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Jetzt mit Back-Stein-Design: Penny tauft seinen Brötchenknast

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Entschuldigen Sie bitte, wenn’s schon wieder um das Aufbacktheater geht, das Discounter und Supermärkte seit geraumer Zeit in ihren Läden veranstalten. Aber die Backchronistenpflicht erfordert Vollständigkeit. Erst recht, wenn es um Rewes Aufholdiscounter Penny geht, der ja immer noch dabei ist, seine Läden aufs neue, schnörkellose Design umzustellen, damit er der Konkurrenz endlich mal ein bisschen gefährlich werden kann.

Mit den bisherigen Backstationen ist die Rechnung aber wohl nicht aufgegangen. Gegen die bei Lidl eingeführten XXL-Brötchenknasts und die Backstubenprosa von Netto (ohne Hund) sahen die Theken von Penny recht schlicht aus. Deshalb wird jetzt zurückgeschnörkelt, was die Stulle hält.

Aus Grau wird Creme: Schnörkelumschwung bei Pennys Brötchenknast

Der kompletten Regalreihe mit Brot und Brötchen inklusive Backstation ist das neue Konzept “Bäckerkrönung” übergestülpt worden (“Lassen Sie sich doch in Ihrem Penny-Markt mal wieder vom warmen Backstubenduft zu einem knusprigen Brot verführen!”; Werbespot ansehen).

Es scheint daraus zu bestehen, die anthrazitfarbene Wandgestaltung durch ein hell-beiges Back-Stein-Relief zu ersetzen, das von einem Holzrand eingerahmt wird und in der Mitte auf einem hölzernen Schild das neue Logo stehen hat: eine mutierte Brezel, die sich in eine grantelige Wolke verwandelt, wenn man zu lange hinsieht. (Vergleichen Sie selbst: vorher/nachher.)

Daneben hängt auf einem weiteren Schild “Unser Versprechen”:

“Hergestellt in Deutschland
Bestes aus der Natur
Ohne Zusatz von Konservierungsstoffen”

Penny verspricht seiner Kundschaft also das, was die schon bisher erwartet haben könnte. Um noch mehr Eindruck zu schinden, ließe sich die Liste beliebig mit weiteren Selbstverständlichkeiten erweitern:

“Essbar, weil ohne Glasscherben
Nicht übermäßig gefärbt
Von Natur aus ungiftig” (usw.)

In dem (von mir besuchten) frisch umgebauten Laden war die Änderung deshalb besonders auffällig, weil das Sortiment an die Stirnseite des Markts verlagert wurde, wo üblicherweise die Kühltheken stehen. (Kann aber sein, dass das bautechnisch bedingt war.) Sogar die Märkte, die schon längst aufs neue Penny-Design umgestellt waren, sind noch eimal umgebaut worden. Das kostet. Penny muss es ernst sein mit dem Mini-Strategieschwenk.

Das komplette Backsortiment heißt jetzt "Bäckerkrönung" und hat passend dazu ein Back-Stein-Design verpasst bekommen

In jedem Fall heißen nun auch die Eigenmarkenbackwaren des Discounters “Bäckerkrönung”, und abgesehen davon, dass das einem ärgerlichen Rückfall in frühere Fototapetenzeiten nahekommt, ist nun wohl endgültig entschieden: Im deutschen Aufbackhandwerk besteht ab sofort ein Zwang, seinem Brötchenknast einen Rufnamen zu geben. Edeka, Netto (ohne Hund) und Penny sind jetzt versorgt. Mit Spannung erwarten wir nun, was Aldi und Lidl unternehmen. “Back-o-thek”? “Backeria”? “Back-around-the-clock”?

Vorschläge werden in den Kommentaren entgegengenommen.

Fotos: Supermarktblog

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Normal-Bio? Super-Bio? Eine kleine Bio-Grafie

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Es ist offensichtlich ein großes Problem, das richtige Preisniveau für Bio-Lebensmittel zu finden. Dieser Satz stand vor einem Jahr schon mal hier im Blog. Und zwar in einem Eintrag über Alnatura und die Bestrebungen des Gründers Götz Rehn, “Kunden mehr Bio für ihr Geld” zu geben, also: Bio-Lebensmittel im Laden zu niedrigen Preisen anzubieten, um Leute zu regelmäßigen Bio-Kunden zu machen.

Michael Radau, Gründer der nordrhein-westfälischen Bioladenkette SuperBioMarkt glaubt, dass das vielleicht nicht der richtige Weg ist. Er sagt:

“Ich bin davon überzeugt, dass gute Lebensmittel auch einen gewissen Preis haben müssen und dass es hilft, den Kunden zu erklären, welche Wertigkeit die Lebensmittel besitzen. Wer schnell wachsen will und billig Lebensmittel anbieten, wird diesen Weg der Qualität nicht gehen können.”

Klingt kompliziert? Ist aber eigentlich ganz einfach: Sie wollen Lebensmittel kaufen, von denen Sie sicher sein können, dass sie unter besseren Bedingungen hergestellt wurden als konventionelle Produkte. Deshalb kaufen Sie Bio-Produkte z.B. im Supermarkt und im Discounter.

Bio-Lebensmittel aus dem Discounter: Ist günstig wirklich gut?

Das ist schon mal nicht schlecht, schließlich werden die Lebensmittel nach einheitlichen, in der EU-Bio-Verordnung (früher: EG-Bio-Verordnung) festgelegten Regeln produziert. Besser wär’s allerdings, Sie würden Bio im Biomarkt kaufen – sagen die Biomarkt-Gründer. Alnatura-Geschäftsführer Rehn meint, es gehe “nicht nur darum, ob das EU-Biosiegel draufgedruckt werden darf, weil die Rohstoffe Bio sind”, sondern auch um den ganzheitlichen Ansatz, den ein Händler wie Alnatura für sich in Anspruch nehme: Produkte nicht nur unter besseren Bedingungen herstellen zu lassen, sondern auch so fair, dass alle Beteiligten gut davon leben können.

Rehns Kollege Michael Radau sagt:

“Der Trend geht dahin, dass es immer häufiger ein ‘konventionelles’ Bio gibt, das im klassischen Supermarkt angeboten wird, und ein originäres Bio aus dem Fachhandel, der mit mittelständischen Betrieben zusammenarbeitet.”

Vor kurzem war Radau in Nordwestitalien, wo SuperBioMarkt über den Winter Brokkoli, Blumenkohl und Staudensellerie von einem italienischen Brüderpaar bezieht. Er habe “noch nie Menschen erlebt, die so fasziniert von Brokkoli reden können”:

“Das macht für mich auch den Unterschied aus: Partner zu haben, von denen ich weißt, dass sie das aus einer Leidenschaft heraus machen. Und nicht, weil sie mit EG-Bio-Anbau schneller mehr Geld verdienen.”

Der SuperBioMarkt-Gründer meint, das Normal-Bio in Supermärkten und Discountern sei “mainstreamiger, uniformer, intransparenter” als das Super-Bio aus dem Fachhandel, wo zahlreiche Lebensmittel von den Anbauverbänden Demeter, Bioland und Naturland stammen, die sich selbst noch sehr viel strengere Regeln gesetzt haben. (Unterschiede gibt es z.B. bei den Vorgaben zu Grundzutaten, Tierhaltung etc. Hier steht ein genauerer Überblick.) Das schlägt sich dann auch im Preis nieder.

Die EG-Bio-Verordnung (pdf) sei eher eine Art “Mindeststandard” für Bio, sagt Radau:

“Wenn eine Handelskette sich dazu entschieden hat, sich über den Preis ihrer Produkte zu differenzieren, wird sie darauf hinwirken, immer mehr immer günstiger anzubieten. Das geht irgendwann aber zu Lasten der Qualität und der Rahmenbedingungen für die Landwirte.”

EU-Landwirtschaftsminister Dacian Cioloş arbeitet zwar an einem Entwurf für eine neue Ordnung. In der soll aber vor allem geregelt werden, dass die Einhaltung der bereits existierenden Bestimmungen stärker kontrolliert wird als bisher. (Kritik zu weiteren Änderungen: hier.)

Der größte Teil der Bio-Lebensmittel in Deutschland ist aber längst Normal-Bio. Laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wurden im vergangenen Jahr 60 Prozent in klassischen Supermärkten und Discountern verkauft. (Die Zahl ist leider wegen einer neuen Berechnungsmethode nicht mit der aus dem Vorjahr vergleichbar.) Der Naturkostfachhandel kommt auf 32 Prozent.

Die Preisfixierung gilt inzwischen auch für die großen Bioketten. Obwohl die Händler ein Interesse daran haben müssten, den Markt für Bio-Lebensmittel in Deutschland gemeinsam zu entwickeln, tun Anbieter wie Alnatura und Denn’s gerade erst mal alles, um ihn zu besetzen. Und zwar am besten so, dass der direkte Wettbewerber keinen zu großen Vorsprung hat.

Laut “Lebensmittelzeitung” ist der Umsatz beider Unternehmen im vergangenen Jahr um jeweils rund 15 Prozent in die Höhe geschnellt. (Im Lebensmittelhandel sind sonst eher niedrige einstellige Wachstumsraten an der Tagesordnung, wenn überhaupt.) Bei ihrer Expansion agieren die großen Biohändler, die sonst soviel Wert auf Nachhaltigkeit legen, bisweilen wie klassische Handelsketten: Es gibt einen harten Konkurrenzkampf um Standorte, Filialen werden zum Teil aus strategischen Gründen eröffnet, notfalls auch vorübergehende Verluste in Kauf genommen.

Mittelgroße Anbieter wie SuperBioMarkt, Basic, EBL Naturkost (Nürnberg) und Bio Company (Berlin) wachsen zwar auch, können – oder wollen – beim Tempo der Großen aber selten mithalten. Um das Qualitätsniveau zu halten, ließen sich “nicht beliebig schnell” Märkte nacheinander aufmachen. “Ich kann nicht so schnell expandieren, aber organisch wachsen”, sagt Radau. “Und ich bin überzeugt davon, dass es dafür einen Markt gibt.”

Wie und ob das geht, steht im nächsten Blogeintrag. Vielleicht verraten Sie mir bis dahin: Wo kaufen Sie Bio-Produkte?

Foto: Supermarktblog

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SuperBioMarkt in Münster: Wieviel sind uns gute Lebensmittel wert?

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SuperBioMarkt-Filiale in den Münster-Arkaden / Logo: (c) SuperBioMarkt

Wer mit der Rolltreppe ins Erdgeschoss der Münster-Arkaden fährt, einem modernen Einkaufszentrum mitten in der westfälischen Studentenstadt, kann sich heute vermutlich nicht mehr vorstellen, was das damals für ein Schock gewesen sein muss, als Michael Radau vor 21 Jahren seinen ersten “SuperBioMarkt” eröffnete.

Es sei ihm darum gegangen, “die Unkompliziertheit des Einkaufens” auf Bio-Lebensmittel zu übertragen – und nebenbei dem Klischee vom stricksockentragenden Sandalenöko entgegenzuwirken.

