem Verkauf in den “Depots”.

Eine konkrete Renditevorgabe diktiert der Gründer seinem Unternehmen nicht. Zumindest keine, die bisher öffentlich kommuniziert wurde. Gewinn ist für ihn “Saatgut”. Er sagt:

“Alnatura soll natürlich ein Ergebnis erwirtschaften, das uns Investitionen in der Zukunft ermöglicht.”

“In der Zukunft” bedeutet: jetzt.

Allein in den vergangenen vier Jahren wurden 30 neue Alnatura-Läden eröffnet, im laufenden Jahr sollen noch einmal zehn bis zwölf hinzu kommen: in Stuttgart, Hamburg, Berlin, Hannover, München, Aachen, Ravensburg. Ende des Jahres könnte die Zahl der Filialen auf 80 gewachsen sein. Die Läden sind sehr unterschiedlich: vom großen Filialneubau in städtischen Randbezirken bis zum kleinen kleinen City-Markt. Es sei doch “auch ökologisch, mit einem Laden genau dort hinzugehen, wo die Menschen wohnen und zu Fuß oder mit dem Fahrrad hinkommen können”, meint Rehn.

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Wie genau er die Orte für neue Märkte auswählt, verrät der Chef nicht. Wer sich das Neueröffnungsmuster ansieht, könnte auf die Idee kommen, dass eine hohe Kaufkraft im Einzugsbereich nicht ganz unwichtig sei. “Wir suchen Standorte, an denen Menschen leben, die Interesse an Alnatura haben. Das korreliert nicht nur mit dem Einkommen”, antwortet Rehn.

Es ist auch gar nicht so, dass man ihm das nicht glauben würde: dass er das Wachstum seines Unternehmens nutzen will, um tatsächlich eine “Mission” zu erfüllen, nämlich eine nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln.

Aber am Ende läuft die Expansion auch für Alnatura nach marktwirtschaftlichen Regeln. Und einer der  Wachstumsbeschleuniger ist es, schneller zu sein als die Konkurrenz. Die heißt Dennree, sitzt im bayerischen Töpen, drängt mit ihrer Ladenkette Denn’s in dieselben Städte wie Alnatura und zielt auch auf die gleiche Kundschaft. Derzeit gibt es 90 Denn’s-Filialen in Deutschland, der Umsatz im Geschäftsjahr 2012 lag bei 535 Millionen (inkl. Großhandel). Alnatura kam auf 516 Millionen.

Die Rivalität ist unübersehbar. Sie passt nur nicht in Rehns von Freundlichkeiten gelenkte Wachstumsvergleiche. Alnatura entwickele Produkte “für Kunden” und nicht “gegen Wettbewerber” ist das einzige, was er im Gespräch zu dem Thema sagt.

Dabei ist schon seit Jahren klar, wie sehr sich Alnatura und Denn’s in die Quere kommen würden. Zwei Jahrzehnte ließ Alnatura seine Läden vom Großhändler Dennree beliefern, 2007 erfolgte schließlich die Trennung und der Aufbau einer eigenen Logistik in Kooperation mit regionalen Bio-Großhändlern. Dennree war zum Wettbewerber geworden. Wie verbissen die Unternehmen um Kundschaft kämpfen, zeigte sich im vergangenen Jahr, als beide zum gleichen Zeitpunkt dem Bonusprogramm Payback beitraten. In den Broschüren zum Bonusprogramm ignorieren sich die Ketten gegenseitig, der Abdruck des Wettbewerberlogos wird vermieden.

Das passt schon eher zu den Gepflogenheiten der Handelsbranche.

Alnatura muss jetzt beweisen, dass die sich selbst auferlegten Regeln auch dann einhalten lassen, wenn wegen der zahlreichen Neueröffnungen plötzlich der Lieferbedarf wächst. Irgendwoher müssen die Bio-Produkte ja kommen. Zwingt Alnatura die Hersteller seiner Eigenmarken mitzuwachsen? Nein, sagt Rehn:

“Das lässt sich vorausschauend organisieren. Nämlich indem wir über unsere Hersteller Landwirte finden, die für uns auf ihren Flächen zum Beispiel Getreide anbauen.”

Die Milch stammte anfangs von 40 Bauern, heute seien es 140. Bei Erzeugern wie dem Brandenburger Ökodorf Brodowin oder dem Frankfurter Luisenhof ginge inzwischen ein Großteil der Produktion an Alnatura. Rehn nennt das “einen sehr gesunden Prozess” – “wie ein Baum, der immer mehr Ringe kriegt, wenn er wächst”.

Manchmal müsse aber auch nach ganz neuen Lösungen gesucht werden. Der italienische Tomatensoßenproduzent könne nicht einfach so sein Werk vergrößern, weil Alnatura gerne ein zusätzliches Produkt hätte. Weil die Auslastung das ganze Jahr über stimmen muss, und nicht nur zur Erntesaison. Rehn sagt:

“Wir wissen, dass wir mit Herstellern langfristig zusammen planen müssen. Ab einer gewissen Menge suchen wir uns aber tatsächlich einen zweiten oder dritten Produzenten.”

Wo Alnatura den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt und welche Rolle der Preis im Bioladen spielt, steht im nächsten Blogeintrag.

Fotos: Alnatura (1), Supermarktblog

Alnatura und die Frage: Wie billig darf Bio sein?

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Haben Sie schon den ersten Teil des Alnatura-Porträts gelesen? Falls nicht: bitte hier entlang.

* * *

Götz Rehns Bioladenkette Alnatura gehört zu den Gewinnern des Bio-Booms im deutschen Lebensmittelhandel. Allein in diesem Jahr sollen bis zu zwölf neue Filialen eröffnen. Viele unabhängige Betreiber von Biomärkten, die keine eigene Logistik und keine günstigen Eigenmarken im Sortiment haben, sind alles andere als erfreut von der wachsenden Kettenkonkurrenz. Vor allem wenn die in ihrer Nachbarschaft aufmacht, weil sie ja dieselbe Zielgruppe hat.

Aus Sicht der Kunden scheint Alnatura aber alles richtig zu machen. Umfragen bescheinigen Rehns Handelskette regelmäßig ein gutes Image. Daran wird die professionelle Eigeninszenierung nicht ganz unschuldig sein. Dass Alnatura in mancher Hinsicht den selbst formulierten Ansprüchen hinterherhinkt, scheint für viele Kunden verschmerzbar.

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Bei der Produktion von Eigenmarken ist das hessische Unternehmen mit der Transparenz bisher arg zurückhaltend: Hersteller sind auf den Verpackungen nicht angegeben. Selbst Discounter wie Lidl und Penny sind da auskunftsfreudiger. Rehn klingt ausweichend, wenn er sich dazu äußert:

“Alnatura arbeitet mit eher kleinen Firmen zusammen und hatte mit diesen Herstellern gemeinsam noch nicht das Selbstbewusstsein, das offener zu kommunizieren.”

(Vielleicht auch bloß nicht die Lust, sich die Lieferanten von der Konkurrenz abwerben zu lassen.) Er verspricht aber:

“Wir arbeiten daran, mehr Transparenz zu schaffen. Derzeit kümmern wir uns um neue Packungsentwürfe. Da kann es gut sein, dass sich schon etwas tut.”

Als vor drei Jahren öffentlich diskutiert wurde, dass Alnatura-Mitarbeiter nicht tarifgebunden bezahlt würden, war das in den Zeitungen natürlich ein Skandal. Rehn beugte sich dem Druck (siehe Interview in der “Süddeutschen”).

Und dann ist da, wie gesagt, Payback: Das von Kritikern als Datensammelkrake verachtete Bonusprogramm, das den teilnehmenden Händlern den direkten Zugang zu Kunden und deren Einkaufsverhalten ermöglicht. Wer sich angemeldet hat, zeigt an der Kasse seine Karte vor und kriegt Bonuspunkte gutgeschrieben, die er später für Gutscheine oder Prämien einlösen kann. Man braucht schon viel Fantasie, um zu verstehen, wie das zu einem Unternehmen mit einer Philosophie wie Alnatura passen soll. Payback ist reine Ökonomie: Du kriegst meine Daten, ich ein paar Cent Rabatt.

Viele Kunden hätten gefragt, ob sie nicht endlich auch bei Alnatura Punkte sammeln könnten, erwidert Rehn. “Wir haben uns deshalb intensiv damit auseinandergesetzt. Payback ist ein Werkzeug, jetzt kommt es nur darauf an, wie wir das System einsetzen.” Vorstellbar sei zum Beispiel, dass die Kunden ihr Guthaben sozialen oder ökologischen Projekten spenden könnten. “Ich finde, das ist ein schöner Bewusstseinsprozess: Den Menschen die Wahl zu lassen.”

(Ganz so unbedenklich wie Rehn es darstellt, war die Payback-Einführung wohl nicht: An den Alnatura-Kassen liegen Faltblätter aus, mit denen der misstrauischen Kundschaft die Unbedenklichkeit der Datensammlung durch Payback erklärt werden soll.)

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Und wenn wir mal ehrlich sind, ist es am Ende auch im Bioladen nicht nur das gute Gefühl oder die Weltverbesserungshoffnung, die über den Erfolg entscheiden, sondern – der Preis. Weil die Zahl der Kunden, die überhaupt nicht aufs Geld achten müssen, beschränkt ist. Rehn dreht den Spieß erstmal um:

“Die Mission von Alnatura ist es, beste Qualität in ästhetischer Anmutung zum günstigsten Preis zu bieten. Sie müssen sich natürlich für eine Reihenfolge entscheiden. Unsere Entscheidung lautet: Erst die Qualität, dann der Preis.”

Das klingt zwar gut, vernachlässigt aber die Tatsache, dass Alnatura sehr wohl die Preise seiner Produkte als Lockmittel einsetzt, um Kunden zu gewinnen. Im vergangenen Jahr senkte die Kette von einem Tag auf den anderen die Preise von 150 Produkten, und zwar als “Signal zur Förderung des ökologischen Landbaus”, “indem die Kunden mehr Bio für ihr Geld bekommen”. (Wieso das Billig-Bio aus dem Supermarkt sich dann nicht auch als “Signal” eignet, ist noch nicht geklärt.)

Wettbewerber jedenfalls sind wenig begeistert von der Alnatura-Taktik. Stephan Paulke, Geschäftsführer der Bioladenkette Basic, sagte der “Lebensmittelzeitung” gerade, Alnatura setze “in der Kommunikation immer stärker auf den Preise” und entwickele sich “in eine sehr diskontierende Richtung”. (Das ist natürlich ein lustiger Vorwurf für den Chef eines Bio-Händlers, der – unter anderer Leitung – mal kurz vor der Pleite stand, weil er sich die Discount-Gruppe Schwarz [Lidl, Kaufland] als Geldgeber ins Boot holte.)

Es ist offensichtlich ein großes Problem, das richtige Preisniveau für Bio-Lebensmittel zu finden. Wenn die Preise zu niedrig sind, werden die Erzeuger in dieselben Zwänge gedrängt wie in der koventionellen Landwirtschaft. (Oder verfallen in den Reflex, der zum Bio-Eier-Skandal vor zwei Monaten geführt hat.) Sind sie zu hoch, wird sich Bio kaum bei der Mehrheit der Verbraucher als Normalfall durchsetzen lassen.

“Nach all den Skandalen, von denen wir immer wieder in den Medien hören, wollen die Kunden doch irgendwann einmal darauf vertrauen, dass das, was sie im Laden offeriert bekommen, das Bestmögliche ist und der Händler die Qualitätsfrage ernst nimmt”, sagt Rehn.

Dass hat natürlich auch der Wettbewerb erkannt – und etabliert deshalb, außer eigenen Bio-Sortimenten, gerade eine Art “Bio light”: Rewe wirbt mit dem Nachhaltigkeits-Label (“Pro Planet”), Edeka verkauft zertifzierten “Fisch mit gutem Gewissen” und Kaufland Fleisch mit “Tierwohl-Siegel”. Die Vertrauenskonkurrenz nimmt zu. Gar nicht so einfach, den Leuten zu erklären, wozu es dann noch ein spezielles Bio braucht. Vor allem, wenn das in großen Mengen aus dem Ausland importiert werden muss.

Im nächsten Jahr wird Alnatura 30 Jahre alt. Bis dahin werden wieder ein paar neue Filialen dazu gekommen sein. “Wir alle sichern uns durch unsere Arbeit wechselseitig die Existenz, vom Bauern über den Händler bis zum Verbraucher”, sagt der Firmengründer.

“Wirtschaft ist ein soziales Netzwerk, das arbeitsteilig aufgebaut ist. Dessen müssen wir uns bewusst sein.”

Wenn es nur so einfach wäre.

Fotos: Supermarktblog

Warum wir allein mit Bio (erstmal) nicht die Welt retten

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Rewe-Tortellini mit Pro-Planet-Label

Anfang des Jahres hat Rewe im “Edeka/Rewe-Check”, den im Ersten fast 6 Mio. Zuschauer gesehen haben, für sein “Pro Planet”-Label ziemlich eins auf den Deckel gekriegt (Sendung in der Mediathek ansehensiehe dazu auch Supermarktblog). Das Logo wird seit 2010 auf Eigenmarken-Produkte gedruckt, bei deren Produktion sich Rewe nach eigener Darstellung darum bemüht, die Umwelt weniger zu belasten und von den Produzenten klare Sozialstandards für deren Mitarbeiter einzufordern.

Der WDR behauptete in seiner Sendung, einen spanischen Betrieb gefunden zu haben, in dem die Sozialstandards, mit denen Pro Planet wirbt, ein Märchen sind – und holte einen Gewerkschafter vor die Kamera, der erklärte, die von Rewe gestellten Anforderungen seien kaum zu gewährleisten.

Rewe fühlt sich zu unrecht angegriffen. Das Unternehmen veröffentlichte eine Stellungnahme, in der es erklärte, die von den WDR-Reportern interviewten Tagelöhner in Spanien seien nicht als Arbeiter eines Pro-Planet-Betriebs ausfindig zu machen gewesen. Und wenn dem doch so sein sollte, wäre das Verhalten des Produzenten ein Kündigungsgrund:

“Der Einsatz von illegalen Einwanderern stellt nach den Pro Planet-Vorgaben grundsätzlich einen Rechts- und damit einen Vertragsbruch dar. (…) Erfährt die Rewe Group von solchen Rechtsbrüchen, so wird das entsprechend sanktioniert bis hin zu Auslistung.”

