Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all 1001 articles
Browse latest View live

Selbstquälerische Zeithaber, geht öfter donnerstags einkaufen!

$
0
0

Was sind das bloß für Menschen, die sich samstags ins sichere Kassenanstehinferno begeben, um dort einen wesentlichen Teil ihrer Wochenendfreizeit damit zu verbringen, den vor ihnen in der Schlange drankommenden Kunden zuzusehen, wie sie der Kassiererin ankündigen, die verlangten 87 Cent in Kleingeld aufbringen zu wollen. Sicher Leute, die keine andere Wahl haben, oder? Die werktags so hart arbeiten, dass ein dazwischen geschobener Supermarktbesuch den völligen Zusammenbruch bedeuten würde. Leute, die sonst verhungern würden!

Die Forscher der TU München haben das womöglich auch erst gedacht. Und müssen ziemlich gestaunt haben, als nachher feststand: Das war ein Irrtum.

Im Auftrag des Bonussystems Deutschland-Card (das zur umtriebig buzzword-affinen Bertelsmann-Tochter Arvato gehört und so funktioniert) wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob sich die Kunden umlenken lassen, wenn man ein bisschen nachhilft.

dtlcard01

Nämlich weg von den Stoßzeiten, die nicht bloß für schlangestehenden Kunden ärgerlich sind. Auch die Supermärkte sind wenig begeistert, wenn’s im Laden aussieht wie auf dem Bahnhof kurz vor Heiligabend. Weil dann die meisten Mitarbeiter an der Kasse benötigt werden und sich kaum noch um andere Aufgaben kümmern können. Und weil die Kunden genervt sind, deshalb vielleicht weniger einkaufen als sie wollten, oder gleich zur Konkurrenz fliehen, wenn die einplanbare Anstehzeit eine Vermisstenanzeige nach sich ziehen könnte.

Auf dem Deutschen Handelskongress 2013 hat Deutschland-Card-Geschäftsführer Markus Lessing kürzlich erste Ergebnisse einer Studie präsentiert, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gefördert wurde. (Darüber können Sie sich gleich noch ausführlicher wundern.)

An der Technischen Universität wurden jedenfalls anhand der Daten, die Deutschland-Card-Besitzer beim Einkaufen generiert haben, genau die Leute rausgesucht, die “vorwiegend zu Stoßzeiten einkaufen”, also insbesondere freitags und samstags (siehe dazu auch Supermarktblog).

Diese Kunden bekamen (u.a.) Coupons zugeschickt, auf denen ihnen “Zusatz-Punkte zur besten Einkaufszeit” bei Supermärkten von Edeka Südwest versprochen wurden: montags bis donnerstags fünf Mal so viele Bonuspunkte wie sonst (1. Coupon), und noch spezifischer: montags bis donnerstags von 12 bis 16 Uhr zehn Mal so viele (2. Coupon). Das Ergebnis ist erstaunlich: Tatsächlich verschoben viele Kunden den Zeitpunkt ihres Einkaufs auf Werktage, an denen weniger viel im Laden los ist. 16 Prozent der angeschriebenen DeutschlandCard-Besitzer ließen sich “umleiten”. In der Zeit zwischen 12 und 16 Uhr stieg die Frequenz gar um 26 Prozent. Und nicht nur das: Offensichtlich hat den Leuten das Einkaufen im Laden, der gerade nicht völlig kundenverstopft ist, auch mehr Spaß gemacht: Edeka registrierte einen um 6 Prozent höheren Bon-Wert und bis zu 19 Prozent Umsatzsteigerung bei besagten Bonusprogramm-Kunden (im Vergleich zu vor der Aktion).

Für Deutschland-Card ist die Studie natürlich vor allem ein Mittel, um weitere Unternehmen für sein Programm zu gewinnen, weil sich jetzt sagen lässt: Schaut her, mit unseren Daten könnt ihr Eueren Umsatz steigern.

Für alle anderen sind die Ergebnisse vor allem ein Rätsel, weil sie doch in der Frage münden: Was sind das bloß für Menschen, die sich samstags ins sichere Kassenanstehinferno begeben – obwohl sie sich das Einkaufen unter der Woche doch genauso gut einrichten und (nicht nur) sich selbst noch viel angenehmer gestalten könnten?

Wüssten Sie’s? Dann schreiben Sie es doch unten in die Kommentare!

(Immerhin wissen wir jetzt nebenbei, was Bonusprogramme mit unseren Einkaufsdaten alles noch so anstellen, wenn ihnen langweilig ist.)

Foto: Deutschland-Card

flattr this!


Das Supermarktblog wünscht allen Lesern frohe Weihnachten!

$
0
0

Und – sicher auch im Namen von Penny, wo der unten abgebildete mutige Sonderposten in den Regalen liegt – ein dufte “Happy End” für 2013 sowie alles Gute im neuen Jahr! Stehen Sie zwischendrin nicht so lange an Kassen herum.

Vielen Dank fürs Mitlesen, Kommentieren und Teilen!

Zwei Festtage in einem Produkt: Penny feiert Weihnachte und wünscht "Happy End" 2013

Foto: Supermarktblog

flattr this!

Rewe verabschiedet sein Großflächen-Konzept: Tschüß, Toom!

$
0
0

toom08

Das neue Jahr beginnt mit einem Abschied. In den kommenden Wochen montiert Rewe die Logos von den Toom-Lebensmittelmärkten ab. Das SB-Warenhaus-Konzept ist damit Geschichte. Die Märkte sollen aber nicht dicht gemacht werden, berichtet die “Lebensmittelzeitung”, sie sollen bis spätestens April bloß einen anderen Namen bekommen: “Rewe Center”.

So schnell wird Toom wohl niemand nachtrauern. Das liegt vor allem daran, dass die Märkte zum Schluss nicht unbedingt Orte waren, die Lust aufs Einkaufen gemacht haben. Sondern eher ein Fenster in längst vergangene Zeiten: mit angestaubter Einrichtung, schmuddeligen Ecken, vollgestellten Gängen. Rewe war lange damit beschäftigt, erst einmal seine Supermärkte zu modernisieren und steckt noch mitten im Umbau des Discounters Penny, der erst 2015 abgeschlossen sein soll. Bei so vielen Problemfeldern blieben die großen SB-Warenhäuser links liegen und gammelten sprichwörtlich vor sich hin.

Dass es mit Toom so nicht lange weitergehen würde, war absehbar (siehe z.B. Supermarktblog vom vergangenen August).

Eine Überraschung ist jedoch, wie schnell  Rewe jetzt den Stecker zieht. Schließlich werden sich die bisherigen Zustände in den Läden wohl kaum von heute auf morgen beheben lassen. Viele Toom-Kunden stehen künftig in Läden, die ähnlich trist aussehen wie bisher – bloß, dass sich Rewe nun selbst als Absender für die Häuser hergibt.

toom06

Die Umbenennung als solche passt freilich zur Gesamtstrategie der Rewe-Gruppe, die ihr Supermarktgeschäft seit einigen Jahren komplett auf den eigen Namen umstellt. Nach HL Markt und Minimal ist Toom nun die dritte Rewe-Marke, die aus dem Lebensmittelhandel verschwindet. (Die Toom-Baumärkte bleiben jedoch laut “LZ” bestehen und heißen auch weiterhin so.)

Die größte Herausforderung wird es sein, die öden Verkaufshallen wieder auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. Dass das nicht geht, indem man ein paar Wände streicht und ein paar neue Lampen aufhängt, ist den Kölnern sehr wohl bewusst. Aus diesem Grund hat die Gruppe ein völlig neues Konzept für die großen Märkte entwickelt, das seit Ende November 2013 erstmals in Egelsbach bei Frankfurt getestet wird und  im Erfolgsfall auf weitere Ex-Tooms übertragen werden könnte.

Mehr über dessen Besonderheiten und ein Blick auf die Erfolgsaussichten steht bald im Supermarktblog. Jetzt erstmal: schönes neues Jahr!

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

5 Gadgets, die Sie unbedingt haben müssen (wenn Sie ein Supermarkt sind)

$
0
0

Für Kochunbescholtene und Tiefkühkostgenießer: Der Menüschrank bei Real in Essen

1. Der Tiefkühlober

Um kochunbescholtenen Kunden die Last abzunehmen, einzelne Lebensmittel zu einer verzehrbaren Mahlzeit kombinieren zu müssen, hat Real in seinem neu eröffneten Markt in Essen einen Tiefkühlober aufgestellt. Einen riesigen Frostschrank, der seinen Betrachter dazu auffordert, sich vorportionierte Menüs bereits im Minusgradstadium zusammenzustellen. Dabei helfen die farblich gekennzeichneten Kategorien “Fisch”, “Fleisch”, “Vegetarisch” und “Aktuell” (für den risikofreudigen Tiefkühkostgenießer).

Zur “Gemüse-Reis Pyramide” mit Fischstäbchen, dem “Crispy Chicken Cordon Bleu Art” mit “Kartoffel-Knusperwellen” oder der Risikovariante (“13 Carlchen’s Dippers” mit “Crunch’n'Fisch”) lässt sich leicht ein passendes Tiefkühldessert aussuchen (“Eis”). Schlaue Kunden optimieren ihren Einkauf, indem sie nach dem Betreten des Markts geradewegs den Tiefkühlober ansteuern und sich dort komplettversorgen. Die Zutaten der einzelnen Menüs miteinander zu kombinieren, ist aus Supermarktblog-Sicht nur erfahrenen Benutzern empfohlen.

(Mehr zu den übrigen Segnungen des neuen Real in Essen steht im nächsten Supermarktblog-Eintrag.)

2. Die iKaufswagenrolltreppe

Wenn wieder mal der Platz im Laden nicht reicht, um den Kunden mitsamt seinen vor sich her rollenden Einkäufen ins nächste Geschoss zu kriegen, ist das kein Grund zu verzweifeln: In Berlin hat Edeka einen Weg gefunden, das Unmögliche doch noch möglich zu machen – und die iKaufswagenrolltreppe gebaut.

Bei Edeka in Berlin haben Einkaufswagen und Kunden ihre eigenen Treppchen

Diese verlangt zwar, dass Kunde und Einkaufswagen für einige Höhenmeter getrennte Wege, ähm: gehen. Die mechanisch ratterende Treppe ist nämlich ausschließlich für Rollenfüßler benutzbar. Sie gibt dem Drahtwagen, den die Leute nach dem Einkauf üblicherweise achtlos in seine Artgenossen zurückrammen, jedoch eine gewisse Souveränität zurück. Weil man auf der Menschenrolltreppe nebendran ganz schön auf Zack sein muss, um vor seinem Gefährt im nächsten Stock anzukommen.

Runter kommen sie alle. Bloß: wer ist schneller?

3. Der eisige Vorhang

Kunstinstallationen zur Zeitgeschichte sind im Supermarkt oft umstritten. Insofern ist es Rewe wohl als besonderes Geschick auszulegen, solche Werke im zurückliegenden Sommer als Weigerung getarnt zu haben, eine zeitgemäßge Kühltechnik mit Glastüren anzuschaffen.

"Werte Kunden, um Ihnen bei den gegenwärtigen hohen Markttemperaturen die Frischeprodukte trotzdem in der gewohnten Qualität anbieten zu können, bitten wir unsere Schutzmaßnahmen zu entschuldigen"

4. Die höfliche Kundenüberwachung

Seit Monaten schon gibt sich Kaiser’s Tengelmann große Mühe, seine Supermärkte zu Orten zu machen, an denen sich Kunden gerne aufhalten und persönlich beraten fühlen, auch wenn gerade wieder die halbe Belegschaft mit Palettenauspacken und Abkassieren beschäftigt ist. Beratung erfolgt bei Kaiser’s seitdem vor allem: schriftlich.

Auf kleinen, ans Regal gepinnten Hinweiszetteln im neuen “Immer eine gute Idee”-Design sind Angestellte dazu verdonnert worden begeistert der Aufforderung gefolgt, ihre angeblichen “Lieblingsprodukte” zu empfehlen. Drauf steht z.B.:

“Endlich Zeit für helle Köpfchen – Beelitzer Spargel”
“MyMüsli am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen”
“Sie macht zum Mann den kleinsten Knilch – von Naturkind unsere frische Milch”

Kaiser's-Mitarbeiter empfehlen Kunden ihren "Lieblingsartikel"

Besonders sympathisch ist die Botschaft von “Frau Krause”:

“Mars gibt Energie, macht mich an der Kasse schnell wie nie”

So vertraut ist die Kundschaft inzwischen mit der neuen Kommunikationsmethode, dass einige Filialleiter auf die Idee gekommen sind, diese für weitere wichtige Botschaften zu optimieren:

“Auch Kaffee wird bei uns videoüberwacht.”

(Die Zeile “Idee von Mitarbeiter: ___” kann in diesem Fall frei bleiben.)

Zettelkommunikation bei Kaiser's: "Auch Kaffee wird bei uns videoüberwacht."

5. Der Fahrradparkplatz

Die Inszenierung des Gewöhnlichen als Revolution liegt Discountern förmlich in der DNA. Selten gelingt dies aber so gut wie in Großbritannien, wo Lidl die Installation eines Fahrradständers als heroischen Beitrag zur Klimarettung versteht (“Customer Cycle Stands – On the Way to a Better Tomorrow”).

Fahrradständer bei Lidl in London:  "On the Way to a Better Tomorrow"

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Rettet Real in Essen das SB-Warenhaus – und sich selbst?

$
0
0

Neuer Real in Essen: Außen hui, innen - okay

Keine drei Monate ist es her, dass Real seinen neuen Markt in Essen-Altendorf eröffnet hat, aber die Lobhudeleien sind schon beachtlich:

“Das Ergebnis kann sich sehen lassen”
“ein Einkaufserlebnis der neuen Generation”
“setzt weit über Essen hinaus neue Standards”
“eine neue Zeitrechnung”
“die Zukunft des Einkaufens”

Schade halt, dass die Formulierungen alle von Real selbst stammen.

Nun ist es ja nicht so, dass der Metro-Tochter diese Selbsthypnose nicht zu gönnen wäre. Viel zu feiern gab es in letzter Zeit schließlich nicht. Die Umsätze enttäuschen, die Läden im Ausland sind verkauft, und anstatt die bekannten Eigenmarken zu verbessern, werden neue Billigartikel in die Regale gestellt. Wenn’s dann mal wieder nach vorne geht, dürfen ruhig auch mal die Korken knallen. Immerhin ist der umfassend belobigte Markt die erste Neueröffnung seit Jahren. (Wenn auch als Ersatz für einen veralteten Standort, der in der Nähe dicht gemacht wurde.)

Es lohnt sich aber genauso, die 9500 Quadratmeter auch noch mal etwas weniger sektlaunig zu betrachten. Immerhin hat Real-Geschäftsführer Didier Fleury angekündigt, Essen-Altendorf sei “Vorbild für die zukünftige Ausrichtung und Weiterentwicklung von Real”.