Damit waren ein paar Stricksockenträger anfangs aber ganz und gar nicht einverstanden. “Manche Leute haben mit Supermärkten billige Produkte, schmuddelige Läden und fehlende Beratung assoziiert, und das sollte auf keinen Fall auf den Biobereich übertragen werden”, erinnert sich Radau, der für SuperBioMarkt zwei klassische Münsteraner Bioläden zusammengeführt hatte.

“Ich hab damals bitterböse Anrufe gekriegt. Der Untergang des abendländischen Naturkostreichs stand bevor.”

Zwanzig Jahre später erfreut sich das abendländische Naturkostreich glücklicherweise einer größeren Kundenzahl als je zuvor. Und Radau gibt sich immer noch Mühe, Bio klischeefrei ins Regal zu bringen.

SuperBioMarkt-Gründer Michael Radau / Foto: (c) SuperBioMarkt

Der 2005 eröffnete Vorzeigemarkt im Einkaufscenter ist hell und zeitgemäß eingerichtet, aber kleiner als klassische Supermärkte. Das Fleisch aus der Bedientheke ist nicht nur Bio, sondern richtet sich zu großen Teilen nach den strengeren Regeln der Anbauverbände. Brot und Brötchen aus der Backtheke am Eingang stammen vom lokalen Bio-Bäcker. Gegenüber gibt es mit “Bio to Go” ein Mini-Bistro mit Salaten, Smoothies und Suppen. Im Laden selbst werden ausschließlich Produkte unabhängiger Bio-Hersteller verkauft. Eigenmarken gibt es keine. Lediglich einzelne Kooperationen, zum Beispiel mit der örtlichen Kaffeerösterei oder einem Winzer, bei dem Radau selbst auf dem Weinberg mitgeerntet hat.

SuperBioMarkt in Dortmund: Sieht aus wie ein Supermarkt, ist aber Bio / Foto: (c) SuperBioMarkt

“Der Biomarkt wächst natürlich, aber auf überschaubarem Niveau. Daher muss es unsere Aufgabe sein, die Bekanntheit der existierenden Naturkostmarken bei den Kunden zu stärken”, erklärt Radau, warum er auf Eigenmarken verzichtet. (So richtig lohnen würde sich das bei derzeit  21 Läden vermutlich auch nicht.)

Grundprodukte zum Einstiegspreis gibt es trotzdem, aber von klassischen Naturkostmarken, die Radau mit Mengenrabatt einkauft.

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Abgesehen davon glaubt er nicht daran, dass sich die Leute immer nur mit günstigen Preisen ködern lassen:

“Wieso muss ich zwingend billiger sein, um mehr Kunden davon zu überzeugen, dass Bioprodukte eine sinnvolle Alternative sind? Wieso soll sinnvolles Handel immer nur über den Preis funktionieren? Mercedes und BMW sind auch nicht damit erfolgreich geworden, dass sie gesagt haben: Kauft unsere Autos, die sind die billigsten!”

Radau setzt darauf, seiner Kundschaft zu erklären, wie die im Laden verkauften Lebensmittel produziert werden und wo sie herkommen: “Ich glaube, wenn man den Menschen Alternativen erklärt, dann sind sie auch bereit, dafür zu zahlen.” Das ist ein großer Optimismus. Vor allem aber ist es Radaus Möglichkeit, sich von der stärker werdenden Konkurrenz abzuheben:

“Wir setzen auf den Faktor Mensch und qualifiziertes Personal. Dafür akzeptieren wir eine Personalkostenquote von bis zu 18 Prozent – im Gegensatz zum Discounter mit 6 bis 7 und Supermärkten zwischen 10 und 12 Prozent.”

Und wie passt es dann dazu, dass die Angestellten im Biomarkt zum Teil weniger verdienen als bei Lidl, wo Bewereber explizit mit Stundenlöhnen von über 10 Euro gelockt werden?

“Das liegt auch daran, dass ich auf vergleichbarer Fläche 20 Mitarbeiter beschäftige und der Discounter vielleicht sechs. Die Preise würden so sehr steigen, dass die Kunden es nicht mehr akzeptieren würden. Oder ich müsste Stellen kürzen und damit die Beratungsqualität zurückschrauben.”

Es sei ihm wichtig, dass alle Mitarbeiter von ihrem Gehalt leben können, aber genauso, dass sie das Gefühl haben, in ihrem Job eine Wertschätzung zu erfahren. “Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er auf beides Wert legt – oder alleine auf den höheren Stundenlohn abzielt.”

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Und dann ist da die Sache mit der Expansion. Obwohl Radau das schnelle Wachstum der Bio-Mitbewerber kritisiert, eröffnet auch SuperBioMarkt stetig neue Filialen – allein 2013 waren es drei, Anfang April schon wieder einer, und dieses Jahr kommen noch zwei weitere hinzu. In elf Städten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ist das Unternehmen inzwischen vertreten. Wo soll da der Unterschied zum Expansionsdrang der Konkurrenz liegen?

“SuperBioMarkt wächst unter Beachtung von Werteparametern, die meiner Ansicht nach im Biofachhandel besondere Gewichtung haben, also: Qualifikation von Mitarbeitern, Produktqualität und eine Wohlfühlatmosphäre. Wenn all das erfüllt ist, ist auch Wachstum möglich.”

Um für die Kunden glaubwürdig zu bleiben, müsse notfalls auch auf schnellen Umsatz verzichtet werden, meint Radau:

“Als der Dioxinskandal durch die Presse ging und Bio-Eier oft sehr schnell ausverkauft waren, haben wir bewusst keine Eier aus uns unbekannten Quellen wie Großbetrieben oder Handelsagenturen aus Ostdeutschland bezogen. Wir haben unseren Kunden jahrelang erklärt, dass die Eier von einem bestimmten Biolandhof aus der Region kommen: Die kennen den Namen des Bauern, seine Familie, den Hof. Das kann ich nicht mehr kommunizieren, wenn ich aus anonymen Quellen einkaufe.”

Radau ist der Ansicht, dass die Kunden eine solche Konsequenz wertschätzen. Im Grunde genommen geht es darum, Bio nicht denselben Mechanismen und demselben Druck auszusetzen, der schon die klassische Landwirtschaft beherrscht.

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Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass der Anteil von Bio-Lebensmitteln nicht so einfach erhöht werden kann – und die Massenversorgung weiter mit konventionellen Lebensmitteln geschieht. Ganz schön knifflig: Je mehr Leute Bio-Lebensmittel kaufen, desto besser wär’s eigentlich für Umwelt und Produzenten. Wenn Bio aber zu schnell wächst, besteht die womöglich Gefahr, die hohen Standards durch Kompromisslösungen zu verwässern.

Abgesehen davon ist es keine ganz unbequeme Situation, aus der heraus Radau die größeren Mitbewerber kritisiert. Der Spieß ließe sich aber auch umdrehen. Mit 20 Filialen ist SuperBioMarkt aus Sicht vieler unabhängiger Biokaufleute nämlich selbst: der Große. Noch dazu übernimmt Radau regelmäßig kleinere Konkurrenten, im vergangenen Herbst etwa den unabhängigen Düsseldorfer Bioladen Kleeblatt, der seitdem als SuperBioMarkt firmiert.

An feindlichen Übernahmen habe er kein Interesse, entgegnet Radau. Es gebe in den kommenden Jahren bei einigen Märkten eine Nachfolgeproblematik, und er habe seinen Kollegen signalisiert: Wer Interesse hat, mit dem unterhalte er sich gerne. Wenn es zur Übernahme kommt, sei “wichtig, dass der Wertekanon, für den der Vorbesitzer gestanden hat, weiterhin gilt”.

Dass es so schwer ist, Nachfolger zu finden, wenn die Gründer unabhängiger Bioläden sich zur Ruhe setzen, liegt aber natürlich auch an der Entwicklung der Branche, die Radau mit vorantreibt. Sich als einzelner Kaufmann gegen die Filialisierung der Bioläden behaupten zu müssen, ist jedenfalls keine allzu verlockende Zukunftsaussicht. Auch wenn der SuperBioMarkt-Gründer meint:

“Ich kenne viele Händler, die mit ihrem Markt sehr erfolgreich sind. Es ist eine Frage, wie konsequent und wie früh man sich gegenüber den Mitbewerbern profiliert.”

Es ist gerade eine ziemlich spannende Zeit, weil noch nicht klar ist, wohin sich der Markt für Bio-Lebensmittel in Deutschland entwickelt. Und vor allem: wer nachher als Gewinner dasteht. “Die nächsten Jahre sind wichtig”, ist Radau überzeugt. “Der klassische Handel suggeriert uns seit Jahren: Der Preis kann ganz weit unten sein, und die Qualität eines Produkts trotzdem ganz weit oben. Diese Einstellung hat sich leider verfestigt.”

Umso wichtiger sei es, bei allen Unterschieden zwischen den Mitbewerbern, den Kunden zu erklären, dass Bio wirklich einen Unterschied macht.

Falls Sie weiterlesen wollen: Im SuperBioBlog veröffentlicht SuperBioMarkt regelmäßig Hintergründe zur Bio-Lebensmittel-Branche.

Fotos: SuperBIoMarkt (2,3) Supermarktblog (1, 4, 5, 6)

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Merkur am Hohen Markt: Rewes Lebensmittel-Flaggschiff in Wien

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Oben Ölscheichs, unten Supermarkt: Merkur am Hohen Markt in Wien

Am Hohen Markt in Wien, einem ehemaligen Handelsplatz für Lebensmittel und Textilien, direkt am Vermählungsbrunnen neben der Ankeruhr, steht mit der Hausnummer 12 das Palais Principe, das in österreichischen Medien als “nobelste Adresse der Stadt” bezeichnet wird, weil sich in die oberen Etagen Milliardäre und Ölscheichs eingekauft haben, die für ihre Aufenthalte in der Stadt gerne hübsch und zentral wohnen wollen. Und vermutlich den kurzen Weg zur nächstgelegenen Einkaufsstätte schätzen, um die zur Neige gehenden Champagnervorräte aufzufüllen.

Denn die ersten drei Stockwerke am Hohen Markt 12 werden von einem Supermarkt belegt.

Von draußen ist der aufgrund der schneeweißen Fassade mit den türkisfarbenen Sonnenblenden aus Metall, in die Blätterformen hineingestanzt sind, quasi unsichtbar. An der Seite steht dezent, wer sich hier eingemietet hat:

“Merkur. Hoher Markt”

Dezenter Hinweis am Palais Principe: Hier wohnt Merkur, der Supermarkt (nicht verwandt mit der gleichnamigen deutschen Spielothek)

Merkur gehört zu den größten österreichischen Supermarktketten – und seit 1996 zu Rewe, genauer: zu Rewe International, das die Geschäfte in Österreich, Italien und Osteuropa verantwortet. Der Markt in der Wiener Innenstadt wurde im Oktober 2012 als “Flagship Store” mit “Premium-Konzept” eröffnet, oder wie man in normalem Deutsch sagt: als Visitenkarte in Supermarktgestalt, mit der Kunden von der Merkur’schen Lebensmittelkompetenz überzeugt werden sollen.

