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Bistro-Test in Köln: Rewe will “sozialer Treffpunkt” werden

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Eine der wichtigsten Grundregeln im Goldenen Buch Des Einkaufens lautet: Geh niemals mit leerem Magen Lebensmittel besorgen! Weil der Magen sonst alleine bestimmt, wie lang der Kassenzettel wird. Die Supermärkte sind da natürlich anderer Meinung. Dass Rewe seine Umsätze mit hungrig in den Laden stürmenden Mittagspäuslern jetzt so konsequent selbst sabotiert, ist also erklärungsbedürftig.

Am Dienstag öffnet am Kölner Waidmarkt das erste “Made by Rewe”, ein Bistro mit direktem Supermarktanschluss, das auf den ersten Blick ein bisschen aussieht als sei ein Ikea-Restaurant mit einer Kantine zusammengestoßen.

Als als sei ein Schnellrestaurant mit einer Kantine zusammengestoßen: "Made by Rewe" in Köln / Foto: Rewe

Einige Supermarktblog-Kommentatoren haben an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch viele selbstständige Kaufleute und SB-Warenhäuser Bistros an ihre Läden angedockt haben. “Made by Rewe” ist trotzdem was Besonderes. Weil es im Erfolgsfall der Auftakt zu einem Strategiewechsel im deutschen Lebensmittelhandel wäre.

Rewe-Supermarktvorstand Lionel Souque erklärt, “Made by Rewe” sei “für uns der konsequente Schritt, Supermärkte in hochfrequentierten Lagen verstärkt zu sozialen Treffpunkten zu machen”. Das heißt nichts anderes als dass Rewe daran glaubt, dass Supermärkte in Städten künftig nicht mehr nur die Orte sein werden, die wir ansteuern, um für zuhause einkaufen. Sondern mindestens auch, um dort unsere Mittagspause zu verbringen oder uns abends vor dem Kinobesuch kurz mit Freunden zu treffen. Das Bistro am Waidmarkt hat jedenfalls genauso lange auf wie der normale Supermarkt: von 7 bis 22 Uhr.

Darüber hinaus ist “Made by Rewe” ein riesiger Schritt in Richtung Convenience, bislang eine der größten Schwachstellen der Rewe-Märkte in Deutschland, die auch dreieinhalb Jahre nach dem Start von “Rewe to Go” nicht behoben ist. Ein paar einfallslose Salate und Wraps in die Kühltheke zu schleudern, macht einen eben noch nicht zum Starbucks-Konkurrenten.

Mit dem nun versprochenen Angebot aus frisch zubereiteten Pizzen, Nudelgerichten, Sandwiches und Desserts ginge das schon eher.

(Wird auch höchste Zeit: Der niederländische Convenience-Konkurrent Albert Heijn to Go hat sich gerade bis in die Rewe-Hauptstadt vorgearbeitet.)

Zeitgleich kündigen die Kölner die neue Eigenmarke “Smart People – Ready to Cook” an: vorportioniertes Fertiggeschnibbel zum Selberkochen. In jeder Packung sollen sämtliche Zutaten für eine Mahlzeit enthalten sein, inklusive Kochanleitung. Rewe verspricht: alles ist frisch. Die Zubereitung soll nicht länger als acht Minuten dauern. Kosten werden die meisten Gerichte 4,99 Euro. (Zur Auswahl gehören u.a.: “Mediterrane Tagliatelle mit Pesto, Oliven und Rucola”, “Grünes Thai Curry mit Hühnerbrust mit Zuckerschoten”, “Reisnudeln Vietnamese-Style mit Hühnerbrust”, “Orientalische Tajine mit Butternuss-Kürbis”.)

Vorportioniertes Fertiggeschnibbel inklusive Kochanleitung: "Smart People"-Gerichte bei "Made by Rewe" / Foto: Rewe

Damit springt Rewe-Chef Alain Caparros auf einen Trend auf, der hierzulande bisher vor allem von Start-Ups wie YouCook vorangetrieben wurde – und tritt mit diesen in direkte Konkurrenz.

Völlig neu ist vor allem die Kombination von Supermarkt, Bistro und vorbereitetem Zuhause-Essen. Im Vergleich zur innovationsträgen deutschen Supermarkt-Branche gehören “Smart People” und “Made by Rewe” deshalb zu den derzeit spannendsten Tests. (Außerdem passen die Neuerungen besser zu Rewe als die Showkocherei.) Eine zweite Filiale soll demnächst im Kölner Stadtteil Zollstock (Höninger Weg) eröffnen. Dann wolle man “über einen nicht festgelegten längeren Zeitraum erst einmal Erfahrungen mit dem Konzept und der Betreibung sammeln”, heißt es in der Zentrale.

Nach der Erfindung “Rewe to Go” bewirbt sich Rewe jetzt mit “Made by Rewe” außerdem auf den ersten Platz im Wettbewerb der Unternehmen mit den albernsten Englischnamen-Zweigstellen.

(Was gerade noch zu verkraften ist, solange man sich nicht den ausgeschriebenen Namen des Neustarts vor Augen ruft: “Made by Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften”.)

Aber vielleicht weist die flotten Supermarktkonzepttester aus Köln mal jemand darauf hin, dass “Smart People – Ready to Cook” womöglich schon von einem der in Äquatornähe lebenden Kannibalenstämme markenrechtlich geschützt sein könnte?

Warum Rewe mit seiner Idee, dass Supermärkte ihre Bedeutung für die Kunden verändern werden, nicht alleine ist, steht am Mittwoch im Supermarktblog.

Fotos: Rewe


Zeitvertreib im Supermarkt: Warum Tesco seine Extra-Stores vershoppingcentert

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Am 12. August eröffnete die britische Supermarktkette Tesco in Watford, rund 30 Kilometer nördlich von London, einen ihrer großen Extra-Stores neu. Da Sie vermutlich nicht in der Nähe wohnen, glauben Sie vielleicht, das sei nicht weiter relevant. Und denselben Ärger wie neulich, als auf Supermarktblog-Initiative die Mittagspause etwas länger ausfiel, will ja auch niemand zweimal haben.

Macht nichts, der Tesco Extra, um den es in diesem Eintrag geht, ist praktischerweise komplett bei Google zu besichtigen:


Größere Kartenansicht

Auf den ersten Blick sieht alles aus wie im ganz normalen Supermarkt. Oder sagen wir: fast. Die Watford-Filiale ist nach dem Umbau ein bisschen schicker als andere Läden des Konzerns, der im vergangenen Jahr international zwar satte Gewinne machte, aber in Großbritannien Rückgänge verkraften musste. Tesco-CEO Philip Clarke hat deshalb ein Programm unter dem Titel “Building a better Tesco” angekündigt – und will dafür eine Milliarde Pfund in Neueröffnungen, Mitarbeitertraining und Produktverbesserungen investieren. Im Jahresbericht für 2012 schrieb Clarke:

“Tesco wird in Zukunft innovativer und kreativer agieren, weil wir uns den Bedürfnissen der Konsumenten besser anpassen wollen – sowohl im Laden als auch online.”

Wie drastisch die Änderungen sein könnten, hat er nicht dazu gesagt.

Der Extra-Store in Watford ist ein Testmarkt, sagt Tony Hoggett, der im Unternehmen für die riesigen SB-Warenhäuser zuständig ist, von denen kaum noch neue eröffnet werden sollen, weil die Kunden sich angewöhnt haben, wieder in der Nähe ihres Wohnorts einzukaufen. Und online. Dem britischen Fachmagazin “The Grocer” sagte Hoggett:

“Dies ist eine Version eines Markts der Zukunft [wie Tesco ihn sich vorstellt].”

In dieser Zukunft geht es längst nicht mehr nur darum, Lebensmittel einzukaufen. Sondern vielmehr darum, sich darauf einzustellen, dass ein großer Teil des Lebensmitteleinkaufs online passieren könnte. Damit die stationären Läden nicht überflüssig werden, müssen sie sich ändern, glaubt Tesco. Und zu einer Mischung aus Einkaufscenter und Freizeitort werden.

Wie ernst es dem Konzern damit ist, kündigte sich bereits im März an, als öffentlich wurde, dass Tesco die hippe britische Restaurantkette Giraffe übernimmt. Eine ebensolche Filiale schmückt nun den Eingangsbereich des neuen Tesco Extra in Watford (Menü-Überblick gewünscht?). In den Laden integriert sind außerdem: ein Shop der Kaffeekette Harris + Hoole, ebenfalls von Tesco übernommen, sowie die Bäckerkonzepte Euphorium und The Bakery Project. (Mehr dazu demnächst.) In einem “City Kitchen” können Kunden sich außerdem ihr eigenes Sofortessen kombinieren.

Logo der britischen Restaurantkette Giraffe

Tescos Klamotten-Eigenmarke F&F ist im Boutique-Stil mitten in den Markt gepflanzt. Haushaltswaren werden im Butlers-Stil präsentiert. Es gibt eine Apotheke mit separatem Beratungszimmer, einen Optiker, der kostenlose Sehtests anbietet, eine “Tesco Loves Baby”-Ecke, einen Bereich, in dem man für 5 Pfund eine Schönheitsbehandlung kriegt, und einen “community space” – eine Fläche also, die für Koch- und Yoga-Kurse genutzt werden soll und von Vereinen aus Watford kostenlos für eigene Veranstaltungen angemietet werden kann.

Falls Sie sich oben nicht selbst durchklicken wollen: Bei der britischen “Retail Week” gibt es dazu ein kurzes Video anzuschauen.

Es mag auf den ersten Blick so aussehen, also ob Tesco mit seinem neuen Extra-Konzept stark in die Richtung eines Kaufhauskonzepts rückt – ausgerechnet während in Deutschland mit dem Schlingerkurs von Karstadt und der ungewissen Zukunft für Kaufhof eben dieses in Frage gestellt wird. Ganz richtig ist das aber nicht – denn der Schwerpunkt sind mehr als je zuvor: Lebensmittel. Nur sehr unterschiedlich präsentiert.

Chris Bush, Managing Director für Großbritannien, ist  davon überzeugt, dass Supermärkte  zukünftig “Orte sein [müssen], an denen die Kunden ihre Freizeit verbringen und sich mit Freunden und der Familie treffen”. Ein bisschen wie die großen Shopping-Malls in den USA.

Gründe, es zu versuchen,  gibt es viele:

  • Tesco hofft auf den Ikea-Effekt. Viele Kunden besuchen die Möbelhauskette längst nicht nur, um neuen, unnützen Ramsch für ihre Wohnungen zu besorgen, sondern auch für ein (vermeintlich) günstiges Frühstück im Ikea-eigenen Restaurant. Bestenfalls bleiben die Kunden deswegen länger im Laden. Und kaufen mehr.
  • Darüber hinaus belegen Restaurants und Cafés einen Teil der bisherigen Verkaufsfläche , um die Tesco seine übergroßen Extra-Stores sowieso verkleinern will. (Bei uns verkleinert z.B. Real einige seiner Läden, vermietet die Flächen allerdings an unabhängige Anbieter.)

Aus deutscher Sicht klingt das trotzdem komisch: Die meisten Kunden sind hierzulande froh, wenn sie den lästigen Lebensmittel-Einkauf und das Schlangestehen an der Kasse hinter sich gebracht haben. Rewe wagt mit seinem Bistro-Test in Köln, “Made by Rewe”, gerade einen ersten Versuch, sich selbst neu zu definieren.

In Großbritannien ist die Ausgangssituation allerdings eine andere. Mit Online-Bestellungen macht Tesco schon seit einer Weile stark steigende Umsätze. Die Briten sind  sehr viel mehr daran gewöhnt, sich Dinge des täglichen Gebrauchs an die Haustür liefern zu lassen. In London saust in diesen Tagen ein Liefertransporter nach dem nächsten über die Straßen.

Lieferfahrzeug der britsichen Supermarktkette Tesco

Wer oft online bestellt, muss natürlich seltener in den Laden – und hat kaum noch einen Grund, eines der riesigen SB-Warenhäuser aufzusuchen. Es sei denn, die blicken über ihren bisherigen Kühltruhenrand hinaus. Watford ist der Test, ob das funktioniert. Tesco-Manager Bush sagt:

“[Der Laden] repräsentiert einen grundlegenden Wandel in der Art, wie die Menschen ihre Einkäufe erledigen. Immer mehr Kunden gehen einkaufen, um sich die Zeit zu vertreiben; sie wollen nach Klamotten stöbern, was essen oder einen Kaffee trinken, während sie ihre Besorgungen erledigen. Das ermöglicht uns einen Blick darauf, wie Läden in Zukunft aussehen könnten (…).”

Die Tesco-Idee mag in vielerlei Grundsätzen dem widersprechen, wie deutsche Händler das Einkaufserlebnis ihrer Kunden zu verbessern versuchen. Aber sie ist nah dran an dem, wie auch wir  inzwischen große Shoppingcenter mit Gastro-Angeboten nutzen. Wenn sie funktioniert, könnten sich die britischen Supermärkte in kürzester Zeit radikal wandeln.

Fotos: Supermarktblog; Multimedia: Google, retail-week.com

Das Kleingedruckte (1)

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Davon, dass Köln in Brandenburg liegt, hat Hans-Christian Ströbele letztes Jahr im Urlaub erfahren. Beim Milchtrinken. “Ich hab am See gesessen und mir zum ersten Mal genauer durchgelesen, was alles auf der Milchtüte stand”, erinnert sich der Grünen-Politiker aus Berlin. “Da hat’s mich fast von der Wiese gehauen.” Auf der Tüte war in weißer Schrift auf signalrotem Hintergrund geschrieben: “Mark Brandenburg”. Und darunter, in winzig kleinen weißen Buchstaben auf hellblauer Fläche:

“Milch von deutschen Bauernhöfen – Abgefüllt in Köln”

Bald sind die Buchstaben ein bisschen größer: "Mark Brandeburg"-Milch von Friesland Campina

“Ich hab bis dahin immer darauf geachtet, möglichst Milch von ‘Mark Brandenburg’ zu kaufen, weil ich regionale Produktion unterstützen will”, sagt Ströbele.

“Inzwischen weiß ich, dass die Molkerei einer holländischen Firma mit deutschem Sitz in Heilbronn gehört, die Milch vor allem aus Rheinland-Pfalz und dem Rheinland in Köln abfüllt.”

Und “Mark Brandenburg” draufschreibt.

Ist ja auch kein Wunder. Regionalität gehört für deutsche Verbraucher zu den wichtigsten Kriterien beim Einkaufen – noch vor Bio und Nachhaltigkeit. Das hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) 2011 in einer Umfrage herausgefunden (siehe auch Supermarktblog). Die Leute wollen Lebensmittel, die aus der Nähe kommen.

Und Ströbele wollte nicht einsehen, dass Milch, auf der “Brandenburg” steht, überall herkommt – aber mehrheitlich nicht aus Brandenburg.

Also hat er sich beim verantwortlichen Unternehmen beschwert, eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt und Briefe an Verbraucherverbände geschrieben. Einer davon, der Berliner Verband Sozialer Wettbewerb, entschloss sich daraufhin, gegen den Hersteller Friesland Campina zu klagen. Und bekam im Juli vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in zweiter Instanz Recht (2U 157/12).

Die Richter stellten fest, dass es sich um eine “Irreführung” der Verbraucher handele: Die Beschriftung “Mark Brandenburg” werde von den Kunden als Herkunftsangabe der Milch verstanden, die Nennung des eigentlichen Abfüllorts ginge “nachgerade unter”. Im Urteil steht der schöne Satz: Der Begriff “Mark” werde “nicht nur von Bildungsbürgern, die von einem der Hauptwerke von Theodor Fontane schon gehört oder es gar gelesen haben, sondern jedenfalls von einem erheblichen Teil” der Konsumenten “als Region, als geographische Bezeichnung verstanden”.