Hoffentlich gilt das vor allem für die Außengestaltung: Metro hat ihrem SB-Warenhaus (sowie ein paar Fachmärkten, die mit eingezogen sind) nämlich ein Center gebaut, das  sich sich unaufdringlich an den üblichen Großparkplatz schmiegt und aussieht, als sei es von positiv größenwahnsinnigen Hobbit-Architekten entworfen worden: mit sanftem Glasfassadenschwung, begrünten Dachflächen und lustigen Eingangshöhlen.

(Zum Vergrößern anklicken. Oder hier das Video ansehen.)

2013 eröffnetes Kronenberg Center in Essen (Zum Vergrößern anklicken.)

Auch bei Supermärkten zählen aber vor allem: die inneren Werte. Und die erzählen, dass die “Zukunft des Einkaufens” aus Sicht von Real ziemlich nah an der Gegenwart liegt.

Dabei hat man sich sichtlich angestrengt, das bisherige Ladendesign zu modernisieren. Als erstes springt die neue Mustertapete ins Auge, auf der die Marktkategorien  verschiedenen Farben (vor dem etwas rätselhaften Hintergrund aus Blättern, Herzen, Nüssen und Zahnrädern) zugeordnet sind.

Real lotst seine Kunden mit Farbtapeten durch die Gänge

Von der hohen Decke mit den Holzverstrebungen baumeln Sortimentswegweiser, auf denen einen Stellvertreterkunden mit dem Real-Werbeversprechen anlächeln: “Einmal hin. Alles drin.” Konsequent ist die neue Beschilderung aber nicht: Mal ist das Untersortiment danach benannt, was sich mit den erhältlichen Artikeln anstellen lässt (“Kochen”, “Backen”, “Reinigen”), ein andermal steht da doch wieder fantasielos die Futterart (“Molkereiprodukte”).

Hätten Sie's gewusst? Butter oder Margarine sind die richtige Grundlage für Brot und Küche. Häh?

Der ganze Laden ist hell und spart nicht mit Platz, im breiten Mittelgang ließen sich bestimmt gut Einkaufswagen-Rallyes fahren.

In der Mitte ist der große Wochenmarktzauber auf die Obst- und Gemüse-Abteilung niedergegangen, die aus dem übrigen Real-Design heraussticht und Preisschilder in Tafeloptik mit Schreibschriftpreisen verpasst bekommen hat. (Edeka lässt schön grüßen.) Zwischen Pilzsorten-Erklärtafel und “Wiegecenter” sind fast alle die Artikel auf grüne Lieferkisten aufgebockt. Ein eigenes Logo stellt die Abteilung zusätzlich heraus. Das alles ist ordentlich und schick – aber bei so manchem Konkurrenten längst Standard.

Wochenmarktzauber in der Obst- und Gemüse-Abteilung

Auch in der gegenüberliegenden “Meine Drogerie” halten sich die Überraschungen in Grenzen. Die größte ist vielleicht die Grundfarbe schwarz. Die geschwungenen Regalreihen und die gesonderte Beleuchtung haben sich die Konstrukteure hingegen bloß aus dem aktuellen Regelbuch zur Drogerieabteilungsgestaltung im deutschen Lebensmittelhandel abschauen müssen.

Mit Schwung zum Duschgeleinkauf: Drogerie-Abteilung im neuen Real

Interessant ist nicht nur, was Real in seinem neuen Markt verändert hat, sondern vor allem: was nicht. Und das ist – leider – ziemlich entscheidend.

Der Marktaufbau ist nämlich enttäuschend klassisch: Neben dem Eingang auf der rechten Seite ist das Infoterminal gepflanzt, und das versprochene “Einkaufserlebnis” beginnt immer noch mit allerlei nicht zum Verzehr Geeigneten: DVD-Player, Wäsche,  Fahrradschläuche. Zumindest sind das einige der Produkte, mit denen Real seine Kundschaft im Essener Markt empfängt. (Und damit kaum einen Millimeter von seinem bisherigen Konzept abweicht.) Erst wer sich durch Elektronik, Textilien, Heimwerkerbedarf und Autozubehör gearbeitet hat, steht am Ende des langen Seitengangs vor der SB-Bäckerei und merkt: Huch, hier gibt’s auch Essbares.

Es mag ja sein, dass Real-Kunden außer dem Wocheneinkauf auch noch Schraubenschlüssel und neue Scheibenwischer fürs Auto mitnehmen wollen. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ganz oben auf dem Einkaufszettel stehen und deshalb zuerst im Einkaufswagen landen?

Ein Sack Kartoffeln, ein Glas Marmelade und 100 Gramm frische Unterlegplättchen, bitte

Die Aufteilung ist noch unverständlicher, weil Real zumindest eingesehen hat, dass die “Wohnwelten” – also die Sortimente Küchenutensilien, Badezimmerzeugs und Haustierartikel – viel besser ans Ende des Markts, noch hinter die Tiefkühlabteilung passen. Und wenn die Real-Geschäftsführung weiterhin davon überzeugt ist, im “Markt der Zukunft” auch Unterhaltungselektronik verkaufen zu müssen, dann gehören die genau dorthin.

Die "Wohnwelten" sind ans Ende des Markts gebaut; da gehören sie auch hin

Ausgecheckt wird ja sowieso durch die riesige Kassenphalanx in der Mitte, an der eine Mitarbeiterin zu Stoßzeiten schnell damit ausgelastet ist, die zahlreichen Fehlermeldungen der SB-Kassen wieder abzustellen.

Für Real-Verhältnisse mag Essen-Altendorf ein Fortschritt sein, ein großer sogar. (Zumal dort auch der interessante Tiefkühlober steht, wie Supermarktblog-Leser wissen.) Für die triste Umgebung ist er das allemal. Und das lässt sich nun wirklich nur von wenigen Einkaufscentern behaupten. Dazu ist der Markt klimaschonend gebaut, beteuert das Unternehmen, und man habe “die Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten intensiviert”. Aber mit all den Anstrengungen ist es der Metro-Tochter letztlich vor allem gelungen, einen relativ zeitgemäßen Lebensmittelmarkt auf die Grüne Wiese zu stellen, der außenrum genug Platz hat, um auch ein paar Spezialisten einziehen zu lassen, die als zusätzlicher Hinfahrtgrund funktionieren: dm, Deichmann, Denn’s Biomarkt.

Eine “einzigartige Einkaufsstätte”, wie Real-Chef Fleury behauptet, ist das aber nur für Leute, die sonst nie bei der Konkurrenz einkaufen gehen. (Die im übrigen gerade ziemlich aufrüstet, z.B. Rewe mit der angekündigten Neuerfindung der Toom-Flächen.)

Um im deutschen Lebensmittelhandel mithalten zu können, muss sich Real künftig noch ein bisschen mehr einfallen lassen.

Und wie kauft sich’s in Ihrem Real ein? Schreiben Sie’s in die Kommentare!

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Rewes Ikea-Strategie: He Kunde, komm bummeln!

$
0
0

Toom heißt jetzt Rewe Center - bulliger Eingang inklusive

Es gehört zu den Eigenarten der deutschen Sprache, dass Menschen, wenn sie einmal lange genug miteinander zu tun hatten, sich irgendwann das Du anzubieten, um die erarbeitete Vertrautheit zu besiegeln.

Und es gehört zu den Marketing-Tricks schwedischer Möbelhauskonzerne, diesen Prozess zu überspringen, um sich durch Sofortduzung an die Kundschaft ranzuwanzen. Im Rhein-Main-Gebiet probiert Rewe seit kurzem, ob das auch beim Lebensmitteleinkauf funktioniert.

“Greif zu!”, steht am Obsttresen im neuen Rewe Center in Egelsbach bei Frankfurt. “Stell Dir den Salat Deiner Wahl zusammen”, heißt es nebenan an der Salatbar. Im Wochenprospekt werden Kochtipps geliefert: “Das zauberst Du mit unseren frischen Zutaten.” Der ganze Laden ist eine, nein: “Deine Reise zum neuen Genuss”. Und an den Kassen verabschiedet sich der Kumpelladen mit einem freundlichen “Tschüß, bis bald in Deinem Rewe Center”.

Rewe hat tief in die Ikea-Trickkiste gegriffen, um den südhessischen Markt, an dem bis vor wenigen Monaten noch das Toom-Logo prangte, neu herzurichten. Nicht nur, was die Ansprache der Kunden angeht. Der ganze Laden ist nach dem Ikea-Prinzip gestaltet. Bloß dass die Leute nicht Billy, Lack und Pax zur Kasse tragen, sondern Illy, Lätta und Twix.

Seit der Neueröffnung Ende November läuft damit einer der interessantesten Versuche im deutschen Lebensmittelhandel. Einerseits soll das SB-Warenhaus – in dem wirklich gar nichts mehr an das Verkaufshallenkonzept von früher erinnert – die Lösung bringen, was sich mit den verbliebenen Tooms anstellen lässt, die jetzt erstmal umbenannt werden (siehe Supermarktblog). Andererseits testet Rewe in Egelsbach, ob die Deutschen sich vorstellen können, nicht bloß in den Supermarkt zu fahren, um dort Lebensmittel einzukaufen. Sondern quasi auch zur Freizeitbeschäftigung.

So weit wie der britische Marktführer Tesco, der seinen Extra-Store in Watford zu einer Art Vergnügungs-Treffpunkt inklusive Restaurant und Yoga-Fläche umgebaut hat, gehen die Kölner nicht. Aber sie sind schon ziemlich nah dran.

Die Inspiration könnte tatsächlich von Ikea stammen. Ähnlich wie die Möbelhäuser mit ihren Caféterien und dem Rundweg durch die Ausstellungim ersten Stock ist das Rewe Center nämlich für unterschiedliche Kundengruppen und deren Bedürfnisse angelegt.

1. Für Ästheten

Kunden erwarten beim Einkaufen nicht mehr nur günstige Preise, sondern auch ein Ambiente, das sie scheuklappenfrei zur Kasse bringt. Deshalb haben die Discounter ihre Läden nachgerüstet (Aldi und Penny zum Beispiel). Jetzt sind wieder die Supermärkte am Zug. Es reicht nicht mehr, bloß schönere Läden zu bauen. Die Läden müssen sich noch grundlegender von der Billigkonkurrenz unterscheiden. So wie in Egelsbach.

Der offene Eingangsbereich, fast müsste man sagen: das Foyer, sieht nicht mal mehr nach Supermarkt aus. Die Besucher werden wie auf einer unsichtbaren Straße an hölzerne Marktstände mit Blumen, Obst und Gemüse herangeführt – von neonbeschienenen Gemüsekistenreihen keine Spur.

Die Bedientheken sind wie in einer Kurve angeordnet

Die Bedientheken für Käse und Fleisch sind links wie auf einem riesigen Tortenstück angeordnet, das über die Backstation zum Wein überleitet. Und ehe man sich versieht, steht man durch den kurvenartigen Aufbau schon tief im Laden drin.

Außer der Standard-Frischeware gibt’s einen “Landmarkt”, der verspricht, dass die Ernten “direkt vom Bauern” aus der Region kommen. Zum Beweis hängen obendrüber Tafeln, auf denen glücklich in die Kamera lächelnde Lokal-Erzeuger mit ihrem Nachwuchs im eigenen Kohlfeld sitzen. (Ähnlich wie es auch Whole Foods in den USA und Großbritannien macht.) Am Eingang liefert das Center bereits eine Komplettübersicht der Regionalerzeuger.

Am Center-Eingang stellt Rewe seine regionalen Lieferanten vor

Nach der Frische, die konsequent als “Dein Marktplatz” benannt ist, wird die Kundschaft einmal durch den kompletten Laden geführt. Es gibt einen klaren Hauptweg (wie bei Ikea) und in der Mitte eine Abkürzungsmöglichkeit für Eilige (wie bei Ikea). Abzweigungen und Quergänge fehlen.

Für Orientierung sorgen zwei verschiedene Hinweissysteme. Das erste ist die klassische Sortimentskennzeichnung, die in goldenen Großbuchstaben auf die dunklen Wände geschrieben ist – und zwar so unbeirrt auf die Verwendung bezogen, wie Real es in seinem Essener Modell-Laden verpennt hat: Molkereiprodukte gibt es unter der Bezeichnung “Löffeln”, Wurst und Käse unter “Belegen”, Müsli und Kaffee sind mit “Frühstücken” benannt, es folgen “Kochen”, “Backen”, “Verfeinern” (Gewürze und Maggi), “Pflegen” (Drogerie), “Reinigen” (Putzmittel), “Füttern” (Haustierzeugs) und “Trinken”. Nur die Abteilung “Tiefkühlen” vor den Kassen passt so mittelgut als Verwendungszweck ins Konzept.

Wozu sind Süßwaren da? Im Rewe Center steht's zur Erinnerung an der Wand

In manchen Abteilungen wachsen außerdem weiße Signalwürfel von der Decke, auf denen zwecks Feinjustierung des Einkaufswegs Symbolprodukte abgebildet sind: Pommes frites, Fleisch, Brokkoli, Pizza, Hähnchenschenkel.

Wo geht's hier zur TK-Pizza? Die Signalwürfel mit Symbolbildern sollen bei der Orientierung helfen

Das Design spiegelt sich auch im Wochenprospekt, der mit großen Fotos, modernen Schriften und direkter Kundenansprache arbeitet. Kein Vergleich zu den Vierfarblappen, die Rewe sonst wöchentlich unters Volk bringt. (Und sicher nicht ganz günstig, wenn das Standard bleiben soll.)

Von wegen "Schweinebauch"-Anzeigen: Die Center-Handzettel sind untypisch modern

2. Für Snacker

Wer sich vorm Einkaufen erstmal stärken muss, wird aus dem “Marktplatz” direkt an die Bistrotheke geführt, wo sich ein eigenes “Menü” zusammenstellen lässt, indem ähnlich wie bei Subway “in 4 Schritten” die Kühltruhenanleitung für frisches Essen befolgt wird. (1. Brot, Pasta oder Salat? 2. Belag, Sauce, Dressing? 3. Getränk oder Nachtisch? 4. Mitnehmen oder gleich essen?) Richtig kochen lässt Rewe an der Bistrotheke auch.

Sofortesser können im kleinen Restaurant Platz nehmen. Wer bloß was für die Mittagspause mitnehmen will, bedient sich in der “Schnippelküche”, die mit “Eigener Herstellung” wirbt. (Was in den meisten Fällen, wenn ich das richtig gesehen habe, aber nichts anderes heißt als: im Markt vorportioniert und in Plastik verpackt.)

An der Bistrotheke: Einmal "Pasta Kind (bis 10 Jahre)" bitte, das Kind bitte ohne Speck...

Ob der Bedarf für das Schnippel-Take-Away in Egelsbach wirklich groß ist, ist zweifelhaft: Das Rewe Center liegt in einem klassischen Industriegebiet, das ohne Auto eher unbequem zu erreichen wäre.

3. Für Bummler

Eine Besonderheit ist, dass das Rewe Center nicht bloß auf klassische Einkäufer und Hungrige zielt, sondern auch auf Zeitvertreibs-Shopper. Im Idealfall könnten die das in die Jahre gekommene SB-Warenhaus-Konzept retten. Dazu hat sich Rewe einen simplen, aber ziemlich effektiven Trick überlegt und dem ganzen Kram, der einem sonst beim Einkauf in den Riesenläden im Weg herumsteht oder sich vor den Kassen auftürmt, einen neuen Platz gegeben: in der Marktmitte!