Drinnen sieht alles so perfekt aus, als dürfe man es nicht anfassen, weil sonst die schönen Zucchini- und Brokkoli-Arrangements in sich zusammenfallen könnten, die in der Obst- und Gemüse-Abteilung blütenartig aus geflochtenen Weidenkörben wachsen. (Auf dem Bild ist alles noch in die Vorweihnachts-Winterdeko gehüllt.)

Da hat alles seinen Platz: Obst- und Gemüseabteilung bei Merkur am Hohen Markt

Um nicht für verrückt gehalten zu werden (und unnötig im Weg zu stehen), hilft es, im ersten Stock nicht zu lange mit offenem Mund auf die Auslage der Brottheke zu starren, an die man durch weitere Weidenkorbarrangements geführt wird, die von einer unsichtbaren Hobbithorde geflochten worden sein muss.

Diese Dekoration ist essbar: Brottheke im ersten Stock

Zum Staunen kann man sich ruhigen Gewissens eine Etage höher verziehen, um dort beim Kleinen Braunen durch die großen Glasfenster den Mitarbeitern bei der Törtchenherstellung zuzusehen.

Anderen beim Arbeiten zusehen: Café mit Törtchenmacherblick

Oder bei “Kim kocht” zu lunchen, wo unter der Leitung der österreichischen Promiköchin Kim Sohyi direkt im Laden gekocht wird. (Und zwar eher nicht Linsenpamp aus Plastikbottichen.)

In erster Linie ist der Laden: eine sehr gute Werbung. Eine, in der man halt auch einkaufen kann. Und die eine lustige Kundenmischung aus verblüfften Touristen, hungrigen Mittagspauslern, reichen Feinkostkäufern und normalen Stadtbewohnern anzieht, die ein paar Besorgungen machen wollen. Das funktioniert, weil das Merkur-Flaggschiff nicht als reiner Feinkostladen für die darüber wohnenden Ölscheichs angelegt ist, sondern auch für die restliche Kundschaft da sein will, um zu demonstrieren, wie Supermärkte in einer perfekten Welt aussehen könnten. Kann gut sein, dass unten an der Kasse jemand Kaviar und Fasan einkauft. Und der nächste Kunde bloß ein paar Billigspaghetti.

(Die Rewe-Billigmarke ist in Österreich übrigens genauso verpackt wie ja!-Produkte in Deutschland, heißt aber “clever”; ja!-Produkte gibt’s auch, allerdings heißt so verwirrenderweise die Rewe-Bio-Eigenmarke, nämlich: “ja! natürlich”.)

Einkäufe werden auch nachhause gebracht: Dafür müssen sich Kunden auf eine am Eingangstresen liegende Liste eintragen. Aus Papier! Und nachher müssen sie daheim auf den Merkur-Mitarbeiter warten, der mit einem der beiden Kastenfahrräder vorbeigefahren kommt, die draußen vor dem Laden angeschlossen sind.

Mit dem "Service Bike" bringt Merkur die Einkäufe nachhause

Ganz ohne Internet. Und Bonusquatsch. Sondern so modern und altmodisch wie’s in die Stadt passt.

Dass Rewe den Wienern mit “Billa Corso” im Herrnhuterhaus sogar noch einen zweiten Lebensmittel-”Flagship Store” geschenkt hat, während hierzulande in Kölner Neubaukulissen allenfalls mäßige Gastrokonzepte getestet werden, muss man dem Konzern unbedingt übel nehmen.

Zumindest bis im nächsten Blogeintrag steht, was Rewe alles von sich selbst lernen kann, um’s gleich mal bei uns anzuwenden.

Fotos: Supermarktblog

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Sandwiches, Gastro-Koop, Humor: Was Rewe alles von sich selbst (und Billa Corso) lernen kann

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Flagship-Store-Eröffnungen in Österreich gehören für Rewe offensichtlich zu den liebsten Hobbys. Prima! Da kann sich Konzernchef Alain Caparros gleich mal jede Menge für den deutschen Markt abschauen. Immerhin hat er neulich angedeutet, Rewe im Heimatland “auf Augenhöhe mit Edeka” bringen zu wollen.

Als kleinen Service fasst das Supermarktblog gerne zusammen, welche guten Ideen sich dafür noch von der Rewe-Tochter Billa übernehmen lassen. Die betreibt in Österreich nicht nur normale Supermärkte, sondern auch die schicken Spezialläden “Billa Corso”, zum Beispiel im Herrnhuterhaus am Wiener Neuen Markt (sowie weitere Filialen in Graz, Salzburg und Klagenfurt).

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In den Märkten herrscht unter anderem striktes Enttäuschungsverbot für Sofortesser: Wenn sich bei Billa Corso ein Salat in (die) Schale wirft, dann macht er sich fein zurecht und sieht nicht so aus, als sei er gerade in der Gemüseküche durch den Häcksler gejagt worden; Wraps und Paninis verpacken sich standesgemäß, damit sofort auffällt, dass sie zur selben stolzen Familie gehören; und in den seltensten Fällen sagen sich in der Kühltruhe zwei langweilige Schinken-Sandwiches gute Nacht – weil sie vorher nämlich schon weggekauft und verschlungen worden sind.

Wer wirklich sehr wenig Zeit mitbringt oder notorisch entscheidungsunfreudig ist, krallt sich einfach eine Snacktüte mit belegtem Brot, Obst und Getränk.

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Wer ein bisschen mehr Geld auszugeben hat und dafür ausgefallenere Snacks bevorzugt, wird genauso glücklich. Für Schweinsbraten-Gurkerl-Sandwich, Entenbrust auf Waldorfsalat oder eine schnelle “Brettljause” kooperiert Billa mit “Henry’s – The art of living”, das sein “Premium Take-away”-Konzept zuerst im Herrnhuterhaus ausprobierte. “Henry’s”-Erfinder ist Attila Dogudan, der nicht nur in Österreich als Star-Caterer gilt.

(Wenn Sie schon mal Turkish Airlines oder Austrian geflogen sind, haben Sie möglicherweise indirekt Bekanntschaft miteinander gemacht: Dogudans Unternehmen Do & Co. beliefert die beiden Airlines nämlich mit Bordmenüs.)

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Obwohl sich sich die Farbgebung der Läden am typischen Gelb und Rot der Supermärkte anlehnt, hat Billa den Corso-Filialen ein eigenes Ladendesign gegönnt. Das fällt vor allem wegen der supermarktuntypischen Illustrationen auf, die in Kupferstich-Ästhetik auf die österreichische Geschichte anspielen und auch auf die Verpackungen der Luxuseigenmarke gedruckt sind:

Ein fein gekleidetes Spazierpärchen führt Hühner an der Leine aus; zwei Königsdiener tragen eine Sänfte, die von einem riesigen Hummer belegt wird; Soldaten haben Ananas-Mützen auf; Herrschaften fahren auf Donut-Hochrädern; und eine Dame mit Gemüsehutschmuck flaniert in Oktopusbegleitung durch die Straßen. Das ist – kurios. Und irgendwie charmant.

Die wunderbaren Illustrationen, die auch die Markisen am Herrnhuterhaus zieren, stammen von der Britin Caroline Church, die auch schon Honiggläser, Biere und Pizzakartons verschönert hat (um bloß mal eine Auswahl zu nennen).

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Auf Tafeln im Laden wirbt Billa Corso ausdrücklich mit der Freundlichkeit und den explizit geschulten Umgangsformen des Personals.

Über den Öffnungszeiten steht:

“Stets zu Ihren Diensten.”

Und auf dem Schild mit dem Musiker, der Geige auf einem – ähm: Schinken spielt, heißt es über der Feinkostsalatbar:

“Das Besondere muss nicht teuer sein.”

Das alles ist erkennbar mit Liebe zum Detail angelegt, ganz anders als in vielen deutschen Supermärkten, die sich für moderne, nüchtern-metallene Schlichtheit entschieden haben.

Als Sofortmaßnahme für den deutschen Lebensmittelhandel empfiehlt sich also nicht nur die Eröffnung von “Rewe Feine Welt”-Läden, die designtechnisch genauso edel sein dürfen wie die schon seit Jahren in den Regalen stehende Luxuseigenmarke (zur Entstehung des Designs siehe Supermarktblog); sondern auch die Kooperation mit Gastronomen, die offensichtlich müheloser kreativ sein können als Handelskonzerne; und natürlich die sofortige Gründung einer Abteilung für humorvolle Supermarktwerbung und Oktopusillustrationen.

Noch jemand dafür?

(P.S.: Wenn Sie die billa.at-Website im Browser aufgerufen und länger nicht gescrollt haben, schaltet die Seite automatisch in den “Energiesparmodus”, wird schwarz und der Hinweis erscheint: “Wenn man nichts zu tun hat, kann man ruhig mal das Licht ausschalten.”)

Fotos: Supermarktblog

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Raus aus der Restekiste: Neues von der Haltbarkeit

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Sogar im Resteverkaufen sind uns die Briten um Lichtjahre voraus, hab ich kurz gedacht, als ich neulich im vermutlich wuseligsten Innenstadtsupermarkt Großbritanniens, Whole Foods am Piccadilly Circus in London, von einem großen Obststand begrüßt wurde. Die Begrüßung erfolgte durch den knallgelben Hinweis “2 Days Left” (“Nur noch 2 Tage”), der dazu animieren wollte, die entsprechend beschilderten Blaubeeren zu kaufen.

"Nur noch 2 Tage": Obstköder bei Whole Foods in London

Zwei Schritte weiter war allerdings klar, dass es sich dabei nicht um das auslaufende Haltbarkeitsdatum handelte und Whole Foods nicht etwa eine besonders aufmerksamkeitsstarke Möglichkeit gefunden hatte, Lebensmittel vor der Tonne zu retten.

Sondern bloß um einen gewöhnlichen Sonderangebotsköder, mit dem die Lebensmittelmarktkette ihren Kunden einbläuen möchte, dass sie gar nicht so teuer ist wie viele vermuten. (Ist sie natürlich doch; aber das muss ja nichts Schlechtes sein.)

Dabei wäre es für eine Supermarktkette eine hervorragende Möglichkeit, sich von seinen Konkurrenten abzuheben, indem man Lebensmittel, die bald verbraucht werden müssten, direkt am Eingang positioniert, und zwar mit genauso viel Mühe, Sortieraufwand und Werbezirkus, wie’s sonst nur bei frischen Produkten passiert.

In vielen Läden sind eher Restekisten und Gitterkörbe die Regel, in die Produkte mit geringer Haltbarkeit reingekippt werden und die dort dann darauf hoffen müssen, mit knalligem Reduziert-Aufkleber einen Kunden anzuleuchten, der sich ihrer erbarmt.