Das Problem sind wohl: die Kontrollen. Die Hersteller können sich ja verpflichten, die Rewe-Standards einzuhalten – im Tagesgeschäft wird das aber nicht ständig, sondern laut Rewe bloß “stichprobenartig” kontrolliert.

Eine Beschwerde, die Rewe beim WDR-Rundfunkrat zum “Markencheck” eingereicht hat, ist von diesem noch nicht behandelt worden. (Da war man gerade mit anderem beschäftigt.)

Eigentlich geht es aber gar nicht um die Sendung, die Rewe natürlich deshalb so ärgert, weil die Zuschauer danach den Eindruck hatten, sie würden mit der Pro-Planet-Initiative hinters Licht geführt. Sondern darum, was ein Supermarkt tatsächlich unternehmen kann, um eine nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln zu fördern. Zu allererst einmal ist Pro Planet für Rewe gutes Marketing – oder wie es im Unternehmen heißt: ein “Differenzierungsmerkmal”, also eine Besonderheit, die Rewe von vielen Konkurrenten abhebt. Aber: Meint Rewe es damit wirklich ernst?

Zumindest gibt man sich große Mühe, genau das zu versichern: “Verantwortliches Handeln im Sinne der Umwelt und der Gesellschaft” sei “Bestandteil der Unternehmenskultur”, heißt es in Köln. Zu Beginn dieser Woche diskutierten die Mitarbeiter der Rewe-Zentrale mit eingeladenen Herstellern, Lieferanten, NGO-Vertretern und Kaufleuten in Berlin darüber, wie Rewe noch nachhaltiger werden könnte. Mit neuen, grünen Produkten, energieschonenden Filialen, einem verantwortungsvollen Umgang mit Mitarbeitern und gesellschaftlichen Engagements.

“Wir wollen ein moderner, lokaler, sympathischer, verantwortungsbewusster Supermarkt sein”, sagte Lionel Souque, der im Rewe-Vorstand das Supermarkt-Geschäft verantwortet, zur Begrüßung.

Ja, prima, sagen Sie jetzt vielleicht: Warum verkauft Souque ab sofort dann nicht ausschließlich Bio-Produkte? Die sind doch nachhaltig. Und sympathisch.

Weil zum Nachhaltigsein immer zwei gehören, in diesem Fall: der Supermarkt – und die Kunden. Also wir.

Nicola Tanaskovic, Funktionsbereichsleiterin für Nachhaltigkeitsprojekte bei Rewe, erklärte in einer der Arbeitsgruppen: “Die Preissensibilität im deutschen Markt ist groß. Wenn wir unsere Produkte nachhaltiger machen wollen, bringt das auch Kosten mit sich, die wir irgendwann an die Kunden weitergeben müssen.” Derzeit sei das noch nicht bei allen Artikeln der Fall. Man wolle die Konsumenten deshalb “für das Thema sensibilisieren”.

Das wird kein leichter Job – nicht nur weil Nachhaltigkeit (geht Ihnen das ähnlich?) so ein unglaublich sperriger und dröger Begriff ist. Viele Leute können sich darunter alles und nichts vorstellen. Das ist aber nur eines der Probleme. Professor Stefan Schaltegger hat in seinem Vortrag über die “Herausforderungen auf dem Weg aus der Nische zum Massenmarkt” bei der Rewe-Veranstaltung noch ein paar mehr parat gehabt. Schaltegger ist Leiter des Centre for Sustainability Managment (CSM) an der Leuphana-Universität in Lüneburg (wo sich Nachhaltigkeit sogar studieren lässt). Er glaubt: Wenn wir wirklich viel mehr Produkte unter fairen Bedingungen herstellen wollen, die die Umwelt weniger belasten, dann geht das nur schrittweise.

Schaltegger unterscheidet zwischen der Nische und dem Massenmarkt. Die Nische, das sind Bio-Artikel, die klare Vorgaben für die Herstellung haben – aber derzeit gerade einmal 3,9 Prozent der in Deutschland verkauften Lebensmittel ausmachen.

“Diese Nische lässt sich nicht auf einen Massenmarkt übertragen”, ist Schaltegger überzeugt. Er schlägt eine “Nachhaltigkeitsaufwertung des Konventionellen” vor, also nichts anderes als eine Verbesserung eines Teils der ganz normalen Produkte, die von der Mehrheit gekauft werden. Und zwar, indem man nach und nach einzelne Kriterien des Produktionsprozesses verbessert. So ähnlich soll Pro Planet bei Rewe funktionieren. Kategorien sind zum Beispiel: “wasserschonend angebaut”, “Artenvielfalt schützend” und “unterstützt ressourcenschonenden Anbau”. (Ein anschauliches konkretes Beispiel dafür steht hier.) Ähnlich ist es aber (wie schon im vorigen Blogeintrag erwähnt) mit zertifiziertem Fisch und Fleisch mit Tierwohl-Siegel bei anderen Anbietern.

Schalteggers Theorie zufolge interessiert sich die Masse bisher gar nicht so sehr dafür, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden. (Oder, um das zu ergänzen: nur sehr kurzfristig, wie der Pferdefleisch-Skandal gezeigt hat.) Über den Unterschied zu den Konsumenten in der Nische, also den überzeugten Bio-Käufern, sagt er:

“Im Massenmarkt sind die Konsumenten nicht bereit, gleich viel Zeit zu investieren, um sich zu informieren.”

Das zweite Problem ist: Die, die sonst schon Bio kaufen, verstehen nicht, warum sie im Supermarkt Produkte mitnehmen sollten, die im Vergleich dazu geringere Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. “Dieser scheinbare Widerspruch muss erklärt werden”, sagt Schaltegger. Zum Beispiel, indem ein Supermarkt konkrete Ziele vorgibt, also den Kunden erklärt, was er langfristig vorhat, und dass das nur Schritt für Schritt geht, damit möglichst viele Leute mitziehen. Auch die, für die das bisher kein Thema war.

Vielleicht gelingt das, indem man die Nachhaltigkeit eines Produkts gar nicht so sehr in den Vordergrund stellt – sondern stattdessen mit einem Zusatznutzen wirbt: wenn also ein Waschmittel “antiallergen weil schadstoffarm” ist. Es wurde umweltschonend hergestellt (ohne Schadstoffe), aber kaufen wollen es die Leute vielleicht wegen der Garantie, dass ihnen nach dem Waschen beim Klamottentragen vor lauter Chemie nicht die Haut explodiert.

Schaltegger ist überzeugt:

“Wir brauchen eine nachhaltige Transformation des Massenmarkts. Nischen reichen nicht.”

Es wird für Supermärkte, zum Beispiel Rewe mit Pro Planet, ein hartes Stück Arbeit sein, das so durchzusetzen, dass die Kunden es nicht nur verstehen, sondern mittelfristig auch bereit sind, für die entsprechenden Produkte mehr zu bezahlen. (Zumal da immer das Misstrauen ist: Wird ein Preis tatsächlich erhöht, um die Produktionsbedingungen zu verbessern, oder ist das auch eine Gelegenheit für den Händler, seine Marge zu erhöhen?)

Mich macht das automatisch misstrauisch, wenn Rewe – wie gerade – eine “Themenwoche Umweltschutz” veranstaltet, dafür seine Website grün einfärbt und Baumumarmungsbilder ins Netz stellt. Weil das so dick aufgetragen ist. Ähnlich wie die Aktion, die Kunden aufzufordern, an diesem Samstag mit dem Rad zum Einkauf zu kommen; Rewe will dann für jeden Radler, der zwischen 8 und 12 Uhr eintrifft, einen neu gepflanzten Baum spenden.

Website zur Rewe-Umweltwoche

Das ist ja schön und gut.

Aber vielleicht hätte im Marketing dann jemand drauf achten können, dass im aktuellen Newsletter unter der Baumpflanz-Aktionsankündigung nicht gleich das Angebot der Rewe-Touristiksparte für die Bangkok-Reise steht (“Bald ist wieder Urlaubszeit!”).

Ein einfacher Flug von Berlin nach Bangkok setzt laut Atmosfair pro Person ca. 2320 kg CO2 frei, mehr als ein Jahr Autofahren bzw. ungefähr das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen. (Und das auch nur, wenn Sie dort bleiben.) Um das wieder aus der Atmosphäre zu holen, braucht der eine kleine Spendenbaum schon ziemlich große Unterstützung. Mit solchen Patzern macht sich’s Rewe nicht gerade leichter, glaubwürdig zu wirken.

Ach so: Schönen Restweltumwelttag noch!

Foto: Supermarktblog

Was kommt heute auf den Tisch? Kaiser’s und Rewe im Kochduell

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Einst sorgte der Mensch als Jäger und Sammler dafür, Tag für Tag satt zu werden. Das Jagen hat sich schon seit einer ganzen Weile erledigt (außer wenn wieder irgendwo Schlussverkauf ist). Und das Sammeln der zurechtportionierten Lebensmittel im Supermarkt ist auch ziemlich lästig geworden, seitdem ein Großteil der Bevölkerung bis spätabends im Büro bleibt, um noch schnell die Powerpoint-Präsentation für morgen fertig zu kriegen.

Vielleicht ist das “Kochhaus” mit seinem Konzept deshalb so erfolgreich.

Vor drei Jahren eröffnete in Berlin die erste Filiale, inzwischen gibt es deutschlandweit acht Läden (und einen Haufen Nachahmer, die das Prinzip zum Online-Versand umfunktioniert haben). Im Kochhaus sind sämtliche Zutaten nach Rezepttischen geordnet. Alles, was es für die – wöchentlich wechselnden – Gerichte braucht, gibt’s an ein und derselben Stelle. Das ist furchtbar praktisch, weil es einem nicht nur das Suchen im Supermarkt abnimmt, sondern gleich auch die Frage, was überhaupt gekocht werden soll.

Und es ist ein bisschen seltsam, weil Kunden dafür Lebensmittel mit saftigem Preisaufschlag einkaufen, von denen sich manche vorher schon schön im Schaufenster gesonnt haben. (Die Lebensmittel, nicht die Kunden.)

Die Supermärkte haben dieses Bedürfnis der Konsumenten lange verpennt. Dabei sitzen sie doch sozusagen an der Quelle. Es müsste eigentlich ein Kinderspiel sein, den Leuten nicht bloß eine aufgeräumte Gemüseabteilung und frischen Fisch an der Theke zu bieten, sondern gleich die Inspiration dazu, wie daraus ein leckeres Abendessen werden kann. Jetzt sind Kaiser’s und Rewe aufgewacht – und versuchen genau das. Mit überschaubarer Inspiration und zwei sehr unterschiedlichen Rezepten.

"Ideen-Regal" in einer Berliner Kaiser's-Filiale

Kaiser’s: “Ideen-Regal” in einfacher Rezeptmarinade

Die Zutaten: 1 schmales Regal, einige bunt bedruckte Rezeptkärtchen, Lebensmittel

Die Zubereitung: Das Regal in die Obst- und Gemüseabteilung geben, vorher das Plakat mit dem Rezept der Woche einhängen, z.B. Folienspargel mit Frühlingskräuterbutter und Pfannkuchen, gefüllte Blätterteigtaschen mit Champignons und buntem Salat oder Putensteaks mit Kartoffel-Saltimbocca-Spießen. (Dann fühlen sich die Kunden nicht unnötig überfordert.) Währenddessen die Rezeptkärtchen vorbereiten. Einmal in der Mitte falten und dann seitlich lochen, so lässt sich das Rezept nach der Mitnahme leichter abheften. Anschließend die für das jeweilige Gericht notwendigen Zutaten ins Regal füllen. Für eine Woche im normal temperierten Laden stehen lassen. Montags mit neuem Rezept wiederholen.

(Nicht vergessen, die “Idee der Woche” im Werbeprospekt anzukündigen.)

Kaiser's-Rezeptkärtchen fürs "Ideen-Regal"

Das Urteil: Anspruchsvolle Kunden werden sich vom Originalitätsgrad der Rezepte eher nicht überzeugen lassen. Der angegebene “Schwierigkeitsgrad” ist meistens: 1. Und in der “Getränkeempfehlung” auf den Kärtchen heißt es schon mal lapidar: “Dazu schmeckt: eine Apfelsaftschorle”.

Die Zutatenübersicht ist jedes Mal exakt so fotografiert wie beim Kochhaus. Und irgendwie wird man den bösen Verdacht nicht los, dass es sich beim “Ideen-Regal” von Kaiser’s nicht um eine ehrliche Empfehlung, sondern bloß um einen schnöden Marketing-Gag handelt: Die unglückliche Konstruktion hat im Laden keinen festen Platz, wird deshalb irgendwo zwischen Kühltisch und Obstpalette gerammt und wäre ziemlich leicht zu übersehen, wenn sie in manchen Filialen nicht so schön im Weg herumstände. Das größte Problem der vermeintlichen Kochinspiration ist aber, dass sie den Kunden mahnt:

“Einige Zutaten für das Rezept der Woche finden leider keinen Platz in diesem Regal.”

Kaiser's-Rezeptkärtchen fürs "Ideen-Regal"

Im Kochhaus ist das anders, da steht neben jedem Rezepttisch eine Minikühlung für Milchprodukte und Fleisch. Bei Kaiser’s muss der Kunde aber doch wieder suchen. Zumal die übrigen Zutaten auch nur in Ausnahmefällen mit dem versprochenen “Regalfähnchen” gekennzeichnet sind. (Ehrlich gesagt ist so eine zehn Zentimeter breite Papierlasche in einem Laden, der viele tausend Produkte anbietet, sowieso ein Witz.)

Dazu kommt, dass Kunden, die sich im “Ideen-Regal” bedienen, ordentlich Geld abgenommen kriegen, weil – abgesehen von Kaiser’s-Eigenmarken – oft die teuerste Variante einer Zutat einsortiert ist. (Das Oregano für die Marinade der Rezepts aus der Vorwoche kostete im ‘Ideen-Regal’ stolze 2,69 Euro für 9 Gramm, ein paar Meter weiter im ideenlosen Gewürzregal 1,79 Euro für 20 Gramm eines anderen Herstellers.)