Bis Jahresende kann die niederländische Großmolkerei ihre alten Kartons aufbrauchen. Danach darf die “Mark Brandenburg”-Milch in der jetzigen Verpackung nicht mehr verkauft werden. Sonst muss der Konzern 250.000 Euro Strafe zahlen.

“Eine Täuschung der Verbraucher lag zu keiner Zeit in unserer Absicht”,

erklärt Friesland-Campina-Sprecherin Sybille Erhardt. Bei “Mark Brandenburg” handele es sich vielmehr um eine eingetragene Marke, die “historisch gewachsen” sei. Die ehemaligen Brandenburger Abfüllbetriebe sind längst verkauft. Aber die Verbraucher haben sich an die bunten Packungen mit der aufgedruckten Landidylle gewöhnt. Also wird es auch in Zukunft “Mark Brandenburg”-Milch geben. Aus Köln. Erhardt sagt:

“Lediglich der Abfüllort muss augenfälliger als bislang auf der Packung aufgebracht werden.”

Das heißt: Die Schrift wird vielleicht ein bisschen größer. Und das auch nur auf den Milchpackungen. Quark, Kefir und Joghurt von “Mark Brandenburg” waren nämlich nicht Gegenstand des Verfahrens.

Es wird schon noch genügend Leute geben, die beim Einkaufen weiter nicht so genau hinsehen.

Nachtrag: Stefan weist in den Kommentaren drauf hin, dass es sich Friesland Campina noch ein bisschen einfacher macht: “Mark Brandenburg” wird einfach verkauft.

Mehr Kleingedrucktes steht am Donnerstag im Supermarktblog.

Foto: Supermarktblog

Das Kleingedruckte (2)

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Netto-(ohne Hund)-Markt in Berlin

Im August 2011 entschied das Landesgericht Nürnberg-Fürth auf eine Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass die kleinen Preise von Netto (ohne Hund) fetter werden müssen. Nicht alle, nur die winzig kleinen Grundpreise auf den Schildern im Laden.

Der Grundpreis gibt an, was ein Produkt je Mengeneinheit kostet, also zum Beispiel auf 100 Gramm gerechnet. Supermärkte sind zur Angabe verpflichtet, damit die Kunden unterschiedliche Produkte oder Packungsgrößen leichter vergleichen können. Netto fand, zwei Millimeter Schrifthöhe seien dafür genug.

Und wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden.

Der Fall schleppte sich deshalb bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). Und der entschied im März 2013: Alles in Ordnung, die kleinen Preise dürfen so klein bleiben (I ZR 30/12). Besonders spannend ist die Begründung: Preisschilder im Supermarkt würden üblicherweise aus einer Entfernung von 50 Zentimetern betrachtet. Dabei seien die Ziffern der Netto-Grundpreise “ohne weiteres deutlich zu erkennen”, unter anderem wegen der zusätzlichen Umrandung auf den Netto-(ohne Hund)-Schildern. Das gelte auch für solche, die in der untersten Regalreihe angebracht seien. Weil ein Kunde, der die entsprechenden Produkte kaufen wolle, “sich ihnen ohnedies so weit nähern wird”, dass er die Ziffern “noch gut lesen kann”.

Kurz gesagt: Wer sich noch bücken kann, hat nach Auffassung des BGH offensichtlich auch genügend Sehkraft.

Ausschlaggebend für das Urteil war die so genannte Preisangabenverordnung (PAngV). In der ist vom Gesetzgeber geregelt, dass der Handel seine Kunden den Grundpreis nennen muss. Da steht nur nicht, wie.

“Die Preisangabenverordnung ist in diesem Fall leider nicht konkret genug formuliert”, sagt Carolin Semmler, Rechtsanwältin der Verbraucherzentrale NRW. In §1, Absatz 6 wird lediglich verlangt, die Angaben müssen “leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar” sein. “Was das heißt, lässt sich sehr unterschiedlich auslegen”, meint Semmler.

“Aus unserer Sicht muss die Preisangabenverordnung geändert werden.”

Das findet auch Jochen Hartloff. Im vergangenen Jahr startete der rheinland-pfälzische Minister für Justiz und Verbraucherschutz deshalb mit Unterstützung weiterer Bundesländer eine Initiative, um die PAngV zu konkretisieren.

“Die Rechtsprechung tut sich meiner Ansicht nach mit den aktuellen Definitionen der Preisangabenverordnung relativ schwer”, sagt Hartloff.

“Verbraucherschutzvertreter klagen sich deshalb durch mehrere Instanzen. Die Gerichte beschäftigen sich damit, welche Schriftgröße im Supermarkt in Ordnung ist. Und wer, wie ich, eine Lesebrille braucht, legt sich dann beim Einkaufen am besten auf den Bauch, um das zu entziffern?”

Die Minister plädieren, ähnlich wie die Verbraucherzentrale, für deutlichere Vorgaben: ein konkretes Größenverhältnis des Grundpreises zum tatsächlichen Ladenpreis sowie Mindestschriftgrößen.

Im Juli 2012 stimmte auch der Bundesrat für eine entsprechende “Entschließung”, eine Art Handlungsempfehlung, die ans zuständige Bundeswirtschaftsministerium weitergereicht wurde – und dort gleich wieder einkassiert. Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften sei “nicht sinnvoll”, erklärte das FDP-geführte Ministerium, und zwar mit Verweis auf das Verfahren zu den Netto-(ohne Hund)-Grundpreisen vorm BGH.

Im dazugehörigen Urteil wiederum beruft sich der BGH darauf, dass es ja trotz der Initiative der Länder keine Änderung der Preisangabenverordnung gegeben habe. Wie in einem Ping-Pong-Spiel.

Ob das Kleingedruckte im Supermarkt zu klein gedruckt ist, sollen also laut Wirtschaftsministerium die Gerichte entscheiden. Sie tun das immer wieder neu. Und immer wieder anders. ”Wenn nichts passiert, führt das aus meiner Sicht dazu, dass es weitere Verfahren geben wird, die die Verwirrung für die Konsumenten dann noch größer werden lassen”, erklärt Verbraucherschutzminister Hartloff seine Initiative zur Gesetzesänderung.

“Es geht gar nicht darum, die Supermärkte zu gängeln. Sondern um Klarheit und Einfachheit.”

Zwischenzeitlich hat sich Netto aus eigener Initiative dazu entschlossen, seine Preisschilder zu überarbeiten. Eine Sprecherin des Discounters erklärt, die Grundpreisangaben seien noch während des laufenden Verfahrens vergrößert worden:

“Auf diese Weise haben wir bundesweit die Lesbarkeit der Preisangaben für unsere Kunden weiter verbessert.”

Die Schrift ist jetzt nicht mehr zwei Millimeter hoch. Sondern: drei.

Mehr Kleingedrucktes lesen? Bitte hier entlang.

Foto: Supermarktblog

Nieder mit den Backvollzugsanstalten!

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Häufig werden sie in viel zu kleinen Gitterkäfigen gehalten. In aneinander gereihten Fächern drängeln sich Laugenbrezeln, Frühstücksbrötchen und Buttercroissants auf engstem Raum. Tageslicht sehen sie fast nie in ihren holzimitatverkleideten Backbatterien.

So sieht für viele Backwaren inzwischen der Alltag in Deutschland aus.

Als "Backstube" getarnte Backwarenvollzugsanstalt bei Netto (ohne Hund)

Nach dem großen Erfolg von Lidl ist derzeit der Mitbewerber Netto (ohne Hund) damit beschäftigt, seine Filialen mit eigenen Backvollzugsanstalten auszustatten. Wie Supermarktblog-Kommentator McDuck unter diesem Eintrag ergänzt hat, stehen die so genannten “Backstuben” nicht nur im Amberger Discount-Test “Mein Laden”, sondern auch in vielen regulären Filialen. So sieht das aus.

Anders als Lidl verzichtet Netto (ohne Hund) auf einen teuren Anbau und stopft den Brötchenknast direkt in die – oft sowieso schon viel zu kleinen – Filialen. Ein “Backofen” ist direkt in die Front integriert, in manchen Läden reicht’s auch noch für eine Brotschneidemaschine. Damit kann Netto (ohne Hund) es zwar längst nicht mit der Auswahl aufnehmen, die Lidl seinen Kunden bietet, versucht aber, wenigstens so zu tun.

Die Backthekisierung deutscher Supermärkte und Discounter hat damit so langsam ihren Höhepunkt erreicht.

Es gibt nur noch wenige große Ketten, die ihrer Kundschaft nicht meterweise aufgebackene Industriebrötchen in den Einkaufswagen drängeln. (“Backfactory”, “Backwerk” und diverse Kettenbäcker haben ja bereits gute Vorarbeit geleistet.) Rewe forcierte den Absatz der Billigbrötchen in seinen Ost-Filialen gerade mit einem großzügig beworbenen Generalrabatt:

“15 Prozent auf alle frischen Backwaren aus der Backstation!”

Rewe wirbt mit Backrabatt

In Großbritannien passiert lustigerweise gerade das Gegenteil. Viele Briten scheinen genug vom Fertigbrot zu haben. Diejenigen, die es sich leisten können (oder wollen), kaufen stattdessen in kleinen Bäckereien ein, die vor allem in London wie, äh: Pizzabrötchen aus dem Ofen schießen und nicht nur klassische Handarbeit versprechen, sondern auch auf Zusatzstoffe verzichten. So wie die 1999 im Stadtteil Islington gegründete “Euphorium Bakery”. Sieben Filialen gibt es inzwischen in London. Jetzt ist Euphorium einen Pakt mit dem Supermarktteufel eingegangen (so sehen es jedenfalls manche Indie-Bäcker): mit Tesco.

Einerseits werden Euphorium-Filialen in größeren Tescos integriert. Andererseits passt der Handwerksbäcker mit seinen höheren Preisen nicht so recht zum Kundenprofil des Mainstream-Supermarkts. Deshalb testen die Partner seit kurzem zusammen ein neues Konzept.

Im vergangenen März eröffnete Tesco in seiner Filiale in Hackney das erste “The Bakery Project”, für das sämtliche Designverbrechen des übrigen Ladens ignoriert wurden. In der Mitte der Backbucht, die direkt vom Laden aus zugänglich ist, steht ein großer Holztisch mit frisch gebackenen Broten und Gebäck unter kleinen Häubchen. In einer Kühltheke gibt’s Torten und Kuchen. Vieles lässt sich erstmal probieren.

(Für größere Ansicht bitte anklicken.)

In Hackney testet Tesco "The Bakery Project"

Das (verpackte) Hauptangebot lagert an den Seiten in schlichten, durchnummerierten Regalen (“Bays”): rechts Brote, links Süßes. Der Schwerpunkt liegt auf britischen “Klassikern”, die auch schon vor dem Laden entsprechend aufwändig beworben werden: “The Dundee”, “The Victoria”, “The Battenberg”.

"The Bakery Project": Freiliegende Brote statt Backvollzug

Das Angebot ist ziemlich groß. Die Preise sind (im Vergleich zu den Handwerks-Bäckereien) moderat.

Zwischen den Metallregalen hängen Zutatenlisten und Rezepte zum Zuhausenachbacken.

Zuhause nachbacken? Die Zutatenliste gibt's gratis

Außerdem können die Tesco-Kunden immer montags mitentscheiden, was vorübergehend ins Sortiment aufgenommen werden soll, so wie das Knoblauch-Käse-Spinat-Jalapeno-Brot für 1,50 Pfund (“Voted in by you”).

"Voted in by you": "The Bakery Project" lässt Kunden neue Produkte auswählen

Natürlich ist das erst einmal ein großer Backzirkus, ganz ähnlich wie ihn in Deutschland Kamps mit seinen “Backstuben” seit einiger Zeit veranstaltet. Das britische Blog “Cake and Fine Wine” hat gerade sehr schön beschrieben, warum genau das funktionieren könnte: Hackney im Osten der Stadt ist der Bezirk, der gerade kräftig durchgentrifiziert wird, was weniger am nahegelegenen Olympia-2012-Standort liegt, der gerade zu einer gruseligen Mischung aus Einkaufszentrum und Spießbürgersiedlung umgebaut wird, sondern daran, dass die Studenten und die Künstler schon längere Zeit dort sind und jetzt die Leute nachkommen, die ein bisschen mehr Geld haben und eher darauf achten, was sie einkaufen.

“The Bakery Project” ist gemacht für Leute, die keine Lust auf Discount-Backwaren haben, denen aber gleichzeitig die Indie-Bäcker zu teuer sind: also ein Konzept für den (kleinen) Massenmarkt. Ein zweites “Bakery Project” hat gerade im neuen Tesco in Watford eröffnet.

Das einzige Problem ist, findet zumindest “Cake and Fine Wine”: Die Sachen schmecken nur halb so lecker wie sie aussehen.

“I’m all for putting it in supermarkets. But the Bakery Project clearly aren’t going to be the ones who do that, unless they up their game.”

Tesco-Filiale mit "the Bakery Project" in Hackney

Für deutsche Supermärkte allerdings wäre ein vergleichbares Konzept ein riesiger Gewinn. (Wobei eventuell mit Einschränkungen wegen der behördlichen Hygienevorschriften zu rechnen wäre; mehr dazu ein andermal.)

Ketten wie Rewe machen mit ihren Billigbacktheken wieder denselben Fehler wie früher mit ihren kompletten Ladenkonzepten: Sie versuchen, die Discounter mit deren Mitteln zu schlagen. Das ist dumm. Schließlich haben die Supermärkte in den vergangenen Jahren vor allem deshalb aufholen können, weil sie die Unterschiede zum Billig-Wettbewerb herausgestellt haben: mit hochwertigeren Bedientheken, einem breiteren Angebot, besonderen Produkten. Es ist höchste Zeit, dass das endlich auch für Brot und Brötchen gilt. Weil sich Supermärkte auf Dauer mit 1-Euro-Standardbrot-Aktionsangeboten keinen Gefallen tun werden.

Nieder mit den Backvollzugsanstalten!

Fotos: Supermarktblog

Öffnungszeiten vor Obsthintergrund: Rewe startet seine erste App

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“Nächster Rewe: 16 km”, steht da in großer weißer Schrift auf dem Handydisplay. Mit diesem Wissen über den discounterverseuchten Norden Berlins, der nahtlos ins ebenso discounterverseuchte Brandenburg übergeht, hätte man bei der Bewerbung als Expansionsbeauftragter für Deutschlands zweitgrößte Supermarktkette wahrscheinlich schon ganz gute Karten.

In Köln und im Rhein-Main-Gebiet wird die Entfernung zum nächsten Rewe an dieser Stelle vermutlich in Zentimetern angegeben. (Innerhalb der Berliner Stadtgrenzen halten sich natürlich auch hier die Entfernungen in Grenzen.) Die GPS-Ortung ist jedenfalls das erste, was beim Öffnen der neuen Rewe-App auffällt.

Nach dem Konkurrenten Edeka sowie den Billigmitbewerbern Aldi und Netto (ohne Hund) veröffentlicht in diesen Tagen auch Rewe eine eigene Smartphone-Applikation als iOS- und Android-Version. Die Freischaltung im App Store und bei Google Play erfolgt im Laufe der Woche.

Rewes App lotst Smartphone-Besitzer zum nächsten Markt

Das Mini-Programm sucht nicht nur den Weg zum nächsten Markt inklusive Öffnungszeiten, sondern lässt den Nutzer (nach vorheriger Anmeldung auf rewe.de) auch vor wechselnden Obsttapeten Favoriten-Märkte anlegen, um diese nach aktuellen Angeboten zu durchsuchen.

Das ist deshalb praktisch, weil unterschiedliche Märkte bisweilen unterschiedliche Produkte im Angebot haben, sagt Rewe. Relevant ist das aber wohl vor allem für Leute, die wegen eines vergünstigten Fleischsalats bereit sind, ihren Stammmarkt zu wechseln.