Nix für Einkaufsästheten: Lebensmittel aus der Restekiste bei Lidl

Die gute Nachricht ist: Das passiert immer öfter. Im vergangenen Herbst haben die Marktforscher der GfK Kunden befragt, ob sie im Supermarkt gezielt Produkte kaufen, deren Haltbarkeit bald abläuft. Im Vergleich zu 2012 haben fast ein Viertel mehr Leute mit ja geantwortet. Die GfK geht davon aus, dass das nicht nur Schnäppchenjäger sind, die die Ablaufartikel wegen ihrer Vergünstigung mitnehmen. Sondern dass die Diskussion in den Medien über die Unmengen von Lebensmitteln, die wir täglich wegwerfen (siehe Supermarktblog und Supermarktblog), gewirkt hat.

Die Haltbarkeitspuler, die bis zur Schulter in der Kühltheke hängen, um von ganz hinten auch ja den Joghurt rauszufischen, der zwei oder drei Tage länger haltbar ist als der vorne (ja, Sie sind gemeint!), gibt’s zwar immer noch.

Offensichtlich hat sich ein anderer Teil der Kundschaft aber darauf besonnen, seine Joghurtbevorratung nicht mehr jahreszeitenübergreifend zu planen, sondern einfach das einzukaufen, was in den nächsten paar Tagen realistischerweise auch verbraucht wird. Oder wie’s die GfK formuliert:

“Die Auswertung zeigt, dass die Konsumenten inzwischen unübersehbare Skrupel haben, Lebensmittel wegzuwerfen und dass sie deshalb bewusst weniger einkaufen.”

(Ob deshalb tatsächlich weniger Lebensmittel weggeschmissen werden und falls ja: wieviele, lässt sich dadurch natürlich nicht feststellen. Die GfK-Erkenntnis bezieht sich ja auf eine Kundenbefragung.)

Wenn schon so viele Konsumenten ihr Kaufverhalten umgestellt haben und eher bereit sind, auch mal Produkte mit knappem Haltbarkeitsdatum zu kaufen, wäre es natürlich prima, sie nicht ganz so mitleidig zu präsentieren wie bisher – und dadurch die Akzeptanz in den Läden noch zu vergrößern. Es muss ja nicht gleich so wuchtig sein wie der Pseudeo-Resteverkauf bei Whole Foods.

Tegut-Markt in Fulda

Die Fuldaer Fast-Biokette Tegut kennzeichnet die Produkte ganz klassisch mit Rabattaufklebern (“-30%”, “-50%”), lässt sie aber einfach dort stehen, wo auch die mit längerem Haltbarkeitsdatum zu finden sind. Tegut-Sprecherin Stella Kircher erklärt:

“Wir haben festgestellt, dass die meisten Kunden ihren gewohnten Gang gehen und sich dann spontan entscheiden, zum Beispiel die kürzer haltbare Sahne zu kaufen, wenn in naher Zeit Bedarf besteht. ‘Restecken’ wurden bei uns nicht so gut angenommen, da die meisten Kunden die Entscheidung lieber dann treffen, wenn sie das Produkt an dem angestammten Platz finden.”

Noch viel wichtiger, um möglichst wenige Lebensmittel aussortieren zu müssen, sei aber die Planung, wieviele Produkte überhaupt in den Laden kommen. Das funktioniert über die automatische Disposition, die tagesgenau festlegt, was gebraucht wird, und zum Beispiel in Ferienwochen weniger Ware anfordert:

“Die Bestellmengen richten sich nach Prognosewerten und Abverkaufsmengen, auf diesem Weg soll ein Überbestand an Waren vermieden werden.”

Wenn doch mal was abläuft, das nicht verkauft werden kann, und das aus Versehen im Regal stehen bleibt, verspricht Tegut Kunden, die ein entsprechendes Produkt finden, den gleichwertigen frischen Artikel zu schenken. Angesichts der wachsenden Zahl von Restewegkäufern kommt das Tegut aber wahrscheinlich nicht ganz so teuer zu stehen. Ist aber ein cleveres Marketing.

Verraten Sie mir, wie das bei Ihrem Supermarkt funktioniert und an welcher Stelle im Laden die reduzierten Lebensmittel stehen?

Fotos: Supermarktblog

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Krautreporter: Wir machen einen neuen Laden auf. Machen Sie mit!

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Krautreporter - Guter Journalismus fürs Netz - Mitmachen!

(Ich schreib Ihnen hier ja sonst nicht vor, was genau Sie einkaufen sollen. Heute ist die Ausnahme.)

Dieses kleine Blog existiert jetzt schon seit vier Jahren. Es ist entstanden, weil ich wissen wollte, wie Supermärkte funktionieren – und die Unternehmen dahinter, die jeden Tag Einfluss darauf haben, wie und was wir einkaufen. In den klassischen Medien kommen sie trotzdem oft nur dann vor, wenn Edeka oder Rewe Geschäftszahlen auf Bilanzpressekonferenz verkündet haben, wenn bei “Galileo” zum hundertsten Mal dieselben “Supermarkttricks” erklärt werden oder uns der neuste Lebensmittelskandal für ein paar Wochen aus dem Einkaufsalltag reißt.

Mir war das zu wenig. Und das Tolle ist: Ihnen offenbar auch! Sonst wären Sie ja jetzt nicht hier und würden so oft wiederkommen. Seit dem Neustart im Oktober 2012, als das Supermarktblog von FAZ.NET in sein eigenes Zuhause umzog, sind die Nutzerzahlen kontinuierlich gestiegen. Das freut mich sehr.

Dass ich mir weiterhin die Zeit nehmen kann, mir Läden im In- und Ausland anzusehen und anschließend darüber zu schreiben, liegt auch daran, dass es einen Partner gibt, der mich bei der Finanzierung unterstützt. Seit Oktober 2012 ist das kein klassisches Medium mehr, sondern Jochen Krisch mit Exciting Commerce und der K5 Liga, der mich hier genau das machen lässt, was ich spannend finde. Weil er glaubt, dass es anderen genauso gehen könnte. Das ist großartig und ich muss mich sehr dafür bedanken!

Gleichzeitig finde ich es erstaunlich und bedenklich, dass es offensichtlich schwer geworden ist, sich als Journalist mit seiner Arbeit über die klassischen Verlage zu finanzieren, jedenfalls wenn ich über Themen schreiben will, die mich interessieren. Vieles davon hat in den klassischen Medien gar keinen Platz. Weil es nicht ins Ressortraster passen, nicht zur “Marke” oder nicht zu einer vorgegebenen Erzählweise.

Ich glaube, das tut dem Journalismus auf Dauer nicht gut. Vor allem im Internet, wo sich Zeitungen und Newsportale mit ihrem Wetteifern um Klicks immer ähnlicher werden, und deshalb immer austauschbarer.

Ich sehe wenige Versuche der großen Verlage, das ganz konkret zu ändern. Wahrscheinlich ist es an der Zeit, das einfach selbst in die Hände zu nehmen. In meine. Und Ihre! Und die von 24 Kollegen, die nicht mehr darauf warten wollen, dass Verlagsmanager für uns die Kurve kriegen.

Deshalb ist an diesem Dienstag ist das Projekt Krautreporter gestartet.

Wir wollen ein neues Online-Magazin gründen, das das hinkriegt, was im Netz auch von den Großen oft verpennt wird: Guten, spannenden, unabhängigen Journalismus, der Hintergrund statt Hektik liefert, und der nicht für Werbekunden oder Suchmaschinen gemacht ist. Sondern für Leser. Für Sie! Das hat nur einen winzigen Haken: Sie müssen uns dabei helfen und uns bezahlen!

Wir brauchen 15.000 Mitglieder, die bereit sind, 5 Euro im Monat für guten Journalismus im Netz zu bezahlen. Und wir brauchen diese Mitglieder bis zum 13. Juni. Das ist kein kleines Ziel, ich weiß. Aber wir wollen ja auch kein kleines Online-Magazin machen, sondern eines, bei dem Recherche kein Luxus ist, den man sich als Autor leisten können muss. Krautreporter soll komplett werbefrei sein. Und nur unseren Lesern gehören.

Ausführlichere Informationen zum Projekt stehen ab sofort auf krautreporter.de.

Am Blog ändert das nichts. Hier sollen wie bisher Analysen, Kommentare und Einordnungen stehen. Wenn wir erfolgreich sind, kann ich für Krautreporter künftig mehr Hintergründe, längere Reportagen und Erklärstücke beisteuern. Nicht bloß zum Lebensmittelhandel, dem eine – wie ich finde – viel tiefergehende journalistische Auseinandersetzung gut täte als ich es hier im Blog leisten kann. Sondern auch zu anderen Themen aus dem Handel und den grundlegenden Veränderungen, die dort gerade bewältigt werden müssen. (Ähnlich übrigens wie beim Fernsehen, um das ich mich sonst thematisch kümmere.)

Dazu kommt die Expertise der vielen Krautreporter-Kollegen, die alle ihr eigenes Fachwissen mitbringen, von der Verteidigungspolitik über Medizin, Umwelt und Kultur bis zu Medien und Sport. Und die Lust haben, dieses Wissen zu einem neuen Magazin zu verschmelzen, bei dem gute Geschichten wichtiger sind als Klicks.

Es ist ein Versuch. Sie müssen gar nicht lange überlegen. Machen Sie mit! Für 5 Euro im Monat.

Jetzt!

Guten Journalismus unterstützen! Mit Krautreporter.de

Nachtrag, 9.42 Uhr: Und wenn die Seite gerade überlastet sein sollte:

Später!

 

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Zur Geschichte des Brötchenknasts: Haben Sie heute schon eine Backware kontaminiert?

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"Freshly baked today": Brotkörbe bei Sainsbury's

Es ist der Alptraum jedes deutschen Hygienevorschriften-Regelausdenkers: Ein offen im Laden herumstehender Korb mit aufgebackenen Brötchen und Teilchen, die jederzeit von unbefugter Kundschaft betatscht werden könnten. Und trotzdem sind die Frischluftkörbe (wie bei Sainsbury’s in Großbritannien, siehe Foto) in vielen Ländern Standard.

Manchmal stehen sogar ganze, hübsch dekorierte Tische frei beniesbar herum, wie bei Tescos “Bakery Project”!

Tescos "Bakery Project": Frische Backwaren, frei beniesbar im Laden liegend

Bei uns nicht.

Deutsche Supermärkte bauen monströse Theken in ihre Läden, aus denen Roggenbrötchen erst nach Überwindung gitterhafter Hindernisparcours und Plastikklappen herausgefischt werden können. Gerade erst hat Penny aufgerüstet.

Nicht umsonst werden die Stationen im, ähm, Volksmund deshalb “Brötchenknast” genannt. Schuld an besagtem Backwarenvollzug sind aber nicht (nur) die Supermärkte und Discounter, sondern die “Lebensmittelhygienischen Anforderungen an die Abgabe von Brot, Kleingebäck und Feinen Backwaren in Selbstbedienung”, wie sie zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit übersichtlich zusammengestellt hat (pdf).