Anders formuliert: Wer aus dem “Ideen-Regal” einkauft, bezahlt einen mäßig originellen Kaiser’s-Rezepttipp, wie zur Spargelzeit mal Spargel zu kochen, teuer an der Kasse. Als vertrauensbildene Maßnahme eignet sich dieser Versuch eher nicht.

Dazu passt: die wenig vertrauensbildende Maßnahme, beim Kaiser’s-Lieferdienst höhere Preise zu verlangen als beim Einkauf im Laden – trotz zusätzlicher Liefergebühr.

Rewe: Testsüppchen nach Showkochart vor Probiergarnitur

Die Zutaten: 1 Showkoch mit Begleitung, 1 Bierbankgarnitur (gebraucht), 2-3 Stehtische, ca. 100 Probierschälchen, 1 Vorstandsvorsitzender, der in einem Zeitungsinterview erklärt, den stationären Handel wieder attraktiver machen zu wollen:

“Wir müssen ihn sozusagen als Marktplatz gestalten und das Einkaufen zum Erlebnis machen. (…) Wir werden Kochangebote in Märkten veranstalten. Da kocht dann einer was vor, und anschließend nehmen Sie sich alle Zutaten mit und kochen zu Hause in fünf Minuten nach. Das ist mehr als pures Einkaufen.”

Die Zubereitung: Tische mit Sonderangeboten aus dem Markt räumen, aufbewahren; den Showkoch zwischen Konservenregal und Kühltheke ein deftiges Spargelsüppchen zubereiten lassen. Vorbeilaufende Kunden von der Showkochbegleitung mit dem Versprechen “Hier geht heute keiner hungrig raus!” anflöten, einfangen und zum Testessen überreden. Irritierte Blicke vorher abtropfen lassen. Zum Schluss entsprechende Rezeptblätter auf die gesättigten Kunden geben und abservieren.

Showkochstation in Berliner Rewe-Markt

Noch schöner wird so ein Showkochen mit der entsprechenden Verzierung: Promotion-Stände von Herstellern, die Milchprodukte und Kochbananen verköstigen, an wackeligen Stehtischen ca. 2 Meter davor positionieren. Wahlweise mit einem Selbstgebackene-Kuchen-Büffet auf Bierbänken garnieren.

Das Urteil: Fürs Sommerfest im Kindergarten oder das Vereinsgrillen wäre das ein echter Hit – aber im durchdesignten Rewe-Markt mit den glänzenden Bodenfliesen, den modernen Kühltheken und dem ausgefeilten Lichtkonzept wirkt die improvisierte Aktion eher fehl am Platz. Tipp: Wenn Kunden beim Spargelsüppchennachkochen zuhause feststellen, dass beim mitgenommenen Rezept weder die Angaben zur Zubereitung vollständig sind noch die Mengenangaben stimmen, macht sie das nicht besonders glücklich.

Dazu passt: der Rewe-Plan, in Köln ein supermarktangeschlossenes Pasta-Bistro zu testen. Hoffentlich ohne Bierbänke.

Mag jemand Nachschlag?

Fotos: Supermarktblog

Adieu, 1-Cent-Münzen! Warum uns dm heimlich “Rundungsrabatt” gibt

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dm-Logo

Um ihre Rabattaktionen bekannt zu machen, legen sich Händler normalerweise mit schrillen Radiospots und knallbunten Werbeprospekten ins Zeug. Nur über ihren kleinen “Rundungsrabatt” verliert die Drogeriemarktkette kaum ein Wort. Manchmal ist er wie ein schneller Schnupfen: einfach da. Auf dem Einkaufszettel steht dann (je nach Betrag) z.B.:

“Rundungsrabatt -0,02 Euro”

Wollen Sie wissen wieso?

Ganz einfach: Vieles im Leben kostet Geld. Sogar Geld kostet Geld. Damit Sie an der Kasse mit den Scheinen bezahlen können, die der Geldautomat vorher ausgespuckt hat, muss ein Händler Wechselgeld bereithalten. Je nach Laden sogar viel Wechselgeld. Das wird seit zwei Jahren nicht mehr von der Bundesbank ausgegeben, sondern von privaten Unternehmen in Kooperation mit den Geschäftsbanken. Und die verlangen für ihren Wechselgeldservice Gebühren.

Eine Studie der Steinbeis-Hochschule in Berlin ist kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Bargeldverkehrs sogar bei mehr als 8 Milliarden Euro liegen, zusammengerechnet aus Transport, Bereitstellung und entgangenen Zinsen. Kartenzahlungen würden hingegen “nur” 800 Millionen Euro Kosten verursachen. (Die Bundesbank reagierte daraufhin irritiert: Die Zahlen seien für sie nicht nachvollziehbar. Dabei ist’s ja ganz einfach: Die Studie ist im Auftrag des Karten-Dienstleisters Mastercard entstanden. Mastercard legt übrigens Wert darauf, keinen Einfluss auf die Ergebnisse genommen zu haben. Hm.)

Jedenfalls: Mehr Münzen kosten auch mehr Geld.

Also hat sich dm einfach entschieden, weniger Münzen in der Kasse zu haben – und zwar die zu 1 und 2 Cent. Sämtliche Produktpreise im Laden enden deshalb auf 0 oder 5. Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung, erklärt auf Supermarktblog-Anfrage:

“Im Zuge des Verzichts auf lockende Aktionspreise und der erfolgreichen Einführung der niedrigen Dauerpreise haben wir für unsere Kunden Mitte der 90er Jahre konsequent auf 5er-Endungen bei unseren Preisen umgestellt. Dies soll den Kunden und unseren Mitarbeiterinnen an der Kasse eine komfortablere Kleingeldhandhabung ermöglichen. Darüber hinaus ist uns wichtig, unseren Kunden kein scheinbares (und rein lockendes) Unterschreiten von Preisschwellen zu suggerieren.”

Preise bei dm enden auf 0 oder 5

Innerhalb der EU ist schon öfter überlegt worden, die 1- und 2-Cent-Münzen komplett abzuschaffen. Bisher haben sich aber nur die Niederlande und Finnland getraut, das zu versuchen: In niederländischen Läden wird an der Kasse auf volle 5er-Beträge auf- oder abgerundet, im Mittel gleicht sich das für Handel und Kunden aus.

In Deutschland ist dm mit dem Runden noch allein. (Kennen Sie weitere Händler? Dann schreiben Sie die doch bitte in die Kommentare!) Allerdings mit der Konsequenz, dass Konkurrenten sich wegen der zunehmenden Marktmacht von dm im Drogeriehandel gezwungen fühlen, nachzuziehen. Aldi Nord hat gerade die Preise einiger Drogerieprodukte angepasst: von 9er auf 5er-Endungen.

Aldi passt sich im Drogerieregal dm an

Wenn dm-Kunden an der Kasse mit 1- und 2-Cent-Münzen bezahlen wollen, werden die trotzdem angenommen. Es gibt nur nicht per se einen Wechselgeldvorrat an 1- und 2-Cent-Münzen, weil an der Kasse ja durch die Preisendungen theoretisch nur runde Summen entstehen können. Praktisch passieren aber doch immer mal unrunde Beträge. Harsch sagt:

“Wir runden auch ab auf 0er- oder 5er-Endung der Gesamtsumme, sollte sich aus rechnerischen Gründen, wie beispielsweise bei Foto-Aufträgen, doch eine andere Summen-Endung ergeben.”

Der Rundungsrabatt existiert also, um ungerade Preisendungen auszugleichen und die Kassiererin nicht in Wechselgeldnot zu bringen. Die paar Cent, die dm dabei verloren gehen, dürften sich locker dadurch einsparen lassen, dass weniger Münzen bestellt werden müssen. Und die Rabattbereitschaft hat ihre Grenzen: Sobald ein Kunde an der Kasse einen ungeraden Betrag produziert, aber nicht bar, sondern per Karte bezahlt – wird ihm auch der ungerade Betrag vom Konto abgezogen.

Fotos: Supermarktblog

Statistik-Schnäppchen (3): Mango mortale?

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Fragen Sie sich manchmal auch: Wie kommt das Obst vom anderen Ende der Welt eigentlich so günstig zu uns in den Laden? Oxfam hat sich erkundigt: bei den Arbeitern, die in Peru Mangos verpacken, um sie an deutsche Supermärkte zu liefern.

Mangos aus dem Supermarkt

2011 wurden 57160 Tonnen Mangos nach Deutschland importiert, 42 Prozent davon aus Brasilien, 28 Prozent aus Peru, 5 Prozent aus Europa.

Eine Mango kostet bei Netto (ohne Hund) in dieser Woche: 1,19 Euro.

Die staatlich festgelegte Armutsgrenze für die Mango-Anbauregion im peruanischen Piura liegt bei monatlich 417 Euro pro Familie. Für die Landwirtschaft gilt diese Grenze nicht, hat die peruanische Regierung beschlossen – um die Exportlandwirtschaft zu fördern. Die von Oxfam befragten Arbeiter erhalten von den Exporteuren, die sie beschäftigen, monatlich etwa 238 Euro.

Die Erntezeit für Mangos ist auf ca. fünf Monate begrenzt. Die Mehrheit der Arbeiter aus der Oxfam-Studie haben Verträge, die auf drei Monate befristet sind.

In der Hochsaison sind Arbeitstage mit 10 bis 12 Stunden die Regel. In manchen Verträgen ist “die freiwillige Ableistung von höchstens 24 Überstunden pro Woche” geregelt.

Ein Arbeiter muss pro Tag ca. 90 Kisten mit Mangos packen. Eine volle Kiste wiegt 25 Kilo.

* * *

Oxfram schreibt, deutsche Discounter träfen mit ihren Lieferanten keine Saisonabsprachen, in denen Maximum- und Minimumpreise sowie ungefähre Liefermengen pro Woche vereinbart sind, sondern schrieben ihr benötigtes Volumen wöchentlich neu aus. Damit ließen sich Mengen und Preise ständig neu verhandeln. Das Risiko tragen allerdings die anderen, wenn sie auf ihren Früchten sitzenbleiben.

Auf Supermarktblog-Anfrage nennt Netto (ohne Hund) als Grund: eine” bessere Planbarkeit hinsichtlich der verfügbaren Mengen”. Man unterstütze aber “alle Bestrebungen, die bestehenden Standards für den Anbau von Obst und Gemüse weiterzuentwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung und Kontrolle angemessener Arbeitsbedingungen”. Die Einhaltung sozialer Mindeststandards von Lieferanten werde “verbindlich” eingefordert.

Aldi Nord erläutert auf Anfrage, man könne die Darstellung von Oxfam “nicht nachvollziehen”: Einkaufspreise würden “nicht wöchentlich neu verhandelt”. “Im Gegenteil: Unsere Lieferanten haben durch uns die volle Zusicherung, das ganze Jahr hindurch Mangos an uns zu liefern, sofern unsere Qualitätsvorgaben eingehalten werden.” Die Lieferanten würden die Bedarfsmengen einschätzen können.

Lidl verweist auf seine Stellungnahme gegenüber Oxfam und bestätigt darin, wöchentliche Preise auszuhandeln. Einen Grund nennt Lidl nicht.

* * *

Die Studie “Mangos mit Makel” mit einer ausführlichen Darstellung der Arbeitsverhältnisse in Peru und den Handelspraktiken deutscher Discounter und Supermärkte ist hier als pdf herunterladbar.

Andere “Statistik-Schnäppchen” lesen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Oxfam, eigene Anfragen

Warum Supermärkte immer ganz genau wissen, wie das Wetter wird

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Sicherlich kennen Sie das Sprichwort: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsches Essen. (Oder so.) Dieses Sprichwort wird aussterben. Und im britischen Channel 4 hat der moderierende Landwirt Jimmy Doherty kürzlich erklärt, warum (Trailer bei Youtube ansehen). Dafür ist er ins Verteilzentrum der großen britischen Supermarktkette Morrisons gefahren, um sich anzusehen, wie dort die “Picker” arbeiten – also die Leute, die mit dem Automatikstapler von einem Regal zum nächsten sausen, um vom Computer angesagte Produkte für die Paletten einzusammeln. Und um sich vom Lagerleiter einweihen zu lassen, was dieser Job mit der Wettervorhersage für die nächsten Tage zu tun hat.

Die gehört für viele Supermarktketten inzwischen zu den wichtigsten Kriterien für die tägliche Planung. Weil sie mitentscheidend dafür ist, zu welchem Regal die “Picker” gelotst werden, um die wöchentlich 3,5 Millionen Paletten zu füllen.

Arbeiter in einem Morrisons-Großlager / Screenshot: Channel 4

Damit immer die richtigen Produkte im Laden liegen, gleicht Morrisons seine Kassendaten mit dem Wetter ab – bis zu fünf Jahre rückwirkend. Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, was die Kunden das nächste Mal kaufen wollen, wenn es draußen regnet, schneit oder die Sonne scheint.

Gut, die Wahrscheinlichkeit, dass im Dezember plötzlich die Eiswürfelnachfrage durch die Decke geht, ist eher unwahrscheinlich. Und dass vor Silvester der Sektvorrat aufgestockt sein sollte, versteht sich von selbst. Zumindest bräuchte es dafür keine aufwändige Datenauswertung.

Weil unser Einkaufsverhalten aber oft ganz und gar nicht mit gesundem Menschenverstand zu erklären ist, helfen die Statistiken den Supermärkten sehr wohl: um nämlich die Bestseller zu identifizieren, auf die man von alleine nicht gekommen wäre. Katzenstreu zum Beispiel ist bei Morrisons der Renner, wenn’s draußen kalt ist – weil die Kunden wohl annehmen, dass ihre Haustiere lieber drinnen bleiben wollen. Außerdem kaufen die Leute wie bescheuert Spülmaschinensalz – vermutlich als Alternative zum teureren Streusalz, um die Einfahrt freizueisen. Was allerdings ein Irrtum ist, wie Doherty aufklärt: Spülmaschinensalz löst kein Eis auf. (Jedenfalls britisches.)