Einen recht nützlichen Eindruck macht die Einkaufsliste, auf die sich Angebote sofort übertragen lassen, und die automatisch mit dem Rewe.de-Account synchronisert wird. Wenn es jetzt noch gelingt, diese Daten auch zum Lieferservice rewe-online.de (siehe Supermarktblog) zu transferieren, wäre die Liste eine prima Einkaufserleichterung für Leute, denen hauptsächlich im Bus einfällt, was zuhause im Kühlschrank dringend nachgefüllt werden müsste. Bestellen lässt sich über die Rewe-App (in der am Wochenende getesteten Vorab-Version) bisher nämlich nicht.

Die Einkaufsliste schluckt aber auch Produkte, die per Strichcode-Scan oder Stimmaufnahme hinzugefügt werden, was im letztgenannten Fall natürlich alberne Einträge geradezu provoziert:

Antilope auf der Einkaufsliste? Kein Problem mit der Rewe-App

Wer sich mit der App schon in den Laden lotsen ließ, aber keinen Schimmer hat, was er abends kochen soll, kann sich von den wechselnden Rezeptvorschlägen inspirieren lassen und die benötigten Produkte direkt auf die Einkaufsliste übertragen.

Auffällig ist aber natürlich auch, was die neue Rewe-App nicht kann: nämlich bezahlen. Das ist nicht nur deshalb erstaunlich, weil der Mitbewerber Edeka seine App bereits vor einigen Monaten mit einer dementsprechenden Funktion (für eine begrenzte Zahl von Märkten) ausgerüstet und diese auch für Netto-(ohne Hund)-App-Besitzer freigeschaltet hat. Sondern auch, weil Rewe seine Kunden in Kürze ebenfalls mit dem Handy an der Kasse bezahlen lassen will. Dazu schreibt “Der Handel”:

“Bis zum Jahresende sollen die Nutzer (…) ihre Einkäufe an den Kassen der Rewe-Supermärkte und der toom-Verbrauchermärkte mit dem Smartphone bezahlen können.”

Los gehen soll’s in den ersten Filialen im November. (Eigenständige Rewe-Kaufmänner entscheiden selbst, ob sie sich beteiligen.) Allerdings müssen Smartphone-Bezahler sich dazu beim Dienst Yapital registrieren, der zur Otto-Gruppe gehört, und eine separate App herunterladen. Im Gegensatz zur – auch schon nicht ganz unkomplizierten – Edeka-Lösung ist die Rewe-Variante als noch ein bisschen unpraktischer. Bei Rewe heißt es aber auf Anfrage, man prüfe, “wie sich das kontaktlose Bezahlen über Yapital auch über die Rewe-App bequem und nutzerfreundlich umsetzen lässt. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit [bis die Funktion integriert ist]“.

Offensichtlich will Rewe jetzt erst einmal eine verhältnismäßig unkomplizierte App-Version testen. Die ist mit ihren Grundfunktionen zweifelsfrei praktisch und hübsch anzusehen. Aber um sie auch für eine regelmäßige Nutzung interessant zu machen, muss sich Rewe noch ein bisschen was einfallen lassen.

Zum Beispiel einen Angebots-Alarm für ausgewählte Marken-Produkte. Oder eben die Koppelung mit dem Lieferservice. Alleine schon, um zu sehen, ob der bei der Bestellweitergabe dann auch Antilopen vorrätig hat.

Screenshots: Supermarktblog

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Rossmann und der “Produkttester”-Trick auf Facebook

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Der “Sexy Skin Duschgenuss”, der “Eyeshadow Mono”, “Neutrogena Body Lotion mit Nordic Berry”, “Syoss Supreme Selection”-Haarpflegeprodukte und die “Palmolive Schaum Handseife Magic Softness Himbeere” stehen bisher wahrscheinlich nicht auf dem Einkaufszettel für Ihren nächsten Drogeriebesuch. Aber wenn Sie ein paar Minuten Zeit investieren, erklären Ihnen “exklusive” Rossmann-Kunden gerne, warum das ein Fehler ist. 5000 Gutscheine verteilt die Drogeriekette derzeit wöchentlich an ihre Facebook-Fans, die sich auf der Social-Media-Plattform als “Produkttester” beworben haben (und vorher “Gefällt mir” gedrückt).

"Produkttester"-Aktion von Rossmann auf Facebook

Die “Bewerbung” besteht darin, montags, dienstags und mittwochs mit der Comicversion eines halswirbelreichen Paarhufers auf einer schlecht gezeichneten Wiese Schmetterlinge anzuhüpfen, die daraufhin in der Luft zerplatzen und im Idealfall den gewünschten Gutschein freigeben. In diesem Fall kommt Email-Post mit dem Betreff: “Wir freuen uns darüber, Dich als Produkttester begrüßen zu dürfen!”:

“Du hast die Giraffe richtig geleitet und den Produkttester-Coupon entdeckt. Herzlichen Glückwunsch! Im Anhang findest du deinen persönlichen Coupon, den du in allen Rossmann Filialen einmalig einlösen kannst.”

Es ist nicht ganz klar, weshalb Rossmann davon ausgeht, dass seine auf Facebook aktiven Kunden von Beruf hauptsächlich Erstklässler sind. Aber die viel entscheidendere Frage ist ja auch: Warum macht Rossmann das?

Um die Produkte zu testen, sagen Sie?

Tatsächlich schreiben die Gutschein-Nutzer nachher eifrig Produktbewertungen. Das ist nämlich Bedingung, um wieder mitmachen zu können. Was aber damit geschieht, inwiefern Rosmann diese an die Hersteller weitergibt oder auswertet, um Eigenmarken zu verbessern (die auch schon “getestet” werden konnten), verrät das Unternehmen auf Anfrage nicht. Vielleicht, weil es egal ist.

Auf einer Marketing-Veranstaltung, mit der sich Facebook bei der Industrie als ideales Werbeumfeld vorstellen wollte, erzählte der Rossmann-Teamleiter Social Media Ende April, worum es bei der Produkttester-Aktion eigentlich geht: darum, die Leute mit den Gutscheinen in die Läden zu locken, wo sie sich das “Test”-Produkt abholen können – und, wenn sie schon mal da sind, gleich noch ein bisschen mehr einkaufen. “Horizont” schreibt dazu:

“100.000 zusätzliche Kunden besuchten aufgrund der Aktion [im vergangenen Jahr] eine Rossmann-Niederlassung, was für Zusatzumsätze über den eingelösten Coupon hinaus sorgte.”

Das ist schon deshalb ganz praktisch, weil Kunden, die Rossmann vorher auch auf Facebook besucht haben, einer GfK-Untersuchung zufolge im Durchschnitt anderthalb mal mehr ausgeben wie Nicht-Facebook-Besucher, und sogar zwei mal mehr für Rossmann-Eigenmarken. Über 90 Prozent der ausgegebenen Gutscheine würden tatsächlich eingelöst.

Die Aktion ist für Rossmann also vor allem: ein gutes Geschäft.

Und ein noch besseres, wenn man annähme, dass die Hersteller dazu verpflichtet würden, die 5000 Produkte auch Rossmann gratis zur Verfügung zu stellen. Ob es eine solche Forderung gibt, möchte Unternehmenssprecher Josef Lange nicht sagen. Eigentlich möchte Rossmann zur Produkttester-Aktion (für deren Teilnahme  Nutzer Zugriff auf ihr Profil, ihre Email, ihre Freundesliste und sämtliche Gefällt-mir-Angaben freigeben) auf Anfrage sogar gar nichts sagen:

“Wir müssen Ihnen (…) eine Beantwortung der Fragen versagen, da es sich um sensible bzw. wettbewerbsrelevante Informationen handelt.”

Ergänzung vom 7. Oktober: Rossmann konnte sich im Nachhinein doch noch zu einer Auskunft durchringen. Zusätzlich zur auf Facebook einsehbaren Produktbewertung würden “oftmals 3–5 zusätzliche Fragen an den Nutzer gestellt, dessen Antworten nicht öffentlich auf Facebook sichtbar sind”, u.a. “zu Konsistenz, zum Duft, zur Anwendung oder auch Wünsche zur Sortimentserweiterung”.

Diese Daten würden “anonymisiert gesammelt und den Produktmanagern sowie den Industriepartnern zur Verfügung gestellt, (…) um gegebenenfalls Änderungen am Sortiment oder am Produkt vorzunehmen”.

Screenshots: Supermarktblog

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Aldi kriegt von seinen Kunden was aufs Dach (geparkt)

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Handzettel-Werbung für neuen Aldi-Markt

“Sehr gute Parkmöglichkeiten”, verspricht Aldi auf dem Handzettel, der die Eröffnung einer neugebauten Filiale in der Hauptstadt bewirbt, und das ist deshalb besonders originell, weil als Eröffnungsangebot auf der Rückseite ein E-Bike zum Schnäppchenpreis angeboten wird.

Dabei kommt die Zielgruppe, die Aldi bisher hauptsächlich anspricht, so gut wie immer mit dem Auto. Kunden, die kartonweise Saft, Nudeln und Tiefkühlfritten in die riesigen Einkaufswagen packen, wissen nun mal, dass sich die Wochenvorräte nicht von alleine nachhause schleppen. Es gab deshalb eine Zeit, in der für Aldi der Parkplatz wichtiger war als der Laden. Stellplätze mussten so groß sein, dass sie nie ausgelastet sein konnten, um vorbeifahrenden Kunden zu signalisieren: Hier ist immer Platz! Der Discounter baute deshalb immer dieselben Flachbauten mit aufgesetzten Satteldächern an Bundesstraßen und in Industriegebiete, weil es dort genügend Platz gab und die Kundschaft bereit war, für günstige Preise auch eine etwas längere Anfahrt (und hässliche Läden) in Kauf zu nehmen.

Das hat sich geändert. In den vergangenen Monaten sah Aldi sich gezwungen, die düsteren Einkaufshöhlen, die bisher vor allem im Norden der Republik Standard waren, sanft zu modernisieren.

Vor allem aber erweitert der frühere Harddiscounter sein Sortiment um Markenprodukte von Coca Cola, Ferrero und Nivea und verkauft verstärkt Luxus-Eigenmarken und Bio-Produkte, um wieder mehr Kunden zu gefallen.

Die neue Softie-Strategie passt nur nicht mehr in die alten Läden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Nicht mehr genug Platz: Alter Aldi-Markt in Berlin-Friedenau

Bereits vor einem Jahr meldete die “Lebensmittelzeitung”, Aldi Nord trenne sich systematisch von kleinen Filialen, die unter der bisherigen Standardgröße lägen. Alles, was kleiner ist als 600 Quadratmeter, sollte mittelfristig ersetzt werden. Neue Läden müssten nicht mehr mindestens 800, sondern 1000 bis 1200 Quadratmeter groß sein. Am Stadtrand ist das machbar, weil sich dort neue Grundstücke auftreiben lassen oder alte Märkte an- und umgebaut werden können. (Wie Aldi Süd das zum Teil recht konsequent macht.)

Umbau-Hinweis an einer Aldi-Süd-Filiale

In den Innenstädten allerdings kriegt Aldi ein Riesenproblem: Weil dort viel weniger Platz für größere Läden ist und Umbauten zu Lasten der vorhandenen Parkplätze gingen. Das will Aldi aber keinesfalls riskieren.

Auch die Mitbewerber planen an ihren Standorten in der Regel mit möglichst umfangreichen Parkplätzen (Edeka rechnet mit einem Stellplatz pro 10 bis 15 Quadratmeter Verkaufsfläche). Edeka und Rewe können notfalls aber auch komplett darauf verzichten, indem sie sich zum Beispiel mit ihren viel kleineren City-Konzepten an nicht-motorisierte Kunden wenden, die in der Nähe wohnen oder auf dem Nachhauseweg von der S-Bahn noch Besorgungen für Abendessen und Frühstück machen.

Für Discounter ist das nicht so einfach. Trotz der höheren Margen, die sich zum Beispiel mit Premium-Eigenmarken erzielen lassen, funktioniert das Aldi-Prinzip immer noch über Masse. Für Leute, die bloß ein Gürkchen, ein Brötchen und eine Packung Käse mitnehmen, ist das Geschäftsmodell nicht gemacht. Aldi braucht Kunden, die möglichst viel auf einmal kaufen. (Nur dann rentieren sich die Niedrigpreise.)

Und Kunden, die möglichst viel auf einmal kaufen, brauchen – Parkplätze.

Wenn Aldi nicht zum reinen Industriegebiet-Discounter werden will, muss das Unternehmen zur Umsetzung seines neuen Konzepts gleichzeitig mehr Verkaufsfläche schaffen, ohne drastisch weniger Parkplätze anzubieten. Aldi ist an vielen Standorten gezwungen, kreativ zu sein.

Im Berliner Bezirk Neukölln hat der Discount-Marktführer eine alte Filiale abgerissen, mit der sich als Ausstellungsstück jederzeit ein Deutsches Discount-Museums hätte gründen lassen. Für einen Neubau in zeitgemäßer Größe war auf dem Grundstück zwar Platz – aber nur bei gleichzeitigem Verzicht auf sämtliche Parkflächen. Das wollte Aldi auf keinen Fall riskieren, zumal sich Hauptkonkurrent Lidl in unmittelbarer Nachbarschaft ein riesiges Grundstück mit üppiger Parkfläche geschnappt hatte (siehe Google Street View).

Die Lösung des Problems ist ungewöhnlich und sieht so aus:

Aldi-Markt mit Parkdeckauffahrt in Berlin-Neukölln

Weil ein Tiefgaragenbau wegen des nahe gelegenen Landwehrkanals und möglichen Grundwasserproblemen nicht möglich war, hat Aldi sich seinen Parkplatz einfach aufs Dach gebaut: 31 Pkw-Stellplätze, die über eine Rampe neben dem Eingang erreicht werden können. (Das Bild oben zeigt die Rückseite mit der Abfahrt.) Kunden werden per Aufzug zurück ins Erdgeschoss vor den Markt gebracht.

Aldi-Parkdeck in Berlin-Neukölln

Die Konstruktion muss deutlich teurer gewesen sein als die üblichen Flachbauten, weil der Markt durch das aufgesetzte Parkdeck eine komplett andere Statik brauchte – und schon deshalb nicht aussehen konnte wie die üblichen Einkaufsbunker.

Ob der terracottafarbene Kastenbau tatsächlich als architektonische Verbesserung zu werten ist, entscheidet am besten jeder für sich. Eins aber steht fest: Wenn man die Kausalitätskette auf die wesentlichen Punkte eindampft, sind Nutella-kaufende Discount-Kunden daran schuld, dass die Aldi unsere Innenstädte nicht mit noch mehr hässlichen Satteldächern verschandelt.

Jedenfalls so lange demnächst nicht doch alle mit dem E-Bike zum Discounteinkauf radeln.

Fotos: Supermarktblog

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Macht euch klein, Superstores!

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Wenn’s darum geht, beigebödige Einkaufshallen zu betreiben, in deren Mittelgängen überall knallrote “Hot Deal”-, “Half Price” und “Great Value”-Schild lauern, die sich in beträchtlichem Ausmaß mit den Plakaten in den Firmenfarben Gelb und Grün beißen, welche ein Kundenversprechen nach dem nächsten auf die wehrlosen Einkäufer abfeuern, macht Morrisons so schnell keiner was vor.

Überall lauern Discount-Schilder: Morrisons in Großbritannien

455 solcher “Superstores” betreibt der britische Händler inzwischen im eigenen Land. Nach Tesco, Asda und Sainsbury’s ist Morrisons die viertgrößte Supermarktkette Großbritanniens, mit einem Marktanteil von rund 11 Prozent. Die meisten Morrisons-Läden sind riesig, zum Teil mit vielen tausend Quadratmetern Verkaufsfläche. Die ganzen Schilder müssen ja reinpassen.

Umso erstaunlicher ist der Strategieschwenk, den das Unternehmen vor zwei Jahren gewagt hat.