Und Regelungen, wie sie in der neuen DIN-Richtlinie 10535 stehen, die sich um “Backstationen im Einzelhandel” kümmert und voraussichtlich im August veröffentlicht werden soll. (Bisher gibt es sie lediglich als Entwurf, die Einspruchsfrist ist gerade abgelaufen, jetzt werden Änderungen eingearbeitet.)

Viele der Vorgaben kommen Ihnen und mir als Selbstverständlichkeit vor, sind aber noch mal aufwändig in Behördenprosa verpackt, um auch tatsächlich ernst genommen zu werden (“Der unbefugte Zugriff auf die auskühlenden, noch nicht zum Verkauf bestimmten Backwaren, ist zu verwehren”).

Aber womöglich ist es gar nicht schlecht, dass es für den hektischen Alltag im Laden solche Regeln gibt (deswegen z.B.) und dass sie vom Arbeitskreis NA 057-02-01-27 AK “Backstationen im Einzelhandel” noch mal aufgeschrieben wurden, alleine schon wegen “der weiten Verbreitung dieses Angebotskonzepts”, wie es in der Einleitung des DIN-Entwurfs heißt.

Beim Backstationen-Ausprobierer Lidl heißt es auf Anfrage, man habe den Ausschuss “federführend (…) ins Leben gerufen”. Die Norm solle “als Hilfestellung für alle Unternehmer genutzt werden, die in Ihrer Verkaufsstelle frische Backwaren verkaufen”:

“Wichtig ist (…) eine gleiche Auffassung der Regeln und Gesetzesregelungen auf Seiten der Unternehmer und der Lebensmittelüberwachung.”

Die Einhaltung der Norm ist zwar kein Gesetz, muss seitens der Unternehmen also freiwillig geschehen. Aber wenn Sie demnächst den Einbau eines Brötchenknasts in ihren Laden planen, achten Sie doch bitte trotzdem darauf, “dass ein Verkaufsmöbel vom Vorbereitungsbereich aus rückseitig bestückt werden kann”, dass “Wände (…) zur Erleichterung von Reinigungsmaßnahmen keine horizontal vorstehenden Ränder und Simse aufweisen”, und dass “eine Kontamination der angebotenen Backwaren durch die entnehmenden Verbraucher vermieden wird”.

Sehen Sie, so nennen die Profis das, wenn Sie am Brötchenknast ihr Abendbrötchen in eine Tüte packen: Kontamination.

Um ebendiese zu vermeiden, existieren bereits eigene DIN-Regeln, deren Namen sich auch problemlos als Titel für in der Zukunft spielende Behördenhorrorfilme nutzen ließen, so wie “DIN 10501-3 Lebensmittelhygiene Verkaufsmöbel – Teil 3: Verkaufsbehälter für Lebensmittel, die bei Umgebungstemperatur feilgeboten werden”.

Das Bayerische Landesamt für Dings und Lebensmittelbums fasst’s dankenswerterweise noch mal zusammen: Es brauche “Schutzmaßnahmen”, damit “der Kunde nur durch die dafür vorgesehene Entnahmeöffnung an die Backwaren gelangt”. Dafür müssten “geeignete Hilfsmittel” zur Verfügung gestellt werden, also “Einmalhandschuhe oder Entnahmebesteck mit hygienischer Ablage”, außerdem sind “Rücklegesperren” für einmal “kontaminierte” (also: angefasste) Ware nötig.

Genau das ist der Grund, warum Sie sich am Brötchenknast in vielen Discountern mit dem Eisenrüttler ihre Wunschbackware übers Zwischengitter in die Auffangmulde schubbern müssen!

Ideal für Dreihänder: Brötchenknast bei Rewe

Wobei z.B. die Lidl-Variante immer noch praktischer ist als die, die sich Rewe für die Backtheken in zahlreichen Filialen ausgedacht hat. An denen müssen Kunden mit einer Hand die Plastikklappe zur Brötchenbox aufhalten, um mit der zweiten Hand die davor baumelnde Backwarenzange zu schnappen, mit der sich die Ware in die Tüte umdisponieren lässt, die derweil, tja, von der dritten Hand aufgehalten wird.

Vielleicht bin ich da pingelig, aber: Kann es sein, dass Backtheken, die sich ausschließlich zu zweit oder von dreiarmigen Aliens bedienen lassen, in der täglichen Handhabung ein bisschen unpraktisch sind?

Brötchenknast-Pionier Lidl experimentiert, nachdem sämtliche Filialen inzwischen mit entsprechenden Stationen ausgerüstet werden, inzwischen mit weiteren Systemen. Aus den neuen Theken werden die Brötchen nicht mehr von vorne gefischt, sondern mit dem bekannten Eisenrüttler seitlich durch ein Gitter geschubst, um dem Kunden auf einer Krümelrutsche entgegenzukullern.

Jetzt mit Krümelrutsche: Neue Backstationtypen bei Lidl

Im neuen “Kassettenregal” (so nennt Lidl die Theken) seien die Waren besser ausgeleuchtet, heißt es auf Anfrage. Eine Sprecherin des Discounters erklärt:

“Das Backwarensortiment ist somit in den einzelnen Regalboxen besser sichtbar und die Entnahme der Ware bequemer. Durch den Wegfall der vorderen Klappentechnik ist es möglich, die komplette Kapazität der Regalboxen für die Warenpräsentation zu nutzen.”

Lidl-Backstationen: Bessere Aussicht vor der Kontamination

Bei Neueröffnungen oder Modernisierungen von Filialen werde grundsätzlich der neue Typ eingesetzt. Eine Umrüstung der übrigen Filialen sei “derzeit nicht vorgesehen”. Nur das allererste Modell (“in Bucheoptik”; kein Foto) sei bereits komplett ersetzt worden.

An den riesigen Ausmaßen seiner Backvollzugsanstalten hat Lidl freilich nichts geändert. Immerhin ist jetzt aber nicht nur der Einblick, sondern auch der Ausblick durch die großen Fensterfronten besser als früher. Damit die Brezeln, Brötchen und Butterteilchen sofort erkennen können, wer sich ihnen da aus dem Laden als Kontaminator nähert. Nämlich: Sie.

Mit Dank an die Supermarktblog-Leser McDuck und xrw.

Fotos: Supermarktblog

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Wie “Original Unverpackt” uns beim Einkaufen den Verpackungsmüll abgewöhnen will

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Vielleicht liegt die Zukunft des Supermarkts im Rüsselautomaten. Einem durchsichtigen Plastikdings, das mit Reis, Erbsen, Linsen oder Nudeln gefüllt werden kann, und das unten am Rüssel einen kleinen Verschluss hat, durch den, wenn man eine Box drunterhält, die Lebensmittel durchrieseln. Soviel man gerade davon braucht.

Zumindest wird es im neuen Laden von Milena Glimbovski und Sara Wolf so sein. 20.000 haben die beiden Gründerinnen auf der Crowdfunding-Plattform Startnext einsammeln wollen, um in diesem Jahr eröffnen zu können. Über 90.000 Euro sind inzwischen draus geworden. Und die Aktion läuft noch drei Wochen. Für den ersten Berliner Supermarkt, der Lebensmittel ohne Verpackung verkauft.

Unten kommt die Box dran: Lebensmittel aus dem Rüsselautomaten ("Bulk Bins") für verpackungsfreies Einkaufen / Foto: Original Unverpackt

“Wir alle sind ein bisschen faul geworden beim Einkaufen”, erklärt Glimbovski, was ausschlaggebend für das Projekt war. “Aber wenn sich genügend Leute überlegen, das anders machen zu wollen, muss sich der Handel darauf einstellen.” Da viele Supermärkte und Discounter gerade aber mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind, fangen die beiden Berlinerinnen einfach schon mal an. Offensichtlich haben sich viele Leute sehr danach gesehnt. “Wir kriegen auf Facebook sehr viele Mails von Leuten, die schreiben: Bitte kommt in meine Stadt!”, sagt Glimbovski.

In anderen Städten haben in den vergangenen Monaten ähnliche Läden eröffnet: in Wien, Kiel und Bonn. Das Team von “Original Unverpackt” (so soll der Markt heißen) arbeitet auch schon seit November 2012 an dem Projekt:

“Wir haben uns um Produkte bemüht, bei denen nicht nur im Laden, sondern auf dem ganzen Lieferweg so wenig Müll entsteht wie nötig. Deshalb hat die Vorbereitung etwas länger gebraucht.”

Dafür mussten erstmal Hersteller und Händler gefunden werden, mit deren Hilfe der Laden seinem Anspruch gerecht werden kann. Zu kaufen gibt es künftig: Erdnussbutter im Mehrwegglas, Zahnpasta in Tablettenform, wieder verwertbare Abschminkpads und, ähm, Wodka und Gin. Loses Obst und Gemüse, Brot und Brötchen kommen, wie früher, in Stoffbeutel. Und die Nahrungsmittel aus den Rüsselautomaten, die offiziell “Bulk Bins” heißen, werden in mitgebrachte Plastikboxen umgefüllt und nach Gewicht abgerechnet. “Du investierst einmal in diese wiederverwertbaren Gegenstände – und sparst dann auch noch Geld, weil du nicht ständig Ersatz kaufen musst”, sagt Glimbovski.

Modern soll er auch sein: "Original Unverpackt" aus dem Computer; ein echter Laden wird gerade noch gesucht / Foto: Original Unverpackt

Tatsächlich ist die größte Besonderheit an “Original Unverpackt”, dass der Laden nicht nur auf überflüssige Wegwerfverpackungen verzichten will, sondern dass er seine künftigen Kunden damit auffordert, ihr Einkaufsverhalten grundlegend zu verändern.

Weil der schnelle Einkauf fürs Wochenende auf dem Nachhauseweg von der Arbeit dann der Vergangenheit angehören müsste, sofern man sich nicht spontan eine Zweitgarnitur Tupperware anlegen möchten oder vorsorglich den halben Plastikboxenhausrat auf die Arbeitsstelle mitnehmen möchte.

Die Supermärkte werden mit Interesse verfolgen, wie das Konzept bei den Berlinern ankommt. Immerhin stellt es ein wesentliches Prinzip infrage, mit dem der Handel heute seine Umsätze sichert. Wenn Ware zu Müll wird, muss sie ersetzt werden; zum Beispiel die Wattepads, die wir benutzen, entsorgen – und irgendwann nachkaufen müssen, weil die Packung leer ist. Industrie und Händler haben gar kein Interesse daran, dass wir wieder verwertbare Nicht-Lebensmittel kaufen, weil wir dann seltener Nachschub brauchen und weniger oft in den Laden kommen müssen (um da gleich noch ein paar andere Artikel mitzunehmen).

Eine Großrevolution wird “Original Unverpackt” eher nicht anstoßen. Dafür sind die meisten Leute viel zu sehr daran gewöhnt, bequem einzukaufen, ohne sich weitere Umstände machen zu müssen.

Aber als kleiner Schubs, um unser eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen, ist die große Aufmerksamkeit, die das verpackungsfreie Einkaufen gerade erhält, hervorragend geeignet.