Außerdem ermöglicht die Auswertung den Supermärkten eine viel feinere Abstimmung der Vorräte, die aus dem Großlager an die Märkte geliefert werden. Dass die Kunden Grillgut, Ketchup, Bier und Kohle einkaufen, wenn’s draußen Sommer wird, ist klar. Morrisons weiß aber auch ganz genau, wann: sobald drei warme Tage aufeinander gefolgt sind und die Temperatur 18 Grad übersteigt.

Burger-Produktion für die britische Supermarktkette Morrisons / Screenshot: Channel 4

Dann stellt nicht nur das Lager seine Lieferungen um, sondern auch die Fleischfabrik ihre Produktion, hat sich Doherty erklären lassen. Anstatt weiter Hackfleisch herzustellen, laufen bei entsprechender Wettervorhersage vor allem Burger vom Band. In der Morrisons-Fleischfabrik sind es in einer normalen Winterwoche 300.000; im Sommer 1,2 Millionen. Jedenfalls wenn nicht gerade Pferdefleischskandal ist.

Wie schnell das gehe, wollte der Channel-4-Moderator vom Fabrikleiter wissen. Und der meinte: Ein paar Minuten würden sie dafür schon brauchen.

Dieses Wissen ist natürlich von Vorteil für die Supermärkte, weil sie durch zielgenaue Produktion und Belieferung Geld sparen, indem sie weniger Ware produzieren, die im Regal liegenbleibt – und evtl. weggeschmissen werden muss.

Für die Kunden ist es praktisch, weil sie dann nicht umsonst zum Einkaufen fahren. Oder wie’s Doherty formuliert hat:

“Wenn sich die Temperatur ändert, wissen die Unternehmen, was wir kaufen – früher als wir selbst.”

Genau das ist aber auch das Problem. Weil’s nämlich unangenehm wird, sobald die Supermarktketten ihre gesammelten Daten nicht mehr anonym auswerten. Morrisons weiß nicht nur, wie sich das Kaufverhalten seiner Kunden bei einem ganz bestimmten Wetter ändert – sondern auch, wie das Kaufverhalten seiner Kunden in einer ganz bestimmten Stadt (und sicher auch: in einem ganz bestimmten Laden) ändert. Bis zur Erkenntnis, dass Sie bei Regen immer den Vorrat an Choco Crossies aufstocken, ist’s da kein weiter Weg mehr.

Wie und ob Morrisons eine solche “Überwachung” oder den Missbrauch personenbezogener Daten ausschließt – das hat Doherty leider vergessen zu fragen.

Screenshots: Channel 4


Die wurstgewordene Vitamintablette: Edekas Eigenmarken aus dem Lebensmittellabor

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Omega-3-Wurstaufschnitt von Edeka

Edeka ist es kürzlich gelungen, die Worte “Bratwurst” und “lebensnotwendig” in ein- und demselben Gedankengang für eine neue Eigenmarkenwerbung unterzubringen.* Und ganz sicher wird dieses Kunststück in die Marketing-Historie des deutschen Handels eingehen. Vorerst bleibt es aber die einzige Gewandtheit, mit der Edeka sein aktuelles Fleischsortiment zu begleiten im Stande ist.

In der vergangenen Woche sorgte ein im Netz veröffentlichter Protestbrief an die Verantwortlichen von Deutschlands größtem Lebensmittelhändler für Aufmerksamkeit, der sich kritisch damit auseinander setzte, dass Edeka zum geschlechtsspezifischen Bratwurstverkauf rät – und deshalb “Frauen-Bratwurst, besonders mager” bzw. “Männer-Bratwurst, deftig, kräftig gewürzt” anbietet.

(Zu einer annehmbaren Antwort auf diese Kritik wollte sich in der Hamburger Zentrale offensichtlich niemand herablassen.)

Dabei ist das nicht die einzige “Wurstinnovation”, die der Händlerverbund derzeit vorzuzeigen hat. Seit einigen Wochen bewirbt Edeka massiv “eine wirklich spannende Neuheit”, die es “exklusiv” in den eigenen Läden zu kaufen gebe, einen “wissenschaftlichen Erfolg”, der den Forschern des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV gelungen sei: Die neue Omega-3-Wurstserie. Oder wie Edeka es in seinem Händlermagazin formuliert:

“Lecker trifft gesund.”

Die Omega-3-Würste sind so eine Art fleischgewordene Vitamintablette. Sie enthalten die Omega-3-Fettsäuren DHA (Docosahexaensäure) und EPA (Eicosapentaensäure), die von der Wissenschaft als wichtiger Ernährungsbestandteil eingestuft werden, laut Edeka “zu einer normalen Herzfunktion bei[tragen]“, dummerweise aber keine natürlichen Wurstingredienzien sind. Stattdessen stecken sie vor allem in fettreichen Fischen wie Lachs, Makrele, Hering und Tunfisch. Die haben wiederum ein entscheidendes Problem: Die Deutschen essen zu wenig davon.

Also hat sich Edeka gedacht: Wenn der Konsument nicht zur Fettsäure kommt, muss die Fettsäure eben zum Konsumenten kommen. In die Wurst.

Falls Sie der technische Ablauf interessiert: Die IVV-Fraunhofer-Pansch… – äh: Forscher haben zu diesem Zweck “eine hochreine Form” der Fettsäuren aus Fischöl extrahiert, ein so genanntes “Ethylester”, das dann “als Emulsion in die Wurstbrätmasse eingearbeitet” wird: in Weißwurst, Leberkäse, Paprika-Lyoner, Bierschinken, Wiener und eben Bratwurst – allesamt fettreduziert (oder wie Edeka sagt: “gesund”) und mit dem Edeka-Eigenmarkenlogo auf der Verpackung. Die Emulsion verhindere zugleich, “dass die Produkte einen Fischgeruch entwickeln – ein wichtiges Verkaufsargument für Konsumenten”.

Nochmal zum Mitschreiben:

Weil wir zu wenig Fisch essen, obwohl das Gegenteil ernährungstechnisch ratsam wäre, stattdessen aber sehr gerne Wurst, hat Edeka die guten Fettsäuren aus dem Fisch in die Wurst massiert und rühmt sich jetzt damit, dass die nicht mal nach Fisch schmeckt.

Merkt sonst noch jemand, dass da was nicht stimmen kann?

An die regelmäßige Zufuhr tablettenförmiger Nahrungsmittelergänzungen haben uns die Drogerien inzwischen genauso gewöhnt wie die Nahrungsmittelkonzerne daran, Zuckerbonbons per angereichertem Vitamin C als vermeintlich gesunde Nascherei misszuverstehen.

Aber wäre es für Leute, die Wert darauf legen, sich ausgewogener zu ernähren, nicht sinnvoller, sie würden öfter mal einen lecker zubereiteten Fisch essen – anstatt bei Edeka Frankensteins Würstchen zu kaufen?

Aus Sicht des Supermarkts nicht. Edeka hat eine lange Wurstpanschtradition. In den vergangenen Jahren sind schon mehrere “Innovationen” in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut IVV entstanden, die dann als Patent gesichert wurden. Dazu gehören unter anderem:

Edeka-Fix für Sauce Bolognese
Für Kunden, die enttäuscht sind, dass sie zu der Fix-Gewürzmischung aus dem Supermarkt auch noch selbst Fleisch in die Pfanne tun müssen, damit’s ein Fleischgericht wird, hat Edeka ein Verfahren erfinden lassen, mit dem das Hack gleich mit in die Packung darf. Ohne gekühlt werden zu müssen. Damit “kann dieser Zubereitungsschritt eingespart werden”, meldet das Fraunhofer-Institut IVV stolz.

Fix-und-Foxi-Kinderwurst
Edeka zufolge ein “fettreduzierter Genuss für die Kleinen”, der “besonders viel hochwertiges Eiweiß” enthält, “reich an Vitaminen und Mineralstoffen” ist, also sozusagen das bessere Gemüse, und hoffentlich anders als der Name suggeriert vollständig fuchsfleischfrei. Edeka findet, die Fix-und-Foxi-Würstchen seien ein Produkt, “das mindestens genauso gut schmeckt wie herkömmliche Wurst, aber deutlich gesünder”.

(Entwickelt übrigens von den Machern des Produktnamenunglücks “Viel-Leicht”, einer “neuen Wurstgeneration”, die sehr mager ist. Natürlich wieder dank einem “innovativen Herstellungsverfahren”.)

Ich bin nicht ganz sicher, ob das neulich ein Versehen war, als Edeka seinen Newsletter mit dem Schwerpunkt “Einfach richtig essen” verschickte und dazu eine Ernährungspyramide abbildete, in der weit und breit keine Zombiewurst zu sehen war. Aber wenn das hochverehrte Fraunhofer Institut IVV dann mit seinen Fleischpuzzles durch wäre, könnte dort vielleicht jemand anfangen, sämtliche wichtigen Ernährungsbausteine in einem Glas Nutella unterzubringen.

Nur eine Frage noch, Edeka: Ihr liebt Lebensmittel. Stimmt doch noch, oder?

* * *

*”Ab sofort führt Edeka in allen Märkten eine neue Generation von Wurstprodukten ein. Sie sind mit lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren angereichert. Das neue Eigenmarken-Sortiment reicht von Lyoner bis Bratwurst – und ist exklusiv bei Edeka erhältlich.” (zurück)

Foto: Fraunhofer-Institut IVV

Wie “super” der Samstag an der Kasse wirklich ist

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Darf ich Ihnen kurz einen Ohrwurm bescheren, den Sie heute nicht mehr loswerden? Sehr gut:

Video: Detlef Cordes

Während Sie jetzt “Das Lied der sieben Wochentage” vor sich hinsummen, wüssten Sie bestimmt gern: wieso? Kein Problem. Die GfK hat gerade ausgerechnet, an welchen Tagen die Deutschen besonders gerne Lebensmittel einkaufen – und wo.

(Bitte beim Lesen weitersummen.)

Samstag
Ist nicht nur der sechste Wochentag, sondern auch der, an dem bei Lidl die Kassen brennen. Dem lautstark beworbenen “Super-Samstag” sei Dank flutet der Discounter seine Läden so stark mit Kunden, dass Lidl lauft GfK fast ein Viertel seines Umsatzes (23,5 Prozent) an diesem einen Wochentag macht. (Mittwochs hingegen kommt nicht mal die Hälfte der Samstagskohle rein.) Auch Supermärkte und SB-Warenhäuser profitieren vom Samstagsansturm. Die GfK-Erklärung ist simpel: weil vor allem berufstätige Singles in der Woche mit dem Job ausgelastet sind, verschieben sie den Einkauf immer häufiger auf den Samstag.

Bei den Drogerien ist am Wochenende hingegen weniger los. Vermutlich weil die Leute sich das doppelte Anstehen sparen wollen und Drogerieartikel dann gleich im Supermarkt mitnehmen.

Lidl-Werbung für den "Super-Samstag"

Montag
Ist nicht nur der erste Wochentag, sondern auch der, an dem die Drogerien wieder stark zulegen und fast ein Fünftel ihres Umsatzes machen (18,5 Prozent). Besser läuft’s für dm, Rossmann und Müller nur am:

Freitag
Ist nicht nur der fünfte Wochentag, sondern umsatztechnisch auch der kleine Bruder des Samstags. Etwa 60 Produzent der Produkte für den täglichen Bedarf (Butter, Käse, Waschmittel etc.) kaufen wir laut GfK an drei Tagen in der Woche, eben am Freitag, Samstag und Montag. Der Freitag ist zudem der stärkste Einkaufstag für Aldi (mit 21,3 Prozent des Gesamtumsatzes).

Mittwoch
Ist nicht nur der dritte Wochentag, sondern auch der, an dem viele Läden getrost dicht machen könnten: keine besonderen Vorkommnisse.

Sonntag
Ist nicht nur der siebte Wochentag, sondern auch der, an dem lediglich ein paar Umsatzkrümel übrig bleiben, z.B. wegen gelegentlicher Sonntagsöffnungen, die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt sind.

Donnerstag
Ist nicht nur der vierte Wochentag, sondern auch der, an dem sich Aldi-Kunden mit einem Lebensvorrat an Spannbettlaken, Unkrautjätern, Schleifsägen und Autopolitur eindecken. Weil donnerstags zum zweiten Mal die Wochenangebote aktualisiert werden. (Heute z.B.: “Tukan Relaxkissen” und “Blue Motion Jeansrock”.) 18.5 Prozent des Umsatzes kommen auf diese Weise donnerstags rein – das ist besser als im Gesamtschnitt der Discounter (17,3 Prozent) und deutlich mehr als bei den Supermärkten (15,0 Prozent).

Dienstag
Ist nicht nur der zweite Wochentag, sondern… – Moment, doch: In dieser Untersuchung ist Dienstag nur der zweite Wochentag.

Am besten wird Ihnen aber die Erklärung der GfK gefallen, was das alles am Ende zu bedeuten hat, nämlich nix:

“Für den Erfolg ist es (…) nach wie vor wichtiger, wie hoch die Umsätze sind, und nicht so sehr, wann sie erzielt wurden.”

Zumindest für die Frage, wie wir in ein paar Jahren einkaufen werden, stimmt das nicht ganz. Wenn nämlich der Samstag für immer mehr Deutsche aller untersuchten Altersgruppen der einzige Tag der Woche ist, an dem sich das Einkaufen erledigen lässt, wird dieses Einkaufen zunehmend anstrengender, weil die Läden voller sind. Damit ist automatisch das (wachsende) Potenzial für den Markt von Online-Lebensmitteln definiert. Supermärkte wie Kaiser’s und Rewe müssen bloß gezielt Wochenendeinkäufer zu ihren Lieferdiensten locken (z.B. über Kassencoupons), die sich den Stress an der Kasse sparen wollen und dafür fünf oder sechs Euro Liefer- und Zeitspargebühr ausgeben, damit der Einkauf werktags nach der Arbeit vor die Haustür gefahren kommt.

Die Liefer-Revolution wär’ dann also soweit. Jetzt muss nur noch jemand den Kunden Bescheid sagen.

Foto: Supermarktblog

Aldis Albtraum, Lidls Kumpel – und ein Discounter nur für Frisches

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Für einen Blick in unsere Supermarktzukunft reicht es manchmal schon, sich anzusehen, was im Ausland passiert. Weil vieles anschließend von deutschen Handelsketten kopiert wird. Die folgenden Beispiele vielleicht ja auch.