Die Minishops in der Ladenmitte sind anders gestaltet als der übrioge Markt

Während die Kunden auf den festgelegten Rundgang durch den Markt geschickt werden und jeweils auf ihrer rechten Seite Lebensmittel aussuchen, sind die übrigen Sortimente in klar abgetrennten Bereichen mit dunklem Boden und abgehängter Decke auf der linken angeordnet. Sozusagen in Minishops. Auf der Marktübersicht ist das gut zu erkennen.

Für einen (von insgesamt sieben) hat sich Rewe Unterstützung von der Kramladenkette Butlers geholt, die ihre Produkte auf gedeckten Tischen und kleinen Produktinseln inszeniert. Mehr Möbelhausambiente im Supermarkt geht nicht. Davor hat Rewe seine eigenen Haushaltswaren platziert, im Weiteren folgen Spielsachen, Schreibwaren, Klamotten, Kleinelektronik und eine T-Punkt-Ecke – passend betitelt als “Auftischen”, “Spielen”, “Schreiben” und – ähm: “Elektrisieren”.

Wer Käse braucht, braucht auch Teller: Butlers-Shop im Rewe Center

Das funktioniert in der Tat ganz gut – auch wenn es auf den ersten Blick ungewöhnlich sein mag, von der “Rustic Kerze, rubinrot” rüber zum Emmentaler schielen zu können. Die Zusatzsortimente drängen sich aber nicht auf, blockieren gefühlt viel weniger Platz (obwohl die Fläche keine kleine ist), wirken nicht so dazu gekippt wie in anderen SB-Warenhäusern und können im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen werden können.

Mit der Apotheke, einer Poststelle, einem Friseur, einem EC-Automaten und der Lotto-Annahmestelle im Marktfoyer komplettiert Rewe sein Center in Egelsbach, ganz ähnlich wie Kaufland das schon erfolgreich praktiziert – nur viel schicker.

Post, Lotto, Apotheke: Im Foyer übt sich Rewe als Gesamtversorger

Schwachpunkte hat der Laden aber auch:

Die Drogerie ist nicht nur ziemlich ideenfrei zwischen Windeln und Tierfutter geklotzt, sondern wirkt wegen der knallpinken Farbgebung auch wie ein riesiger Barbie-Designunfall.

Wer zu lange hinsieht, wird blind: Verunfalltes Drogerie-Design in Knallpink

Um wegen der modernen Ladengestaltung nicht zu feinkostig zu wirken, sind überall Angebotsartikel mit knallroten Riesenpreisen in Schraffurschrift herausgestellt. Sobald es aber ans Regal und die regulären Preise geht, ist der schöne Schein dahin.

Und wie die Mitarbeiter den neuen Kurs umsetzen, nachdem Rewe ihnen vorher bei Toom jahrelang die kalte Schulter gezeigt hat, ist wohl erst in ein paar Monaten absehbar.

Sollte das Konzept aber erfolgreich sein und auf andere Ex-Toom-Standorte ausgedehnt werden, könnte so mancher Konkurrent dadurch in arge Bedrängnis kommen. Weil viele durchschnittliche Supermärkte, auch solche von Rewe, dagegen ziemlich blass aussehen. Vermutlich ist die Sorge der Mitbewerber deswegen aber noch nicht allzu groß: Laut “Lebensmittelzeitung” hat Rewe für den Umbau in Egelsbach üppige 15 Millionen Euro investiert. Mal 55 genommen – so viele große Tooms gibt es laut “LZ” noch – wäre das eine gewaltige Investitionssumme, die selbst Rewe nicht so einfach stemmen könnte.

Noch ist ja nicht einmal erwiesen, dass die Kunden bereit sind, den Lebensmitteleinkauf von ihrer Liste mit den lästigen Notwendigkeiten auf die mit den unterhaltsamen Zeitvertreiben zu übertragen. Und vor allem nicht, ob sie sich dabei tatsächlich ankumpeln lassen wollen.

Jetzt schreib schnell in die Kommentare, ob Du Dir vorstellen kannst, künftig auch so einzukaufen!

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

So sabotieren Sie erfolgreich Ihr Gastro-Angebot!

$
0
0

Sie sind von ganzem Herzen Lebensmittelhändler und sehen es gar nicht ein, ihrer Kundschaft jetzt auch noch was vorzukochen, bloß weil ein paar führende Consulting-Wahrsager einen neuen Gastronomie-Trend im Supermarkt ausgerufen haben? Dann sabotieren Sie doch Ihr Testlokal! In Wien macht Interspar mit seiner Nudelschleuder “Pasta & Café by Interspar” vor, wie das geht.

"Pasta & Café by Interspar" in der Wiener Innenstadt

1. Denken Sie sich einen Quatsch-Namen aus!

Einen, der bestenfalls albern und unspektakulär zugleich ist. “Pasta & Café” klingt schon so, als ob sich dahinter nichts Halbes und nichts Ganzes verbirgt. Albernheit lässt sich automatisch dadurch erzielen, dass Sie den Namen Ihrer Supermarktkette mit einem englischen “by” an den Titel hängen. (Rewe sabotiert sich auf diese Weise derzeit in Köln.)

2. Beziehen Sie Räumlichkeiten mit Tarnfassade!

Die schnelle Nudel an einem zentralen Platz wie der unwirtlichen U-Bahn-Schlucht vorm Wiener Einkaufszentrum “The Mall” ist ärgerlicherweise ein verlockendes Angebot für den eiligen Zwischendurchesser aus den umliegenden Büro-Verwahrungszentren. Noch dazu, wenn das Etablissement bereits früh am morgen (ab 7 Uhr) und – als “der ideale Treffpunkt für einen After-Work-Drink mit Freunden” – bis spät in den Abend (23 Uhr) geöffnet ist. Beheben Sie diesen Vorteil, indem Sie die kühle Glasfassade einfach nur mäßig beleuchten. Und draußen bloß ein winziges Schild anbringen, das von eiligen Passanten garantiert übersehen wird. Schreiben Sie den Namen ihres Lokals einfach drinnen groß an die Wand!

Damit die Kunden nie vergessen, wo sie gerade zuviel Geld für ein mittelmäßiges Lunch ausgegeben haben.

3. Sabotieren Sie Ihr Showcooking!

Die Systemgastronomie hat ihren Kunden in den vergangenen Jahren unablässig eingetrichtert,  es sei ein Vergnügen, doof vor ihrem zukünftigen Mittagessen rumzustehen, während ein als Koch verkleideter, schlecht bezahlter Angestellter vorportionierte Soßenzutaten in einer öligen Pfanne verbrutzelt.

Geben Sie sich damit nicht zufrieden! Lassen Sie die Showcooks in ihrer Kochzoo-Ecke die Bestellung aufnehmen, schicken Sie den Kunden dann aber augenblicklich mit einer Wartenummer auf dem Tablett an seinen Platz. Zelebrieren Sie – Showkochen ohne Zuschauer!

4. Stellen Sie pampiges Personal ein!

Wenn Ihre unfreundliche Servicekraft dem Kunden über die Schulter die Wartenummer vom Tablett grabscht, ihm das bestellte Nudelgericht vor die Nase knallt und kurz darauf zurückkehrt, um den Teller nuschelnd wieder zu entfernen, weil jemand anderes vorher dasselbe bestellt hat und zuerst bedient werden muss, sind Sie in der Stammkundenvermeidung einen entscheidenden Schritt weiter.

Schnell aufessen, sonst kriegen Sie's wieder weggenommen im "Pasta & Café by Interspar"

5. Machen Sie Kunden Lust aufs Kochen!

Aufs Zuhausekochen! Das geht leicht mit überschaubaren Pastaportionen zu üppigen Innenstadtpreisen bis 8,50 Euro, wobei die versprochenen Fleisch- und Gemüsezugaben in zweifelhaften Aggregatzuständen enthalten sein sollten. Wenn Sie diese von “Pasta & Café by Interspar” erprobten Prinzipien beachten, werden sich die wirren Gastronomiepläne Ihrer Geschäftsführung schon bald in heißer Luft aufgelöst haben und Sie können sich bald wieder ganz um Ihren Supermarkt kümmern.

Darauf sollten wir trinken! Nachher um acht beim Italiener?

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Eine Frage der E-Tikette

$
0
0

Billa-Markt in Wien

Die österreichische Supermarktkette Billa hat Preisschilder am Regal hängen, für deren Lektüre man sich eine Lesebrille, ein bisschen Zeit und eventuell einen Klappstuhl zum Einkaufen mitnehmen sollte. Immerhin steht auf den knallroten Superschildern nicht bloß der Rufname des dahinter einsortierten Produkts (“Ölz Butterbrioche”) und dessen Preis (2,89 Euro), sondern auch:

  • Was der Artikel für Normalsterbliche kostet, die nicht Mitglied im Billa-Vorteils-Club sind (3,29 Euro)
  • Dass es sich bei dem herabgesetzten Preis um eine zahlreiche Regeln der Orthografie außer Kraft setzende Leistung handelt, auf die es sich mit einem goldenen Finger hinzuweisen lohnt (“B€st Preis Garantie”)
  • Und wann der Billa-Vorteils-Club-Preis “aufgrund einer Mitbewerber-Aktion” aktualisiert wurde (irgendein Datum)

Die zuletzt genannte Information ist die relevante. Weil die eigentliche Besonderheit des Preisschilds darin besteht, dass es sich dabei sozusagen um einen kleinen Kindle handelt. Einen, der im abgebildeten Fall bloß die Eckdaten des literarischen Werks “Butterbrioche” zu speichern vermag. Aber das reicht ja auch für die im Laden zur Verfügung stehende Lektürezeit eines elektronischen Preisschilds, das mit derselben Technologie funktioniert wie Ihr Ebook-Reader.

Superpreisschild bei Billa mit "B€st Preis Garantie"

In der Supermarktbranche sind elektronische Preisschilder seit Jahren sowas wie der heilige Gral: Sie versprechen vielleicht keine ewige Jugend, dafür aber andauernde Glückseligkeit, weil die Mitarbeiter im Laden nicht mehr tausende Papieretiketten ausdrucken und in die Regalschienen fitzeln müssen, wenn sich gerade wieder der Preis eines Produkts geändert hat oder irgendwas im Sonderangebot (oder nicht im Sonderangebot) ist.

Bisher hatten die Schildchen bloß einen großen Nachteil: Sie waren für die Kunden bei herkömmlichem Supermarktflutlicht verdammt schlecht zu lesen (siehe Beispielbild).

Bisher waren viele Digitaletiketten am Regal nur mittelgut lesbar

Inzwischen ist die Technik ein paar Schritte weiter, und Billa hat gleich einen ganzen Schwung der neuen E-Tiketten in seinen Filialen anmontiert – bisher vor allem, um damit das Marketingkunststück “B€st Preis Garantie” aufzuführen. Diese Garantie gilt für etwa 300 Artikel im Laden und funktioniert so: Wenn ein Konkurrent in seinem Wochenangebot einen bestimmten Artikel verbilligt anbietet, dann verspricht Billa seinen Club-Mitgliedern, denselben Preis zu verlangen – und schreibt es ans Regal: “aktualisiert aufgrund einer Mitbewerber-Aktion am: 10.11.2013″.

Die Preisänderungen kommen direkt aus der Zentrale und werden auf die E-Tiketten draufgefunkt, die mit kleinen Batterien ausgestattet und über eine Box im Laden ans Netz angeschlossen sind.

Weil ein “zeitintensiver Etikettenaustausch” wegfalle, könnten sich die Mitarbeiter im Laden “wieder voll und ganz auf ihren Job, kompetentes Beraten und erfolgreiches Verkaufen, konzentrieren”, freut sich der Hersteller.

In Deutschland testet Edeka die digitalen Preisschilder in ein paar Märkten, bei Edeka Niemerszein in der Hamburger Langen Reihe ist schon der komplette Laden damit ausgestattet.

Elektronisches Preisschild bei Edeka Niemerszein in der Hamburger Langen Reihe

Auch Rewe hat die Pixelpreise für sich entdeckt. Vielleicht ja, weil die Kollegen aus Österreich rübergefunkt haben, dass sie ganz zufrieden damit sind: Billa gehört nämlich zu Rewe. Jedenfalls meldete die “Lebensmittelzeitung” kürzlich, dass die Supermarktkette in allen deutschen Märkten, die neu eröffnet werden, entsprechende Schilder einführen will – überall im Laden. (Mit Ausnahme der Tiefkühltruhen, weil da wohl die E-Tinte einfriert.) Die “LZ” zitiert den Rewe-Cheftechniker Jens Siebenhaar:

“Wir wollen damit sicherstellen, dass die Preise am Regal immer mit denen an der Kasse übereinstimmen.”

Es ist also eine wunderbare neue Welt, die uns die E-Tiketten beim Einkaufen erschließen: Mitarbeiter müssen weniger fitzeln, und Kunden kriegen nicht nur reduzierte Preise angezeigt, sondern brauchen sich auch nicht mehr darüber zu ärgern, dass der papierne Regalpreis nur ein entfernter Verwandter dessen ist, der an der Kasse bezahlt werden muss. Sogar der Lebensmittelverschwendung könnten die kleinen Wunderkindles vorbeugen: zum Beispiel, indem ein Markt vor Ladenschluss einfach die Preise für Obst und Gemüse reduziert, damit die Kunden eher zugreifen und weniger weggeschmissen werden muss.

Toll! Oder?

Natürlich funktioniert die Technik auch in die andere Richtung. Zum Beispiel, wenn im Innenstadtladen der fertig geschnittene Salat, das Sushi und das Sandwich in der Mittagspause plötzlich 10 Cent teurer wären als sonst. Oder in den Abendstunden, wenn die gute Flasche Wein ein bisschen näher an den Kioskpreis herangefunkt wird. Genau wie zu Zeiten, von denen die Supermärkte wissen, dass dann besonders viele Kunden ihren Wocheneinkauf erledigen, und die wenigsten Lust haben, noch mal den Laden zu wechseln, bloß um ein paar Cent beim Waschmittel zu sparen.

Auf den elektronischen Preisschildern steht dann aber bestimmt nicht:

“Aktualisiert aufgrund Ihrer Mittagspause”,
“Aktualisiert, weil sonst eh nix mehr auf hat”
oder
“Aktualisiert, weil Sie im Wochenendstress schnell nachhause wollen”

Fotos: Supermarktblog

flattr this!


zum weglaufen: penny startet “penny to go”

$
0
0

Sandwich, Salat und Saft aus der Discount-Kühltheke haben geheiratet und heißen jetzt "penny to go"

Seit zwei Jahren arbeitet Rewe am neuen Image des ewigen Discount-Nachzüglers Penny. Zahlreiche Märkte sind bereits umgebaut, ein Großteil der Eigenmarken ist zugunsten des neuen Penny-Labels aufgegeben worden, das ganze Konzept erinnert immer stärker an das klassischer Supermärkte.