Um die Geduld der mitarbeitswilligen Kundschaft nicht unnötig zu strapazieren, wollen Grimbovski und Wolf auch keinen Miniladen, in dem es nur ein paar ausgewählte Grundnahrungsmittel zu kaufen gibt, sondern setzen auf ein größeres Angebot (das aber immer noch unter dem eines klassischen Discounters liegen soll). Grimbovski sagt:

“Unser Ziel ist: Du kommst einmal zu uns in den Laden ein, kaufst alles ein, was du brauchst und musst dann nicht noch mal zu Rewe oder Lidl. Wir haben alle Grundprodukte des täglichen Bedarfs: Milch, Brötchen, Joghurt, Senf – nur eben ohne zusätzliche Verpackung. Wir kriegen die Lebensmittel, zum Beispiel Zucker oder Reis, in 25-Kilo-Säcken und füllen den Inhalt dann bei uns in die Verkaufsboxen um. Es entsteht nicht immer kein Müll, das lässt sich schwer versprechen. Aber wir versuchen, das auf ein Mindestmaß zu reduzieren.”

Das Minisortiment könnte dem europäischen Vorreiter-Laden “Unpackaged” in London zum Verhängnis geworden sein, der – anstatt die Auswahl der Lebensmittel zu vergrößern – ein Café in den Laden baute und vor wenigen Monaten wieder schließen musste (siehe Supermarktblog).

“Original Unverpackt” soll erstmal ohne Café auskommen. Und hat durch das erfolgreiche Crowdfunding zumindest die finanziellen Mittel, mit einem größeren Angebot zu experimentieren:

“45.000 Euro war die Grenze, ab der wir wussten, dass wir das Sortiment genauso zusammenstellen können wie wir uns das wünschen, eventuell eine Käsetheke in den Laden integrieren und uns eine elektrische Abfüllstation, zum Beispiel für Säfte, leisten können.”

Wie im richtigen Supermarkt soll's bei "Original Unverpackt" Bio und Nicht-Bio geben / Foto: Original Unverpackt

Es wird Bioartikel vom regionalen Naturkosthändler geben, Obst und Gemüse vorzugsweise aus der Region, aber auch konventionelles Nicht-Bio, um “nicht elitär” zu wirken, sagt Glimbovski. Das Team verspricht, Preise auf demselben Niveau wie im klassischen Supermarkt zu haben, immerhin fielen ja die Verpackungskosten weg. Dafür hat “Original Unverpackt” aber natürlich nicht den Rabattvorteil, den die großen Handelsketten bei Herstellern und Lieferanten durchsetzen, wenn sie ihn großen Mengen einkaufen.

Glimbovski entgegnet:

“Die Supermärkte haben aber auch andere laufende Kosten als wir mit unserem Laden. Und wir wollen ja nicht mit den Preisen bei Aldi gleichziehen.”

Rund 100 Quadratmeter soll der erste Markt groß sein. Um alles unterzukriegen, wird die Markenauswahl reduziert: “Dann gibt es vielleicht ein konventionelles Produkt mit Bio-Alternative, aber nicht zehn verschiedene Marken.” Noch läuft die Suche nach einem geeigneten Laden, vorzugsweise in den Bezirken Kreuzberg oder Prenzlauer Berg, wo die Gründerinnen am ehesten Kunden zu gewinnen glauben. Nach der Eröffnung wolle man sich schnell nach Partnern umschauen, um das Konzept auch in andere Städte zu bringen, wie es sich die Leute bei Facebook gewünscht haben.

Dass die Ledienschaft ein jähes Ende haben könnte, sobald die Leute merken, dass sie ihren Einkauf dann auch besser planen und sich womöglich an einige neue Produkte gewöhnen müssen, glaubt Gründerin Glimbovski nicht:

“Das Feedback war so gigantisch, dass ich davon überzeugt bin: Wenn die Leute bereit sind, Geld dafür zu zahlen, dass wir einen solchen Laden aufmachen, sind sie auch bereit, sich an kleine Umstellungen zu gewöhnen.”

Fotos: Original Unverpackt

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Freiheit für die Nudel! Macht die EU das MHD ein Köpfchen kürzer?

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Lange haltbare Lebensmittel wie Nudeln könnten bald ohne Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden

Das kommt jetzt vielleicht ein bisschen überraschend, aber es gibt in der EU tatsächlich Leute, die mitdenken und die ein paar gute Vorschläge haben, wie wir künftig weniger Lebensmittel verschwenden könnten.

Bei einem Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel haben die Niederlande und Schweden in diesem Monat den Vorschlag gemacht, die Sache mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch mal anzugehen. Sie erinnern sich vielleicht: Das Datum, das eigentlich bloß angibt, wie lange Lebensmittel mindestens verwendbar sind, wird von vielen Verbrauchern als Wegwerfdatum missverstanden. Das hat dazu geführt, dass jedes Jahr massig Nahrungsmittel entsorgt werden, die eigentlich noch völlig in Ordnung sind.

Nun hat achten viele Leuten scheinbar schon darauf, bewusster einzukaufen. Und die EU sorgt jetzt womöglich dafür, dass wir noch wegwerfempfindlicher werden.

In ihrem Vorschlag an die Kommission schreiben die Niederlande und Schweden (stoppelige Übersetzung von mir; das englische Original steht hier als pdf):

“Obwohl Lebensmittelverschwendung nicht komplett vermieden werden kann, gibt es noch einiges zu verbessern. (…) Um die Bemühungen der privaten Haushalte zu stärken, weniger Lebensmittel wegzuwerfen, sollten die Regierungen Hindernisse abbauen (…). Manche dieser Hindernisse könnten auf die jetzige europäische Gesetzgebung zurückzuführen sein.”

Ja, das klingt – wie Selbstkritik. Und der Vorschlag, was zu ändern wäre, folgt auf den Punkt:

“In vielen europäischen Ländern führt die Haltbarkeitskennzeichnung dazu, dass unnötig Lebensmittel weggeworfen werden. (…) Die Niederlande und Schweden sind der Meinung, dass vielleicht mehr Produkte, die sehr lange haltbar sind und ihre Qualität über die angegebenen Daten hinaus behalten, von der Pflicht ausgenommen werden sollten, mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum gekennzeichnet zu werden.”

Bisher müssen laut EU (Verordnung 1169/2011, Anghang X) frisches Obst und Gemüse, Wein, alkoholische Getränke über 10 Prozent Vol., frische Backwaren, Essig, Salz, Zucker und Kaugummi kein MHD tragen. (Das gilt eigentlich auch für 288 Millionen Jahre alte Social-Media-Stars.)

Der jetzige Vorschlag zielt darauf, diese Liste noch einmal deutlich um solche Produkte zu erweitern, die man der niederländischen Agrarministerin Sharon Dijksma zufolge “wirklich lange zu Hause haben kann”, also: trockene Nudeln, Reis, Hartkäse, Tee und Kaffee.

Die Initiative wird unterstützt von Dänemark, Deutschland, Luxemburg und Österreich. Ob die Änderung möglich gemacht wird, muss jetzt die EU-Kommission entscheiden.

(Anders als manche Medien suggerieren, wäre das übrigens nicht das endgültige “Aus” fürs MHD, das als solches beibehalten werden soll, um weniger lange haltbare Lebensmittel zu kennzeichnen; “remove barriers, while still ensuring food safety” (…) “without overturning the system as such” steht im Vorschlag der Niederländer und Schweden.)

Mehr über Lebensmittelverschwednung (und die Vermeidung derselben) steht im Supermarktblog.

Fotos: Supermarktblog

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Edekas “Selbermacher”: Angebot zur Lebensmittelkomplizenschaft

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Es gibt wahrlich keinen Grund zur Enttäuschung für die 130.973 Nicht-Gewinner des “Multiquick Stabmixers”, den die Supermarktkette Edeka im vergangenen Jahr für die Plätze zwei bis zehn seiner “Selbermacher”-Aktion auslobte, jeweils für die Kategorien “Joghurt”, “Cookie” und “Smoothie”. Immerhin standen die Einreicher mit ihren Vorschlägen auf diese Weise direkt “im Kundendialog” mit ihrer Lieblingssupermarktkette. Und die drei vier erfolgreichsten Produkte gibt es jetzt im Laden zu kaufen.

Sie heißen “Choc, Nuts & Cherry Cookies”, “Banana Karamell Crunchy”, “Berry loves Cherry” und “Fruchtstärke” und sind im vergangenen Jahr von den nachnamenlosen Edeka-Einkaufsgutschein-Gewinnern Maximilian, Vanessa, Samantha und Holger im Netz erfunden worden: im “Selbermacher”-Lebensmittelgenerator, bei dem unterschiedliche Zutaten so kombiniert werden konnten, dass nachher etwas tatsächlich Essbares herauskommen sollte.

Eine, nun ja: “Fachjury” unter Vorsitz des Geschmackspapsts Kaya Yanar bewertete im zurückliegenden September, welches die spannendsten Produkte mit den tollsten selbst erfundenen Namen waren, und seit ein paar Tagen stehen die im Regal “teilnehmender Edeka-Märkte”, wo sich die scheuen Lebensmittel nach einem mittelaufwändigen Produktsafari ausfindig machen lassen, um sie vor die Kamera zu kriegen.

Im Laden eher scheu, aber trotzdem vor der Supermarktblog-Kamera: Die Edeka-"Selbermacher"-Produkte (2 von aktuell 4)

Gekennzeichnet sind die “Selbermacher”-Artikel eher unauffällig mit einem dezenten Weiß-auf-Schwarz-Hinweis am Packungsrand (siehe Foto). Und zwei der Kreativnamen haben die Edeka-Massenproduktion nicht überstanden – obwohl das ja durchaus Charme gehabt hätte, einen Schoko-Cookie mit “Kirschzubereitung” (Zutatenangabe auf der Packung) einfach mal, wie vorgeschlagen, “Der imperiale Keks” zu nennen. (Oder den gewöhnlichen Bananenjoghurt mit Knusper drin “Crunchy-Karamella-Krokant”.)

Edeka-Sprecher Gernot Kasel erklärt dazu:

“Bei der Namensgebung für neue Eigenmarkenprodukte müssen wir uns auch rechtlich absichern. Ist ein Namensvorschlag zu nah an einer eingetragenen Marke/Bildmarke, suchen wir nach Alternativen. Dies war auch hier der Fall, in Abstimmung mit dem Vorschlagenden.”

(Nicht, dass das Imperium rechtlich zurückschlägt.) Viel wichtiger als die Produkte jetzt zu verkaufen, ist für Edeka aber ohnehin der Effekt, sich mit seiner “Selbermacher”-Aktion als Kundenversteher und Ideenermöglicher zu präsentieren. Immerhin gehört das Angebot zur Lebensmittelkomplizenschaft derzeit bei fast allen großen Handelsketten zu den wichtigsten Marketing-Mitteln.

Anfang des Jahres hat Lidl sein Wochenprospekt – ziemlich untypisch – mit nur einer einzigen Produktabbildung zugepflastert: dem, ähm, “Fanghurt” – einem “Joghurt gesüßt auf Bratapfel mit Marzipankugeln”, das die Kunden vorher auf der Lidl-Facebookseite wählen konnten. Aus dem Laden war das “Fanghurt” dann aber schnell wieder verschwunden.