Anstatt weiter neue Einkaufsbunker an Stadtränder zu setzen, öffnete Morrisons seinen ersten Convenience Store unter dem Namen “M Local”.

Inzwischen gibt es davon einen ganzen Haufen, und das Besondere daran ist, dass die M Locals kaum etwas mit den Läden gemeinsam haben, die sonst Umsatzbringer für die Kette sind. Ein Extrembeispiel dafür hat in der Londoner New Oxford Street eröffnet, mitten in der Innenstadt und nur einen Sandwichwurf von der überlaufenen Tottenham Court Road entfernt. Der für Morrisons-Verhältnisse geradezu zwergenhafte Markt ist vor allem als Signal an die Kundschaft gedacht – eines, das erklärt: Morrisons ist jetzt auch für Leute da, deren winzige City-Wohnungen keine umfassende Lebensmittelbevorratung zulassen, und die vielleicht bloß ein schnelles Mittagessen kaufen wollen.

M-Local-Convenience Store in der Londoner Innenstadt

An den Laternenpfählen entlang der New Oxford Street wirbt Morrisons deshalb praktischerweise auf Doppeldeckerbussitzhöhe für ein “Brilliant breakfast every day” und einen “Speedy lunch time deal”.

"Meal Deal" im Londoner M Local

Der täglich von 6 bis 23 Uhr geöffnete Laden selbst ist eine Mischung aus Spätkauf und Schnellimbiss: Es gibt die allernotwendigsten Haushaltsmittel einzukaufen, Obst und Gemüse, Bier und Wein gekühlt, vor allem aber Sandwiches, Salate und warmgehaltenes Wurstallerlei. Wer’s ganz eilig hat, kann an einer der Selbstbedienungskassen bezahlen, die sich vor den Ausgang des Markts vor die Süßkramhürden zwängen.

Kassenzone im M Local an der New Oxford Street

Es ist vielleicht nicht das leckerste Lunch der Stadt, dass M Local zu bieten hat (und ganz sicher ist es nicht “brilliant”) – aber in dieser Nachbarschaft definitiv eines der günstigsten. Als Alleinstellungsmerkmal reicht das vermutlich. Und der Markt ist, wie gesagt, auch ein Extrembeispiel.

In einem Firmenvideo erklärt Morrisons, woher der generelle Sinneswandel kommt, auch kleinere Läden zu eröffnen: Das Einkaufsverhalten der Leute ändert sich. Und (was der Manager nicht dazu sagt): Wer sich als Supermarkt nicht mitändert, wird in Zukunft vielleicht nicht mehr viel zu melden haben. Also wagt sich der SB-Warenhaus-Spezialist nun eben auch an Nachbarschaftsläden.

Von der Kundschaft wisse man, dass die in der Stadt vor allem großen Wert auf zwei Kriterien lege: Frische und günstige Preise. Genau danach habe man die M Locals gebaut: 50 Prozent frische Lebensmittel, vieles zu günstigen Preisen (“every penny matters”). Die nächsten Eröffnungen sind u.a. für Blackpool, Manchester und Edinburgh angekündigt.

Mit ihrem Test steht die britische Kette nicht alleine da. Ebenfalls 2011, sogar ein paar Monate früher, hat die französische Supermarktkette Auchan, Nummer 5 im Markt, ihren ersten Stadtladen im 20. Arrondissement von Paris eröffnet. Er heißt “A 2 pas”, was gleichzeitig auf ein zweites Auchan-Konzept (“A 2″) verweist, aber auch bedeutet: nur zwei Schritte entfernt.

Auchans "A 2 pas"-Stadtladen in Paris

Draußen wirbt der Konzern, der genau wie Morrisons bisher vor allem für seine riesigen SB-Warenhäuser bekannt ist, mit dem Versprechen, dass es viele bekannte Auchan-Marken jetzt endlich auch auf komprimiertem Platz in der Stadt gebe. Der Laden an sich ist arg vollgestopft, und die Preise sind nicht nur für die Discount-verwöhnte Deutsche, sondern auch für Convenience-erfahrene Briten gewöhnungsbedürftig. Aber das auf Eigenmarken konzentrierte Konzept scheint funktioniert zu haben. In den darauffolgenden Monaten eröffnete Auchan weitere Stadt-Märkte.

Kuchen- und Keks-Eigenmarken  von Auchan im A 2 pas Paris

Sowohl die M-Local-Läden als auch A 2 pas sind ein Zeichen dafür, wie sehr die SB-Warenhäuser inzwischen bereit sind, sich auf Wagnisse einzulassen, um nicht bloß vom Geschäft auf der Grünen Wiese abhängig zu sein – jedenfalls im Ausland.

In Deutschland eröffnet Leidensgenosse (und SB-Warenhausspezialist) Real an diesem Donnerstag erstmal – sein nächstes SB-Warenhaus (Parkplatzeindrücke gibt’s bei Youtube). Und zwar im Essener Kronenberg Center, das die Real-Mutter Metro in den Westen der Stadt gebaut hat, um nun viele Flächen an andere Händler zu vermieten und zu testen, ob ein modernisiertes Real-Konzept wieder mehr Kunden anlockt als bisher.

Mutig geht anders. Aber vielleicht klappt es ja trotzdem.

Wie ernst es Morrisons derweil damit meint, vom Einkaufshallen-Betreiber zur modernen Supermarktkette zu werden, lässt sich an den Plänen für die M-Local-Expansion ablesen: Um mitten in die Städte zu kommen, hat der Konzern alte, zentral gelegene Läden der pleite gegangenen Unterhaltungselektronik-Kette HMV, des Fotohändlers Jessop und der Videothekenkette Blockbuster übernommen, um darin Supermärkte zu eröffnen.

Vielleicht muss Real sich in Deutschland also bloß noch ein bisschen gedulden. Bis den Metro-Elektronikzwillingen Media Markt und Saturn die aktuellen Kamikazewerbe-Strategien und Konzeptverdrehungen endgültig zum Verhängnis geworden sind. Flächen für neue Innenstadtläden wären dann automatisch da.

Aber vermutlich sieht Metro-Chef Olaf Koch das etwas weniger optimistisch.

Fotos: Supermarktblog

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Neue Discountmarke “Ohne teuer”: Real will jetzt auch billig können

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Während die Discounter Aldi und Lidl hochwertige Eigenmarken als Umsatzbringer entdeckt haben und Supermärkte wie Edeka und Rewe ihre Mittelmarken weiter stärken, hat sich Real für eine ungewöhnliche Taktik entschieden, um neue Kunden zu gewinnen: Die SB-Warenhaus-Kette will billiger werden. Und soviel kann man vorab sagen: designtechnisch ist die Mission ein voller Erfolg (womöglich aber mit unerwünschten Konsequenzen).

Seit kurzem liegen jedenfalls die ersten Produkte der neuen Discount-Eigenmarke “Ohne teuer” in den Regalen der Märkte. Die heißt eigentlich gar nicht so, offiziell hat sie nämlich keinen Namen, denn:

“Um Ihnen ausgewählte Produkte zu einer Top-Preisleistung anbieten zu können, haben wir bei unserer Marke auf jeden Schnickschnack verzichtet. Sogar auf den Namen.”

Croissants der neuen Real-Discount-Marke "Ohne teuer"

Auf den “ausgewählten Produkten” steht deshalb einfach drauf, was drin ist: “Spaghetti”, “Croissants”, “Orangen-Fruchtsaftgetränk”, “Hausmacher-Leberwurst”, “Toilettenpapier”, “Herrensocken”. Darunter heißt es jedes Mal: “exklusiv bei real,-”. Was genau die Metro-Tochter ihren Kunden damit sagen will, ist unklar: dass Artikel zum Niedrigpreis “exklusiv” bei ihr so hässlich verpackt sind vielleicht? Ja, tatsächlich. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen:

“Mit der neuen Marke wagt real,- etwas völlig Neues. Denn die Marke ‘exklusiv bei real,-’ ist keine Reaktion auf den Wettbewerb, sondern ein proaktiver Schritt zur Schaffung einer Marke, wie es sie bisher nirgendwo im deutschen Einzelhandel gibt. Wir haben bei dieser Marke auf alles verzichtet, was nicht zwingend notwendig war. Teure Verpackungen, ein ausgefallenes Verpackungsdesign zum Beispiel.”

Ohne Zweifel ist “Ohne teuer”  ein kleines Billigmeisterwerk: Tüten, Kartons und Plastikhüllen sind knallgelb bedruckt, die notwendigen Produktinformationen sind ein einer ausfransenden Schreibmaschinenschrift aufgedruckt, was hoffentlich kein Hinweis auf das Herstellungsdatum des Inhalts ist, und im Kleingedruckten auf der Rückseite – Zutaten, Zubereitung, Herkunft – nicht besonders leserlich.

Dabei handelt es sich natürlich nicht um einen Zufall. Offensichtlich hat Real ein Problem mit der Preiswahrnehmung: Viele Kunden halten die Kette für teuer. Was daran liegen könnte, dass sie es im direkten Vergleich zum Großflächen-Wettbewerber Kaufland auch ist.

Während Kaufland aber stetig zulegt (siehe auch Supermarktblog), sind bei Real die Umsätze zuletzt gesunken. Also muss wieder mehr Kundschaft in den Laden. Auch solche, die preisempfindlich ist. Und die lässt sich am besten mit einer Eigenmarke bedienen, die schon so aussieht wie das, was sie verspricht.

Dafür zerschießt sich Real im Laden sein komplettes Corporate Design: Die Preisschilder sind – genau wie die Verpackungen – knallgelb eingefärbt, von der Decke hängende Hinweistafeln ebenfalls mit der dann noch unleserlicheren Fetzschreibmaschinenschrift bedruckt.

"Ohne teuer"-Toilettenpapier wirbt mit: "Ohne Kamille"

Der witzig gemeinte “Ohne”-Ansatz wird konsequent durchgezogen. Über den Nudeln steht: “Ohne Serviervorschlag”, über dem Saft: “Ohne Obstdeko”, und über dem zweilagigen Toilettenpapier “Ohne Kamille”. Das bringt das Produktversprechen schon ganz gut auf den Punkt – es geht um nichts außer den Preis. Zum Start gibt es ein kleines Sortiment mit Basisprodukten. Ob dieses in den nächsten Monaten erweitert wird, hänge “auch von der Kundennachfrage ab”.

Bemerkenswert ist die Neueinführung vor allem deshalb, weil Real eigentlich schon eine Discount-Eigenmarke hat. Die heißt “Tip” (“Toll im Preis”), ist vielleicht ein bisschen in die Jahre gekommen, wird jedoch übers Marktradio weiterhin eifrig beworben: “Sparen Sie sich den Weg zum Discounter! Achten Sie auf unsere Marke Tip – Qualität zum Discountpreis!”, verrät eine freundliche Männerstimme, bevor die Kundschaft anschließend mit Phil Collins’ “Another Day in Paradise” beschallt wird.

(Kleiner Tipp: Weniger Phil Collins könnte die Kundenfrequenz von alleine drastisch erhöhen.)

Die bisherige Discount-Marke soll erstaunlicherweise nicht durch “Ohne teuer” ersetzt werden: “Tip-Produkte wird es auch in Zukunft geben”, heißt es in der Unternehmenszentrale.

Das macht Real nun  zur einzigen deutschen Handelskette, die zwei warengruppenübergreifende Discount-Eigenmarken im Angebot hat. Was mindestens kurios ist. Vor allem, wenn sich die Initiative damit als Marketing-Gag entlarvt. Im Regal liegen “Tip” und “Ohne billig” nämlich oftmals nah beieinander, zum Beispiel die “Fusilli” (für 49 Cent), die in der gelben Variante bodenständiger “Locken” heißen und je Packung 250 Gramm mehr Inhalt haben (für 89 Cent). Wer die Grundpreise vergleicht, merkt : Die neue Billigmarke ist knapp teurer als die alte (0,98 Euro pro Kilo für “Tip”, 1,19 Euro pro Kilo für “Ohne billig”; bitte den Nachtrag weiter unten beachten).

"Tip" und "Ohne teuer" liegen (vorerst) nebeneinander im Regal

Das gilt zugegebenermaßen nicht für alle Produkte, das Toilettenpapier gibt’s in beiden Varianten zum einheitlichen Preis. Aber bei Kunden, die sich die Mühe machen, Preise zu vergleichen – und das wird die Discount-Zielgruppe sicher eher tun – kommt dadurch schnell der Verdacht auf, Real könnte “Ohne teuer” dafür nutzen, die Preise seiner Discount-Linie zu erhöhen und das mit neuen Verpackungsgrößen und einem besonders reduzierten Design zu verschleiern.

Das ist irgendwie kein guter Ausgangspunkt, um neue Kunden für sich zu gewinnen. Real erklärt dazu auf Anfrage:

“Beim Preisvergleich müssen auch die Qualitäten genau betrachtet werden.”

Für den Kunden sind eventuelle Unterschiede auf Anhieb aber nur schwer feststellbar.

[Nachtrag: Real erklärt noch genauer: "Der von Ihnen genannte Artikel 'Tip Fusilli' enthält kein Ei. Aus diesem Grund kann dieser auch nicht mit den 'Fussili/Locken Hartweizenteigware mit Ei' unserer neuen Marke verglichen werden." Fusilli mit Ei kosten von "Tip" laut Real 1,30 Euro pro Kilo. Also: wenn Sie gründlich genug danach suchen.]

Und an noch was hat Real offensichtlich nicht gedacht: an die alten Kunden nämlich, die jetzt schon regelmäßig bei Real einkaufen, weil die Kette ein Qualitäts- und Vielfaltsversprechen liefert, das die neue Billigmarke hervorragend sabotiert. Alleine schon weil es im Ladenbild nicht sonderlich angenehm auffällt, wenn das Billigessen, das jetzt auch so aussieht, palettenweise in den Fluren aufgetürmt ist und das vermeintliche Gelb wie bei den Saftpackungen ins giftig Grünliche tendiert.

Zu Aktionen wie den gerade erst ausgerufenen “Italienischen Wochen”, als mit echt italienischen Produkten geworben wurde (“Das Gute essen”), passt das neue Billig überhaupt nicht.

Real stellt sich den Laden mit Billig-Lebensmitteln zu

Einen großen Gefallen tut Real sich mit seiner neuen Strategie eher nicht, weil die auch auf den Rest des Markts abstrahlt. Die Metro-Tochter muss aufpassen, dass “Ohne Schnickschnack” sie auf Dauer nicht ziemlich teuer zu stehen kommt.

Mit Dank für den Hinweis an Supermarktblog-Leser Wolfram M.

Fotos: Supermarktblog

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Lebensmittel online bestellen: Die Angst vor der Matschaubergine

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Lebensmittel liefern lassen? Die Deutschen sind noch skeptisch

Die Unternehmensberatung A.T. Kearney hat im vergangenen Frühjahr 2900 Leute in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefragt, wie und warum sie Lebensmittel im Internet bestellen, und fast drei Viertel haben geantwortet:

Häh? Lebensmittel im Internet bestellen? (Sinngemäß.)

Das ist erstmal keine schlechte Nachricht, weil es umgekehrt bedeutet, dass gut ein Viertel (genauer gesagt: 27 Prozent) das schon mal getan hat. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2011 (damals nur in Deutschland) waren es erst 18 Prozent. Schlechte Nachrichten gibt es trotzdem: Dass immer mehr Leute schon mal den Kühlschrank übers Netz befüllt haben, bedeutet nämlich nicht, dass sie große Fans davon geworden wären. Gerade einmal 2 Prozent der Befragten lassen sich regelmäßig mindestens einmal im Monat mit Lebensmitteln beliefern. Der Rest hat mal zur Probe bestellt. Und es dann wieder gelassen.

In der Studie nennt A.T. Kearney auch ein paar Gründe, und die werden den meisten Händlern, die sich bereits darauf eingestellt haben, Kaffee, Pasta und Windeln nachhause zu liefern (siehe z.B. Supermarktblog), nicht begeistern. Weil sie am wichtigsten Grund nämlich nichts ändern können: 68 Prozent der Leute sind mit ihrer jetzigen Einkaufssituation schlicht und einfach – zufrieden.