* * *

Wer sich während des Urlaubs im Ausland einmal bei Dia mit Lebensmitteln eingedeckt hat, der weiß: Das ist nur für Discount-Puristen ein Vergnügen. Viele Spanier haben wegen der Krise, in der ihr Land steckt, keine andere Wahl – und sorgen dafür, dass Dia Rekordumsätze erzielt. Gegen die alte Albrecht-Regel (Verdienen geht vor verändern) hat sich Dia trotzdem zu einer Auffrischung entschlossen. Anstatt die bisherigen Hutzelläden freundlicher zu gestalten, stampft das Unternehmen ein neues Konzept aus dem Boden: Dia Fresh.

Neues Dia-Fresh-Konzept in Frankreich und Spanien / Foto: Dia

In Spanien gibt es erste Fresh-Filialen bereits seit dem vergangenen Jahr, jetzt kriegen auch die Franzosen den neuen “Nachbarschafts-Discounter” zu Gesicht. Dort soll es auf gerade mal 200 Quadratmetern – wie der Name schon sagt – vor allem frische Sachen geben. Dia-Fresh-Filialen bestehen aus einer klassischen Obst- und Gemüse-Abteilung, einer für vorgepacktes Fleisch und Fisch, einer für Sofortessen (Sandwiches, Nudeln, geschnittenes Obst), einem “Hot spot” für Backwaren, einer Abteiilung für eingelegtes Gemüse und einem Regal zum “Last minute Shopping”. Für Leute, die beim Kochen auch gut riechen wollen, aber kein Deo mehr daheim haben. Nur auf eine Süßwarenabteilung mag Dia Fresh nicht verzichten. (Bilder hier ansehen.)

Die Läden sollen mitten in der Stadt liegen, von halb zehn morgens bis halb zehn abends geöffnet sein und jeden Tag mit neuer Ware beliefert werden.

* * *

Kriegen Sie vom Einkaufen auch immer so Hunger? Kein Problem, im britischen Städtchen Cromer in Norfolk schafft Subway jetzt Abhilfe. Dort hat das Franchise-Unternehmen Ende Juni seine erste Sandwichbude in einem Lidl eröffnet. (Hier gibt’s ein Bild.) Wenn genug Kunden kommen, soll das keine Ausnahme bleiben. Dem britischen “Grocer” zufolge ist Subway verstärkt auf der Suche nach “nicht-traditionellen” Orten für neue Filialen, zum Beispiel in kleinen Supermärkten, Universitäten und Colleges.

Die Discounter-Fast-Food-Kooperation würde auch hervorragend nach Deutschland passen: Dort könnte Subway die frei werdenden Markt-Anbauten füllen, die sich für die bisher dort eingemieteten Bäcker nicht mehr rentieren, seitdem Lidl seine Märkte mit Backstationen ausrüstet. Die Kunden wiederum können das Geld, was sie bei der Selbstbedienung am Brötchenknast sparen, nachher prompt in ein wabbeliges Spezialbrötchen mit Fleischeinlage und süßer Soße investieren.

* * *

Während hiesige Händler vollständig damit ausgelastet sind, sich gegenseitig einzureden, dass sich mit der Online-Bestellung von Lebensmitteln kein Geld verdienen lässt, ist die britische Supermarktkette Waitrose schon ein paar Schritte weiter. Die großen Online-Gewinne fahren zwar der Rivale Tesco und Spezialist Ocado ein. Aber bei Waitrose hat man zumindest erkannt, dass es keinen Weg mehr zurück zum alten Wagenschiebereinkaufsbummel geben wird. Und baut deshalb jetzt seine Märkte um.

In etwa 100 Filialen wird in diesem Jahr Platz gemacht für “Willkommens-Tresen” – eine Art Kundenempfang wie im Hotel. Die “welcome desks” sind zu allererst Anlaufstelle für Kunden, die ihren zuhause vorbereiteten Online-Einkauf vervollständigen und gleich danach im Laden abholen wollen. Das lässt sich am Tresen auf Tablets erledigen. (Ähnlich wie bei Emmas Enkel.)

Außerdem bietet Waitrose dort an, im Laden gekaufte Blumen einzupacken oder Süßwaren bzw. andere Artikel in Geschenkpapier zu verhüllen. In einigen Läden werden auch Klamotten zur Reinigung angenommen. Für den Waitrose-Managing-Director Mark Price sind die Willkommens-Tresen ein erster Beleg dafür, dass sich die Funktion der Supermärkte verändert: “Die Läden werden immer stärker zu Abholstationen”, und an denen würden Kunden weitere Service-Angebote erwarten.

Oder wie’s auf Deutsch heißt: Aldis Albtraum.

Foto: Dia

“Mein Laden” in Bayern: Netto (ohne Hund) testet die schnäppchenfreie Einkaufszone

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Galeria-haftes Logo von "Mein Laden" im bayerischen Amberg

Sie wissen ja: Im Ausland gibt’s spezielle Frische-Discounter, Discounter in symbiotischer Existenz mit Fastfood-Ketten – und hierzulande versucht’s Netto (ohne Hund) [Erklärlink] jetzt mit einem ganz speziellen Konzept: einem Discounter ohne Sonderangebote!

Das ist angesichts der Werbeschlacht, die sich die Ketten sonst wöchentlich liefern, ein bisschen so als würde plötzlich die Discount-Hölle zufrieren. Im oberpfälzischen 40.000-Einwohner-Ort Amberg, vermutlich nicht zufällig in der Nähe der Netto-(ohne Hund)-Zentrale in Maxhütte-Haidhof, steht allerdings der Beweis: geöffnet montags bis samstags von 8 bis 20 Uhr.

Mitten in der – parkplatzfreien – Fußgängerzone testet der Aldi-Herausforderer derzeit ein Alternative zum deutschlandweit etablierten Billigprinzip. Die Preise stehen zwar noch in der Netto-(ohne Hund)-Schrift auf den Schildern, Kassenzettel versprechen “Informationen unter netto-online.de” und Prepaidkarten gibt’s wie eh und je vom Fantasie-Provider Nettokom. Äußerlich allerdings sieht die Filiale eher so aus als hätte Galeria Kaufhof Lebensmittelmarktnachwuchs bekommen. Mitte Mai machte der alte Netto City für Umbauarbeiten dicht; Ende des Monats war Neueröffnung – unter dem Namen “Mein Laden”.

"Mein Laden" im bayerischen Amberg

Die auffälligste Veränderung ist: die Farbe. Nicht gelb und rot, sondern in hellen Grüntönen ist der Laden jetzt gestrichen. Die Regale sind niedriger als gewohnt, die Gänge breiter als in üblichen City-Filialen. Das deutet darauf hin, dass Netto (ohne Hund) das umfassende Sortiment, mit dem sich der Drittplatzierte sonst im Discount-Markt gegen Aldi und Lidl zur Wehr setzen will, bei “Mein Laden” deutlich verkleinert hat.

"Mein Laden" in Amberg

Dabei ist der Name gar nicht neu: Vor sieben Jahren berichtete die “Lebensmittelzeitung” bereits über einen Test der Edeka-Regionalgesellschaft Nordbayern, die im nahe gelegenen Erlangen ebenfalls einen “Mein Laden” aufmachte. Es gebe dort keine Babynahrung, auch kein Hundefutter, ein überschaubares Drogeriesortiment, dafür aber einen starken Service. Jeder Einkauf über 15 Euro würde “mit einem Leberkäs-Brötchen oder einen Kaffee” belohnt; Kunden dürften im Laden Tageszeitung lesen und Kaffee trinken; ab einem Wert von 25 Euro würden die Einkäufe nachhause gebracht.

Das war wohl zuviel Convenience – und auch zu teuer. Jedenfalls hat es nicht funktioniert. 2010 gab Edeka das Geschäft an einen unabhängigen Kaufmann ab, der dann wenig später aufgab, weil zu wenig Kunden gekommen seien, schrieb die Lokalzeitung.

Ganz abgehakt war das Konzept danach aber nicht. Stattdessen scheint es der Edeka-Tochter Netto (ohne Hund) vererbt worden zu sein.

Eine eigene Metzgerei und Bistrotische wie im alten “Mein Laden” gibt es in der Amberger Neuauflage zwar nicht; dafür wurde die frühere City-Filiale konsequent auf ein neues Mini-Discount-Prinzip getrimmt. Der Eingang ist, ganz wie im Supermarkt, offen gehalten; in die Obst- und Gemüseabteilung ist eine niedrige Kühltheke integriert, in der es Sandwiches, Salate, Smoothies, Salami und Schokoriegel zu kaufen gibt. (Vereinzelt aber auch Lebensmittel, die nicht mit S beginnen.) Zur Rechten sticht die “Backstube” heraus, die zwar kein eigener Raum ist, entgegen sonstiger Netto-(ohne Hund)-Gewohnheiten aber recht groß ausfällt und vom Design den Brötchenknasts von Lidl auffällig ähnlich sieht; 14 unterschiedliche Aufbackwackwaren (plus separaten Baguettes) gibt es zu kaufen.

Selbstbedienungs-"Backstube" bei "Mein Laden"

Das Weinregal hat ebenfalls eine eigene Optik bekommen; die größte Veränderung betrifft jedoch die Kassenzone. Statt längs im Markt stehender Bänder, gibt es nun auf platzsparende (und automatisch süßwarenfreie) Inseln mit praktischen Korbabstellmöglichkeiten. Das sieht sehr viel schicker aus. Und ist ganz bestimmt nicht für Großeinkäufer gedacht.

Kasseninseln bei "Mein Laden"

Alles sieht so aus als teste Netto mit “Mein Laden”, ob das Konzept sich als Ersatz für die Netto-City-Filialen eignen könnte, über die zuletzt immer wieder spekuliert wurde, sie passten wegen des eingeschränkten Platzes nicht so recht ins Netto-(ohne Hund)-Konzept und würden abgestoßen werden.

“Mein Laden” wäre der Platz egal: Auf begrenztem Raum gibt es dort – zumindest in Amberg – derzeit alles, was Kunden für den täglichen Bedarf brauchen, Netto-Eigenmarken (inklusive den extra hervorgehobenen Produktlinien BioBio und Viva Vital) sowie auffällig viele klassische Marken. Das Einkaufen ist sogar ungewohnt angenehm, weil es ausgeschlossen ist, mit dem Einkaufswagen gegen irgendwelche im Weg stehende Paletten mit Sonderangeboten zu rempeln. Die gibt es nämlich gar nicht. Weder die Paletten – noch (wie eingangs erwähnt) die Sonderangebote. Deshalb fehlen, mit Ausnahme eines “Stop den Ladendiebstahl”-Hinweises und eines verirrten Pasta-Preises, auch lästige Schilder, die von der Decke baumeln.

Angebotsfreie Decke bei "Mein Laden"

Das macht den Netto-(ohne Hund)-Test besonders spannend: Akzeptiert die Kundschaft einen Disocunter, in dem es sich günstig einkaufen lässt, der aber völlig auf die gelernten Lockmittel und vermeintlichen Schnäppchen verzichtet?

Falls ja, ist das natürlich längst keine Garantie dafür, dass das neue City-Prinzip, noch dazu unter einem derart unbekanntem Namen, auch in anderen Städten funktioniert. Das malerische Amberg macht zumindest nicht den Eindruck, als könne man das Verhalten der dortigen Kundschaft nahtlos auf Großstadträume wie Berlin übertragen.

Werbung für "Mein Laden"

Ob eine Umstellung weitere Läden überhaupt in Frage kommt, ist aber sowieso Spekulation. Denn Netto-(ohne Hund)-Sprecherin Christina Stylianou sagt zu alldem auf Supermarktblog-Anfrage:

“Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich nicht zu einzelnen Standorten äußern.”

Fotos: Supermarktblog

Mit Dank an Supermarktblog-Leser Johannes F. für den Hinweis!

Oh, oh: 6 Proobleme, die Toom sofoort löösen muss

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Toom-Markt in Hessen

Als die Rewe Group in den vergangenen Jahren ihr Supermarktgeschäft aufbrezelte, war das SB-Warenhaus Toom [Erklärlink] gerade draußen spielen und ist dort völlig vergessen worden. Jetzt glänzen die Rewe-Supermärkte im neuen Design, sogar Penny ist nach dem Umstyling nicht mehr das dreckige kleine Schmuddelkind, sondern halbwegs vorzeigbar. Bloß die gut 50 Tooms, die noch übrig sind, wissen nicht so recht, wie sie ins Familienkonzept passen sollen.

Die Antwort ist: wahrscheinlich gar nicht.

Im vergangenen Jahr hat Rewe bereits damit begonnen, einzelne Toom-Märkte als “Rewe Center” neu zu eröffnen (hier und hier zum Beispiel). Die verbleibenden Läden werden gerade von der Zentrale an die regionalen Rewe-Gesellschaften abgegeben. Womöglich verschwindet Toom (als Name) bald ganz aus dem Lebensmittelmarkt.

Dabei ist Rewe ja selbst Schuld an der Misere. Seit Jahren nutzt der Konzern seine Großflächen-Supermärkte vor allem als Rumpelkammer, in die ständig neues Zeug reingestellt wird. Kein Wunder, dass da nichts mehr zueinander passt. Es müsste dringend mal ausgemistet werden.

Das Supermarktblog hilft gerne. Mit 6 Hinweisen auf die drängendsten Toom-Proobleme, die sofort gelööst werden müssen.

Die Ooptik

Im an Inneneinrichtungsscheußlichkeiten nicht gerade armen deutschen Lebensmittelhandel rangiert Toom mindestens unter den Top 5. Das liegt ausgerechnet an der völlig misslungenen Minimodernisierung, die Rewe den Einkaufshallen verpasst hat: Zur besseren Orientierung wurden neue Sortimenthinweise angebohrt, die wegen ihrer schauderhaften Pastelltöne nicht nur blass und vergilbt aussehen. (Das Fleisch auf dem “Fleisch”-Schild ist in einigen Filialen Magen-Darm-Alarm-Grün-Gelb.)