"Es ist angerichtet!" - in einer Plastikbox? Lidls "Fanghurt"

Real gehört schon zu den alten Hasen im Geschäft und meldete bereits im Februar 2013: “Der Traum eines jeden Pizza-Fans wurde Wirklichkeit”, zumindest für “Lisa aus Dresden”, die zuvor im Real-Pizzagenerator Gyrosfleisch, halbgetrocknete Tomaten, gegrillte Paprika, Zwiebeln, Gouda und Chili-Gewürz zusammenwürfelte, um daraus “Lisas Pizza” zu machen und ihre Erfindung als Eigenmarke “Real Quality” in die Tiefkühltruhen sämtlicher Real-Märkte einliefern ließ. (Dort fristet sie zwischen all den klassischen Markenpizzen ein eher einsames Dasein.)

So tolle Pizzaerfinder als Kunden zu haben, sei “eine besondere Ehre”, schleimte der Real-Geschäftsleiter damals per Pressemitteilung.

Gleichzeitig "Deine Pizza" und "Lisa's Pizza" - nur echt mit dem falschen Apopstroph bei Rea'l

Die Kundenerfinderei ist halt nur keine Ausnahme mit Charme mehr, sondern längst die Regel. Auch außerhalb der Supermärkte. McDonald’s rief Kunden dazu auf, “Mein Burger” zu gestalten; bei der Discount-Brötchenschleuder Back Factory durften Kunden zur EM 2012 den “Sieger-Snack” belegen: “Wir haben das Fußball-Laugenbrötchen – du bestimmst was drauf soll”; 2011 ließ die Drogeriekette dm von ihren Kunden die “Winterdusche” “Eisschimmer” entwickeln.

Und als selbst Innovationsallergiker Aldi kürzlich auf Facebook abstimmen ließ, welche Bildchen künftig auf die Taschentücherboxen draufgedruckt werden sollen, war das wahrscheinlich das endgültige Zeichen dafür, dass die Mitwirker-Masche ihren Zenith langsam aber sicher überschritten hat.

Zumal sich die tatsächliche Mitbestimmungsmöglichkeiten am Ende ja doch stark in Grenzen halten.

Edeka hat schon vor zwei Jahren erste Erfahrungen mit den “Selbermachern” gesammelt. Damals sollten Kunden in “Dein Eis-Konfigurator” ihr “Lieblings-Eis” zusammenrühren. Sieger war die durchaus interessante – und ganz kleckere – Geschmacksrichtung “Cheesy Maple Pie”, eine Mischung aus Walnuss, Vanille und Käsekuchengeschmack, die jedem hauptberuflichen Lebensmittelerfinder womöglich in gefrorenem Zustand als unverkäufliche Absurdität um die Ohren gehauen worden wäre.

(Verkauft wird “nicht flächendeckend, sondern in regional und lokal unterschiedlicher Ausprägung”, heißt es auf Anfrage bei Edeka. In Berlin scheint das Cheesy-Eis wieder aus der Truhe verschwunden zu sein.)

Schmeckt lecker, ist aber nur "regional und lokal unterschiedlicher Ausprägung" zu kriegen: Edekas Cheesy-Eis

Edeka hat sich dafür hingegen den “Deutschen Preis für Onlinekommunikation 2013″ in der Kategorie “Product Launch” abholen können. Eine Begründung der Jury ist im Netz leider nicht mehr zu finden, aber die Zentrale in Hamburg erklärte nachher:

“Ziel (…) unserer Kampagne ist es stets, nah am Kunden zu sein und diesen anspruchsvollen Wünschen gerecht zu werden.”

Das stimmt auf jeden Fall so lange, wie die “anspruchsvollen Wünsche” der Kundschaft sich aufs Joghurt- und Kekserfinden beziehen, leider nur noch in Maßen, wenn es darum geht, wesentliche Informationen zum Produkt in Erfahrung zu bringen. Wer an der Edeka-Kundenhotline wissen will, von welchem Produzenten die neuen “Selbermacher”-Produkte hergestellt werden, dem antwortet ein freundlicher Mitarbeiter:

“Wir geben grundsätzlich keine Lieferanteninformationen preis.”

Fotos: Supermarktblog

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Eigenartig eigenmarkig (1): Mehr Design fürs Kühlthekenseparée

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Meistens kommt’s im Leben ja doch auf die inneren Werte an, und beim Lebensmitteleinkauf im Supermarkt ist das nichts anderes. Ein Großteil der Deutschen war jedenfalls über viele Jahre hinweg bereit und in der Lage dazu, sämtliche Äußerlichkeiten zu ignorieren und darauf zu vertrauen, dass sich in den abscheulich aussehenden Eigenmarkenverpackungen tatsächlich etwas zum Verzehr Geeignetes befand. Diese Zeiten neigen sich dem Ende zu.

Inzwischen haben die Handelsketten erkannt, dass es helfen kann, wenn der Hausmeister nicht auch noch fürs Produktdesign zuständig ist, das Auge des Kunden kauft ja sozusagen mit.

Seit seinem Umbau zum Querreihenschönling gibt sich Penny besondere Mühe und hat nach seiner Eigenmarke “Penny” vor wenigen Wochen bekanntlich die kleine Schwester “penny to go” in die Läden gebracht, deren Snacks und Smoothies seitdem in einem – neuerdings mit lindgrünem Rahmen verziertem – Kühlthekenseparée am Rande der Obst- und Gemüse-Abteilung einquartiert sind, wo sie auf verzehrbereite Kundschaft warten. Jüngst sind ein paar Fertigfutter-Onkels dazu gestoßen, denen das vorne aber zuviel Chichi ist, weswegen sich die penny-to-go-Fertiggerichte ins normale Kühlregal eingezogen sind, noch dazu, weil sie etwas mehr Platz brauchen.

Die To-Go-Gerichte gibt’s nach italienischer oder chinesischer Art, als Milchrteis, Kartoffelpuffer und Frikassee, und designtechnisch passt das äußerlich alles schon mal ganz gut zusammen. Nur ist’s halt so: Ein schöner Mantel macht noch längst keine schöne Nudel. Deshalb könnte Penny, wenn demnächst das ganze Sortiment ansprechend verpackt worden ist, auch mal dafür sorgen, dass der Inhalt, der darunter zum Vorschein kommt, appetitlicher wird.

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* * *

Rewe arbeitet derweil an der eigenen Abschaffung, zumindest in der Supermarkt-Drogerieabteilung. Nachdem dort über Jahre hinweg der eigene Name auf die Produkte gedruckt wurde, ist – ebenfalls bekanntlich – dort inzwischen wieder “today” eingezogen und hat kürzlich einen weiteren Ableger verpasst bekommen: “today dent” heißen Zahnbürsten, Zahnpasta und Zahnseide neuerdings, und sie sehen deutlich schicker aus als ihre Vorgänger.

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Am Sortiment scheint sich wenig geändert zu haben – aber Rewe erweckt bei Kunden mit Today Dent geschickt den Eindruck, eine separate Zahnpflegeserie im Angebot zu haben und stärkt damit ganz clever sein Image als Eigenmarkenspezialist.

* * *

Warum das hier alles steht? Natürlich um den ersten Satz dieses Blogeintrags zu widerlegen.

Im vergangenen Herbst hat die britische Supermarktkette Tesco nämlich ihre Luxuseigenmarke “Tesco Finest” grundlegend überarbeitet. Die Produkte waren vorher schon schick, jetzt sehen sie – sagen wir’s ruhig: edel aus. Jede Produktkategorie ist leicht anders designt, mal ist die Schrift schnörkeliger, mal gibt’s Muster statt Illustrationen, mal ist die Packung ganz schlicht gehalten – immer gleich ist bloß das schwarze Grunddesign mit der silbernen Aufschrift: Tesco Finest.

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Beim Eigenmarken-Wettbewerb der britischen Fachzeitschrift “The Grocer” räumte Tesco im Mai gerade haufenweise Prämierungen für die Finest-Produkte ab. Und wenn Sie gerade keinen Hunger bekommen wollen, schauen Sie sich nicht diese Seite an. NICHT!

Aber der eigentliche Clou ist, dass sich, seitdem das neue Design im Laden angekommen ist, auch an der Kasse ordentlich was getan hat.

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In den vergangenen Monaten verkaufte Tesco laut “The Grocer” 53 Prozent mehr “Finest”-Käse, 35 Prozent mehr “Finest”-Kaffee, 50 Prozent mehr Chips, Nüsse und Snacks mit dem Silber-Label und 86 Prozent mehr Tafeln Schokolade.

Nun ist es natürlich in erster Linie immer noch so, dass das, was Tesco seinen Kunden da in den Einkaufswagen legen hilft, vor allem gut schmecken muss. Weil es sonst nicht wiedergekauft würde. Aber wenn uns im Laden eine besonders schöne Eigenmarkenverpackung anglänzt, ist es eben doch so, dass wir das mit den inneren Werten für ein paar kleine, aber entscheidende Momente vergessen.

Mehr zum Thema Verpackungsdesign.

Fotos: Supermarktblog

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Warum sich “Frei von”-Produkte für Supermärkte rentieren

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Seit 2012 im Sortiment: "Rewe frei von"-Produkte

Gluten-freie Lebensmittel sind im gut sortierten Supermarkt fast schon eine Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel bei Rewe, das seit zwei Jahren die Eigenmarke “Rewe frei von” im Regal stehen hat (siehe Supermarktblog) – allerdings mit gerade mal 29 unterschiedlichen gluten- und laktosefreien Produkten (Artikelliste als pdf). Selbst wenn, wie die “Lebensmittelzeitung” schreibt, in diesem Jahr zehn weitere dazu kommen, ist das ein ziemlich kleines Sortiment.

Es weiß ja auch keiner so genau, wieviele Deutsche überhaupt allergisch auf das Kleber-Eiweiß Gluten reagieren.

Gluten steckt zum Beispiel im Brot, im Pizzateig, in allen Lebensmitteln, für die Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Dinkel verwendet werden. Wer unter Zöliakie, also einer Gluten-Unverträglichkeit, leidet, kriegt ernsthafte Gesundheitsprobleme, wenn er davon isst. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft gibt an, dass jeder 250. Deutsche betroffen sein könnte. “Bild der Wissenschaft” erklärt, dass aber nicht jeder, der sensibel auf Gluten reagiere, automatisch unter Zöliakie leiden müsse. Übelkeiten und Magenbeschwerden könnten auch vom Hochleistungsweizen kommen, den die Industrie züchtet und verarbeitet. Das Magazin zitierte den Magen-Darm-Spezialisten Wolfgang Holtmeier mit der Bemerkung, dass es “gar nicht so viele Zöliakie-Patienten und Glutensensitive [gibt], wie glutenfreie Produkte verkauft werden”.