Im “Handelsblatt” erklärte Rewe-Konzernchef Alain Caparros in der vergangenen Woche, wieso:

“Früher gingen die Menschen zum Discounter, wenn sie schnell wieder raus und sich nicht verführen lassen wollten. Das hat sich geändert. Die Discounter werden zu Vollversorgern mit breitem Sortiment, auch an Markenartikeln. Die Formate verschwimmen. (…) Der Kunde will Nachhaltigkeit, er will Bio, er will beste Qualität – und trotzdem günstig einkaufen.”

Ein anderes Bedürfnis hat Caparros in seiner Feststellung ausgelassen: das nach Convenience – also z.B. vorbereitetem Essen fürs schnelle Kochen zuhause oder Mittagssnacks für die Pause.

Auf Kunden, die sich letzteres wünschen, hat sich Penny bereits eingestellt und bei den umgebauten Märkten Kühltheken in der Obst- und Gemüse-Abteilung platziert, ganz vorne im Laden. Dort gibt es fertige Salate, Sandwiches, Säfte und Smoothies – die allerdings eine gewisse Preisgrenze nicht überschreiten dürfen, weil die Discount-Kunden sie sonst liegen lassen, hat Penny-Geschäftsführer Jan Kunath im vergangenen Jahr im Supermarktblog erklärt.

Jetzt verpasst Penny seinem Sofortessen nicht nur ein einheitliches Verpackungsdesign, sondern auch einen separaten Namen: “Penny to Go” – pardon: “penny to go”, alles kleingeschrieben.

auch die produktnamen.

was ein kleines bisschen albern ist und ziemlich retro für einen discounter, der seinen kunden doch gerne signalisieren möchte, dass er mit der zeit geht. (und der sich sonst ausschließlich in VERSALIEN schreibt.)

bei PENNY wird sofortessen neuerdings klein geschrieben (und mit wurstschmeicheleien versehen; siehe salami-abb.)

Die Packungen mit der beigen Grundfarbe und der hellblauen “penny to go”-Schrift sind (ähnlich wie die “i like”-Wurtschmeicheleien, siehe Bild) erstmal gewöhnungsbedürftig. Und warum die neue Marke sich so deutlich vom gerade erst grafisch erneuerten Penny-Schriftzug distanziert, ist für Kunden auch nicht nachvollziehbar. Aber eins kriegt Kunath mit der Vereinheitlichung hin: Die Mini-Schnitzelbrötchen, Pastasalate, Reibekuchen usw. fallen im Kühlregal, anders als bisher, sofort auf.

(Und das Mittagpausenessen ist tatsächlich günstig. Schmeckt aber auch genau so. Wer zuckrige Pastasalate mit Pesto mag, kommt auf seine Kosten.)

Dazu hat Penny nun einen Vorsprung vor der Konzernmutter Rewe, die zwar schon seit fast vier Jahren eigene Rewe-to-Go-Läden betreibt, aber es bisher noch nicht geschafft hat, Sandwiches und Salate unter einem einheitlichen Label ins Regal zu bringen. (Zumindest als ich das letzte Mal nachgeschaut habe. Hat sich was geändert? Dann schreiben Sie’s doch bitte in die Kommentare.) Convenience-Konkurrent Albert Heijn ist da um einiges weiter.

Die eigentlich spannende Frage ist aber, ob Penny sich traut, nach den To-Go-Lebensmitteln auch auf die nächsten Convenience-Trends aufzuspringen: Fast-fertig-Mahlzeiten aus dem Kühlregal, bei der die Zutaten bereits abgewogen in der Packung stecken und zuhause nur noch fertig gekocht werden müssen. Oder vorgeschnittenes Gemüse, wie es jetzt schon in fast jedem Supermarkt zu haben ist.

Damit würde das Discount-Konzept endgültig mit dem der Rewe-Märkte “verschwimmen”, wie Caparros sagt.

Die dazu passenden Marken hat Penny längst registrieren lassen, ein appetitlicher Klang war dabei offensichtlich zweitrangig. Sie heißen: “penny to prepare”, “penny to cook” und “penny to heat”.

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Warum Kunden sich über umgeräumte Regale im Supermarkt ärgern

$
0
0

Kennen Sie das? Wenn Sie auf dem Weg zur Arbeit den Kopf schon voll haben mit Zeugs, das dringend erledigt werden müsste? Vielleicht sitzen Sie gedanklich schon in der nächsten Konferenz, vielleicht überlegen Sie, wie das Gespräch mit dem Chef laufen wird und kleben sich ein imaginäres Post-it von innen an die Schädelwand: “Nicht vergessen, die Kinder heute früher abzuholen.”

Wie durch ein Wunder sitzen Sie nachher aber trotzdem an Ihrem Schreibtisch (oder Ihrer Hobelbank, Ihrem Bankschalter, Ihrer Supermarktkasse usw.).

Ist das nicht seltsam, dass wir oft tatsächlich dort ankommen, wo wir hinwollen, ohne bewusst auf den Weg (geschweige denn rote Ampeln) geachtet zu haben?

Schuld ist der Autopilot, den die meisten Menschen eingebaut haben. Wir schaffen es, uns Wege, die wir immer wieder zurücklegen, so tief in unserem Unterbewusstsein abzuspeichern, dass wir uns nicht an jeder Ecke neu erinnern müssen, ob es links oder rechts langgeht. Im Supermarkt ist das genauso. (Deshalb bin ich seit kurzem auch so genervt, wenn ich zu Lidl einkaufen gehen.)

lidl1405

Eine korrektere Bezeichnung für den Autopiloten ist die “kognitive Karte”. Die funktioniert wie eine Art serienmäßig mit jedem menschlichen Hirn geliefertes Google Maps, zwar nur durch regelmäßige Wiederholung, dafür aber ohne separate Datenflatrate. In seinem Buch “The Art of Shopping” hat der britische Forscher Siemon Scamell-Katz, der seit vielen Jahren unser Einkaufsverhalten ergründet, aufgeschrieben, wie kognitive Karten im Supermarkt entstehen.

Scamell-Katz zufolge gehen wir im Supermarkt immer denselben Weg, um sicherzustellen, dass wir beim Einkauf regelmäßig benötigter Lebensmittel nichts vergessen. Wir erstellen anhand des Markts, den wir öfter besuchen, sozusagen einen inneren Einkaufszettel, den wir unterbewusst abarbeiten, weil wir wissen: nach Obst und Gemüse folgt Milch, dahinter Butter, dann Käse, Toastbroat usw.

Bei der Orientierung helfen so genannte “Wegweiserprodukte”: also Marken, die fast schon sinnbildlich für eine bestimmte Kategorie stehen, die wir sofort erkennen: Aha, da steht eine braune Flüssigkeit mit rotem Flaschenlabel, das muss Coca Cola sein – dann find ich hier Softdrinks.

Die Supermärkte können noch so viele Schilder aufhängen – die Leute lesen sie beim Einkaufen trotzdem nicht, hat Scamell-Katz in seinen Experimenten herausgefunden. Weil wir ja auf Autopilot funktionieren. Er schreibt:

“Shopping, however, is not reading. (…) When we’re grocery shopping we are following a learnt map around the store and using signpost brands to recognize categories.”

Genau deshalb ärgert mich Lidl gerade so: Weil “meine” Filiale es vor ein paar Wochen gewagt hat, ihr Sortiment fast vollständig umzuräumen. Der Saft steht jetzt gar nicht mehr in der ersten Längsreihe am Eingang, die Seife nicht mehr gegenüber von den Spülmaschinentabs und der Käse ist plötzlich in der falschen Kühltheke. Anders formuliert: Lidl hat meine kognitive Karte kaputt gemacht! Genau das ärgert uns als Kunden – ähm: schwarz. Weil der Autopilot im Supermarkt nichts anderes ist als eine Art Energiesparmaßnahme, die nicht mehr funktioniert, wenn wir plötzlich an eine völlig neue Anordnung lernen müssen.

Warum machen die Supermärkte dann so einen Unfug?

Weil sie einem alten Irrtum festhalten, meint Scamell-Katz: Wenn der Laden regelmäßig umgeräumt werde, seien die Kunden gezwungen, genau hinzuschauen und würden neue Produkte entdecken. Dabei geht der Forscher eher vom Gegenteil aus.

Sechs Monate dauere es, bis ein Kunde eine neue kognitive Karte “seines” Ladens angelegt habe. In dieser Zeit seien die meisten damit beschäftigt, die Sachen für ihren Standardeinkauf neu zusammenzusuchen, und hätten deshalb weniger Kapazität frei, um Aktionsprodukte zu kaufen, mit denen aber zusätzliche Einnahmen in die Kasse kämen:

“The brain’s ability to process information ist finite: if more attention is paid to navigating (…), there ist less capacity available to contemplate extra purchases.”

Supermärkte und Discounter schaden sich nach Scamell-Katz’ Erfahrungen mit den Umräumaktionen also vor allem selbst. Wobei fairerweise dazu gesagt werden muss, dass Lidl in diesem speziellen Fall noch etwas ganz anderes bezweckt.

Was das ist, steht aber erst im nächsten Blogeintrag. Bis dahin: schöne Grüße an Ihren Autopiloten!

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Lidls Flirt mit der Supermarkt-Strategie

$
0
0

“Zwei Seelen wohnen, ach! in seiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Billiglust sich an die Welt mit klammernden Aktionen; die andre hebt gewaltsam sich zum Neuen und will die Konkurrenz nicht schonen.”

So – oder so ähnlich – hätte Goethe vermutlich die momentane Gemütsverfassung von Lidl zusammengefasst, wenn der Dichter nebenbei Supermarkt-Blogger gewesen wäre.

Lidl-Markt in Berlin

Es ist nämlich so:

Einerseits will der ewige Aldi-Widersacher keinesfalls an seinem Niedrigpreis-Image rütteln, das er über Jahre sorgfältig aufgebaut hat und mit den “Super-Samstagen” kontinuierlich pflegt.

Andererseits haben die Manager in der Neckarsulmer Zentrale – ähnlich wie die Konkurrenz – genau im Blick, wie sich die Ansprüche der Discount-Kundschaft verändern und wissen, dass die Märkte sich mitändern müssen. Vielleicht ist Lidl auch bloß der Erfolg  seiner Brötchenknasts und der Deluxe-Lebensmittel zu Kopf gestiegen. In jedem Fall versucht der Discounter gerade, sich ein Stück weit neu zu erfinden: durch mehr Frische und moderneres Produktdesign. Fast wie ein Supermarkt.

Aldi Nord hat beim Umsatz wieder deutlich zugelegt, nachdem die einstigen Einkaufshöhlen zumindest notdürftig an Designstandards aus diesem Jahrhundert angepasst wurden. Und in Großbritannien hat Lidl mit der neuen Taktik schon ein paar Erfolge erzielen können.

"Like Meat, Love Lidl", meint der Discounter in seinen britischen Filialen

So berichtete Lidl-UK-Geschäftsführer Ronny Gottschlich kürzlich dem britischen Fachmagazin “The Grocer”, der Anteil frischer Produkte mache in den britischen Läden bereits 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Der im Laden reservierte Platz für Frischeprodukte sei deutlich größer geworden, demnächst solle es in den Filialen auch frischen Fisch geben. Warum Lidl das macht? Gottschlich sagt:

“Je mehr Frische die Kunden sehen, desto mehr kaufen sie insgesamt ein.”

In Deutschland testet Lidl dieselbe Strategie: Manche Läden sind bereits umgebaut worden, um mehr Frische unterzubringen. Es gibt Kühltruhen, die ausschließlich für frisches (abgepacktes) Fleisch, frisches (abgepacktes) Geflügel und frischen (abgepackter) Fisch reserviert sind. Die Truhen sind nicht mit Regalen überbaut, stattdessen wirbt der Discounter darüber auf großen Schildern für das erweiterte Angebot.

Lidl will frischer werden und stellt deswegen mehr Kühltruhen in den Laden

Dazu gibt es neuerdings Stationen mit Nüssen und Trockenfrüchten, an manchen können u.a. Pistazien aus Plexiglasboxen je nach gewünschter Menge abgefüllt werden. Gewogen wird an der Kasse.

Nüsse und Trockenfrüchte sind bei Lidl jetzt "Fine"

Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt eine Sprecherin des Discounters:

“Der Anspruch unserer Kunden an die Sortimentsvielfalt ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Um dem gerecht zu werden, hat sich das Lidl-Sortiment insbesondere in den Frischebereichen – dazu zählen Frischfleisch und Frischgeflügel, Backwaren und Kühlprodukte wie Convenience-Produkte – deutlich weiter entwickelt.”

Wer genau hinschaut, dem fallen noch weitere Änderungen auf: In einigen Läden lagern höherwertige Weine plötzlich in Holzkisten. Die (leicht vergrößerte) Obst- und Gemüse-Ablage ist mit Holzimitataufklebern verkleidet worden.

Manche Sortimente kriegen eine völlig neue Optik: Ein Teil der bislang pseudo-amerikanisch bunt verpackten Nuss- und Körnermischungen heißt neuerdings nicht mehr “Alesto”, sondern “Alesto Fine” und sieht hochwertiger verpackt aus. Im Kühlregal hat Lidl Anfang 2013 die Eigenmarke “Chef Select” für Fertiggerichte eingeführt, bei der man anhand der (ziemlich modernen) Verpackung nicht mehr sagen könnte, dass sie aus dem Discounter stammt. Es gibt Sandwiches, Microwellen-Mahlzeiten, Suppen, Asia-Gerichte. Manche Produkte, die bereits im Sortiment sind, werden einfach neu gelabelt. Drin ist aber wohl dasselbe wie früher (z.B. in der Lasagne; der “Chef Select”-Pizzateig schmeckt auch noch genauso pappig wie der von “Trattoria Alfredo”, der vorherigen Lidl-Eigenmarke).

Neue Verpackung, alter Geschmack: "Chef Select"-Eigenmarke bei Lidl

Mit “Chef Select Premium” probiert Lidl außerdem, ob sich die Begeisterung der Kunden für die Deluxe-Produkte, die es vor Feiertagen in Aktionswochen zu kaufen gibt, auch aufs Standardsortiment übertragen lässt – mitsamt der Akzeptanz höherer Preise, versteht sich. Die weiß-schwarze Verpackung erinnert wohl nicht zufällig an das Deluxe-Sortiment.

Microwellenessen deluxe? Lidl testet's im Kühlregel

Das heißt also: Lidl will supermarktiger werden und gleichzeitig Discounter bleiben.

Im Laden passen diese Widersprüche bisher noch nicht zusammen. Einerseits werden die Läden aufgehübscht, andererseits kleben weiter überall Aktionspreise in unübersehbarem Neonorange. Naturmaterial imitierende Aufkleber und Holzkisten für Wein sind Uraltsünden aus der Discounter-Trickkiste – wenn Lidl demnächst noch Fototapeten in die Läden kleben würde, wäre man so weit wie der ewige Nachzügler Penny vor drei Jahren.