(Es müssen wahnsinnig geduldige Menschen sein, die die beauftragten Universitäten da vor ihre Fragebögen gekriegt haben, oder die Kassenschlangen sind anderswo einfach immer kürzer als in Berlin.)

Dass der Online-Markt nicht so richtig in Gang kommt, liegt also erstmal nicht daran, dass die Händler so vieles falsch machen würden (was sie natürlich trotzdem tun), sondern daran, dass die nicht-virtuellen Läden offensichtlich ziemlich viel richtig machen. Die Befragten sehen einfach keinen ausreichenden Grund, sich umzugewöhnen. (Obwohl 38 Prozent zum Beispiel die Nachhause-Lieferung praktisch finden und 25 Prozent die Zeitersparnis schätzen.)

Dabei sind die Voraussetzungen ideal, hat A.T. Kearney gleich miterforscht. Nur wenige Befragte (8 Prozent) haben gesagt, dass Ihnen beim Online-Einkauf von Lebensmitteln Promotions, also Vergünstigungen, wichtig sind. Außerdem wurde in der 2011er-Studie bereits erfragt, ob die Leute bereit sind, für die Lieferung an die Kühlschranktür auch zu bezahlen. Ja, sind sie: Lieferkosten bis 5 Euro fanden mehr als die Hälfte damals in Ordnung, 17 Prozent würden sogar bis 10 Euro zahlen.

Eine Hürde ist in der Befragung dann aber doch aufgetaucht. Die Autoren schreiben:

“In der ‘Offline-Welt’ spielt der Faktor Frische für Verbraucher bei der Auswahl des Supermarktes eine entscheidende Rolle. Er folgt an zweiter Stelle hinter dem Preis-Leistungs-Verhältnis und vor der Nähe beziehungsweise Erreichbarkeit der Filiale.”

Frische Lebensmittel spielen beim Einkauf eine große Rolle

Die meisten Kunden wollen nicht nur sehen, was sie kaufen, sondern es bestenfalls auch anfassen. Das geht online aber nicht – und das ist der von den Befragten am zweithäufigsten genannte Grund, der gegen Lebensmittel aus dem Netz spricht (47 Prozent), ebenso wie die fehlende Überprüfbarkeit der Qualität (41 Prozent). Die Schweizer wünschen sich deshalb u.a., Produkte bei der Lieferung kontrollieren und ablehnen zu können.

Die Kunden seien “noch nicht bereit (…), diese Verantwortung an den Händler abzugeben”, schreiben die Unternehmensberater und schlussfolgern:

“Möchten Online-Food-Retailer zu einer ernsthaften Alternative zum stationären Handel werden, müssen sie das Vertrauen der Verbraucher insbesondere in den Frischekategorien gewinnen.”

Aber mal langsam: Wenn die Angst der potenziellen Kundschaft vor der Matsch-Aubergine doch so groß ist und den Leuten gleichzeitig die Vorteile der Online-Bestellung klar sind, warum verzichten sie dann nicht einfach darauf, frische Lebensmittel zu bestellen, sondern kaufen die weiter im Laden um die Ecke ein? Darauf gibt die Studie leider keine Antwort.

Vielleicht ist alles bloß ein großes Missverständnis – und die Online-Händler müssen gar nicht mit Superfrische protzen, sondern bloß erklären, dass es auch ok ist, sich bloß die Dosen liefern lassen, in die man auch im Laden nicht reingucken kann, den Saft im Tetrapack, die Nudeln, die eh immer gleich verpackt sind. Also Lebensmittel, die beim Transport sowieso viel leichter handzuhaben sind, weil sie nicht andetschen können und währenddessen nicht dauerhaft gekühlt werden müssen.

Auf 370 Millionen Euro wird der Umsatz mit Online-Lebensmitteln in Deutschland für 2012 geschätzt. Das sind gerade mal 0,3 Prozent des Gesamtmarkts. (In Großbritannien waren es 2011 immerhin schon 4,5 Prozent – das entsprach 5,5 Milliarden Euro.)

Aber wenn mit einem Schlag allen Deutschen bewusst würde, dass sie ihren Salat weiter dort kaufen dürfen, wo sie ihn bisher schon ausführlich testdrücken, und der Rest vom Lieferanten heimgebracht werden kann, lässt sich das bis nächste Woche ganz bestimmt verdoppeln.

Mindestens.

Quellen: “Online-Food-Retailing: Ein Markt im Aufschwung” (A.T. Kearney, Oktober 2013); “Online-Food-Retailing: Nischenmarkt mit Potenzial” (A.T. Kearney, März 2012).

Foto: Supermarktblog

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Anderswo im Angebot (2): Detsch oder nicht Detsch

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In ihrem unermüdlichen Bemühen, die Zuschauer vor Mogelpackungen und Abrechnungsnepp zu bewahren, führen die Recherchewege der WDR-Sendung “Servicezeit” in regelmäßigen Abständen auch in den Supermarkt – so wie in der vergangenen Woche, als Dieter Könnes einen Film über die “Keiner ist perfekt”-Aktion von Edeka anmoderierte, für die sich die Handelskette von Coop – sagen wir mal: inspirieren hat lassen.

Jedenfalls wird derzeit testweise in ein paar Edeka-Märkten krummes Gemüse und Obst mit Detschstellen verkauft. Und Moderator Könnes erklärte:

“Wir Verbraucher müssen uns echt an die eigene Nase fassen (…) und da mal genau überlegen, was wir kaufen wollen.”

Detsch oder nicht Detsch? Die "Servicezeit" kann sich nicht so recht entscheiden

Weil viele Leute das Krummgemüse im Laden dann nämlich doch liegen lassen. (Wie an dieser Stelle auch bereits leidenschaftlich diskutiert wurde.) Dabei mühte sich der Beitrag vorher klarzustellen, dass die Lebensmittel nicht anders schmecken, bloß weil sie schief gewachsen sind. Über die krumme Gurke hatte ein älterer Supermarkt-Kunde den schönen Satz gesagt:

“Ich schneid die ja sowieso in Scheiben.”

Anschließend ging’s in der “Servicezeit” sofort mit dem nächsten Einkaufsthema weiter: Lebensmitteln aus dem Internet. Eine Redakteurin machte mit einer Verbraucherzentralen-Frau den Test, wie frisch Obst und Gemüse zuhause ankommt, wenn man’s online bestellt. Alle drei getesteten Dienste kamen dabei nicht besonders gut weg, und das lag vor allem daran, dass – das Obst und Gemüse nicht perfekt war.

Eine Druckstelle auf der Kiwi?

“Oh, die ist sehr matschig. Sehr matschig. Das ist nicht gut.” – “Im Supermarkt würde man’s nicht kaufen.”

Die Tomate ist an einer Stelle angedetscht?

“Die würd ich schon mal nicht kaufen, hier.”

Okay, es ist also offensichtlich nur eine mittelgute Idee, sich sein komplettes Obst und Gemüse im Internet zu bestellen. Und womöglich sind die deutschen Verbraucher auch stark druckstellensensibilisiert. Aber dass eine Verbrauchersendung im Fernsehen ihre Zuschauer deswegen erst ermahnt, um im nächsten Augenblick sofort wieder das Gegenteil zu praktizieren, darauf muss man auch erstmal kommen.

* * *

Rewe-Chef Alain Caparros hat im “Kölner Stadt-Anzeiger” kürzlich verraten, ab wann sich die Lebensmittel-Lieferung für Rewe lohnt:

“Wir müssen beim Online-Lieferservice etwa 100 Euro Umsatz pro Bestellung machen, um profitabel zu arbeiten. Da sind wir noch lange nicht.”

Das wird auch nicht leicht, vor allem nicht mit den vielen Ein- und Zwei-Personen-Haushalten in den Städten, in denen es Rewe Online bisher gibt.

* * *

Am ausführlichsten hat sich gerade die “Wirtschaftwoche” dem Online-Lebensmittelhandel gewidmet und sich von einem McKinsey-Berater vorrechnen lassen, wieviel Zeit man so als Durchschnittskunde im Supermarkt verbringt: fünf Tage. Einen davon ausschließlich beim Anstehen an der Kasse. Wer mit dem Auto einkauft, braucht dafür 260 Liter Sprit im Jahr. Noch ist so ein Lieferdienst aber für  Händler ein kostspieliges Investment: Bei einem Durchschnittseinkauf von 50 Euro würden Logistik und Lieferung rund 15 Euro Kosten verursachen.

Der Bericht über die (mögliche) “Revolution im Handel” ist lesenswert und wägt übersichtlich die Vor- und Nachteile der Lebensmittel-Lieferung ab. Außerdem haben sich Autoren in diversen Zentrallagern und Supermärkten umgesehen und sind auch auf einer Rewe-Liefertour mitgefahren:

“Erster Kunde ist ein Unternehmensberater in der Düsseldorfer Altstadt.”

Kein Wunder, dass der keine Zeit hatte, um selber einzukaufen. War wahrscheinlich gerade damit beschäftigt auszurechnen, wieviel Zeit er theoretisch im Supermarkt verbringen würde.

Screenshot: WDR

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Allyouneed.com-Chef Jens Drubel im Interview: “Die Leute erwarten von uns noch viel mehr als von ihrem Supermarkt”

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Erst seit 2012 ist der Lebensmittel-Lieferdienst Allyouneed.com online, will aber den etablierten Supermarktketten Konkurrenz machen. Hinter dem Herausforderer steckt der Paketdienst DHL als Mehrheitseigentümer. Im Supermarktblog-Interview verrät Allyouneed.com-Geschäftsführer Jens Drubel, was er anders macht als die Konkurrenz – und wie er die Kunden überzeugen will, ihre Einkäufe künftig im Netz zu erledigen.

Paket mit Allyouneed.com-Logo

Herr Drubel, die Deutschen sind skeptisch, wenn es darum geht, Lebensmittel online zu bestellen. Sind wir zu sehr an die Niedrigpreise aus dem Discount gewöhnt?

Jens Drubel: Allyouneed.com ist auf jeden Fall kein Discounter. Wir werden auch nie in den Wettbewerb mit Discountern treten. Wir sind ein reiner Markenvertrieb und wollen unseren Kunden bessere Lebensmittel-, Drogerie- und Haushaltsprodukte anbieten.

Allyouneed.com zwingt seine Kunden vor allem, sich umzugewöhnen: Es gibt keine günstigen Eigenmarken.

Viele Haushalte kaufen laut GfK schon heute kaum Eigenmarken. Wir bieten Marken an, die es in vielen Supermärkten nicht zu kaufen gibt, und gewinnen kontinuierlich Kunden hinzu, die diese Auswahl im stationären Handel vermissen. Außerdem integrieren wir Produkte von kleineren Herstellern in unser Sortiment, die der stationäre Handel gar nicht bedienen kann, weil sie nicht die entsprechenden Warenumfänge liefern. Hier in Berlin haben wir unter anderem Wostok-Limonade im Sortiment, die als Alternative zu Coca-Cola entwickelt wurde und nicht auf einen Schlag 20.000 Kunden braucht. Wenn erstmal nur 100 oder 1000 bestellen, ist es auch in Ordnung.

Das heißt, Sie holen die Leute zu sich, denen die klassischen Supermärkte zu wenig Marken bieten?

Wir haben auch einen großen Anteil an Bio- und Fairtrade-Produkten. Probieren Sie mal, im Supermarkt Naturkosmetik zu kaufen – oder vegane Lebensmittel, ohne vorher 50 verschiedene Produkte in die Hand zu nehmen. Da spielt Online seinen Vorteil aus.

Seitenmenü bei Allyouneed.com

Wenn das alles so vorteilhaft ist, müsste der Online-Marktanteil im Lebensmittelhandel doch schon viel höher sein.

Es ist schwer, innerhalb weniger Monate Lebensgewohnheiten zu ändern, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden. Anfangs wollten wir bei Allyouneed.com nur die großen, schweren Artikel liefern und ein Abo-Modell anbieten, bei dem regelmäßig dieselben Standardwaren geliefert werden, vom Toilettenpapier bis zur Zahnpasta. Das Thema Frische spielt aber, auch weil die Berichterstattung in den Medien dazu beiträgt, eine große Rolle. Frische Produkte sind letztlich so oft angefragt worden, dass wir sie in unser Sortiment integriert haben.

Warum ist Frische für Lieferdienste so schwierig handzuhaben?

Wenn dem Kunden die Tomaten im Laden nicht gefallen, ist er durchaus dazu bereit, noch mal woanders hinzugehen. Online funktioniert das nicht. Das heißt: Die Leute erwarten von uns noch viel mehr als von ihrem stationären Supermarkt. Natürlich klappt noch nicht alles perfekt. Aber wir müssen ausprobieren, um dazu zu lernen. Auch die Kunden machen neue Erfahrungen. Manche rufen uns an, weil sie meinen, das Obst und Gemüse sei “zu hart”. Das bedeutet aber nur: zu frisch. Die Lebensmittel kommen direkt vom Großmarkt und sind nicht schon mal drei Tage irgendwo zwischengelagert wurden.

Wie groß ist der Frische-Anteil bei Bestellungen?

Allyouneed.com-Gründer Jens Drubel

Es gibt einen Frische-Aufschlag für Bestellungen unter 10 Euro – und den zahlt eigentlich niemand, weil jeder Kunde drüber kommt. So ist das auch gedacht. Die Nachfrage steigt permanent. Bei über einem Viertel der Bestellungen liefern wir inzwischen frische Produkte mit.

Online-Supermärkte funktionieren also nur als Komplettangebot?

Das muss nicht so sein. Wir glauben, dass die Online-Lieferung von Lebensmitteln mittelfristig auch dazu beitragen kann, den Handel in den Innenstädten wieder aufzuwerten, weil es dort wieder einen kleinen Metzger und einen Obstladen geben wird, bei dem die Leute ergänzend einkaufen. Jeder Kunde wird seinen Online-Supermarkt so nutzen, wie er den eigenen Alltag am besten vereinfacht. Der eine spart sich den Einkauf abends um 19 Uhr, der andere am Samstag, einige wollen nicht schleppen, andere gehen gerne auf den Markt und kaufen nur Drogerieartikel online. Insgesamt wird der Onlinehandel mit täglichen Verbrauchsgütern für mehr Transparenz, mehr Möglichkeiten und mehr Fairness sorgen.

Rewe-Chef Alain Caparros hat gerade in einem Interview gesagt, Lieferungen lohnten sich erst ab 100 Euro Warenwert. Ist das bei Allyouneed.com genauso?

Nein, Allyouneed.com reicht theoretisch ein zweistelliger Wert, der aber über unserer üblichen Mindestbestellsumme von 40 Euro liegt, ab der wir versandkostenfrei liefern. Übrigens überlegen wir, demnächst dauerhaft auf 20 Euro runterzugehen. Derzeit testen wir das in einer Aktion. Die Grenze ist eigentlich sowieso nur für Neukunden relevant, Stammkunden liegen in aller Regel darüber.

Allyouneed.com wird aber auch nicht glücklich, wenn alle Kunden nur für 20 oder 40 Euro bestellen.

Es kommt immer auf die Waren an: Wenn jemand für 40 Euro hochwertige Naturkosmetik bestellt, dann sind wir damit sehr zufrieden. Schwierig wird es, wenn jemand für 40 Euro lauter Einzelprodukte ordert. Die Rentabilität entscheidet sich letzten Endes immer in der Logistik, denn da fallen die meisten Kosten an.

Ist DHL deshalb so früh bei Allyouneed.com als Partner eingestiegen?