Toom: "Fleisch"-Schild in Magen-Darm-Grün-Gelb

Sie beißen sich auch noch aufs Fieseste mit der fett-kursiven Neunziger-Jahre-Schrift, die – vermutlich aus Kostengründen – noch überall zu sehen ist, gerne auch in knalligen Neon-Farben. Um das Chaos komplett zu machen, hängt dazwischen ein Aktionsschilderwald im Rewe-Design. Selbst in den wöchentlichen Handzetteln ist Rewe zu faul, dem Durcheinander ein Ende zu machen.

Das Soortiment

“Herzlich willkommen im Toom-Markt”, steht über den Schiebetüren am Eingang – und wenn der Kunde da einmal durch ist, hat er augenblicklich vergessen, wie der Laden heißt, in dem er gerade steht. Weil die Toom-Lebensmittelhallen (im Gegensatz zu den gleichnamigen Baumärkten) keine Eigenmarken verkaufen, die auch den eigenen Namen tragen, sondern Rewe-Produkte. Wär’s dann nicht sinnvoll, den Laden auch so zu nennen?

Rewe-Produkte in alter Toom-Schrift

Oder, anders gefragt: Warum sollten Kunden einem Laden vertrauen, den offensichtlich nicht mal mehr die eigene Muttergesellschaft gut findet?

(Natürlich: Weil sich immer noch ein kurzfristiger Umsatzeffekt als Billigschleuder erzielen lässt.)

Die Oorientierung

Es stimmt nicht, dass sich die Landeneinrichter keine Mühe gegeben hätten: Über den Kühltheken hängen birnenförmige Lampen tief ins Gefrieressen hinein, um zumindest ein bisschen vom Schlachthausambiente abzulenken, das die waagerecht an der Decke entlangwachsenden Neonlichtstalagtiten verursachen. Das alleine reicht dummerweise noch nicht, um eine naturgemäß schreckliche Supermarkthalle angemessen unschrecklich zu machen.

Illumination bei Toom: Stilleben mit Neonröhre

Konkurrent Kaufland versucht es deshalb mit einer klaren Wegführung und einem Retro-Preisschilddesign (zur Ablenkung); Real stellt den Laden so voll, bis es nicht mehr auffällt; Edeka-Händler bauen geschwungene Theken und modernen Materialien in ihre Center ein – nur Toom hat keinen Plan. Es sei denn, man vergibt Originalitätspunkte für die plötzlich im Mittelgang auftauchenden Palettenüberraschungen, vor denen Einkaufswägen regelmäßig zur Vollbremsung gebracht werden müssen.

Die Angeboote

Vielleicht gibt es immer noch Kunden, die sich während des Grundnahrungsmitteleinkaufs dafür entscheiden, den Einkaufszettel mit der Milch und der Butter spontan um einen neuen Flachbildfernseher zu ergänzen. Aber das ist vermutlich eher nicht das Zukunftsgeschäft der Supermärkte. Und erledigt sich demnächst von selbst: Rewe verkauft gerade sämtliche Pro-Märkte. Danach wird’s mit der Elektronika-Belieferung für Toom sowieso knapp.

Die Soorgfalt

Löcher in der Decke, aus denen es in den Laden regnet, werden nicht – in Großbuchstaben: NICHT – dadurch unsichtbar, dass man Eimer drunterstellt. Schlimmer noch: Kunden überlegen sich nach einer solchen Mängelbesichtigung gerne, wie Händler, die ihre Läden so verkommen lassen, wohl mit den Lebensmitteln umgehen, die sie ihnen verkaufen wollen.

Der Humoor

Problem ist das natürlich keines, wenn Supermärkte  völlig branchenuntypisch auch mal witzig sind, wie dieses Bild einer erst stillgelegten und dann pragmatisch zur Kühlschrankpräsentation umfunktionierten “Heißen Theke” in einem Toom-Markt beweist. Das kann durchaus Kundensympathien bringen.

"Heiße Theke" mit Kühlschrankschmuck bei Toom

Oder, wenn Rewe so weiterwurschtelt wie bisher, als Galgenhumor missverstanden werden. Besonders prächtig sind die Aussichten fürs Soorgenkind der Rewe Group derzeit jedenfalls nicht.

Fotos: Supermarktblog

Großbritannien braucht keinen EasyFoodstore, Mr. Haji-Ioannou!

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Stelios Haji-Ioannou ist Milliardär geworden, indem er Unternehmensgruppe gegründet hat, die vorgibt, ihren Kunden das Leben ganz “Easy” zu machen. Eigentlich lockt sie ihre Kunden aber bloß mit günstigen Preisen, um ihnen dann mit Zusatzleistungen, die bei anderen Anbietern selbstverständlich und inklusive sind, das Geld aus der Tasche zu ziehen. Natürlich kann man mit EasyJet günstig um die Welt fliegen. Wenn man vorher den mit Kostenüberraschungen gespickten Online-Buchungsparcours fehlerfrei hinter sich gebracht hat. Und natürlich kann man im EasyHotel mitten in London günstig wohnen. Wenn man darauf verzichten kann, auf einen Raum mit Fenster zu bestehen.

Jetzt hat Haji-Ioannou angekündigt, eine Lebensmittel-Discountkette unter dem Namen EasyFoodstore gründen zu wollen.

Spart schon am Design: die neue Discount-Kette EasyFoodstore

Der erste Laden soll in einem Hochhaus in Croydon, südlich von London, eröffnen. In die Stockwerke drüber kommen Büros von EasyOffice, Räume von EasyHotel, ein EasyGym-Fitnessstudio – und wahrscheinlich kriegt Haji-Ioannou es auch noch irgendwie hin, mit EasyJet künftig auf dem Dach zu landen, um sich ein für alle Mal die Gebühren auf den bisher angesteuerten Billigflughäfen zu sparen.

Spaß beiseite: Auf easyfoodstore.com schreibt der Billigunternehmer, sein Interesse an der Lebensmittelbranche sei unter anderem von Medienberichten über die Tafeln (“food banks”) geweckt worden, über die inzwischen viele Briten mit geringem Einkommen ihr Essen bezögen. Der EasyFoodstore soll also offensichtlich wohltätig der Armenspeisung dienen. Mit günstigen No-Name-Produkten. In der Dose. “Basic foodstuff”, schreibt der Gründer.

Es ist ja richtig, dass die Briten in der Wirtschaftskrise öfter im Disocunter einkaufen: Aldi und Lidl haben zuletzt deutlich Marktanteile dazu gewonnen, wohingegen die großen Ketten Tesco, Asda und Morrison Prozentpunkte abgeben mussten. Aber das dürfte auch daran liegen, dass sich die beiden deutschen Ketten in Großbritannien ein Stück weit von ihrem Prinzip verabschiedet haben, bloß billig zu sein. Aldi UK kommuniziert mit seinen Kunden auf Facebook und hat auf deren Wunsch Einkaufskörbe eingeführt, dazu werden immer mehr britische Artikel ins Sortiment genommen. Lidl UK testet unter anderem süßwarenfreie Kassen.

Dass das langsam Wirkung zeigt, stimmt. Es hat aber auch Jahre gedauert. (Aldi ist seit 1989 in Großbritannien aktiv; der Marktanteil liegt laut Kantar Worldpanel aktuell bei gerade mal 3,6 Prozent.)

Ganz so einfach wird es EasyFoodstore wohl nicht haben, da anzuschließen. Zumal das Prinzip, nach dem das Unternehmen sonst funktioniert, beim Einkaufen schwierig anzuwenden sein könnte. Sollen die Kunden für die Nutzung von Einkaufswagen im Markt dann extra zahlen? Oder verteuert sich der Einkauf bei Nutzung der Schnellkasse um 10 Prozent?

Kein Mensch braucht noch einen Discounter, der den Wettbewerb um die billigsten Lebensmittelpreise weiter anheizt. Nicht in Großbritannien, und nicht anderswo. Haji-Ioannou kann seine Konserven behalten. Wenn er schlau ist, macht er einfach Flugzeuge draus.

Screenshot: easyfoodstore.com

Der nächste Ladenschluss: Die another Dayli

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Vor ziemlich genau einem Jahr kaufte der Investor Rudolf Haberleitner die österreichischen Läden der pleite gegangenen Drogeriekette Schlecker, gründete den Nachfolger Dayli (siehe Supermarktblog) und erklärte:

“Nach der Übernahme des Schlecker-Österreich-Geschäfts im Vorjahr ist es uns gelungen, den Fortbestand zu sichern und ein Nahversorgerkonzept zu entwickeln, das es so in Europa bisher nicht gegeben hat. Wir bieten den Kunden dermaßen viele Vorteile, dass der Wettbewerb den Rückstand kaum aufholen kann.”

(in der “Lebensmittelzeitung”, Januar 2013)

Auf die Frage, wie die Geschäfte in den österreichischen Läden liefen, meinte Haberleitner:

“Irrsinnig gut. In Pöggstall verzeichnen wir eine sechs- bis siebenfache Umsatzsteigerung, in Linz etwa eine Vervierfachung. Das Konzept scheint voll aufzugehen.”

(ebenfalls in der “Lebensmittelzeitung”, Januar 2013)

Zu seinen Plänen befragt meinte er ganz unbescheiden:

“3000 Filialen in 20 Ländern, von Süddeutschland bis Ex-Jugoslawien. Ich will den ganzen Balkan, so schaut’s aus.”

(in der “Kronen Zeitung”, August 2012)

Und als nach dem Kauf vor einem Jahr schon die ersten Zweifel an der Realisation des Konzepts aufkamen, meinte Haberleitners Anwalt Franz Guggenberger:

“Eine Insolvenz wird es nicht geben. Sonst hätten wir es nicht gekauft.”

(laut “FAZ” vom 1. August 2012)

Logo des gescheiterten Schlecker-Nachfolgers Dayli

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Zur großen Deutschland-Expansion ist es nie gekommen. Ende Mai meldete Dayli stattdessen Insolvenz an. Haberleitner musste sich aus dem eigenen Unternehmen verabschieden. Seit heute steht fest: Es gibt keinen neuen Investor. Die Läden machen endgültig zu.

Foto: Dayli


“Ich mag keine sprechenden Einkaufswagen”: Edeka-Kaufmann Dieter Hieber über seinen Zukunftsmarkt

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Wer Experten fragt, wie der Supermarkt der Zukunft aussehen wird, kriegt mit hoher Wahrscheinlichkeit was von vollautomatischen Leitsystemen zu hören, von kontaktlosem Bezahlen an der Kasse und Produktinformationen, die automatisch aufs Smartphone gefunkt werden.

Aber bestimmt nicht von Dieter Hieber.

Der wird stattdessen von einem Supermarkt erzählen, der seine Kunden nicht nervt. Der modern ist, aber nicht mit unnötiger Technik vollgestopft. Einem Laden, der nicht nur an die denkt, die dort ihr Geld ausgeben – sondern auch an alle, die es dort verdienen. Der Laden, in dem all schon  ausprobiert wird, heißt “Hiebers Frische Center”, steht in der Nähe von Freiburg und ist in diesem Jahr in New York als einer von weltweit vier Läden mit dem Euroshop Retail-Design-Preis als Supermarkt des Jahres ausgezeichnet worden.

Sehen so Supermärkte aus? Hiebers Frische Center in Bad Krozingen bei Freiburg

Die Herkunftsliste der Preisträger sieht so aus:

Huixquilucan, Mexico
Singapur
Walnut Creek, USA – und:
Bad Krozingen, Deutschland

Hieber sagt:

“Ich mag keine sprechenden Einkaufswagen und plärrenden Displays – das ist für mich die Horrorvision eines Supermarkts. Bei uns sind Mitarbeiter für die Kunden ansprechbar. Deshalb sind die Personalkosten relativ hoch. Aber wir erreichen auch eine höhere Spanne, deshalb lohnt es sich.”

Das ist die Kurzversion der Erklärung, was den Laden von  der Konkurrenz unterscheidet. Die lange ist auch ziemlich interessant und geht so:

“Mein Vater hat früher Standard-Edeka-Märkte betrieben, wie es sie überall gab, ist damit aber nicht vorangekommen”, erklärt Hieber die Geschichte des Familienbetriebs.

“Ende der 80er hat er in Lörrach den ersten Laden eröffnet, in dem alles anders war – und am Anfang war das wirklich bitter, weil es gar nicht lief.”

“Anders” war das, was in Hiebers zwölf Edeka-Märkten von der Schweizer Grenze bis in den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald heute selbstverständlich ist: Die Regale waren niedriger als üblich, es standen keine Sonderangebotsstapel im Weg herum, der Markt war eingerichtet, um den Kunden einen angenehmen Einkauf zu ermöglichen. Da konnte doch was nicht stimmen. “Viele haben gedacht: Hier muss es teuer sein”, sagt Hieber. “Aber mit der Zeit hat eine Gewöhnung eingesetzt.”

Vor dreieinhalb Jahren hat er die Verantwortung für die Märkte von seinem Vater übernommen, der immer noch seine Erfahrungen als Kaufmann in den Betrieb einbringt. Nur liegt es jetzt am Sohn, die Ideen von früher für die Zukunft weiterzuentwickeln.

Mit seiner schwarzen Fassade und der ungewöhnlichen Architektur hat der Markt in Bad Krozingen schon von außen kaum etwas mit den Lebensmittel-Bunkern gemein, die andere Gemeinden an den Ortsrand betoniert kriegen. Dabei ist die eigentliche Überraschung: drinnen. 40.000 unterschiedliche Produkte gibt es zu kaufen – Lebensmittel, Drogeriewaren, Haushaltsartikel. Und trotzdem fehlt etwas. Nirgendwo hängen neonfarbene Angebotsschilder, weit und breit sind keine Paletten in Sicht, und wer still ist, hört: nichts. Jedenfalls kein Musikgedudel. Die Leute sollen einfach einkaufen.

Fühl dich wohl und komm wieder:  Obst und Gemüse bei Hiebers Frische Center

“Wir wollen, dass die Produkte wirken”, erklärt Hieber, warum er auf all das verzichtet, woran wir uns im Supermarkt über Jahre wohl oder übel gewöhnt haben.