Die Konzentration auf mehr Frische könnte Konkurrenten hingegen weh tun: Weil Kunden sich daran gewöhnen, ihren Kompletteinkauf im Discount zu erledigen, und die Gründe, noch mal einen anderen Markt anzusteuern, weniger werden.

Genauso gut kann die Strategie nach hinten losgehen: Weil Kunden es hassen, vor leeren Regalen zu stehen. Um am Ende des Tages nicht zuviel Frischware auszusortieren (und Verluste zu produzieren), sehen die Kühltruhen aber zu späterer Stunde auch mal so aus:

Was vom Sushi übrig blieb: Frischfischtheke bei Lidl

Ganz ohne Risiko ist der Test also nicht. Egal, welche Strategie sich am Ende durchsetzt: Die Ramschpalettenzeit bei Lidl ist ein für alle Mal vorbei.

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

“Made by Rewe”: Das Fenster zur Microwelle

$
0
0

So sieht für Rewe die moderne Systemgastronomie aus: "Made by Rewe"

Dass Rewe schöne, moderne Supermärkte bauen kann, ist bekannt. Dass Rewe außerdem fleißig mit neuen Konzepten experimentiert, wissen Supermarktblog-Leser auch. Bei manchen allerdings klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität. Und nirgendwo sonst wird man von der so schön angegähnt wie am Kölner Waidmarkt.

Im vergangenen Herbst eröffnete dort in einem seelenlosen Neubauquartier die erste “Made by Rewe”-Filiale: eine Art Bistro, bei dessen Gestaltung der Innenarchitekt Kreativitätsschluckauf hatte. Dabei herausgekommen ist ein moderner, aber nicht unbedingt gemütlicher Laden, der vor allem aus Kühlschwänden besteht: Raumtrennern nämlich, die auf der Vorderseite Kühlschrank sind, und auf der Rückseite Wand. (Genauer: mediterran bekachelte Wand.)

Und aus der langen Theke, über die man in die Küchenzeile schauen kann, um dabei zu sein, wie das Essen zubereitet wird.

Vorne Kühlschrank, hinten Wand, in der Mitte die Theke: Fertig ist der "Made by Rewe"

Es ist leider vor allem ein Blick in die Traurigkeit der Systemgastronomie.

Meine Damen und Herren! Hier wird gleich - "gekocht"!

Weil nach der Bestellung des “New Delhi Curry Daal” für 6,50 Euro ein Mitarbeiter augenblicklich ein sehr scharfes Messer zur Hand nimmt, um damit – die Plastikfolie des riesigen schwarzen Plastikbottichs einzuschneiden, in dem das Hauptgericht fertig angeliefert kommt. Mit der Schöpfkelle wird eine Linsen-Portion in weiße Keramik umdeponiert, aufgewärmt, mit Minzblättchen garniert, und mit einem Klacks Joghurt serviert.

So stellt man sich bei Made by Rewe die moderne Systemgastronomie vor. Und so sieht das auch aus:

"Bleibt der Löffel stehn im Essen, kannst du den Geschmack vergessen" (alte Gastro-Weisheit)

Die Konsistenz ist: breiig, das Brot: trocken, die Geschmacksrichtung: scharf. Oder wie man zu Karneval in Köln sagen würde: Bleibt der Löffel steh’n im Essen, kannst du den Geschmack vergessen.

Vom flauen Gefühl im Magen hat man danach den ganzen Tag noch was. Das Schlimmste ist aber: Offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein Versehen.

Wer sich vom Zusatz “hausgemacht” dazu verführen lässt, eine Limonade zu begehren, bekommt ein fades Zitronengesöff in ein riesiges Glas geschenkt, bei dem die Gefahr besteht, dass es bereits verdunstet ist, bis man es zum Tisch getragen hat. Macht noch mal 2,50 Euro. (Dafür gibt’s kostenlos dazu: ein Minzblatt. Und nachträglich Eiswürfel, die das Glas immerhin ein bisschen voller wirken lassen.)

In den Kühltheken liegen ein paar unspekatkulär belegte Baguettes und Brötchen, zu denen Mitarbeiter beim Abkassieren wissen wollen:

“Soll’s warm gemacht werden?”

Für Eilighaber gibt's im Regel belegte Brötchen und Salate

Seinen Kaffee darf man sich selbst zubereiten: An einer glänzenden Espressomaschine, die sich als Attrappe entpuppt, wenn man an der Bedientheke die Nespresso-Kaffeekapsel ausgehändigt kriegt.

Auf der großen Tafel über der Theke steht: “Preise alle in Euro” – und das ist eine durchaus relevante Information, um nicht auf die Idee zu kommen, die Angaben müssten angesichts des erhaltenen Gegenwerts in indischen Rupien sein. (Ganzes Menü ansehen.)

Rewe hat es also fertig gebracht, einen Laden zu eröffnen, bei dem offensichtlich Geld fürs Design ausgegeben wurde, das wichtigste Kochinstrument aber die Microwelle ist und Fertigessen aus Plastikbottichen zu Restaurantpreisen bestellt werden kann. Und man wüsste schon gerne, in welcher Parallelwelt findige Marktforscher Deutschlands zweitgrößter Supermarktkette weismachen konnten, dass das nicht nur eine gute Idee ist, sondern in Großstädten auch ein konkurrenzfähiges Angebot. (Inzwischen hat ein zweites “Made by Rewe” in Köln und eines in Heidelberg eröffnet.)

Als ob das nicht schon kurios genug wäre, hat Rewe dafür auch noch eine eigene GmbH gegründet. Sie heißt: Smart People.

Speisen wie in der Möbelhausausstellung: "Made by Rewe" in Köln

Nun ist es ganz sicher keine leichte Aufgabe, ein neues Gastrokonzept zu etablieren, bei dem das Essen schnell auf den Tisch kommt, immer alles frisch und vorrätig ist und die Kosten überschaubar bleiben. Aber wenn “Made by Rewe” der Standard sein soll, mit dem sich Rewe seinen Kunden als Gastro-Neuling empfehlen will, dann wird das nicht nur schiefgehen. Sondern schlimmstenfalls das Image der Supermärkte in Mitleidenschaft ziehen. Weil man als Kunde den Eindruck hat: Wer so “kocht”, der kann keinen großen Wert auf frische Zutaten legen.

Rewe müsse zum Treffpunkt werden, an dem die Leute nicht nur ihre Einkäufe erledigen, sondern auch einen Teil ihrer Freizeit verbringen, hat die Rewe-Geschäftsführung im vergangenen Jahr die Gastro-Initiative erklärt. Wenn  damit Treffpunkte für Leute gemeint sind, die gerade auf Hungerdiät sind, ist die Rechnung aufgegangen.

Alle anderen werden immerhin vorgewarnt. Auf der Tafel vor der Tür steht schließlich in großen schwarzen Buchstaben über den Wochenangeboten:

“Made hot.”

Warnhinweis vor der Tür: "Made hot"

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Rewe startet mit Payback am 10. März

$
0
0

Es gibt keinen Grund, sich zu darüber wundern, dass derzeit deutschlandweit in Rewe-Filialen rote Terminals auftauchen, auf deren Papphülle der geheimnisvolle Hinweis notiert ist:

“Hier entsteht ein neuer Service für Sie.”

"Hier entsteht ein neuer Service für Sie", verspricht Rewe auf seinen verhüllten Terminals

Jedenfalls lässt sich problemlos dementieren, dass Deutschlands zweitgrößte Supermarktkette als roter Engel künftig dem im Ansehen stark gesunkenen ADAC Konkurrenz machen will, auch wenn die Geräte stark nach Anrufsäule aussehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass es sich dabei um Terminals handelt, an denen Kunden künftig ihr Payback-Punktekonto managen können.

Im vergangenen Jahr hatte Rewe angekündigt, dem Bonusprogramm beizutreten, und inzwischen gibt es auch einen Termin: den 10. März 2014.

Zumindest plaudern das die blauen Weihnachtskugeln aus, die Rewe derzeit über seine Website kullern lässt (und die eigentlich natürlich, haha, quietschfidele “Payback-Punkte” sind). Die aktuelle Rewe-Bonusaktion mit Klebe-Treuepunkten endete in der vergangenen Woche. Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt ein Sprecher jedoch (ohne den Termin bestätigen zu wollen):

“Unsere Treuepunkt- und Sammelsticker-Aktionen sind von der Payback-Einführung nicht tangiert und werden auch in Zukunft fortgesetzt.”

Nein, das sind keine Weihnachtskugeln, sondern "Payback-Punkte", die den Start bei Rewe ankündigen

Mit Payback klinkt sich Rewe in ein kartenbasiertes Bonusprogramm ein, das den Kunden an der Kasse Minirabatte für die im Markt und beim Lieferservice getätigten Einkäufe verspricht, die sich später in Mixer, Koffersets oder Einkaufsgutscheine unwandeln lassen. Der direkte Konkurrent Edeka setzt schon seit einer Weile auf die Deutschland-Card, die derzeit wohl nicht durch Zufall stärker als sonst wirbt, nämlich als Sponsor bei “Deutschland sucht den Superstar”. Payback hat derweil nicht nur Rewe, sondern auch Real, Alnatura und Denn’s als Partner aus dem Lebensmittelhandel auf seiner Seite.

Interessant ist Payback für Rewe vor allem, weil durch die gesammelten Daten Einkaufsprofile der Kundschaft erstellt werden können. Im Gespräch mit dem “Handelsblatt” erklärte Konzernchef Alain Caparros das Prinzip kürzlich wie folgt:

Caparros: “Wer eine Payback-Karte hat, der weiß, dass sein Einkauf ausgewertet wird und er hinterher gezielt Angebote bekommt.”

“Handelsblatt”: “Die Kunden machen sich also nur so lange Sorgen um ihre Daten, bis ihnen Payback eine Salatschleuder schenkt?”

Caparros: “Ja, so funktioniert das.”

Foto: Supermarktblog; Screenshot: Rewe

flattr this!

“E Backstube”: Edeka gibt seinen Bäcker-Simulationen einen neuen Namen

$
0
0

Die Erwartungshaltung weltoffener Menschen im fremdsprachigen Ausland gegenüber den Deutschen lässt sich im Wesentlichen auf drei Punkte reduzieren:

1. Die Deutschen tragen bei fast jeder Gelegenheit Lederhose.
2. Die Deutschen sind immer pünktlich.
3. Die Deutschen kaufen gerne rustikale Brote in so genannten “Bäckereien”.

Der ersten Erwartung wird allerdings schon seit längerem nur noch von maibaumaufstellenden Minderheiten entsprochen; von der zweiten wissen Sie selbst, dass sie maßlos schöngeredet ist; und die letzte war womöglich mal korrekt, müsste aber inzwischen lauten:

3. Die Deutschen kaufen gerne Aufbackware in so genannten “Discountern”.

Genau deshalb muss Edeka jetzt die Kulissen in seinen Backtheatern neu verschieben. Regelmäßige Kunden kennen das: Viele Edekas sind mit Vorkassenbäckern ausgestattet, also: Bäckern vor der Kasse, die eine eigene Theke, eigenes Verkaufspersonal und manchmal sehr eigene Preisvorstellungen haben. Seitdem die Discounter sich jedoch in kleine Aufbackparadiese verwandeln und viele Supermärkte mitziehen, ist das Geschäft für die Vorkassenbäcker schwierig geworden.

Bei Lidl kündigen Mietbäcker ihre Verträge, weil sie mit den Preisen des Backangebots aus den Ladentheken nicht mehr mithalten können.

Bei Edeka nicht.

Das liegt daran, dass viele der Edeka-Vorkassenbäcker schon lange nicht mehr unabhängig sind, sondern sowieso schon zu Edeka gehören. Das wissen viele Kunden bisher nur nicht.

"Dit is Genuss!", warb Thürmann kürzlich noch vor einigen Berliner Edeka-Läden (obwohl's ja "Jenuss" heißen müsste)

In der Region Minden-Hannover (die bei Edeka eine von deutschlandweit sieben ist und sehr ungefähr von Osnabrück bis Cottbus reicht; siehe auch Supermarktblog) kaufen die Kunden bisher zum Beispiel bei Schäfer’s und Thürmann ein. Beide sind seit den 70er bzw. 90er Jahren Edeka-Tochterunternehmen. Und sollen im Laufe des Jahres als Filialnamen verschwinden.

“Schäfer’s und Thürmann werden zu Produktmarken weiterentwickelt”,

erklärt ein Sprecher der Regionalgesellschaft auf Anfrage. Das heißt: Die Vorkassenbäcker bleiben zwar erhalten. Sie haben künftig aber keinen eigenen Namen mehr, sondern werden – ähnlich wie beim Edeka-Discounter Netto (ohne Hund) – zur “Backstube”. Und in den meisten Fällen nicht mehr von der Edeka-Großbäckerei betrieben, sondern vom jeweiligen Edeka-Kaufmann, in dessen Supermarkt die Theke steht. Bis Ende des Jahres sollen überall die neuen Schilder dran sein.

"E Backstube" am Berliner Kollwitzplatz

Dadurch könne schneller und direkter auf Veränderungen reagiert werden, heißt es im Unternehmen. Wenn das “Brot des Monats” verkostet werden solle, könne das der Händler direkt entscheiden. Das Personal, das jetzt vom Kaufmann angestellt werde, sei flexibler einsetzbar. Außerdem könne bei der Backwarenbestellung besser auf “regionale Bedürfnisse” Rücksicht genommen werden. Oder, auf Edekanisch:

“Niemand weiß besser, wie man Lebensmittel verkauft als unsere selbstständigen Edeka-Kaufleute.”

Die jetzt natürlich auch das unternehmerische Risiko tragen, ihre “E Backstube” gegen die Discounter am Laufen zu halten.

Was bedeutet das für die Kunden?

Erstmal nicht viel. Bereits umgestellte Berliner “E Backstuben” werben in den typischen Thürmann-80er-Jahre-Farben (Violett und Gelb) mit dem Spruch: “Hier bekommen Sie weiterhin alle ‘Thürmann-Produkte’ …mit Preissenkung.” Die Backwaren kommen aber überall weiterhin aus der Großbäckerei.

Das Sortiment kommt weiter aus der Großbäckerei: Vorkassenbäcker im " E Backstube"-Design

Fassen wir das also kurz zusammen: Weil Edeka den Druck der Discounter zu spüren kriegt, werden die Vorkassenbäcker umbenannt, verkaufen aber weiter dasselbe wie bisher, wobei die Namen der Edeka-eigenen Bäcker-Simulationen nicht komplett verschwinden sollen, sondern zu “Produktnamen” werden, also künftig am Regal stehen, damit die Leute wie gewohnt ihr “Schäfer’s Körnerbrot” kaufen können, nur halt in der “E Backstube”.

Aus unternehmerischer Sicht ist das ganz sicher ein ausgeklügelter Plan. Sie dürfen halt nur nicht versuchen, den demnächst Ihrem Besuch aus dem Ausland zu erklären.

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Bonussysteme im Supermarkt: Hier bin ich, belohn mich!