Als der Business-Plan fertig war, haben wir gesehen: Es gibt kein Problem mit den Margen der Produkte, die wir verkaufen. Die Logistik ist die eigentliche Herausforderung. Also war es naheliegend, an einen Partner heranzutreten, der sich damit auskennt. Der Versand von Lebensmitteln ist kein Geschäft, das nach drei Jahren profitabel läuft. Dafür braucht es Geduld. DHL war von Anfang an unser Wunschpartner und sehr aufgeschlossen. Ohne Zusage eines Logistikunternehmens wäre Allyouneed.com nicht gegründet worden.

Sie haben nun den Vorteil, nicht in eine eigene Flotte investieren zu müssen.

Zunächst einmal nutzt zum Beispiel Rewe auch die Zustellmöglichkeiten von DHL, eigene Fahrzeuge sind vor allem im näheren Umkreis der Läden unterwegs, in denen die Bestellungen gepackt werden. Der wesentliche Unterschied ist, dass viele Mitbewerber mit einem solchen “Instore-Picking” arbeiten oder über Großhändler liefern. Das ist teuer, erfordert viel Personal und die Kosten werden mit steigender Bestellzahl nicht geringer. Und was die Lieferkosten angeht: Wir können heute schon aus dem Stand zu deutlich geringeren Kosten liefern als Ocado in Großbritannien nach über zehn Jahren Geschäftstätigkeit.

Das heißt, Allyouneed.com funktioniert anders als die Lieferdienste der großen Supermarktketten?

Ja. Wir haben ein zentrales Lager in Kassel, direkt gegenüber von einem zentralen Hub der DHL, und können auch sehr spät noch anliefern, um eine Zustellung am nächsten Tag zu gewährleisten – im normalen Tagesgeschäft bis 19.30 Uhr.

Anbieter wie Rewe liefern in den Ballungszentren aber auch sehr kurzfristig.

Unsere Erfahrung ist, dass kaum ein Kunde seine Waren von heute auf morgen haben will. Das hat uns auch überrascht. Viele sagen: Ich hätte es gerne in zwei oder drei Tagen. Deshalb bieten wir die Lieferung am Wunschtag an. Derzeit setzen wir in einigen Städten bereits die Feierabendzustellung um. Die meisten Kunden sind zwischen18 und 20 oder 20 und 22 Uhr an einem Tag in der Woche immer irgendwie zuhause. Bis Mitte 2014 bieten wir das deutschlandweit in allen Ballungsregionen an. Die Zeitfenster tagsüber sind für unsere Kunden in den Städten fast irrelevant, denn nur wenige sind dann da. Auf dem Land ist das noch anders: Da kriegt der Paketbote öfter mal gesagt, dass er die Kiste einfach hinters Haus oder vor die Garage stellen soll.

Wunschtag-Option im Bestellprozess bei Allyouneed.com

Wieso sollte ein Start-up mit einem Logistiker als Mehrheitseigentümer das hinkriegen, womit etablierte Supermarktketten sich schwer tun?

Zunächst einmal arbeiten für uns Leute im Einkauf, die aus dem klassischen Handel kommen und sich bestens in der Branche auskennen. Darüber hinaus müssen wir keine teuren Flächen in den Innenstädten betreiben. Und wir klauen uns durch unseren Online-Umsatz nicht den Umsatz offline. Sobald der klassische Handel pro Quadratmeter im Laden weniger Geld verdient, kriegt er mit seiner Struktur ein Problem.

Dafür können die großen Ketten ihre Einkaufsmacht ausspielen und zu ganz anderen Preisen einkaufen. Ist das kein Preisnachteil?

Der Nachteil ist zumindest nicht so groß, wie viele immer behaupten. Der flächendeckende Aufbau eines Logistiksystems ist ungleich schwieriger und kostenintensiver als der Einkauf von Ware – noch dazu wenn die Industrie ein großes Interesse an neuen Handelsmöglichkeiten hat. Allyouneed.com kann auf einer Augenhöhe mit den großen Markenherstellern reden, weil die daran interessiert sind, ihre Produkte nicht mehr nur über die klassischen Vertriebswege zu verkaufen. Wir garantieren zum einen, komplett handelsmarkenfrei zu sein. Zum anderen bieten wir einen deutschlandweiten Vertrieb an, der etwa bei der Einführung neuer Produkte wichtig ist. Es wird immer schwieriger, landesweit in die Regale der großen Supermärkte zu kommen. Der Kunde ist aber enttäuscht, wenn er ein neues Produkt, das im Fernsehen beworben wurde, im Laden nicht kriegt. Über Allyouneed.com ist es sicher verfügbar.

Zahlen die Hersteller dafür, ins Sortiment von Allyouneed.com aufgenommen zu werden.

Ja. Aber deutlich weniger als bei stationären Händlern.

Was haben Sie seit dem Start im Mai 2012 über Ihre Kunden gelernt?

Der klassische Allyouneed.com-Kunde stammt aus den “krisenresistenen Haushalten”, so heißt es bei der GfK, und verdient etwas besser als der Durchschnitt. Er legt Wert auf Bio und Fairtrade, ernährt sich aber nicht komplett mit Naturkost.

Das hört sich nach klassischen Supermarkt-Kunden an.

Es sind eher Leute, denen das Angebot im Supermarkt nicht mehr ausreicht. Viele Allyouneed.com-füllen ihren Warenkorb im Laufe der Woche. Da wird nicht auf einen Schlag ein ganzer Einkaufszettel abgearbeitet, sondern Tag für Tag ergänzt. Es gibt auch Zielgruppen, die wir anfangs gar nicht so im Blick hatten – Leute, die dauerhaft körperlich behindert sind und uns jetzt am Kundentelefon loben: Endlich ein Supermarkt, bei dem ich auch ans oberste Regal drankomme! Auch ältere Kunden bestellen immer öfter. Bisher haben vielleicht die Kinder und Enkel beim Einkaufen geholfen. Jetzt richten sie ihren Eltern und Großeltern Tablets ein, über die der Wocheneinkauf geordert wird.

Wie oft bestellen Allyouneed.com-Kunden im Durchschnitt?

Unsere Bestandskunden kaufen in wöchentlichem oder zweiwöchentlichem Rhythmus.

Ein großer Nachteil ist der zum Teil enorme Verpackungsmüll, vor allem bei Frische-Bestellungen. Geht es nicht anders?

Sagen wir mal so: Es geht noch nicht anders. Schon jetzt schicken uns aber über 10 Prozent der Kunden das Verpackungsmaterial wieder zurück. Sie kleben den beigelegten Retourenaufkleber auf das Paket und geben es dem Lieferanten bei der nächsten Bestellung mit. Bei Abendzustellungen ist es so, dass die Verpackung in der Regel gleich wieder mitgenommen wird. Wir arbeiten an verschiedenen Pilotverfahren. Spätestens bis zum Ende nächsten Jahres werden wir eine Mehrweglösung anbieten können. Und es sagt ja niemand, dass wir nicht irgendwann auch Lebensmittel einfach in der Einkaufstüte ausliefern können.

Dann bräuchten DHL-Autos aber Kühlfächer.

Genau.

Wenn Bestellungen einen gewissen Warenwert erreichen, werden sie sperrig, schwer und unhandlich. Lohnt sich das überhaupt?

Einzelpakete dürfen bei DHL 31,5 Kilo wiegen. Das ist nicht wenig. Aber es gibt ja auch Leute, die beruflich Klaviere transportieren – und das klappt genauso. DHL ist darauf eingestellt, dass die Kunden viele Waren bestellen. Wir entwickeln außerdem Verpackungen, in denen sich die Waren besser aufteilen lassen.

Wie könnten die aussehen?

Denkbar wären Boxen, die teilbar oder einseitig zu öffnen sind. Tatsächlich haben wir auch einige Waren wieder ausgelistet, weil deren Verpackungen für den Transport ungeeignet sind – zum Beispiel dünnwandig verpackte Milchprodukte. In Kooperation mit der Industrie werden sich auch dafür Lösungen finden. Und über das DHL-Programm Go Green liefern wir schon jetzt alle Bestellungen CO2-neutral – mit einer Einkaufsfahrt im eigenen Auto lässt sich das überhaupt nicht vergleichen. Wir glauben, wir sind da schon ganz gut. Aber wir wollen noch besser werden.

Fotos: Allyouneed.com, Supermarktblog

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Wenn der Postmann abends klingelt

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Dass die Lebensmittel aus dem Internet zur Ankunft an der Wohnungstür angenehm nach Melonenlimonade duften, gehört wohl zu den Überraschungen des in fremde Hände gegebenen Wocheneinkaufs. Leider klebt er auch genau so. Beim Herunterwuchten des Pakets auf die Rampe des Lieferfahrzeugs hat eine der darin verpackten Flaschen Schaden genommen. Jetzt ist das Paket kaputt, der Lieferant zerknirscht – aber Zurückgeben ist auch keine Lösung. Weil sonst die Hälfte des Einkaufs gleich wieder verschwände. Und DHL ein gut durchfeuchtetes Paket mit Lebensmitteln zurück ins Lager transportieren müsste.

Also schnell auspacken: die erste Lieferung von Allyouneed.com, mit dem der Online-Supermarkt das gerade erst geschlossene Kundenverhältnis gleich zu Beginn auf die Probe stellt.

Lebensmittel aus dem orangenen Karton: Lieferung von Allyouneed.com

Kannjamalpassieren. Und in der großen Kiste steckt tatsächlich all das, was zuvor online geordert wurde: u.a. Ketchup, Grüner Tee, Rhabarbersaft, sechs fünf Flaschen der übel guten Fritz Melonenlimonade – und die Erkenntnis, dass 0,33 Liter ganz schön viel sein können, wenn sie ihr Glasgefäß gesprengt haben.

Im Gegensatz zu den Lieferdiensten klassischer Supermärkte (diesem z.B. oder diesem), die Bestellungen oftmals in ihren Filialen packen und in Tüten oder Klappkisten bringen, liefert der DHL-Ableger direkt aus dem Zentrallager, ganz klassisch per Paket (siehe Supermarktblog-Interview mit Geschäftsführer Jens Drubel). Das hat einige Vorteile. Und viele Tücken. Die größte ist, dass trotz aufwändiger Schutzverpackungen (siehe Foto) und Polsterungen auch mal was kaputt gehen kann, wenn ein schweres Paket unsanft landet.

Flaschen sind mit Kartonschutz gepolstert. Leider nicht alle

Und das geht ziemlich schnell, wenn unterschiedlich große und unterschiedlich empfindlich verpackte Lebensmittel sich in ein und dieselbe Box drängeln, die Chips genauso wie die Weinflasche.

Daran, dass es bei Allyouneed.com keine günstigen Eigenmarken zu kaufen gibt, gewöhnt man sich beim Bestellen erstaunlich schnell, weil das Angebot klassischer Markenprodukte tatsächlich ziemlich umfassend ist. (Und es schreibt einem ja auch niemand vor, Grundnahrungsmittel nicht weiter im Discounter zu kaufen.)

Doch der DHL-Supermarkt hat ein massives Verpackungsproblem. Nur knapp 60 Euro ist meine erste Bestellung wert, aber am Ende stehen zwei große Kisten in der Küche (70 mal 40 cm und 55 mal 35 cm), in denen sich wiederum kleinere Kisten befinden, dazu die unterschiedlichsten Plastiktaschen und Papierwirbel. All das lässt sich unter vollem Körpereinsatz und zu Lasten der Nachbarn im Untergeschoß nach dem Auspacken zwar auf eine einigermaßen handliche Größe schrumpfen:

In diesem handlichen Verpackungsklotz steckt viel, viel Zerkleinerungsarbeit

Aber im Vergleich zum Einkauf im Laden um der Ecke, in dem allenfalls mal eine Tüte gekauft werden muss, wenn wieder sämtliche zuhause archivierte Mehrwegtragetaschen die Begleitung verweigert haben, ist es ein kleiner Verpackungsinfarkt, den Allyouneed.com da verursacht. Und der wird beim Öffnen der Kühlbox nicht besser: Für ein bisschen Käse, eine Milch und einen fertigen Pizzateig lagern 7,5 Kilo Kühlpacks in einer silbern beschichteten Schachtel, und es ist nicht ganz klar, ob der Wert der Verpackung den der Lebensmittel nur minimal oder doch recht deutlich überschreitet.

Füllmaterial so weit das Auge reicht: Polster und Kühlakkus von Allyouneed.com

Reinigungsmittel fürs Bad sind vorsorglich extra verpackt. Das ist hygienisch, bedeutet aber: noch mehr Plastik. Die Auberginen haben sich einzeln in Plastiktüten gehüllt, verknotet und auf Plastikluftkissen gebettet. Die Champignons sind so schalldicht verpolstert, dass sie ihre Schale jederzeit als Proberaum für Nachwuchs-Metal-Bands (in Champignongröße) vermieten könnten.

Schlaft gut und weich, ihr kleinen frischen Champignons

Sieht lustig aus. Aber die CO2-Neutralität, die Allyouneed.com für den Pakettransport verspricht, ist bei soviel Müll natürlich ziemlich dahin.

Der Absender empfiehlt – tataaa! – die Entsorgung über den Hausabfall. Oder lässt sich den Müll per Retour tatsächlich zurückschicken. Es ist keine besonders lustige Vorstellung, dass quer durchs Land Packstationen mit Kartons belegt sind, in denen benutze Kühlpacks auf ihren Rücktransport ins Zentrallager warten.

Bei der zweiten Lieferung, diesmal am späten Abend, geht’s erstaunlicherweise auch einfacher: Diesmal hat der Lieferant eine Styropor-Box dabei, in der die Kühllieferung steckt, die von einer lustigen geometrischen Kartonform zusammengehalten wird. Aber keine Einweg-Kühlpacks braucht. Wäre das die Regel, wär’s ein großer, großer Vorteil.

Geht auch ohne Kühlpads: Milch aus dem Styroporkarton in der Abendzustellung

Und sonst?

Nichts fehlt, alles sieht gut aus, der Salat ist so frisch, wie es im Supermarkt lange nicht mehr der Fall war und hält sich im Kühlschrank erstaunlich lange.

Bezahlt werden kann über die unterschiedlichsten Wege: Paypal, Sofortüberweisung, Kreditkarte. Praktisch.

Die Auslieferung wird per Mail angekündigt. Mit der genannten Sendungsverfolgungsnummer lässt sich auf der DHL-Seite im Netz nachschauen, wie weit das Paket schon ist. Wer bei paket.de angemeldet ist, wird noch einmal zusätzlich per SMS benachrichtigt. Vier Mails und 2 SMS pro Bestellung sind aber womöglich etwas viel des Guten.

Allerdings:

Wer so ein Getöse um die Zustellung macht, muss dann auch – liefern. Zur zweiten Order mit Feierabendzustellung meldet paket.de jedoch am Abend zuvor: “Ihr DHL Paket (…) werden wir voraussichtlich (…) zwischen 10:00 – 13:00 Uhr zustellen.” Vereinbart war 20 bis 22 Uhr. Eine Änderung ist online nach 23 Uhr nicht mehr möglich. Zwischen 10 und 13 Uhr taucht anderntags dann aber kein Fahrer auf, der Kundenservice meldet nach einem Anruf: Geliefert wird wie bestellt zwischen 20 und 22 Uhr. Und der DHL-Kurier mailt: “voraussichtlich (…) zwischen 20:52 Uhr – 21:22 Uhr zustellen”. Was für ein Durcheinander.

Das Paket kommt schließlich nach 21.30 Uhr, und das ist okay, weil im vereinbarten Lieferzeitraum – aber vielleicht muss man die großkotzige Minutenangabe sein lassen, wenn man sie eh nicht einhalten kann?

Ein eindeutiger Nachteil gegenüber der Konkurrenz ist, dass eine einmal abgesendete Bestellung nicht mehr geändert werden kann. Wem erst nach dem Klick einfällt, dass er auch noch Marmelade und Taschentücher braucht, hat Pech. Das ist so, weil die Order gleich im Lager landet, sagt der Kundenservice. Schwer nachvollziehbar, wenn erst in drei Tagen geliefert werden soll.