Kein Wunder, dass das auch in Bad Krozingen erstmal für Verwirrung sorgte. “Als wir eröffnet haben, waren die Kunden anfangs irritiert und haben gefragt: Habt ihr keine Angebote? Doch, hab ich dann immer erklärt, aber die stehen nur in der Zeitung”, erinnert sich Hieber. Im Grunde genommen ist der ganze Markt eine einzige Erziehungsmaßnahme: Weil er die Schnäppchenfuchsigkeit der Kundschaft auszuhebeln versucht, indem er den Einkaufsprozess radikal reduziert. Das funktioniert nur, wenn viele kleine Details stimmen.

Weil die Nachfrage nach frischen, gekühlten Produkten steigt, die Kühlregale deshalb aber immer breiter und unübersichtlicher werden, hat Hieber Holzrahmen einbauen lassen, in denen besondere Lebensmittel sofort auffallen sollen, z.B. Smoothies oder handgemachte frische Pasta.

Besondere Produkte werden in der Kühltheke eingerahmt.

Geschältes Obst, geschnittenes Gemüse und Sofortessen werden in kleinen Truhen dort positioniert, wo sie thematisch hinpassen, und nicht in ein- und derselben Kühltonne versenkt.

An die Wand ist ein großer Saisonkalender gezeichnet. Dort lässt sich ablesen, welches Gemüse zu welcher Zeit frisch aus Deutschland (bzw. direkt aus der Region) kommt.

Die Regale schließen direkt mit der Produkthöhe ab, damit die Kunden den gesamten Markt überblicken zu können.

Der Laden ist kein Bunker, sondern hat Fenster.

Draußen ist Wetter! Hiebers Frische Center lässt die Sonne rein.

Auf den kleinen Bildschirmen an den Waagen der Bedientheken erscheinen statt Angeboten regelmäßige Hinweise auf die ladeneigenen Veranstaltungen: Weinproben, Kochkurse, Marktführungen.

Die abgetrennte Drogerieabteilung leuchtet blau-violett-silbern in der Ladenmitte.

DIe Drogerie leuchtet blau-violett-silbern in der Ladenmitte.

Regale werden nicht von polternden Rollcontainern befüllt, sondern aus ganz normalen Einkaufswagen. Vorher wischen Mitarbeiter die Regale aus. Produkte kommen einzeln und ohne Karton ins Regal. Immer.

Die Kassen sind holzverkleidet, mit langen Transportbändern ausgestattet und völlig frei. Niemand kriegt Last-Minute-Gummibärchen angedreht. An der Kasse wird bezahlt. Basta.

Nicht bloß süßwarenfrei, sondern komplett unverramscht: die Kassen in Hiebers Frische Center

Mit dem Bistro und dem “Steak Point” im Eingangsbereich wird wegen des hohen Aufwands nicht viel  verdient. Aber wenn’s schmeckt, kaufen die Leute vielleicht mehr im Laden.

Bäckerei und Bistro bei Hiebers Frische Center.

Für sein Konzept, sagt Hieber, hat er sich im Ausland inspirieren lassen und dann mit Architekten alles so geplant, dass ein Supermarkt entsteht, in dem Kunden sich  intuitiv zurechtfinden. Die Frage ist nur: Rentiert sich das? Ja, meint der Geschäftsführer. Und widerspricht im gleichen Atemzug der Vermutung, dass die Kosten fürs Einkaufserlebnis auf die Preise draufgeschlagen werden:

“Das Glas Nutella kostet bei uns das gleiche wie überall sonst.”

Auch Billigartikel der Edeka-Marke Gut und günstig stehen im Regal: “Wir müssen den Kunden immer signalisieren: Was du im Discounter bekommst, kriegst du bei uns auch. Das darf uns nicht egal sein.” Der Trick ist ein anderer: “Natürlich wollen wir die Leute verführen, etwas Besonderes dazu zu kaufen.” Das gute Fleisch, den besonderen Kaffee, die Schokolade, die nicht auf dem Einkaufszettel stand.  Mitarbeiter hinter der Bedientheke sind als Köche ausgebildet, um Tipps zur Zubereitung geben zu können. Dann trauen sich die Kunden auch mal, nicht immer bloß Forelle mitzunehmen.

Die Leute kaufen nicht teurer ein, meint Hieber, sondern: anders. Und mehr.

Es ist ein unausgesprochener Deal, den er mit seiner Kundschaft eingeht: Die Leute lassen sich locken – dafür kriegen sie Service und Design.

Was in Bad Krozingen noch alles anders funktioniert als in herkömmlichen Supermärkten, steht im nächsten Blogeintrag.

Fotos: Supermarktblog

Mein Freund, der Supermarkt? Hiebers Frische Center und die Emotionalisierung

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Eigene Wein-Edition, Beratung vom Koch an an der Fischtheke: Edeka in Bad Krozingen.

Dass Dieter Hiebers Frische Center in Bad Krozingen so anders aussieht als die meisten deutschen Supermärkte, hat gute Gründe. Einer davon öffnet jeden Morgen ein paar hundert Meter stadteinwärts, heißt Aldi und steht stellvertretend für vieles, von dem Hieber sich abheben will. Längst werben die Discounter nicht mehr nur mit dem Versprechen, die niedrigsten Preise zu bieten. Auch die Auswahl wird größer. Bei Aldi gibt es Tofu, bei Lidl Feinkost und bei Netto (ohne Hund) haufenweise Markenartikel.

Kein Supermarkt kann da mehr mithalten, indem er bloß mehr Artikel in den Laden stellt.

Hieber glaubt, dass sich die Supermärkte im Konkurrenzkampf mit den Discountern völlig neu erfinden müssen:

“In Deutschland sind wir da noch viel zu brav. Wir müssen von den reinen Standards zu individuellen, schön inszenierten Sortimenten kommen.”

Sein eigenes Rezept heißt Emotionalisierung. Die Kunden sollen sich in ihrem Supermarkt wohlfühlen. So wie ganz früher beim Laden um die Ecke.

Eingang von Hiebers Frische Center.

In Hiebers Edeka-Märkten geht das nicht nur übers Design. Der Umgang mit Mitarbeitern und die Rolle, die der Händler selbst spielt, sind genauso wichtig. Letzteres ist leichter gesagt als getan.

Als die Discounter in Mode kamen, passten sich viele Supermärkte an und schafften ihre Bedientheken zu Gunsten von Selbstbedienungstruhen ab. Das war ein Fehler. Inzwischen versuchen es viele Händler wieder mit starkem Service. Hieber ist der Überzeugung, dass es sich lohnt, noch einen Schritt weiter zu gehen. Er glaubt, seinen  Kunden nicht nur sagen zu müssen, von welchem Bauernhof aus der Region das Fleisch kommt, dass sie bei ihm im Laden kriegen. Sondern will auch versprechen können, dass es bei der Verarbeitung mit rechten Dingen zugegangen ist:

“Ich versuche, mich mit den Bauern abzusprechen, welche Futtermittel und welches Düngemittel benutzt werden – und Einfluss darauf zu nehmen.”

Im Grunde genommen ist das die logische Konsequenz aus den Skandalen, die in schöner Regelmäßigkeit dafür sorgen, dass wir uns die Frage stellen, wie eigentlich unsere Lebensmittel hergestellt werden. Und warum das so kompliziert sein muss. “Ich bin überzeugt davon, dass da noch viele Skandale kommen werden”, sagt Hieber.

“Und ich bin ehrlich: Das spielt uns in die Hände. Weil die Verbraucher lernen müssen, dass gute Lebensmittel Geld kosten. Vielleicht lassen sich Computer immer noch billiger produzieren. Bei Lebensmitteln ist die Grenze aber längst erreicht.”

Das so plausibel zu erklären, dass es auch die Mehrheit der Kunden akzeptiert, ist keine kleine Herausforderung. Aber vermutlich hilft es, wenn das ein Kaufmann macht, bei dem man als Kunde im Laden kein Studium der Agrarwirtschaft abgeschlossen haben muss, um durchzublicken. ”Unser Ziel ist es, dass sich der Kunde darauf verlassen kann. Dass alles, was bei uns in der Theke ist, ohne Sorge gekauft werden kann”, meint Hieber.

“Die Leute erwarten, dass sich der Handel um sowas kümmert. Wenn der Dornhai wegen Schillerlocken auf der roten Liste stehen, dann gibt es das bei uns nicht. Punkt.”

HIeber's Frische Center in Bad Krozingen.

Um Vertrauen aufzubauen, lässt Hieber Kunden außerdem im Kundenrat mitbestimmen, wie seine Läden aussehen sollen, er veranstaltet Weinproben, veröffentlicht “Umweltrichtlinien” und hat ein eigenes “Gütesiegel”. Immer mit dem Ziel, dass die Leute wiederkommen und sagen: Wenn wir’s einem Supermarkt zutrauen, dass er was richtig macht, dann dem!

Zum Richtigmachen gehört auch, dass im Laden keine miesepetrigen Mitarbeiter stehen, die schlecht drauf sind, weil die Arbeitsbedingungen nicht stimmen. Das scheint, wenn man den immer wieder auftauchenden Medienberichten über Ausbeutung und Überwachung Glauben schenkt, bei vielen Ketten jedoch eher die Regel zu sein. Der Handel habe als Arbeitgeber einen ziemlich schlechten Ruf, meint Hieber.

“Und leider ist der oft berechtigt. Die Branche hat ihren Fokus eine zeitlang nur auf die Kunden gerichtet und diese Anstrengungen auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen. Das geht so einfach nicht mehr.”

Hiebers Versuch, das zu ändern, beginnt bei einer flexibleren Arbeitsplanung für junge Familien. Und reicht bis in die Umkleidekabine fürs Personal. Im ersten Stock des Markts in Bad Krozingen gibt es einen großen Aufenthaltsraum mit Internetanschluss und einen Schulungsraum mit Terrasse. Die Zimmer mit den Spinden, in denen die Arbeitsklamotten hängen, sind poppig tapeziert, in einem hängt ein Kronleuchter.

“Ich hab das im ersten Markt, in dem ich war, immer gehasst: die dunklen Umkleideräume im Keller, in die man morgens gekommen ist. Deshalb ist hier alles freundlicher, damit der Start in den Tag für die Mitarbeiter anders aussieht”, sagt er.

Damit das funktioniert, müssen natürlich die Kunden mitspielen – und das bedeutet: auch in Krisenzeiten nicht  zum Discounter abbiegen, um dort den kompletten Wocheneinkauf zu erledigen. Macht ihm das keine Sorgen, dass all die Anstrengungen umsonst waren, wenn es doch so kommt? Hieber antwortet:

“Ich hab die Erfahrung gemacht, dass die Leute gerade in Zeiten, die wirtschaftlich schwierig sind, eher auf teure Anschaffungen oder Urlaube verzichten, es sich dafür aber zuhause gut gehen lassen wollen.”

Dass unsere Supermärkte künftig alle so aussehen werden wie der schwarze Kubus in Bad Krozingen, ist freilich unwahrscheinlich. Und so mancher kleine Fachhändler wird alles andere als glücklich über die harte Konkurrenz sein, bei der es alles auf einmal zu kaufen gibt.

Aber wenn demnächst wieder irgendwo ein Konzept für den Markt der Zukunft ausgeheckt wird, fahren die Planer vorher hoffentlich dorthin zum Einkaufen. Mindestens um die Erfahrung zu machen, dass es Wichtigeres gibt als ein hochtechnisiertes Inventar, das  tausend neue Möglichkeiten erschließt. Weil es oft schon reicht, beim Einkaufen in Ruhe gelassen zu werden, um zufrieden den Laden zu verlassen. Auch in der Zukunft.

Fotos: Supermarktblog

Tegut schreibt sich nicht mit M

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Seit acht Monaten gehört Tegut, die Fast-Bioladenkette aus Fulda, nun schon zur Schweizer Migros, dem größten Lebensmittelhändler der Schweiz. Und langsam werden auch erste Veränderungen in den Läden sichtbar. Sehr langsam. Zumindest gibt es in den Filialen nun neue Schweizer Produkte zu kaufen, für die auch entsprechend geworben wird. Den Auftakt machen Kaffeekapseln unter dem Namen “Café Royal”, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel sind und vom Unternehmen Delica hergestellt werden, das zu Migros gehört.

Am Regal wirbt Tegut auf kleinen Hinweisschildern mit der “Qualität aus der Schweiz”. In manchen Läden sind die Kapseln auch gut sichtbar in den Flurregalen platziert.

Sanfte Migros-Eigenmarken-Premiere: Schweizer Kaffeekapseln bei Tegut

“Wir wollen sukzessive neue Produkte ins Sortiment aufnehmen, die den Bedürfnissen unserer Kunden entsprechen. Viele Kunden haben auch schon ihre ganz persönlichen Wünsche dazu eingereicht”, sagt Tegut-Sprecherin Stella Maria Kircher auf Supermarktblog-Anfrage. Und:

“Wenn wir neue Produkte einführen, gilt das gleichzeitig für alle Läden.”

Also auch für die Schokolade unter der Marke Chocolat Frey, ebenfalls hergestellt in der Schweiz, vom gleichnamigen Unternehmen, das ebenfalls zu Migros gehört. Je nach Marktgörße (und entsprechendem Platz im Regal) wird es jedoch nicht alle 26 Sorten auch in jedem Tegut zu kaufen geben. Geplant ist der Schoko-Start für die kommenden beiden Wochen.

Die eigentliche Überraschung ist, dass Migros-Eigenmarken wohl nicht eins zu eins in die deutschen Tegut-Märkte kommen. Kircher erklärt:

“Die Produkte werden nicht mit Migros-Logo auf der Verpackung verkauft, sondern von Migros-Partnern in der Schweiz hergestellt und das Tegut-Label als Eigenmarke tragen. Oder es werden Schweizer Produkte sein und darauf wird der Kunde auch hingewiesen.”

Anders formuliert: In vielen Eigenmarken ist künftig zwar Migros drin, es steht aber statt des merklich markanten Migros-M weiter Tegut drauf. Das ließe sich als Zeichen dafür deuten, dass die Schweizer Tegut als Supermarktmarke tatsächlich erhalten wollen und die Läden nicht irgendwann doch unter eigenem Namen weiterbetreiben.