$
0
0

Ab nächstem Montag können Mitglieder des Bonusprogramms Payback bekanntlich auch bei Rewe “Punkte” sammeln (regulär 1 “Punkt” pro 2 Euro). Eingangstüren und Kassen sind inzwischen alle vollumfänglich mit entsprechenden Hinweisen beklebt.

Ab 10. März sollen Rewe-Kunden Payback-Punkte sammeln, steht an der Markttür

Die Post dazu ist auch verschickt. (Und die Konkurrenz hält schon dagegen.)

Post vom Partner: Payback kündigt seinen Mitgliedern Rewe an

Erstaunlich daran ist, dass es so lange gedauert hat, bis sich Rewe in die Datensammlung per Kundenkarte einklinkte. Und vielleicht auch, dass die Gruppe dafür nicht ein Programm unter eigenem Namen startet. Schließlich funktionieren die Bonussysteme britischer Supermärkte genau so. Und da schaut sich Rewe sonst ja auch mit Vorliebe seine Innovationen ab.

Tesco brachte seine “Clubcard” bereits vor 19 Jahren in die Läden (der Screenshot unten ist aus einem alten Werbespot), und zwar mit so großem Erfolg, dass die Kette damit zum Marktführer aufsteigen konnte. So geht jedenfalls der Mythos.

Weich gebettet: Screenshot aus altem Clubcard-Werbespost von Tesco

Das Prinzip funktioniert ähnlich wie beim deutschen Payback: Für jedes bei Tesco ausgegebene Pfund erhält der Karteninhaber einen “Punkt”. Die “Punkte” werden nachher in “voucher”, also Gutscheine, umgewandelt. Der frühere Tesco-Chef Terry Leahy, der die “Clubcard”-Entwicklung anstieß, verriet der BBC im vergangenen Jahr, dass in der Woche nach der landesweiten Einführung des Systems der Umsatz von Tesco um 10 Prozent gestiegen sei.

Die Wettbewerber sahen sich gezwungen, auf den Erfolg zu reagieren und führten eigene Bonussysteme ein. Sainsbury’s zum Beispiel legte 1996 mit der “Reward Card” nach, inzwischen heißt das eigene Programm “Nectar”. Das britische Fachmagazin “The Grocer” berichtet, dass heute über 60 Prozent der Umsätze von Tesco und Sainsbury’s von Kunden mit Bonuskarte getätigt würden.

Der kleinere Konkurrent Waitrose ließ sich deutlich länger Zeit, um die Loyalität seiner Kundschaft in Scheckkartenformat zu pressen: “myWaitrose” gibt es gerade mal seit drei Jahren.

Sogar an Einkaufswagen wirbt myWaitrose um neue Mitglieder

Dafür ist es das spannendste Bonussystem von allen. Weil es beim Einsatz der grün-grauen Karte keine blöden Punkte gibt. Sondern einen kostenlosen Kaffee mit Zeitung. Jeden Tag wieder. Eine Million Tassen pro Woche, schreibt der “Telegraph”.

Die Supermarktkette ist mit dem Erfolg hochzufrieden: Kartenbesitzer würden deutlich öfter bei Waitrose einkaufen als Kunden, die noch nicht Mitglied geworden sind. An den Mini-Bedingungen scheinen sich die Mitglieder nicht zu stören: Den Kaffee gibt’s zwar immer umsonst, die Zeitung nach Wahl aber erst, wenn im Gegenwert von 5 Pfund eingekauft wird. Außerdem verlost Waitrose unter allen Mitgliedern Gutscheine für Monatseinkäufe und Einladungen zum Dinner mit bekannten Köchen. Seit vergangenem Jahr gibt es im Laden 10 Prozent Direktrabatt auf 500 ausgewählte Produkte.

Aber das Beste an “myWaitrose” ist natürlich, dass Kunden nicht das Gefühl haben, die Belohnung wie bei anderen Programmen erst aufwändig über Wochen oder Monate ersammeln und mit fitzeligen Coupons verdoppeln zu müssen.

Sondern dass es sie sofort gibt.

Kaffee und Zeitung kostenlos: Waitrose hat großen Erfolg mit seinem Treueprogramm

Für Waitrose lohnt sich das vor allem, weil “myWaitrose”-Mitglieder, wenn sie öfter in die Läden kommen, dort auch mehr als zweimal soviel Geld ausgeben wie andere Kunden, berichtet der “Grocer”. Der Erfolg des Spätzünder-Bonussystems scheint ein klassischer Beleg für die These zu sein, dass Unternehmen manchmal was verschenken müssen, um Geld zu verdienen. Hochkompliziert ist diese Erkenntnis nicht. Schon deshalb ließe sich das Programm von jedem deutschen Supermarkt leicht kopieren. Auch von den kleinen.

Tegut, Kaiser’s Tengelmann, Bünting – mag vielleicht jemand mal den Anfang machen?

Mehr über Waitrose steht demnächst im Supermarktblog.

Screenshot: Tesco/BBC, Fotos: Supermarktblog

flattr this!


Wie “supergeil” ist Edeka wirklich?

$
0
0

Zu Beginn des Jahres hat das Werbefachmagazin “Horizont” den Edeka-Vorstandsvorsitzenden Markus Mosa zum “Marketingmann des Jahres” gewählt und sich dabei sehr tief vor ihm verbeugt.

Mosa führe mit “imponierender Zielstrebigkeit” und entwickele das Unternehmen mit “kundenorientiertem Innovationsgeist” weiter, er sei “Regisseur einer Liebesgeschichte in Blau-Gelb” (also den Edeka-Farben). Nachdem der Preisträger sich im “Horizont”-Interview sehr selbstsicher geäußert hatte, fand die Redaktion:

“Große Töne eines Managers, dessen Selbstbewusstsein vom Erfolg herrührt und daher ernst zu nehmen ist. Keine Frage, wem der Innovationsnimbus gebührt.”

Das ist ein erstaunliches Lob angesichts der Tatsache, dass Edeka zu ungefähr keinem der Zukunftsthemen, die derzeit den Lebensmittelhandel in Deutschland beschäftigen, was zu sagen hat.

Ein schlüssiges Konzept zur Online-Bestellung von Lebensmitteln gibt es bei Edeka nicht. Tests mit neuen Ladenformaten werden dem direkten Konkurrenten Rewe überlassen (“Rewe to Go”, “Temma”, “Made by Rewe”). Wie Edeka dem Trend zu Convenience-Lebensmitteln begegnet, ist unklar.

Das liegt zum Teil daran, dass der Konzern stark damit beschäftigt ist, seine in jahrelanger Kleinarbeit gepflanzten Irrgartenstrukturen auf ein verträgliches Maß zurückzustutzen. Die größte Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover hat kürzlich die unterschiedlichen Ladenmarken “aktiv markt”, “nah und gut” sowie gerade erst “aktiv discount” abgeschafft, jetzt sind die Vorkassenbäcker dran.

"E aktiv Discount"-Märkte waren gar keine Discounter; Ende 2013 wurden die Filialnamen abgeschafft

Derweil verkündet die Zentrale mit Stolz: Obst und Gemüse heißt ab sofort nicht mehr “Rio Grande” oder “Gärtners Beste”, sondern einheitlich “Edeka”. (Gleichzeitig werden  neue Irrgärten gepflanzt, z.B. die Regionalmarke “Bauer’s Beste”, auch noch mit Deppenapostroph.)

Alles, was im modernen Lebensmittelhandel eigentlich selbstverständlich sein müsste, ist aus Edeka-Sicht, wenn es endlich auch bei Deutschlands größter Supermarktkette ankommt, ein Riesenfortschritt.

Zum Teil ist das in der Struktur des Unternehmens angelegt: Nicht nur die Zentrale, sondern vor allem die sieben Regionalgesellschaften wollen bestimmen, wo’s langgeht. Auch selbstständige Kaufleute haben, wenn sie erstmal ein paar gut laufende Läden in ihrer Region besitzen, einen gewissen Einfluss. Das führt dazu, dass Edeka in jedem Bundesland, ja in jeder Stadt von den Kunden anders wahrgenommen wird.

Mosas Job ist es, diese Wahrnehmung radikal zu vereinfachen. Mit Werbekampagnen wie “Wir lieben Lebensmittel”. Und der Geschichte vom sympathischen Händler um die Ecke, dem Tradition und Fortschritt gleich wichtig sind. “Wir sind moderner geworden, aber auch mutiger!”, hat er im “Horizont”-Interview gesagt. (Wieso: aber?) Wobei Mut für Mosa keineswegs bedeutet, Risiken einzugehen:

“Wir wollen auch keine Revolution. Wir nennen es intern Kontinnovation.” (Gemeint ist vermutlich eine Mischung aus Kontinuität und Innovation.)

Das ist nicht nur sprachlich großer Murks.

Der Edeka-Chef zielt mit seinen Bemerkungen in erster Linie auf den Umbau der Eigenmarkenstrategie, die vor einigen Jahren noch hoffnungslos veraltet war. In mehreren Modernisierungsrunden haben die Produkte ein zeitgemäßes Design verpasst bekommen, zig Namen wurden aussortiert, jetzt steht das meiste unter dem schlichten Namen “Edeka” im Regal. 150 Neuerungen brächte man jedes Jahr in die Läden, sagt Mosa. Der Anteil der Eigenmarken am Sortiment liege inzwischen bei “über 25 Prozent”. Das kommt den Einkaufsgewohnheiten der Kunden entgegen. Es bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass in den Regalen weniger Platz ist für Produkte der klassischen Markenhersteller.

Die Freundlichkeit gegenüber den bisherigen “Partnern” hält sich inzwischen in Grenzen.

“Unser Anspruch ist, unter ‘Edeka’ echte Innovationen auf den Markt zu bringen. (…) Das müssen wir sogar, weil die Markenhersteller kaum noch echte Innovationen auf den Markt bringen, sondern nur noch Me-too-Produkte. Diese Lücke müssen wir schließen, damit die Kunden nicht abwandern.”

Sagt der Vorstand einer Supermarktkette, die viele ihrer Eigenmarken ganz bewusst so verpackt, dass sie der Markenkonkurrenz zum Verwechseln ähnlich sehen. Und die in einer Tour Me-too-Produkte in die Läden bringt: Toppits-Frischhaltebeutel mit Zipper-Verschluss heißen bei Edeka “Ziptec”; und die Edeka-”Granini Für dich”-Bonbons werden direkt neben “Nimm 2″ von Storck positioniert.

Die “echten Innovationen”, die Mosa meint, sind die Frankensteinwurst, in die Fischfett reingerührt wird, um sie als “gesund” bewerben zu können, und das Hack-Fixgericht aus der Tüte, bei dem kein frisches Hack mehr dazu gegeben werden muss (siehe Supermarktblog).

Mit dem “Supergeil”-Spot, der zum Social-Media-Phänomen geworden ist, gelingt es jetzt sogar, sich gleichzeitig als modern zu positionieren. Nach dem Hype weiß inzwischen wirklich jeder Kunde, dass die Edeka-Eigenmarken, die Entertainer Friedrich Liechtenstein im Spot so sympathisch betanzt, “supergeil” sind.

Dass es die Produkte auch beim Edeka-eigenen Discounter Netto (ohne Hund) gibt, ein bisschen hässlicher verpackt, aber mit denselben Zutaten und Inhaltsstoffen, eher nicht.

"Supergeile" Eigenmarken bei Edeka (jeweils links) - und Netto (ohne Hund) (jeweils rechts)

Das gilt selbst für die Frankenwiener, auf die Edeka so stolz ist:

Omega-3-Frankenwiener bei Edeka (links) - und Netto (ohne Hund) (rechts)

Netto (ohne Hund) bietet die Produkte zum Teil sogar billiger an: Der Kirsch-Banane-Smoothie aus dem “Supergeil”-Spot ist im Edeka-Center in Berlin 14 Cent teurer als die identische Netto-(ohne Hund)-Variante.

Drin ist dasselbe, aber bei Edeka kostet der Kirsch-Banane-Smoothie mehr

Das “Triple-Choc”-Knusper-Müsli kostet 20 Cent mehr.

"Triple-Choc"-Knusper-Müsli-Fans können bei Netto (ohne Hund) ein bisschen was sparen

Bei den Omega-3-Würstchen hängt bei Edeka Reichelt zwar noch der alte Preis (2,79 Euro) am Regal, auf dem Einkaufszettel steht dann aber schon der angepasste (2,49 Euro), der auch bei Netto (ohne Hund) gilt.

Nun sind solche Preisunterschiede für Kunden ärgerlich, im Wettbewerb zwischen Discountern und Supermärkten aber auch bei klassischen Markenprodukten keine Seltenheit.

Viel erstaunlicher ist, dass sich Edeka mit dieser Strategie selbst im Weg steht. Viele Kaufleute, die eigene Märkte betreiben, sind schon länger skeptisch, ob es eine gute Idee war, sich mit der Übernahme von Netto (ohne Hund) die Billigkonkurrenz ins eigene Haus zu holen. Noch dazu eine, die sich über ihr supermarktiges Sortiment zu profilieren versucht. Als Alleinstellungsmerkmal wären vielfältige, innovative Edeka-Eigenmarken geradezu ideal. Dafür dürfte es die aber auch nirgendwo anders zu kaufen geben.

Womöglich besteht darin die eigentliche Leistung des Vorstandsvorsitzenden: Kunden davon zu überzeugen, im Supermarkt Eigenmarken zu kaufen, die im Discounter günstiger zu haben sind; und selbstständigen Kaufleuten zu erklären, ihr Erfolg stünde bei Edeka im Vordergrund, obwohl jeder kleine Vorsprung der Supermärkte dann doch wieder mit Netto (ohne Hund) geteilt werden muss.

So gesehen hat sich Markus Mosa seine Auszeichnung als “Marketingmann des Jahres” auf jeden Fall verdient.

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Der Herzlich-willkommen-Supermarkt: Waitrose und die Anti-Discount-Strategie

$
0
0

Waitrose-Logo an einer Filiale im britischen Greenwich

Mit 43,9 Prozent Marktanteil (im Jahr 2013; lt. GfK) sind die Discounter im deutschen Handel ein echtes Schwergewicht. In Großbritannien wollen sie erst noch eins werden. Und strengen sich dafür gerade mächtig an. Aldi kam mit seinen britischen Läden Ende des vergangenen Jahres zwar gerade mal auf 4 Prozent, Lidl schaffte 3,1 Prozent. Doch die Wachstumsraten sind enorm. Zuletzt meldete Aldi UK einen um 124 Prozent gestiegenen Gewinn vor Steuern und 40 Prozent Umsatzplus innerhalb eines Jahres. Große Supermärkte wie Tesco, Sainsbury’s, Asda und Morrisons müssen Marktanteile abgeben. Heißt das, dass die Briten jetzt genauso Discount-fixiert werden wie die Deutschen?

Jein. Zwar finden immer mehr britische Kunden Gefallen am Einkaufen bei Aldi und Lidl. Auf der anderen Seite gibt es aber noch einen weiteren Gewinner im Lebensmittelhandel, der in vielerlei Hinsicht das absolute Gegenteil der Discounter verkörpert: die Supermarktkette Waitrose.