Sonderwünsche kann Allyouneed.com auch nicht. Im Bestellprozess gibt es kein Fenster, in dem sich Zusatzangaben machen lassen. Auf die Mail-Frage, ob man die bestellte (haltbare) Milch auf Kundenrisiko auch ohne Kühlpacks schicken könne, mailt der Kundenservice: leider nein. (Sagt aber nix von der Mehrwegstyroporbox.)

Und die den Kunden angebotene portopflichtige Pfandflaschenrückgabe ist leider ein schlechter Witz. Da verlässt sich Allyouneed.com schlicht und einfach darauf, dass der klassische Handel das Pfand schon abwickelt. (Und schwindelt, wenn online behauptet wird, man liefere nur Pfandflaschen zu 25 Cent aus; dann hätte es ja keinen glasbruchbedingten Melonenlimonandensee gegeben.)

Das größte Problem, dass die DHL-Tochter derzeit hat, ist nicht, dass sie kein guter Supermarkt wäre. Im Gegenteil: Manches Markenprodukt mag teurer sein als bei dm oder Rewe, aber das Sortiment ist riesig, viele der verbreiteten Bedenken sind unbegründet. Problematischer ist, dass sich jede neue Bestellung als kleines Abenteuer entpuppt, weil für die Kunden nicht vorhersehbar ist, wie die bestellte Ware ankommt, und sich viele kleine Fehler so addieren, dass man wirklich sehr überzeugter Markenkäufer sein muss, um Stammkunde zu werden.

Um mehr Kunden von sich zu überzeugen, muss Allyouneed.com vor allem an einem arbeiten: an der Berechenbarkeit.

Fotos: Supermarktblog

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Wie der WDR auf die “Markencheck”-Beschwerde von Rewe reagierte

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Bei den Zuschauern erfreuen sie sich größer Beliebtheit, bei den getesteten Unternehmen eher nicht: die “Markenchecks” des WDR, die seit zwei Jahren regelmäßig im Ersten laufen und zahlreiche Nachahmer gefunden haben. Nach der Ausstrahlung des “Edeka-Rewe-Check” im zurückliegenden Januar (siehe Supermarktblog; hier in der ARD-Mediathek ansehen) fühlte sich Rewe in der Sendung so grundlegend falsch dargestellt, dass das Unternehmen Beschwerde beim WDR-Rundunkrat einreichte.

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Nach siebenmonatiger Prüfphase, die im öffentlich-rechtlichen Kosmos einer Blitzbearbeitung gleichkommt, erhielt Rewe Antwort von der Rundfunkrats-Vorsitzenden Ruth Hieronymi.

Einer offiziellen Programmbeschwerde habe sich der Rat nicht anschließen können, da in der Sendung nicht gegen die “journalistische Fairness”, das “Unternehemenspersönlichkeitsrecht” oder die “journalistische Sorgfaltspflicht bei der Nachrichtengebung” verstoßen worden sei. Die Programmverantwortlichen würden aber “Ablauf und Kriterien der ‘Markencheck’-Formate insgesamt noch einmal überdenken.” Hieronymi räumt auch ein, dass es im Rundfunkrat eine Diskussion über “deutliche Mängel” gegeben habe:

“Es wurde angemerkt, dass es sich zwar um ein konfrontatives Format handele, dies dürfe aber nicht zu einer Vermischung der Kriterien im Rahmen der Bewertungen führen. Es sei nicht immer hinreichend deutlich geworden, welche Testergebnisse in die abschließende Bewertung tatsächlich eingeflossen seien. Kritisiert wurden auch nicht immer nachvollziehbare Maßstäbe, fragwürdige Vergleiche und Ungenauigkeiten.”

Das ist eine ungewöhnlich deutliche Beschreibung einer Sendereihe, der beim “Check” bekannter Haarpflegehersteller schon mal eine Bemerkung wie “Der Schick bei Nivea ist so lala“ als Testkriterium genügt. Hieronymi führt noch genauer aus:

“Es erschließe sich den Zuschauern zumindest in den Kategorien ‘Qualität’ und ‘Fairness’ nicht, wie und auf Basis welcher Ergebnisse die Redaktion am Ende zu den jeweiligen Bewertungen komme. Auch wenn es kein starres Raster für die Bewertungen gebe, müsse doch hinreichend klar werden, auf welcher Basis ein abschließendes Urteil gefällt werde.”

Dass eine Sendung gleichzeitig “nicht immer nachvollziehbare Maßstäbe, fragwürdige Vergleiche und Ungenauigkeiten” beinhalten kann, dabei aber nicht die “journalistische Sorgfaltspflicht” verletzt, kann die Vorsitzende auch erklären:

“Eine Verletzung (…) ist im vorliegenden Fall nicht rechtlich einschlägig, da es sich bei dem ‘Markencheck’ nicht um eine Nachrichtensendung handelt.”

So einfach kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen es sich machen manchmal sein.

Screenshot: WDR

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Abholservices fehlt der Drive

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Bundesweit in 13 Märkten bietet Rewe Lebensmittel zur Abholung an

Wer Lebensmittel im Internet bestellt, muss nicht zwangsläufig auf einen Lieferanten warten. Große Ketten wie Rewe, Real und Edeka bieten in einzelnen Städten auch Abholservices an, bei denen Kunden die Waren in einem vorher angekündigten Zeitraum selbst mitnehmen können. (Wie das geht, steht z.B. hier.)

Während z.B. Rewe seinen Lieferservice kontinuierlich auf neue Städte ausweitet, ist vom Drive-Konzept aber nur selten die Rede. Bundesweit wird der Service derzeit in gerade einmal dreizehn Märkten (u.a. in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Koblenz, Landshut) angeboten. Im Ausland ist ein bisschen mehr los. Tesco hat in Großbritannien gerade den Versuch gestartet, bestellte Einkäufe nicht mehr nur bei sich in den Läden abholen zu lassen, sondern auch in Schulen, Büchereien und Sportzentren. In Frankreich haben Händler wie Auchan oder Leclerc positive Erfahrungen mit den Drive-Angeboten gemacht. Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt Rewe:

“Das liegt vor allem daran, dass die Einkaufsgewohnheiten in Deutschland ganz anders als in Frankreich sind. In Frankreich nutzen viele Kunden den Abholservice, um Zeit zu sparen. Dieser Faktor spielt in Deutschland keine so große Rolle, weil die Standortdichte in Deutschland viel höher ist, es liegt immer ein Markt auf dem Weg.”

Die Franzosen seien es hingegen gewohnt, in größeren Märkten einzukaufen und dafür weiter zu fahren. Deshalb werde der Abholservice in Deutschland zumindest bisher eher als  Zusatzservice betrachtet. Auf die Frage, ob dennoch weitere Standorte in Deutschland geplant seien, heißt es aus Köln:

“Bezüglich der Drive-Alternative wird es sicherlich keinen nationalen Roll-out geben. Trotzdem werden wir den Abholservice an geeigneten Stationen weiter ausbauen.”

Intensiver arbeitet Rewe offensichtlich an der Optimierung seines Lieferdiensts, hat Supermarktblog-Leser Sven G. im Raum Rhein-Main beobachtet, wo die Lebensmittel-Lieferung, die bisher direkt aus der Filiale kam (“Instore-Picking”), zum Jahresende zentralisierter erfolgen soll. Rewe erklärt dazu, man sei mit Umsätzen und Kundenzahl des Lieferservices “zufrieden”. Die steigende Kundenzahl führt aber offensichtlich dazu, dass die Abwicklung aufwändiger wird und neue Lösungen her müssen.

“Die gute Entwicklung mit dem damit einhergehenden Anstieg der Auslieferungen hat in den für das ‘Instore-Picking’ ausgesuchten Märkten zu einer zu großen Belastung für den herkömmlichen stationären Betrieb geführt.”

Das heißt: Die Bestellungen erschweren das normale Geschäft. Mit einer zentralen Sammelstelle sollen die Märkte entlastet werden. Ein Zentrallager wie bei der Konkurrenz (siehe Supermarktblog) sei deshalb aber “definitiv nicht geplant”, sagt ein Rewe-Sprecher. “Diese ‘zentrale Sammelstelle’ kann beispielsweise auch ein normaler Markt sein, der ausschließlich für das Instore-Picking benutzt wird.”

Mit Dank für den Hinweis an Supermarktblog-Leser Sven G.

Foto: Supermarktblog

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Tüten adé: Darf’s ein bisschen weniger (Plastik) sein?

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EU-Umweltkommissar Janez Potocnik hat gerade in Brüssel über Plastiktüten geschimpft:

“Sie bestehen aus Material, das Hunderte Jahre hält – aber wir nutzen sie nur für ein paar Minuten.”

Das ist ein bisschen irreführend, wie Supermarktkunden wissen, die schon einmal den Fehler begangen haben, an der Kasse keine Tüte mit Schlaufen, sondern eine gewöhnliche aus Plastik zu kaufen, die in der Mitte des Heimwegs plötzlich den halben Einkauf auf dem Gehweg präsentiert hat, weil die Henkel gerissen sind. Aber das meinte Potocnik nicht. Er meinte: das Material, das nicht verrottet, aber oftmals dort landet, wo es nicht hingehört. Im Meer zum Beispiel, und wegen ein paar neugieriger Fische irgendwann sogar in unserer Nahrungskette.

Deshalb will der Umweltkommissar EU-Ländern künftig erlauben, besonders dünne Tüten mit einer Stärke von 0,05 Millimetern zu verbieten. (Mehr zum Thema steht z.B. bei tagesschau.de.)

Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn verbrauchen die Deutschen schon mal gar nicht so viele Tüten. Damit es aber noch weniger werden, hat sich der Düsseldorfer Edeka-Händler Rüdiger Zurheide eine Alternative einfallen lassen: eine Box aus Wellpappe, die sich besonders für den Heimtransport der Lebensmittel im Auto eignet und – bestenfalls nach mehrfacher Nutzung – im Altpapier entsorgt werden kann. Im Gespräch mit dem – ähm: Fachorgan “Wellpappe Report” erklärt Zurheide:

“Die Resonanz unserer Kunden ist bisher durchweg positiv. Wir wissen ja, dass Verbraucher umweltverträgliche Verpackungen auf Papierbasis bevorzugen.”

(Wobei die scheinbar einfachste Lösung gar nicht immer die richtigste ist, wie Supermarktblog-Leser wissen.)

Auch ein “Komplettverzicht” auf Plastiktüten sei “langfristig” gesehen möglich, meint der Edeka-Händler.

Die Britin Catherine Conway ist in dieser Hinsicht schon ein paar Schritte weiter. Vor sieben Jahren eröffnete sie in London ihren Lebensmittelladen “Unpackaged”, in dem Nudeln, Nüsse, Mehl, Linsen, Reis, Öle, Säfte und Wein verkauft werden – und zwar ohne jegliche Verpackung.

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Die Kunden müssen eigene Transportboxen mitbringen, zum Beispiel Tupperdosen und Flaschen. Wer zum ersten Mal im Laden ist und noch nichts dabei hat, kriegt ausnahmsweise auch mal eine Papiertüte. Die meisten Nahrungsmittel lagern in durchsichtigen Containern, die Tupperdose wird drunter gehalten, um die gewünschte Menge abzufüllen. Und weil die Transportbehältnisse vorher gewogen werden, lässt sich das Gewicht nachher von der Einkaufsmenge abziehen.

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Wer es nicht eilig hat und ein bisschen Zeit mitbringt, kann im Laden-Café eine Kleinigkeit zu Mittag essen oder einen Kaffee trinken.

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Für Großeinkäufer und Sparfüchse eignet sich Unpackaged eher nicht, weil die Preise nicht mit denen der Discountern mithalten können und es auch ein bisschen doof ist, den halben Tupperdosenhausrat regelmäßig durch die Stadt zu tragen. Aber als Referenz an frühere Tante-Emma-Läden und vor allem als Statement gegen aufgeblasene Produktverpackungen, die mehr Inhalt suggerieren als tatsächlich drin steckt, ist Unpackaged eine schöne Einkaufsalternative.

Und weil gute Ideen auch über Landesgrenzen hinweg funktionieren sollen, probiert das Team von Original Unverpackt bald mal in Berlin, ob das verpackungsfreie Einkaufen auch was für Deutschland ist. jetzt.de hat gerade ausführlich darüber geschrieben.

Fotos: Supermarktblog

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Bitte recht seniorenfreundlich: Netto bringt “Mein Laden” nach Berlin und München

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“Auf gute Nachbarschaft!”, steht in großen grünen Buchstaben auf den Faltblatt, das an den Kasseninseln ausliegt. Und darunter:

“Willkommen im neuen Einkaufsmittelpunkt ganz in Ihrer Nähe. Wir werden Sie täglich überraschen – mit tollen Produkten, großer Vielfalt und bestem Service. Einfach mit allem, was Sie von einem guten Nachbarn erwarten können.”

“Mein Laden” heißt der neue Nachbar in Lankwitz, das am südlichen Stadtrand von Berlin liegt, und eingezogen ist er ins Erdgeschoss eines eher unwirtlichen Betonbaus in der Nähe des S-Bahnhofs. Obst, Hackfleisch, Joghurt, Kaffee, Seife: Gerade mal ein Dutzend Produkte wird in der Broschüre zur Neueröffnung beworben. Ziemlich untypisch für einen Discounter. Das will “Mein Laden” offensichtlich auch gar nicht mehr sein, obwohl er zu Edekas Billigtochter Netto (ohne Hund) [Erklärlink] gehört.

Nach Amberg und München: Neue "Mein Laden"-Filiale am Berliner Stadtrand

Im Frühjahr eröffnete die unweit ihrer Firmenzentrale in Bayern “Mein Laden” im Städtchen Amberg – ein Lebensmittelgeschäft, in dem auf Sonderangebote und Aktionsartikel komplett verzichtet wird. (Regelmäßige Supermarktblog-Leser wissen das natürlich längst.)

Inzwischen gibt es weitere (Test-)Filialen, die ganz grün hinter den Ohren sind. Supermarktblog-Leser Chrisn83 schreibt, dass es “Mein Laden” nach München-Bogenhausen geschafft hat. Sonderlich begeistert ist er vom Konzept aber nicht. “Mein Laden” führe vor allem teurere Produktvarianten als reguläre Netto-(ohne Hund)-Filialen:

“Ich Kunde zahle teilweise wesentlich mehr, als in einem normalen Netto. Doch damit nicht genug, das zu 100% identische Produkt kostet in ‘Mein Laden’ 17% mehr als im normalen Netto und hierbei handelt es sich um den regulären Preis, also kein Sonderangebot.”

Ob das tatsächlich Absicht ist oder dem (verkleinerten) Sortiment geschuldet, lässt sich schwer herausfinden: Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt Netto (ohne Hund) einmal mehr, keinerlei Auskunft zu “Mein Laden” geben zu wollen.

Die Kühltüten sind auch schon gedruckt: Netto meint es ernst mit "Mein Laden"

In der neuen Berliner Filiale stehen allerdings auch die regulären Netto-(ohne Hund)-Eigenmarken im Regal, und das zum gleichen Preis wie in den Discount-Läden im Stadtgebiet. Anders sieht es hingegen bei den Produkten der großen Markenhersteller aus. Von denen wird im Eröffnungshandzettel zwar kein einziges beworben, ein Großteil des Angebots besteht jedoch aus ebendiesen Artikeln – und für die verlangt Netto (ohne Hund) konsequent höhere Preise als im gelb-roten Markt.

Manchmal sind es bloß ein paar Cent, in einigen Fällen sind die Unterschiede deutlicher. Melitta-Filtertüten sind im Vergleich zum Discount-Netto (ohne Hund) um 30 Cent aufgeschlagen; Salakis-Schafskäse, Kühne-Gewürzgurken und Nutella kommen jeweils 10 Cent teurer; beim Dallmayr-Kaffee beträgt der Unterschied bereits 50 Cent. Besonders auffällig wird’s, wenn man die Aktionspreise berücksichtigt. Wer sich in der vergangenen Woche mit Maggi-Fertigpülverchen eingedeckt hat, zahlte bei “Mein Laden” über ein Drittel mehr als bei Netto (ohne Hund).