Auf die Frage, ob unter der angekündigten Umstellung die bisherigen Produzenten zu leiden hätten, erklärt Kircher:

“Tegut wählt Produzenten für die Eigenmarken sehr bewusst aus, um zum Beispiel das Tegut-Reinheitsgebot garantieren zu können. Wir befinden uns mit den Herstellern in einem ständigen Entwicklungsprozess, und es bekommt jetzt keiner zu hören: Du sitzt nicht in der Schweiz, deshalb müssen wir Dich ablösen.”

Am Ende ist es aber eine Frage des Platzes: Tegut wird wohl kaum alle seine bisherigen Lieferanten behalten können, wenn künftig Migros-Firmen die Produktion eines Teils der bestehenden Eigenmarken übernehmen und dann auch noch völlig neue Schweizer Produkte ins Regal passen müssen.

Im Supermarktblog-Interview hatte Migros-Zürich-Geschäftsleiter Jörg Blunschi im Februar angekündigt, er wolle Tegut helfen, sich stärker über Eigenmarken von der Konkurrenz zu differenzieren. “Das ist bisher nur sporadisch passiert. Zukünftig wird Tegut da eigenwilliger sein.” Von Schnelligkeit war da keine Rede.

Foto: Supermarktblog

Muppetshow für Lebensmittel: Amerika sucht den “Supermarket Superstar”

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Weil viele Leute in der Ernährungskette nicht ganz so weit unten anfangen wollen und mit der Zeit merken, dass es alles andere als leicht ist, aus dem Nichts Reichtümer anzuhäufen, hat der amerikanische Traum – vom Tellerwäscher zum Millionär – in den vergangenen Jahren einen heimlichen Mittelschichts-Konkurrenten bekommen. Unterforderte Hausfrauen, gelangweilte Büroarbeiter und Leute, die genervt den alten Job an den Nagel gehängt haben, wollen nun Berühmtheit damit erlangen, ihre an Lebensmittelneuerungen völlig unterversorgten Mitmenschen mit cleveren Appetitmachern zu beglücken.

Der US-Kabelsender Lifetime, der sich nach eigener Auskunft insbesondere an “Frauen in gehobenen Positionen” richtet, hat jetzt eine Show draus gemacht.

Sie heißt “Supermarket Superstar” und funktioniert genau so, wie Sie sich das gerade vorstellen.

Die Moderatorin der Lifetime-Show "Supermarket Superstar" scheint selbst nur selten Lebensmittelläden aufzusuchen

In neun Folgen treten jeweils drei Kandidaten gegeneinander an, die behaupten, zuhause in ihrer Küche etwas Essbares zusammengerührt zu haben, das sie künftig im großen Stil verkaufen wollen. Eine mit Karikaturen besetzte Dreier-Jury bewertet, was am besten gefällt. Anschließend entscheidet der Einkäufer einer realen Supermarktkette, was tatsächlich produziert wird. Das klingt halbwegs nachvollziehbar, ist aber nur minimal weniger irre als eine durchschnittliche Muppetshow. (Und leider nicht ansatzweise so witzig.)

Zu den Juroren, angekündigt als “Titanen der Lebensmittel-Welt” (wo immer auch diese Lebensmittel-Welt liegen mag), gehört “Americas Cookie-Queen” Debbi Fields, die womöglich operationsbedingt über ihre Gesichtsgrenzen hinauszugrinsen vermag (das auf dem Bild oben ist sie nicht, das ist die Moderatorin), ein Frank-Rosin-hafter Schreihhals-Koch (“Willst du mich verarschen? 1260 Kalorien???”) und ein schnöseliger Marketing-Profi, der berechenbar den Kotzbrocken spielt und über die mit Espressopudding gefüllten Glutenfrei-Kekse einer Kandidatin sagt: “Die sehen aus wie Hockey-Pucks aus Sägespänen.”

(Damit hat er zwar recht, die Schöpferin muss anschließend aber fast ins Krankenhaus eingeliefert werden vor Verzweifelung.)

In ihrer Abziehbildhaftigkeit unterscheiden sich die Teilnehmer glücklicherweise kaum von den Juroren, sodass in der Sendung zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer einseitigen Niveauaufwertung besteht. (Kurze Clips auf der Website ansehen.)

Realityfernsehgerecht wird abwechselnd gepöbelt und geschleimt, dazwischen permanent dramatisiert (bei Yotube gibt’s einen unfassbar aufgepumpten Trailer). Nach einem inszenierten Kundentest (“The Focus Group has spoken!”) geht am Ende so wie in Folge 3 aus der vorvergangenen Woche leider nicht der “Chirp Chomp” von Kandidat John (ein Proteinriegel aus echten Grillen) und auch nicht die “Apple bomb” (ein in Kuchenteig gebackener ganzer Apfel) von Kandidatin Hoda in Serie. Sondern der langweilige und sehr unappetitlich aussehende Espressopuddingkeks, den eine sehr amerikanische Mutter für ihren nahrungsmittelallergischen Sohn gebacken hat.

Dass sich “Supermarket Superstar” trotzdem als Weiterbildungsmaßnahme eignet (und hier im Blog auftaucht), liegt am Mittelteil, in dem die Kandidaten die Rezepturen nach den Vorstellungen der Juroren überarbeiten müssen. Und zwar jetzt und sofort in der Studioküche.

Dabei kriegt man als Zuschauer sehr hübsch die üblichen Methoden der Lebensmittelindustrie erklärt, denen die Verbesserungsvorschläge direkt entlehnt zu sein scheinen.

Die Keksfüllung ist zu weich und drückt sich beim Reinbeißen raus? Da muss wohl noch ein bisschen Stabilisator rein!

2,99 Euro für einen einzigen Riegel? Zu teuer! Aber wenn statt der guten Mandelbutter billige Erdnussbutter verwendet wird, geht der Preis automatisch runter. Die klebt auch besser.

Die “Apple bomb” ist zu groß? Dann wird eben der Teig dünner, das spart auch wieder Geld, und der Kunde merkt’s bestimmt nicht.

Es wird gepampt, zugesetzt und abgezwackt, bis nichts mehr geht, und man mag sich gar nicht vorstellen, dass das all unseren Lebensmitteln so geht, weil dadurch ursprüngliche Rezepturen (und Geschmäcker) zu Gunsten äußerer Merkmale so lange verändert werden, bis sie nicht mehr wiederzuerkennen sind. Aber dafür alles schön ins Regal passt.

Erst im Finale, wenn die Sieger der neun Folgen noch einmal gegeneinander antreten, entscheidet sich übrigens, welches Produkt  verzehrbar serienproduziert wird und in den Laden kommt. Sollte es dort liegen bleiben, wäre das für die beteiligte Supermarktkette A&P aber auch verschmerzbar. Der erhoffte Image-Effekt hat sich dann längst eingestellt: Mehrmals pro Folge ist das Logo der Kette zu sehen, die zuletzt insolvent war, knapp vor der Schließung bewahrt wurde und jetzt wirklich jede Art von Werbung dringend gebrauchen kann.

Bis vor zwei Jahren war übrigens die deutsche Tengelmann-Gruppe an A&P beteiligt. Es ist es also kein Zufall, dass das Logo dasselbe ist wie das der in Kaiser’s- und Tengelmann-Filialen immer noch erhältlichen Discount-Marke, von der deutsche Kunden erzählt bekommen, sie sei “Attraktiv & Preiswert” (siehe auch Supermarktblog). Im Original steht A&P für “Great Atlantic & Pacific Tea Company”.

Sehen Sie: Wieder was gelernt. Trotz Fernsehen.

Screenshot: Lifetime

In 5 Schritten zum Aldi-Lunch

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I. Machen Sie heute im Büro mal ein bisschen früher Mittagspause als sonst, so gegen 11 Uhr. (Also jetzt gleich.) Sie können den Kollegen ja sagen, dass Sie “noch was erledigen” müssen.

II. Fahren Sie an den nächstgelegenen Flughafen, um dort ein Ticket nach London zu kaufen. Ja, für sofort. Stellen Sie sich nicht so an. Stansted ist günstiger. Aber Heathrow geht schneller. Und Sie haben doch Hunger!

III. Angekommen? Gut.

Von der Oxford Street, Ecke Marble Arch in der Innenstadt fährt die Buslinie 98 nördlich über die Edgware Road in den Stadtteil Kilburn (gehört u.a. zum Verwaltungsbezirk Camden). Steigen Sie Kilburn High Road aus. 100 Meter vor Ihnen befindet sich ein britischer Aldi.

"Do your fresh shop here": Aldi in London

IV. Bevor Sie reingehen: Ziehen Sie sich was drüber! Drinnen ist es immer zehn Grad kälter als draußen. Das liegt daran, dass der Laden keine Wände hat, sondern komplett kühlthekenverkleidet ist. (Bis auf die Fensterfront natürlich.) Suchen Sie sich in ebendiesen Theken ein Lunch raus: ein Sandwich, Obst in Plastik, was zu trinken. Stellen Sie sich in die sehr, sehr lange Schlange, die – typisch britisch –  einmal durch den halben Laden geleitet wird. Wenn eine Automatenstimme sagt: “Next customer to till 4 please” – folgen Sie der Anweisung. (Und lächeln Sie beim Bezahlen, das irritiert die Kassierer.)

Guten Appetit!

V. Fahren Sie heim. (Ihr Chef wird sich schon brennend dafür interessieren, wo Sie so lange waren.)

* * *

Was das alles soll?

Ganz einfach: Vor zwei Monaten hat das britische Supermarkt-Branchenblatt “The Grocer” Aldi in Großbritannien zum “Grocer of the Year” gewählt. Das muss ein ziemlicher Schock für die großen Handelsketten gewesen sein, die den Titel sonst Jahr für Jahr unter sich tauschen, ohne dass ihnen ein dahergelaufener Discounter dazwischen funkt. Vielleicht hat die “Grocer”-Jury mit ihrem Urteil provozieren wollen. Vielleicht ist die Auszeichnung auch berechtigt, weil Aldi bei den Briten gerade immer beliebter wird. (Wenn auch auf verhältnismäßig geringem Niveau, wie hier schon mal erwähnt.)

Auf jeden Fall ist der Discounter im Ausland mit einer Taktik erfolgreich, die in Deutschland bisher unvorstellbar wäre: Anpassungsfähigkeit.

Wie weit die reicht und zu Lasten des ursprünglichen Konzepts geht, lässt sich in eben dieser im April eröffneten Stadtfiliale im Londoner Stadtteil Kilburn besichtigen, in der Sie gerade waren. Dort hat das britische Aldi-Management so ziemlich alle Prinzipien gekillt, die hierzulande immer noch heilig sind. Mit einer Ausnahme: den Preisen. Die sind so niedrig wie es zum Image passt, mit dem der Herausforderer um neue Kunden wirbt.

Der Rest ist für Aldi-Verhältnisse geradezu radikal verkehrt.

Geöffnet ist von 7 bis 22 Uhr, sonntags bis 16 Uhr.

In den Regalen stehen massig Markenprodukte. Solche aus Deutschland (Nutella), vor allem aber viele, die den Briten lieb und teuer sind, vom Kingsmill-Brot bis zum Stella-Artois-Bier. Dagegen geraten die bekannten Aldi-Eigenmarken – zum Beispiel Choceur für Schokolade, Rio D’Oro für Säfte – fast ins Hintertreffen. Was allerdings auch daran liegt, dass Aldi in Großbritannien ein übergreifendes Label für seine Discount-Produkte eingeführt hat, wie es die Kunden von Tesco & Co. gewohnt sind: “everyday essentials”.

Aldi-Eigenmarke aus Großbritannien: "everyday essentials"

(Die Produkte sind weiß verpackt, einheitlich designt – und dass Tescos neue Discount-Range ausgerechnet “everyday value” heißt, ist – wenn überhaupt – ein sehr, sehr dummer Zufall.)

Unter der Marke “Has No” führt Aldi UK derzeit nach einem Bericht des “Grocer” außerdem glutenfreie Produkte ein.

Lunch-Angebot im Londoner Test-Aldi

Der gravierendste Unterschied des Hauptstraßenladens ist aber die klare Ausrichtung auf Stadtkundschaft. Dafür braucht es Kühltruhen – um Sandwiches, fertige Salate, Säfte und gekühlte alkoholische Getränke wie Bier, Wein und Champagner unterzubringen (“fresh-to-go”). Auf der gegenüberliegenden Seite werden Obst sowie aufgebackene Brötchen, Brote, Donuts und Kuchen verkauft, die in Körben lagern. Von seinem monströsen Backautomat, wie er in deutschen Filialen üblich ist (siehe Supermarktblog), verschont Aldi die Briten.

Backautomaten? No, my dear! Aufgebackenes kommt bei Aldi London aus dem Körbchen

Kassen mit Förderbändern gibt’s auch keine, sondern nur kleine Tresen.

Der Laden in London scheint derzeit, was das Sofortessen-Angebot angeht, eine Ausnahme zu sein. Vor allem ist er ein Test, ob das erfolgreiche Discount-Prinzip mit der Leidenschaft der Briten für Convenience-Lebensmittel kompatibel ist.

"Open Daily": Werbung von Aldi in London

Ob das im Erfolgsfall zurück nach Deutschland schwappen könnte? Einen Versuch wär’s wert, zumal die  Supermärkte dann gezwungen wären, ihr müdes Angebot für die Unterwegsverpflegung deutlich zu verbessern. Zumindest für einen Test wäre die Auslgangslage gar nicht übel: In Frankfurt am Main hat vor einiger Zeit ein Aldi ganz in der Nähe der Zeil eröffnet. (Mit einem bisher eher mickrigen Sofortessen-Angebot; siehe Supermarktblog – oder hat sich da was verändert? Dann bitte kommentieren!) Und in Düsseldorf will der Discounter auf die Kö ziehen.

Das wären schon mal sehr zentrale Orte, um den Erfolg eines Mittagessen-Angebots aus dem Discounter zu testen.

In London jedenfalls scheinen die Kunden das Prinzip verstanden zu haben. Gleich am Eingang steht die Erklärung:

“Aldi simplicity: No gimmicks, no deals, just a great lunch at a great price.”

Und wenn Sie sich jetzt schon so gut auskennen: Nehmen Sie morgen in der Mittagspause doch einfach mal die Kollegen mit!

Fotos: Supermarktblog

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