Der Tag vor Weihnachten 2013 war dem britischen Fachmagazin “The Grocer” mit über 51 Millionen Pfund Umsatz in den rund 300 Läden der erfolgreichste seit der Unternehmensgründung vor 110 Jahren. Das Wachstum ist zwar nicht so beeindruckend wie bei der Discount-Konkurrenz. Aber die hat auch mehr aufzuholen.

Waitrose gilt vielen Briten als “upmarket”, als Laden für Leute, die sich ein bisschen mehr leisten können. Das ist der Supermarktkette gar nicht so recht, weil dieses Image potenzielle Kunden womöglich davon abhält, dort zu kaufen. Fakt ist aber, dass die Nummer sechs im britischen Lebensmittelhandel sich (nicht nur durch ihr Bonusprogramm) deutlich von den größeren Konkurrenten abhebt – und vielleicht gerade deswegen so erfolgreich ist.

Wie geht das?

1. Waitrose hat Stil

Großbritannien gehört zu den Ländern, in denen es eine große Offenheit für Supermarkt-Innovationen gibt. Das bedeutet aber nicht, dass Einkaufen dort immer angenehm ist. Im Gegenteil: Viele Läden sind so sehr mit knallfarbigen Sonderangebotsschildern zutapeziert, dass man seinen Tunnelblick schon ziemlich gut drauf haben muss, um nicht irre zu werden. Waitrose versucht, sich davon bewusst abzuheben – so wie in seiner 2013 neu eröffneten Filiale im Londoner Stadtteil Greenwich.

2013 eröffnete Waitrose im Londoner Stadtteil Greenwich

Die Gänge sind nicht vollgestellt, und in den Regalreihen hängen nur vereinzelt Schilder, ganz selten in Signalfarben wie bei der Konkurrenz. (Nur zur Erinnerung: So sieht das anderswo aus.)

Ein paar dezente "Offer" baumeln von der Decke - eher ungewöhnlich im bunten Sonderangebots-Britannien

Die komplette Form- und Farbgebung des Ladens ist klar, fast schon nüchtern.

Mit eher nüchternem Ladendesign hebt sich Waitrose von der Konkurrenz ab

Auch bei den Eigenmarken wird größter Wert auf stilvolle, moderne Verpackungen gelegt.

Schlicht, aber modern verpackt: Waitrose-Eigenmarken-Cookies

2. Waitrose ist freundlich

Kunden werden am Eingang nicht durch Schleusen geschickt oder auf den neuesten Sonderangebotsstapel gelenkt, sondern am “Welcome Desk” empfangen. Dort lassen sich vorher im Internet bestellte Einkäufe abholen, Süßigkeiten, Wein oder Blumen werden als Geschenk verpackt und Mitarbeiter beantworten Kundenfragen. Und selbst wenn Sie nix einzuwickeln oder zu fragen haben: Ein Laden, der einen erstmal willkommen heißt, gewinnt sofort an Sympathie.

Spätestens in diesen Wochen sollen darüber hinaus alle Filialen mit WLAN ausgestattet sein, das kostenlos genutzt werden kann.

Am Welcome-Desk werden Bestellungen abgeholt und Geschenke verpackt

3. Waitrose kennt seine Kunden

Zumindest weiß die Supermarktkette, wie die Leute ticken, die regelmäßig zum Einkaufen kommen, anstatt zu Aldi, Asda oder Tesco zu gehen. Mit “Essential Waitrose” gibt es zwar auch eine Billigmarke mit Grundnahrungsmitteln. Aber der Preis allein ist für viele Kunden nicht ausschlaggebend. Waitrose wirbt damit, beim Angebot von Bio-Lebensmitteln der Konkurrenz voraus zu sein, mit fairen Bedingungen für Produzenten und Handelspartner, mit Müllreduktion, CO2-Einsparungen und der Unterstützung britischer Bauern.

"Bei Bio liegen wir vorn", wirbt Waitrose im Laden

Einiges davon hat sich der Wettbewerb abgeguckt. Aber bei Waitrose passt das Engagement ins Gesamtbild, das darauf zielt, der Kundschaft zu vermitteln: Wir sind die stilvollere, fairere Alternative zu den beigebödigen Riesenmärkten, die bloß an dein Geld wollen (freilich mit dem Zusatz: Sparen kannst du bei uns auch).

Im deutschen Lebensmittelhandel wird diese Nische am ehesten von den stark expandierenden Biomarktketten besetzt, zunehmend auch von den klassischen Supermärkten: Rewe strengt sich an, das Thema Nachhaltigkeit mit seinem “Pro Planet”-Label zu stärken (siehe Supermarktblog), und bei Edeka haben viele selbstständige Kaufleute ein Händchen dafür, Märkte mit Atmosphäre zu bauen, in denen die Kunden wirklich gerne einkaufen gehen (siehe Supermarktblog).

So konsequent wie Waitrose verknüpft Stil, Service und Fairness hierzulande aber niemand.

Oder wüssten Sie ein paar Beispiele? Dann schreiben Sie die doch in die Kommentare!

Fotos: Supermarktblog

flattr this!

Die neuen Treuepunkte kleben nicht mehr

$
0
0

Da sag noch mal einer, Kinder würden kein Gemüse mögen. Stimmt doch gar nicht! Das Gemüse muss bloß drollige Kulleraugen haben und auf Namen wie Karla Karotte, Bruno Brokkoli und Karl Knoblauch hören. Einen ganzen Rutsch solcher “Knuddel-Vitamine” hat der Rewe-Discounter Penny im vergangenen Herbst an seine Kunden verteilt. Beziehungsweise an dessen Nachwuchs, der die erwachsenen Geldbörsenverwalter vorher regelmäßig zu Penny gejagt hat, bis genügend Punkte an der Kasse ersammelt waren.

(Ab 50 Punkten gab’s für 99 Cent Zuzahlung ein Plüschobst oder -gemüse nach Wahl.)

 Karla Karotte, Bruno Brokkoli und Karl Knoblauch aus der "Goodness Gang" haben auch zahlreiche Obstfreunde

Im Original heißen die Vitaminchen “Goodness Gang” und haben eine Mission: Sie sollen ihre kleinen Besitzer an gesunde Lebensmittel gewöhnen. (Obwohl es vielleicht zu Missverständnissen führen könnte, wenn Kinder es für normal halten, Freunde zu essen.)

Erfunden worden ist die Bande vom Unternehmen The Continuity Company (TCC), das sich Kundenbindungsprogramme für Supermärkte und Tankstellen ausdenkt – in über 30 Ländern, von Deutschland bis Japan. In der vergangenen Woche demonstrierte TCC seinen internationalen Partnern in Berlin, mit was sich Kunden alles belohnen lassen: die kleinen mit Sammelstickern, Ice-Age-Knuddelmammuts, Angry-Birds-Spielen, Disney-Charakteren; und die großen mit Messern, Bettwäsche, Reisetaschen, Modeschmuck. Ganze Kinderzimmer und Haushalte ließen sich mit den Prämien einrichten, die TCC über solche Treueprogramme verkauft, meistens im Verbund mit Lizenzpartnern und bekannten Marken.

Supermärkte bieten die Aktionen an, weil sie wollen, dass die Kunden möglichst oft wiederkommen und seltener zur Konkurrenz gehen (siehe Supermarktblog). Dass sich die Treueversprechen mit Bonusprogrammen wie Payback beißen könnte, die ja auch Belohnungen in Aussicht stellen, glaubt TCC-Deutschland-Geschäftsführer Jörg Crosack (natürlich) nicht:

“Die Systeme ergänzen sich eher. Kundenkarten sind der Versuch, langfristig Loyalität aufzubauen. Unsere Programme zielen eher darauf ab, zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr die Frequenz im Laden zu erhöhen.”

Wobei die Supermärkte längst dazu übergegangen sind, kurz nach dem Ende einer Treueaktion schon wieder die nächste zu starten. Derzeit sei Deutschland in Europa der größte Markt für diese Art der “Customer Loyalty”, sagt Croseck. Kein Wunder, inzwischen steigen selbst die Discounter auf den Trend ein.

Lidl verschenkt "Stikeez aus dem Weltall" an Kunden

Lidl verschenkt derzeit – in Zusammenarbeit mit einem TCC-Konkurrenten – Plastiksaugnapf-Aliens namens “Stikeez” pro 15 Euro Einkaufswert. (Als die Figuren bei der ersten Aktion im vergangenen Jahr knapp wurden und nachgeliefert werden mussten, machte die Ersatz-”Bild”-Zeitung Spiegel Online daraus das “Sammelfiguren-Desaster”.) Kaufland-Kunden werden nach der Premiere im Vorjahr gerade wieder gefragt, ob sie sich Treuemesser ersammeln wollen. Nur Aldi weigert sich bisher standhaft.

Dass die übrigen Discounter mitziehen, hat für Croseck einen einfachen Grund:

“Jeder Händler hat inzwischen tolle Läden und tolle Standorte. Das reicht nicht mehr, wenn alle täglich darum kämpfen, dass die Kunden ausgerechnet zu ihnen in den Laden kommen.”

Dabei eignen sich natürlich auch die Treueprogramme nur noch begrenzt zur Differenzierung: Weil fast jede Supermarktkette eins hat. Und sich Kunden bloß noch entscheiden müssen, ob sie eher den neuen Wok gebrauchen können oder doch besser auf die Kissenbezüge bei der Konkurrenz schielen.

Viele Leute haben sich daran gewöhnt, im Supermarkt treuebelohnt zu werden – obwohl in der Regel ja immer noch was draufgezahlt werden muss. Und Verbrauchermagazine im Fernsehen berichten regelmäßig, die dann erworbenen Markenprodukte würden oft gar nicht dieselbe Qualität aufweisen wie die Originale. Croseck entgegnet, dass beispielsweise die von TCC regelmäßig angebotenen Töpfe und Pfannen des deutschen Herstellers Fissler dieselben Qualitätskontrollen durchliefen wie die Produkte, die regulär in den Handel kommen. Dort gebe es aber ja auch unterschiedliche Qualitätsstufen zu entsprechenden Preisen.

“Am Ende müssen wir sicherstellen, dass der Kunde die Qualität, für die er bezahlt, richtig einschätzt.”

(Wobei eine bekannte Marke ja oft auch das Ziel hat, dass Kunden die Qualität gar nicht erst in Frage stellen, sondern davon ausgehen, keine Billigprodukte zu kriegen. Das sagt Croseck freilich nicht dazu.)

Als nächstes sollen die Aktionen den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen, das heißt: Die neuen Treuepunkte kleben nicht mehr. Unter dem Namen “Smart Points” testet das Unternehmen derzeit u.a. bei Makro in Belgien und O’key in Russland eine Smartphone-App, die ersammelte Punkte automatisch einem virtuellen Konto hinzufügt. Die App macht Prämienvorschläge, weist den Benutzer auf den Ablauf des Sammelzeitraums hin (“Noch X Tage bis zum Ende der Aktion”) und ermöglicht eingeladenen Freunden das Mitsammeln.

Treuepunkte per "Smartpoints"-App sammeln: Bald soll auch in Deutschland getestet werden / Screenshot: TCC

Bleiben am Ende Punkte übrig, verfallen die nicht, sondern können die einem guten Zweck gespendet werden.

In Deutschland sei man derzeit noch auf der Suche nach einem geeigneten Testpartner, heißt es bei TCC. Spätestens Anfang des nächsten Jahres sollte die App, die von den Supermärkten an ihr Design angepasst werden kann, hierzulande aber zum Einsatz kommen.

Gleichzeitig wäre die Digitalsammelei eine gute Lösung, um Treuepunktesammler und Treuepunktehasser zu versöhnen. Weil die Sammler ihre Punkte nämlich in die App kriegen, indem sie nach jedem Einkauf einen QR-Code abfotografieren, der automatisch auf den Kassenzettel gedruckt wird. Und Hasser nicht mehr an die Decke gehen müssen, wenn sie vom Kassierer gefragt werden, ob sie Sammler sind. So hätte der eine Kunde am Ende sein Treuemesser. Und der andere seine Ruhe.

Ist auch sicherer als andersherum.

Fotos: Supermarktblog, Screenshot: TCC

flattr this!

Anderswo im Angebot: Rewe geht an die Tanke, Edeka trägt Wurst aus

$
0
0

Rewe will seine zapfsäulenlosen Innenstadt-Tankstellen (Bild) künftig auch an Tankstellen eröffnen (nicht im Bild)

Vor wenigen Tagen meldete dpa, die deutsche Tankstellen-Nummer-1 wolle ab sofort mit der deutschen Supermarkt-Nummer-2 zusammenarbeiten: In zwei seiner Tankstellen in Düsseldorf und Köln baut Aral im April “Rewe to Go”-Filialen ein. Neuss, Bonn und Bochum folgen. Ein Jahr solle getestet werden, ob die Konzepte zueinander passen.

Dabei wäre das eigentlich überflüssig. Schließlich sehen die bisherigen To-Go-Läden jetzt schon aus wie

zapfsäulenlose Innenstadt-Tankstellen für Liebhaber aufgewärmter Hausmannskost und Leute, die gerne soßendurchtränkte Klapppappbrote zu Mittag verspeisen.
(Supermarktblog im November 2012)

Drei Jahre nach dem Start steckt Rewes angebliches Convenience-Format schon in der Midlife Crisis und weiß selbst nicht, was es sein will: ein Minisupermarkt mit heißer Theke (wie im Kölner Hauptbahnhof), bei dem nicht klar ist, warum nicht “Rewe City” dran steht; oder ein Mittagspausenversorger ohne echtes Alleinstellungsmerkmal (wie in der Fußgängerzone ein paar hundert Meter stadteinwärts).

Zur Gründung hieß es, “Rewe to Go” solle Schnellrestaurants wie McDonald’s oder Kaffeeketten wie Starbucks Konkurrenz machen. Davon sind die Kölner derzeit meilenweit entfernt. Und jetzt stellt sich womöglich raus, dass Rewe was erfunden hat, dass es schon längst gab: einen Tankstellenshop.

* * *

Die australische Supermarktkette Coles ist schon einen Schritt weiter und stellt an Tankstellen Stationen auf, wo sich die vorher online bestellten Lebensmittel-Einkäufe abholen lassen.

In Großbritannien ziehen die Supermärkte gerade nach: Die Walmart-Tochter Asda nimmt “Collection Points” in Betrieb, in denen die bestellte Ware – falls nötig auch gekühlt – so lange lagert, bis der Kunde Zeit hat, vorbeizukommen. Supermarkt-Experte Steve Dresser hat in seinem Blog “Grocery Insight” Bilder veröffentlicht. Der von ihm an einem Asda-Markt in Putney gesichtete Draußenkühlschrank ist riesig, hat aber nur 36 Fächer – offensichtlich rechnet Asda vor allem mit Großbestellungen. Auf den Fotos sind auch die Lüftungsschlitze für die Kühlung gut zu erkennen. Kooperationspartner der Lebensmittel-Packstation ist das britische Unternehmen Bybox.