Und das Pfund Jacobs Krönung kam regulär auf 4,99 Euro – statt 3,59 Euro im Angebot. Auf einen kompletten Einkauf gerechnet kann da ganz schön was zusammen kommen.

"Mein Laden" hat breitere Gänge und ist ganz grün hinter den Ohren

Dass Schnäppchenjäger davon wenig begeistert sein werden, wird Netto (ohne Hund) einkalkuliert haben und in Kauf nehmen. Immerhin will sich die Discountkette mit “Mein Laden” aus einer Falle befreien, in die man sich mit der Übernahme von Plus selbst hineingeschubst hat.

Weil der frühere Konkurrent zahlreiche Kleinläden in die Billig-Ehe einbrachte, in die das riesige Netto-(ohne Hund)-Konzept kaum reinpasste, funktionierte der neue Eigentümer die Einkaufskaschemmen zu “Netto City”-Läden um, mit eingeschränktem Angebot und deprimierender Irrgarteneinrichtung (siehe Supermarktblog). Als Dauerlösung hat sich das nicht empfohlen.

“Mein Laden” probiert es nun mit mehr Übersichtlichkeit, breiteren Gängen, und kleineren Packungen im Regal. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass sich Netto (ohne Hund) damit vor allem in Stadtrandlagen wagt, wo eher ältere Kundschaft zu vermuten ist. Für die ist “Mein Laden” schließlich gemacht.

(In Berlin-Lankwitz sind 25,96 Prozent der Einwohner über 65 Jahre alt; im Gesamtbezirk Steglitz-Zehlendorf sind es 24,4 Prozent, der höchste Wert der ganzen Stadt. Der Schnitt liegt bei 18,9 %. Zum Vergleich: In Friedrichshain-Kreuzberg, dem jüngsten Bezirk, sind 9,8 Prozent der Einwohner über 65; Quelle: Statistisches Jahrbuch Berlin 2012, eigene Berechnungen.)

Das Clevere dabei ist, dass trotz eines (im Schnitt) vermutlich teureren Gesamtsortiments als im klassischen Discount behauptet werden kann, der neue Nachbar biete “stets günstige Preise”: Die Eigenmarken kosten ja weiter dasselbe, und von den leicht verteuerten Markenartikeln sind viele immer noch günstiger als bei der klassischen Supermarktkonkurrenz, die – wie in Lankwitz – einige hundert Meter entfernt angesiedelt ist.

Kurz gesagt: “Mein Laden” ist Netto (ohne Hunds) Versuch, eine Zwischenform im deutschen Lebensmittelhandel zu etablieren. Kein Supermarkt, kein Discounter, eher ein – Supounter.

Ohne Eröffnungsangebote: "Mein Laden"-Start in Berlin

In Lankwitz hat das zur Eröffnung in der vergangenen Woche hervorragend funktioniert. Und das ohne den üblichen Eröffnungsrabatt. Gerade einmal zu drei Lockangeboten mit vergünstigten Preisen konnte sich “Mein Laden” durchringen: Tomaten, Gurken, Bananen. Der Laden war trotzdem voll mit Kundschaft im fortgeschrittenen Alter. Im Eingangsbereich wurde eine Freifläche spontan zu einem Parkplatz für Gehhilfen umfunktioniert. An den beiden Kasseninseln bildeten sich lange Schlangen mit Senioren, die Besorgungen fürs Wochenende zu machen hatten.

Wenn das auch nach ein paar Wochen so bleibt, sieht es ganz so aus als hätte Netto (ohne Hund) mit der Umfunktionierung seiner City-Höhlen einen echten Treffer gelandet.

Mit Dank für den Hinweis an die Supermarktblog-Leser Chrisn83 und @sah_ne.

Falls bei Ihnen in der Nähe auch ein “Mein Laden” eröffnet: Schreiben Sie’s doch bitte in die Kommentare!

Fotos: Supermarktblog

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“Mein Fest”: Penny gönnt sich auch mal was

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Ganz schön frech: Noch knapp drei Wochen sind’s bis Weihnachten, und Penny hat einfach schon die ersten Geschenke ausgepackt. Aber nur, damit Sie die rechtzeitig Ihren Liebsten servieren können.

Seit diesem Montag liegen die ersten Artikel der neuen Penny-Luxusmarke “Mein Fest” in den Filialen, und der Discounter ist ganz aus dem Häuschen wegen der “hochwertigen Produkte”, dieser “erlesenen Spezialitäten” für ein “Menü aus edlen Zutaten im feierlichen Ambiente”. 140 Überraschungen hat die Rewe-Tochter bis zum Aktionsende am 4. Januar 2014 für ihre Kunden parat: von der Reh-Rahm-Suppe aus der Dose (schon zu haben) übers Lachs-Carpacchio (ab 16. Dezember) bis zum Sushi (was läge näher zum 23. Dezember?). Nachtisch, bei dem die angeberische Verpackung wichtiger war als die appetitliche Präsentation, gibt’s natürlich auch.

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Vor allem ist “Mein Fest” aber eine ziemlich einfallslose Kopie der Luxusmarken-Strategie bei Aldi und Lidl, von deren Erfolg sich Penny auch ein Scheibchen abschneiden will.

Die beiden Aldis bieten in regelmäßigen Abständen “feinste Delikatessen für besondere Anlässe” unter dem Namen “Freihofer Gourmet” (Nord) bzw. neuerdings “Genuss der Saison” (Süd). Lidl feuert seit der vorvergangenen Woche aus allen Werbekanonen, um uns mit seinem Deluxe-Sortiment ein “Weihnachten für die Sinne” zu bescheren und wohltätig 1 Cent pro Produkt an “Ein Herz für Kinder” zu spenden.

Das ist natürlich großzügig, aber  vor allem von der Kundschaft, die nicht mehr bloß zum Discounter geht, um sich dort palettenweise die billigen Grundnahrungsmittel rauszutragen. Viele Leute sind gewillt, auch mal ein paar Euro mehr an der Kasse zu lassen, wenn der Familie zuhause dafür ein hübsch verpackter Damhirschbraten aus der Tiefkühltruhe präsentiert werden kann. Den Marktforschern der GfK zufolge schleppen immer mehr Kunden teurere Luxuslebensmittel aus den Billigläden, die sich damit als “preisgünstiges Feinkostgeschäft” präsentierten. Auch die Versonderpostung der Artikel, die stets nur vorübergehend im Sortiment sind, scheint dem nicht zu schaden.

Als Lidl rechtzeitig zum Osterfest “Deluxe”-Artikel in die Filialen kippte, stieg die Käuferreichweite um 150 Prozent (im Vergleich zum Jahr davor). Die Umsätze wurden laut GfK verdreifacht. Das liegt freilich auch an der Werbeakrobatik, mit der sich Lidl zum jeweils nächsten großen Fest aufschwingt.

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Gleich zwei Wochen nacheinander pflasterte die Disocunt-Kette ihre Deluxe-Artikel gerade vor tiefblauem Hintergrund aufs Titelblatt der wöchentlichen Prospektbeilage und drängte die knallbunten Sonderangebote damit erstaunlich weit an den Rand. In den Filialen ist das Sortiment unübersehbar: Von der Decke hängen Schilder mit Genuss-Schauspielern, die Tiefkühltruhen sind mit dem Sortimentslogo beklebt, in manchen Filialen wurde sogar die Kassenwand entsprechend verschönert. “Deluxe” muss ein ziemlich lohnenswertes Geschäft sein. So einen Aufwand treibt der Discounter sonst jedenfalls nur selten.

Und Penny kann da auch nicht mithalten: Im Wochenprospekt, der neuerdings auf Küchentischbreite ausklappbar ist, sind zwar sechs Seiten für “Mein Fest” reserviert, aber die wirken ziemlich blass (Foto oben).

In den (Berliner) Filialen muss man die Neueinführung fast schon suchen. Ein paar verstecken sich in der “Aus unserer Werbung”-Ecke in der Kühltheke, die meisten Artikel verschwinden in den Gittertischen auf der Wochenangebotsfläche und sehen auch nicht besonders nach Luxus aus. Das dezente “Mein Fest”-Logo mit dem blauen Schleifchen macht zwar einen modernen Eindruck, fast schon wie ein (Güte-)Siegel. Im Laden geht es aber völlig unter.

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Besonders breit scheint die Palette der Lebensmittel, die im deutschen Discount als “Premium” durchgehen, auch nicht zu sein. Unter all den eingedosten und weggefrorenen Wild-Variationen sowie haufenweise Saucen- und Dessert-Töpfchen sind sich nämlich viele Produkte der Konkurrenten ziemlich ähnlich.

Die Zimtstern-Eiscreme mit Apfelsorbet, die Penny derzeit unter “Mein Fest” für 1,59 Euro im Angebot hat, gibt’s zum selben Preis als “Deluxe” auch von Lidl. Die “Mein Fest”-Ricotta-Basilikum-Cappeletti sind dort sogar 10 Cent günstiger. Dafür ist die Meersalzbutter, ein echter “Deluxe”-Klassiker, bei Penny ein Schnäppchen, vielleicht wegen der fehlenden Zusatzverpackung. Das Lachs-Carpacchio hat jedoch einen dreiwöchigen Vorsprung vor der “Mein Fest”-Alternative (usw.).

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Viel spannender als die gegenseitige Kopiererei ist jedoch, warum so viele Kunden, die doch eigentlich zum günstigen Einkaufen in den Discounter kommen, plötzlich akute Preisblindheit befällt, sobald im Regal ein paar Verpackungen silbern schimmern. Das hat die GfK bisher leider nicht ermittelt.

Es wird also vorerst ein Mysterium des deutschen Lebensmittelhandels bleiben, dass Menschen, die heute noch begeistert Scheindelikatessen kaufen, obwohl sie bisher auch ohne Serranoschinken (“mindestens 11 Monate gereift”) und Belgische Leberpaté (“mit Preiselbeeren”) ausgekommen sind, nächstes Wochenende wieder für ein paar Cent Rabatt am “Super-Samstag” den Laden stürmen.

Fotos: Supermarktblog

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Der Draußenkühlschrank: EmmasBox will Abholstationen für Lebensmittel bauen

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Wie lässt sich die Online-Bestellung von Lebensmitteln (siehe Supermarktblog) so verbessern, dass sie den Kunden tatsächlich das Einkaufen erleichtert?

In München arbeitet ein Team von Hochschulabsolventen an einer neuen Lösung, bei der die Kunden ihren Einkauf aus öffentlich zugänglichen Kühlboxen abholen. (Mit Unterstützung des Zentrums für Innovation und Unternehmertum der TU München, Förderunterstützung der EU sowie mittelständischen Partnern aus der Industrie.) Das Projekt heißt: EmmasBox. Im Supermarkblog erklärt Gründer Michael Reichelt, wie es funktionieren soll.

Entwurf der EmmasBox-Abholstation / Copyright: EmmasBox

* * *

Herr Reichelt, Sie wollen eine Art Packstation für Lebensmittel bauen, ist das richtig?

Michael Reichelt: Ja. Der Prototyp ist in der vergangenen Woche fertig geworden. Dahinter steckt die Idee, dass viele Leute nicht vor 19 oder 20 Uhr aus dem Büro kommen, sich am anderen Morgen ärgern, weil beim Frühstück schon wieder die Milch fehlt – und wir uns gedacht haben: Das muss sich ändern lassen.

Dafür gibt’s doch schon die Lieferservices der Lebensmittelhändler.

Wir glauben aber, dass die Menschen ihre Einkäufe lieber abholen. Die Zustelldienste sind zwar beweglicher geworden, aber auch zweistündige Zeitfenster am Abend finden viele Kunden lästig. Man kann ja zwischendurch nicht mal duschen gehen, weil oft genau dann der Zusteller mit dem Paket klingelt. Außerdem mag niemand haufenweise Trockeneis nachhause geliefert kriegen. EmmasBox läuft mit einer Kühltechnik, die die Waren frisch hält, bis der Kunde sie abholt. Das ist, wie wenn Sie daheim den Kühlschrank aufmachen.

Dadurch entfällt aber der Vorteil, den Einkauf nachhause gebracht zu kriegen. So muss ich ja doch wieder schleppen.

Es wird, wenn der Online-Lebensmittelhandel in Deutschland mal funktioniert, viele verschiedene Modelle geben. EmmasBox richtet sich an diejenigen, die bis zur letzten Sekunde flexibel bleiben wollen – und nicht irgendwann nachhause hetzen, um das vereinbarte Lieferfenster abzusitzen.

Mit welchen Anbietern soll das System funktionieren?

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Wenn ein Händler bereits einen eigenen Lieferservice hat, kann er bei uns eine Box kaufen und sich im eigenen Design vor den Laden stellen. Dann muss die Abholoption nur noch in den Bestellablauf integriert werden. In Deutschland gibt es aber auch viele selbstständige Kaufleute, die noch unerfahren mit dem Online-Handel von Lebensmitteln sind und hohe Investitionen scheuen. Denen bieten wir an, dass sie von uns eine Box kriegen und wir auf emmasbox.de ein gemeinsam erarbeitetes Sortiment in einem Shop online bringen. Der Händler muss dann nur noch die Produkte zusammenstellen. Und die Kunden kriegen einen QR-Code aufs Handy, mit dem sich das Paket abholen lässt.

Warum vermieten Sie die Fächer nicht einfach?

Das wäre denkbar. Aber wir wollen uns natürlich vom Wettbewerb abheben. Und wir glauben, dass es wichtig ist, den Kunden einen ‘runden’ Service zu bieten. Außerdem wird es wenig bringen, einem unerfahrenen Kaufmann einfach eine Box aufzubauen und ihn dann damit alleine zu lassen.

Was wird der Service kosten?

Ob die Nutzung von EmmasBox etwas kosten wird, hängt letztlich vom Betreiber ab.

Und wie wollen Sie die Händler davon überzeugen, dass sich das lohnt?

Die Händler haben den Vorteil, dass sie zusätzlichen Umsatz machen. EmmasBox kriegt eine Provision, um die Kosten zu decken. Die Boxen bleiben bei diesem Modell aber unser Eigentum, der Händler muss nichts weiter investieren.

Wie sieht so eine Box denn aus? Muss die nicht riesig sein, damit ein ganzer Einkauf reinpasst?

Das kommt ganz darauf an, wie groß der Händler sie haben will. 30 bis 50 Fächer wären bei einem Standardmodell realistisch. Außerdem lassen sich unterschiedliche Klimazonen auf eine Temperatur von -20 bis +20 Grad einstellen. Technisch wäre es also auch möglich, Tiefkühlware einzulagern. Die macht im Schnitt aber nur 5 Prozent des Umsatzes der Händler aus. Da muss jeder Partner überlegen, ob sich das lohnt.

Und die Produkte, die nicht gekühlt werden müssen, belegen dann extra Fächer?

Die können in der Regel in denselben Karton. Den meisten Artikeln schadet es nicht, wenn sie für einige wenige Stunden gekühlt werden. Im Winter müssen wir die Fächer auch geringfügig heizen, damit die Ware nicht einfriert. Aber das ist gar nicht so dramatisch, weil ein großer Teil der Abwärme von den Aggregaten dafür genutzt werden kann, und die Box sehr stark isoliert ist.

Steht schon fest, wann die erste EmmasBox aufgestellt werden kann?

Wir führen Gespräche mit Logistikern und Einzelhändlern. In Deutschland gibt es bisher noch keine Kooperation. Im europäischen Ausland gibt es bereits Interessenten und wir können, wenn alles gut läuft, bis Mitte des nächsten Jahres loslegen.

Abbildung: EmmasBox

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