In Deutschland kümmert sich EmmasBox darum, Supermarkt-Partner für ganz ähnliche Draußenkühlschränke zu kriegen (siehe Supermarktblog). Eine erste Box wird demnächst aber erstmal in der Nähe von Linz aufgestellt und von einem österreichischen Supermarkt mit geschlossenem Kundenkreis getestet, heißt es bei den Münchner Entwicklern.

* * *

Es muss eine wunderbare Welt der Selbstzufriedenheit sein, in der Edeka-Südbayern-Chef Hans Georg Maier über “die “Zukunft” sinniert, so wie er’s gerade im Interview mit der “Lebensmittel Praxis” (Ausgabe 6/2014) getan hat. “Die Zukunft” passiert in südbayerischen Supermärkten nämlich praktischerweise erst dann, wenn Maier es will und sagt. Und gerade sagt er erst einmal:

“Manchmal ist weniger mehr.”

Weil die Umsätze steigen und die Rendite stimmt, belastet sich Edeka im Süden Deutschlands nicht mit übertriebenen Überlegungen, wie die Kunden übermorgen einkaufen könnten – und modernisiert in Trippelschrittchen. Während die Edeka-Zentrale das Marken-Chaos in den Läden einzudämmen versucht, bringt Maier im Herbst eine neue regionale Eigenmarke in die Regale. In neugebauten Märkten werden die Decken “höher als früher”, die Regale niedriger und die Fleischtheken weiß-blauer. Kurz: “Es gibt einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.”

Vom Online-Handel mit Lebensmitteln ist Maier nicht so begeistert:

“Angekündigt haben das schon viele, aber Erfolg hat damit noch niemand.”

Ganz will er dann aber doch nicht darauf verzichten und kündigt an:

“Wir werden unsere innovativen Wurstspezialitäten, die wir mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt haben, noch im Laufe dieses Jahres auch online vermarkten. (…) Die Preise sollen denen im stationären Handel entsprechen, allerdings wird es eine Mindestbestellmenge und eine Zustellgebühr geben. (…) Eine Ausweitung auf andere Produkte ist derzeit nicht in Planung.”

So ist das bei Deutschlands größter Supermarktkette im Jahr 2014. Während die Konkurrenz unter größten Anstrengungen probiert, den Online-Handel mit Lebensmitteln in Gang zu bringen, will Edeka künftig deutschlandweit die eigenen “Wurstinnovationen” vom Paketboten austragen lassen.

In der Welt von Hans Georg Maier wird das sicher ein großer Erfolg.

* * *

Und falls Sie am Montag den “Markencheck extra” über Netto (ohne Hund) im WDR nicht weitersehen konnten, weil Ihnen wegen der Brillenkamera-Wackelbilder am Anfang schwindelig geworden ist, sei hiermit die originellste Erkenntnis nachgereicht. Die Redaktion hat bei ihren Recherchen herausgefunden, wo sich Netto (ohne Hund) für die Namen seiner Fantasie-Eigenmarken inspirieren lässt: Auf der Nachhausefahrt aus dem Industriegebiet der bayerischen Zentrale in Maxhütte-Haidhof.

Das auf Fleisch-Packungen abgebildete “Gut Ponholz” zeigt jedenfalls die frühere Post im Nachbarort (im Video ab Min. 26’38).

* * *

“Anderswo im Angebot” ist die Supermarktblog-Medienschau. Ältere Ausgaben stehen hier.

Foto: Supermarktblog

flattr this!

Der Weg ist das Ziel: Tegut macht sich schick für die Expansion

$
0
0

Der 2007 eröffnete Markt in Wiesbaden gehört bis 2010 Tengelmann und wurde dann von Tegut pbernommen

Zwei Wochen vor Ostern hat sich die hessisch-schweizerische Supermarktkette Tegut in der vergangenen Woche selbst ein Geschenk gemacht. Es liegt, passend zum Fest, etwas versteckt im Wiesbadener Stadtteil Sonnenberg, der nicht nur deshalb als gehobenes Wohnviertel gilt, weil man aus der Innenstadt ziemlich bergauf laufen muss, um hinzukommen. Sondern auch, weil dort die kaufkräftigsten Bewohner der auch sonst nicht gerade verarmten Landeshauptstadt ihre kantigen Neubauten errichten.

Mittendrin hat Tegut einen Markt neu eröffnet, der das Vorbild für alle zukünftigen Läden werden soll.

Sechs Wochen war für die Renovierungsarbeiten geschlossen, und dass dabei nicht bloß ein paar Regale verrückt und die Wände neu gestrichen wurden, lässt sich ohne Zweifel am zwischenzeitlichen Umbaustatus ablesen:

Für den Umbau wurde der Tegut-Markt komplett entkernt / Foto: (c) Tegut

Der Auftrag an die Konstrukteure war es, einen energiesparenden Laden zu entwerfen, der sich im Design deutlich von den aufgefrischten Discountern abhebt, in dem aber trotzdem ein schneller Einkauf möglich ist. Das Design sollte Transparenz vermitteln und trotz 12.000 Produkten im Sortiment übersichtlich sein. Der Laden musste auch für hungrige Mittagspäusler geeignet sein. Vor allem aber sollten stärker als bisher herausgestellt werden, dass Tegut auch günstige Lebensmittel im Sortiment hat. Michael Ball, der den Umbau als Projektleiter verantwortete, erklärt:

“Es ging uns nicht darum, einen Designladen zu bauen, wir wollten einen zeitgemäßen Auftritt schaffen, der sich auf andere Märkte übertragen lässt.”

Was ist neu?

Der Weg ist das Ziel: Bisher lässt Tegut Kunden die freie Wahl, wie sie sich durch einen Markt bewegen wollen. Es gibt breite Hauptgänge, aber zahlreiche Abzweigemöglichkeiten. Im neuen Ladendesign ist das radikal anders, dort werden die Kunden auf zwei Wegen bis zur Kasse “geführt”. Der kurze ist für Schnelleinkäufer, die durch die Obst-und-Gemüse-Abteilung zur Backstation geleitet werden und dann mit einem Haken zum Süßwarenregal und den Getränken an die Kasse abkürzen können. Der lange führt nach der Backstation an den Frischetheken vorbei in die Kühlabteilung und zum Wein, erst dann zur Kasse.

Nach Obst und Gemüse folgt das Backsortiment vor den Frischetheken / Foto: (c) Tegut

Farbe signalisiert den Preis: An der Farbe der Boxen unter der Backstation lässt sich auf einen Blick erkennen, wo Brote welcher Preisstufen einsortiert sind. In den grünen Boxen stecken die Bio-Artikel, Brote zum Normalpreis sind in den aubergine bemalten Kisten, und die “Kleinster Preis”-Brote wohnen in Cyan. (Dieselbe Farbe, die auch auf den Verpackungen den Preiseinstieg signalisieren soll.) Leider ist das die einzige Stelle im Markt, die das Farbschema so konsequent abbildet.

Die Preislagen sind mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet / Foto: (c) Tegut

Billig am Ende: Um die Wochenangebote sichtbar zu machen, sind die Produkte im zweiten Teil des Markts in die Regalenden (“Gondelköpfe” heißen die im Supermarktdeutsch) einsortiert und kriegen Schilderkäppchen in Tegut-Orange aufgesetzt. Damit will Tegut dem Eindruck entgegenwirken, man sei teurer als die Supermarktkonkurrenz. Im Januar wurden bereits zahlreiche Preise gesenkt.

Angebotskappen sollen dabei helfen, dass Tegut nicht mehr als teuer wahrgenommen wird

Alltag der offenen Tür: “Wir wollen zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben”, sagt Projektleiter Ball. Deshalb ist der Zubereitungsraum, in dem Brote aufgebacken und Snacks zubereitet werden, türlos. Die Frischetheken sind wie Tische gebaut, damit die Kunden drunter schauen können und sehen: Alles sauber hier. Ein praktischer Nebeneffekt ist, dass die 12,5 Meter lange Theke nicht so wuchtig wirkt wie in anderen Supermärkten.

Druntergucken erlaubt: Die Frischetheken sollen an Tische erinnern / Foto: (c) Tegut

Für den kleinen Appetit: Mit einer Convenience-Theke neben der Backstation reagiert Tegut auf veränderte Einkaufsgewohnheiten und bietet acht verschiedene warme Mittagessen, die auf 65 Grad erhitzt und in einem kleinen Futterschränkchen warmgehalten werden. So richtig passt die Fertiglasagne im Plastikschälchen aber nicht zum Tegut-Image, auch wenn die Mahlzeiten bald alle Bio sein sollen. In einer schmalen Theke am Ende der Obst-und-Gemüse-Abteilung gibt’s auch Wraps und Dreieck-Sandwiches (allerdings noch nicht in Bio-Qualität). Ob das Sofortessen ausgerechnet in einem Markt ankommt, der mitten in einem Wohngebiet liegt, ist fraglich – Tegut spekuliert aber darauf, dass die Mitarbeiter des in der Nähe ansässigen Bundeskriminalamts sich auch mal kantinenfrei nehmen.

In der Mitte des Ladens ist eine Kaffee- und Espresso-Maschine aufgestellt, die auf Knopfdruck ein Heißgetränk zubereitet, das beim Einkaufen getrunken werden kann. (Die Einkaufswagen haben praktischerweise Kaffeebecherhalter eingebaut.) Bezahlt wird der Kaffee einfach nachher an der Kasse.

Kaffeepäuschen beim Einkaufen gefällig? Der Becher kann auch an den Einkaufswagen geklemmt werden / Foto: (c) Tegut

Noch mehr Convenience soll es ab Oktober im Mini-Tegut geben, der dann im Frankfurter Turm-Carrée eröffnet.

Weniger gelungen ist die Integration von Putzmitteln und Drogerie-Artikeln, die sich so gut zwischen den übrigen Sortimenten verstecken, dass sie fast unsichtbar sind. Wäre der Laden von Drogeriekonkurrenten umzingelt, würde das ja einleuchten – aber so sieht das “Notsortiment” (Projektleiter Ball) tatsächlich aus wie eins: als seien die Produkte vergessen und auf den letzten Drücker dazwischen gestopft worden, eine Hälfte vor die Schokolade, die andere zum Tierfutter.

Ein "Danke" an der Kasse ist "eine markenkonforme Verabschiedung", sagt Tegut / Foto: (c) Tegut

Dass der neue Markt sonst aber einen ziemlich guten, fast schon: gemütlichen Eindruck macht, liegt auch am hellen Design. An den hellen Wänden sitzen die Sortimentsnamen in dünnen Metallschaukeln, Regale sind mit cremefarben gestrichenem Holz eingerahmt, anthrazitfarbene Hintergründe heben besondere Sortimente hervor (Backstation, Käse und Wurst in Bedienung, Sekt und Wein).

Und wenn Tegut so konsequent gewesen wäre, komplett auf Schilder zu verzichten, die von der Decke hängen, wäre das Ergebnis ideal. So baumeln jetzt über den Angebotsflächen doch ein paar Hinweise aufs Ostersortiment.

Nur über Aktionsflächen hängen im Markt Schilder von der Decke

“Ein gutes Sortiment braucht einen guten Rahmen. So ein Markt muss professionell, lebendig und ehrlich sein”, sagte Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet am Mittwoch in Wiesbaden. Dazu gehöre, dass die Kunden zusehen könnten, wie gearbeitet wird, aber auch der Verzicht auf Supermarktmärchen:

“Ich werde manchmal gefragt, warum wir keine Bäcker beim Teigkneten abbilden. Ganz einfach: Weil es auch beim Bäcker um die Ecke kaum noch jemanden gibt, der seinen Teig mit der Hand knetet.”

Die neue Schlichtheit mit den bunten Farbklecksen, die auf die Eigenmarken-Verpackungen kennzeichnen, steht Tegut sowieso viel besser, zumal sich die Fuldaer damit im Rhein-Main-Gebiet ganz gut von den kühl-modernen, arg steril wirkenden Rewe-Neubauten abgrenzen können.

Zwei weitere Tegut-Testmärkte eröffnen in den kommenden Monaten in Gelnhausen und Stuttgart. Dort wäre dann auch deutlich mehr Platz für die neuen Elemente. Der Markt in Wiesbaden – eine ehemalige Tengelmann-Filiale – ist mit seinen 700 Quadratmetern jedenfalls eher untypisch für einen klassischen Tegut-Supermarkt. (Kleinere Märkte werden in Fulda als “Nahversorger” kategorisiert, die eigentlich keine Bedientheken haben.)

Bis Ende des Jahres werden Erfahrungen gesammelt, wie die Läden bei den Kunden ankommen, und Verbesserungen eingearbeitet. Bis alle Tegut-Märkte nach dem neuen Konzept umgestaltet sind, wird es aber wohl noch Jahre dauern – schließlich wurden gerade erst die letzte Filialen nach dem alten Konzept renoviert.

Warten wollte Tegut mit den Umbauten nicht. Seit die hessische Supermarktkette Anfang 2013 vom Schweizer Marktführer Migros übernommen wurde, wird hart daran gearbeitet, den Rückstand zum enteilten Wettbewerb wieder zu verkleinern und nach zahlreichen Schließungen die Umsatzverluste der zurückliegenden Jahren wieder aufzufangen.

Als nächstes steht eine Überarbeitung der Eigenmarken an, von denen zukünftig ein Großteil in den Migros-Produktionsbetrieben hergestellt wird (siehe Supermarktblog). Die Zahl der Produkte zum “Kleinsten Preis” ist deutlich aufgestockt worden. Weine, Obst und Gemüse und frische gekühlte Produkte wie Nudeln kriegen das neue “Tegut Bio”-Logo verpasst. Und der – im vergangenen Jahr bereits angekündigte – Schritt nach Baden-Württemberg ist der erste Test, ob Tegut auch außerhalb seines bisherigen Verbreitungsgebiets ankommt. Dass der erste Stuttgarter Markt in einem Einkaufscenter eröffnet, ist Thomas Gutberlet zufolge kein Zufall:

“Wir profitieren da von der Center-Struktur, weil Kunden dort automatisch vorbeikommen, ohne dass wir gleich in der ganzen Stadt groß Werbung schalten müssen. Damit besteht die Chance, dass Stuttgart uns schnell kennenlernt.”

Im Moment sieht es so aus, als tue Migros seiner neuen Tochter ganz gut, zumal es durch den neuen Eigentümer ein Budget gibt, um die Kette weiterzuentwickeln. Ein bisschen mehr Konkurrenz kann der deutsche Lebensmittelhandel mit seinen Supermarkt- und Discount-Riesen gut gebrauchen.

Auch wenn die Art und Weise, wie Tegut sich zwischen den Großen einzureihen versucht, manchen noch überrascht: Außer Kunden, Nachbarn, Vereinen, Politikern und Journalisten war zur Vorab-Eröffnung des Wiesbadener Ladens in der vergangenen Woche auch ein Vertreter der örtlichen Kirchengemeinde gekommen und hielt eine kurze Willkommensrede. Sie begann mit den Worten:

“Sie haben uns eingeladen. Damit haben wir nicht gerechnet…”

Fotos: Tegut (2,3,4,6,7), Supermarktblog (1,5,8)

flattr this!

Viewing all 1001 articles
Browse latest View live