Für Leute, die wirklich kein Gluten zu sich nehmen dürfen, sind die “Frei von”-Produkte natürlich ein Segen. Für die Hersteller aber auch: ein neues Sortiment, mit dem sich Geld verdienen lässt. Zum Beispiel weil manche Kunden glauben, (teurere) glutenfreie Lebensmittel seien gesünder, und sie deshalb kaufen. Das stimmt aber gar nicht. In Großbritannien sind die Produkte schon zur “lifestyle choice” (“The Grocer”) geworden.

Die Umsätze der Hersteller steigen. Aber damit lässt sich immer noch nicht erklären, weshalb die Supermärkte ihren wertvollen Regalplatz für Produkte freiräumen, die im Moment wohl nur von sehr wenigen Leuten gekauft werden – und dass Rewe dann auch noch ein Mini-Eigenmarkensortiment herausbringt.

Das "Rewe frei von"-Sortiment umfasst derzeit noch ungefähr 30 Produkte

Den tatsächlichen Grund dafür hat der frühere Tesco-Chef Terry Leahy in seinem Management-Buch erklärt:

“Eltern haben keine Lust, für die Familie einkaufen zu fahren, und dann noch mal in einen zusätzlichen Laden zu gehen, um dort Produkte für das Familienmitglied zu besorgen, das vielleicht unter einer Gluten-Allergie leidet. Stattdessen suchen sie sich einen Laden, der diese speziellen Produkte führt – und gleichzeitig den restlichen Bedarf der Familie decken kann.”

Das bedeutet, so Leahy: Ein Supermarkt, der die notwendigen Produkte für Allergiker führt, sichert sich automatisch auch die restlichen Einkäufe einer Familie, die darauf Wert legt – im besten Fall sogar den kompletten Wocheneinkauf. Wenn die Produkte auch noch den Namen des Händlers aufgedruckt haben, so wie “Rewe frei von”, wird die Bindung zu dieser einen Supermarktkette umso stärker.

Für sich genommen muss sich ein Nischensortiment wie die “Frei von”-Produkte gar nicht unbedingt rentieren, weil es im Idealfall bloß der Anker dafür, dass die Leute nicht zur Konkurrenz gehen. Auf seiner Website schreibt Rewe:

“Wir möchten, dass Ihr Leben einfacher wird. Mit den Produkten von ‘REWE frei von’ kommen Sie diesem Ziel ein ganzes Stück näher.”

Näher an Rewe nämlich.

Fotos: Supermarktblog

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Neues aus dem Discounter: Lidl findet sich “Ciensationell”, Penny fragt: “Happy or Not?”

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Seitdem Schauspielerin Sophia Thomalla dafür engagiert wurde, auf Prospektabbildungen und Werbepostern verträumt in die Sonne zu schauen oder mittelunbekleidet in kataloghaften Sonnenappartements rumzuliegen, obwohl sie sich doch mit der aktuellen “Sommer-Mode”-Kollektion ihres Auftraggebers hätte einhüllen können (“Esmara 2 Tops/Bandeau-Tops 4,99″ usw.) findet Lidl sein Drogeriesortiment ziemlich “Ciensationell”.

Oder um’s genauer zu sagen: “Ciensationell echt”, “Ciensationell natürlich”, “Ciensationell schön”.

Nun steht es dem Discounter bei seiner zunehmenden Supermarktwerdung selbstverständlich frei, keine der Werbe-Peinlichkeiten auszulassen, die sonst den Wettbewerbern vorbehalten sind – zum Beispiel: sich von einer Agentur eine teure Promi-Kampagne mit unaussprechlichem Wortspiel aufschwätzen zu lassen, das auf Anhieb niemand versteht. (Dabei ist es ja ganz einfach: Die Lidl-Drogerie-Eigenmarke heißt “Cien”.)

Aber damit ist das Sparsamkeits-Image des Aldi-Konkurrenten natürlich ein für alle mal ruiniert.

Kann sein, dass das in der Neckarsulmer Lidl-Zentrale so gewollt ist. Denn vom einst heiligen Discount-Prinzip, mit möglichst wenig Schnickschnack möglichst viel Umsatz zu erzielen, verabschiedet sich das Unternehmen jede Woche ein Stückchen mehr. Seit kurzem hat Lidl im Drogerieregal Boxen mit Miniprodukten installiert und bewirbt diese als “Cien-Minis” für die Urlaubszeit: “Volumen Haarspray”, “Duschgel Lemon Kick”, “Rasierschaum Fresh”.

Lidl-Wochenprospektwerbung für die "Cien-Minis"

Das wird den meisten Kunden von dm und Rossmann bekannt sein, wo die Schrumpfabteilung schon seit längerem fest zum Sortiment gehört. Immerhin lässt sich mit den auf den ersten Blick günstigen, im Vergleich zu den Normalgrößen aber deutlich teureren Minis schön was verdienen. Bei den Preisen scheint sich Lidl ungefähr an denen des Marktführers dm zu orientieren (z.B. 50 ml Duschgel für 45 Cent).

Die Kleingrößen sind aber bislang untypisch für den Discount, der sich sonst eher mit XXL-Packungen hervorgetan hat. (Lidl macht das in regelmäßigen Abständen selbst.)

Von dm und Rossmann abgeguckt: Lidls Schrumpfdrogerie

Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt eine Lidl-Sprecherin, dass es sich nicht um eine vorübergehende Aktion handelt:

“Die Cien-Mini-Reisegrößen unserer Qualitäts-Eigenmarke Cien haben wir bundesweit fest in unserem Sortiment.”

Entdeckt wurde die Schrumpfdrogerie zuerst von Supermarktblog-Leser @dasniveau.

* * *

Auch Lidl-Konkurrent Penny ist derzeit wieder im Werbemodus und hat ein paar TV-Spots drehen lassen, in denen Menschen Selbstgespräche führen, nachdem sie bei Penny einkaufen waren (hier ansehen). “Mein nächster Discounter” heißt der dazugehörige Spruch, der unter anderem auf den Werbeplakaten für das penny-to-go-Sofortessen steht, und ob er bloß als Ortsangabe oder als Discounter-Fremdgehaufforderung gemeint ist, weiß wohl nur die Marketingabteilung.

Penny möchte gerne "Mein nächster Discounter" sein (stimmt bei mir aber gar nicht - und bei Ihnen?)

In einigen Filialen hat die Rewe-Tochter außerdem Terminals aufgestellt, mit der die Kundenzufriedenheit abgefragt werden soll: Die Gerätschaften sind im Ausgangsbereich hinter den Kassen positioniert, auf einem Bildschirm werden wechselnde Fragen gestellt, zum Beispiel:

“Haben Sie alle Ihre gewünschten Aktionsartikel bekommen?”

Kunden sollen über eine von vier Smiley-Tasten antworten: einer grasgrünen mit lachendem Smiley, einer hellgrünen mit mittellächelndem Smiley, einer orangefarbenen mit Smiley, der offensichtlich mal auf Toilette müsste, und einer roten mit Grantelsmiley.

Umfrageterminal mit Grantelsmiley-Taste: "Happy or Not?"-Test in einem Kölner Penny-Markt

Das System, das derzeit im Kölner Raum zum Einsatz kommt, heißt “Happy or Not” und stammt aus Finnland. Auf seiner Website (die es in Teilen auch auf “Deutch” gibt) rühmt sich der Hersteller zahlreicher Promi-Kunden aus dem internationalen Handel, die mit den Terminals angeblich testen, wie glücklich die Kunden mit ihrem Einkauf sind.

Schauen Sie sich unbedingt dieses hervorragende Video an, indem der “Happy or Not”-Gründer für seine Technologie wirbt – “hervorragend” in dem Sinne, dass es schwer sein dürfte, ein schöneres Fake-Interview mit weniger Aussagewert zu produzieren.

Was konkret ein Händler von “Happy or Not” hat, verrät das Video nicht. Welchen Rückschluss würde Penny zum Beispiel aus der Tatsache ziehen, dass ein Kunde auf die Frage “Haben Sie alle Ihre gewünschten Aktionsartikel bekommen?” die rote Grantelsmileytaste gedrückt hat – außer natürlich, dass ein Kunde, der nicht alle gewünschten Aktionsartikel bekam, die rote Grantelsmileytaste gedrückt hat?

Dass die Terminals alleine dadurch funktionieren, dass Kunden das Gefühl haben, per Knopfdruck ihre Meinung sagen zu können, und die eigentlichen Drückergebnisse für den Händler nur begrenzt relevant sind, wäre nur eine böse Spekulation, auf die wir hier verzichten wollen.

In der Penny-Zentrale in Köln mag zu dem Test leider niemand etwas sagen. Es handele sich

“um einen lokal begrenzten Test zu dem wir aus strategischen Gründen keine weiteren Details veröffentlichen möchten”.

Hm. Grantelsmileydrück.

Die Smiley-Terminals wurden zuerst von Supermarktblog-Leser wolframcgn entdeckt.

Fotos: Supermarktblog

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Das große Preisschießen: Netto (ohne Hund) und die “Gold-Coupons”

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Netto-(ohne Hund)-Filiale in Berlin

Damit wir beim Einkaufen Angebote schneller erkennen können, haben Schilder mit Aktionspreisen in vielen Supermärkten und Discountern besondere Farben. Bei Netto (ohne Hund) [Erklärlink] sind sie gelb. Außerdem steht neben dem Produktnamen über dem Preis: “Aktion”.

Also so.

Weil gerade Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien ist, ist auf den Schildern derzeit auch “WM-Aktion” zu lesen, zur speziellen Kennzeichnung brasilianischer Spezialitäten wie – tiefgefrorener “Dorade”. (Die eigentlich aus dem Mittelmeer kommt.) Abgesehen davon hängt Netto (ohne Hund) auch Schilder auf, die mit einer “Preissenkung!” werben, ebenfalls gelb sind und zusätzlich zum Grundpreis (links in der Ecke) auch den durchgestrichenen vorherigen Preis aufgedruckt haben. Damit hat der Edeka-Discounter sein Preisschildbenamungsreservoir aber noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt auch gelbe Preisschilder, auf denen steht “Nur für kurze Zeit”. Oder: “Auf Dauer billig!”.

Eines aber haben alle gemeinsam: Als Kunde soll man sofort wissen, dass es sich um ein besonderes Angebot handelt.

Nun gibt Netto (ohne Hund) seit einer Weile auch ein eigenes Kundenmagazin heraus. Es heißt “gold – das Star-Magazin” und ist eine eigentümliche Mischung aus Promi-Klatsch, Rezepttipps, als Text verkleideter Produktwerbung und Rabattcoupons.

"gold - Das Star-Magazin" kostet bei Netto (ohne Hund) 66 Cent

Wer ebendiese “Gold-Coupons” aus der Heftmitte trennt und an der Kasse vorzeigt, erhält eine wechselnde Auswahl von Produkten zu besonderen Konditionen.

Am Regal waren diese Produkte zuletzt ebenfalls mit gelben Preisschildern gekennzeichnet. (Zumindest in manchen Märkten.) Statt “Aktion” stand “Gold Coupon” über dem Preis, und daneben in einem schwarzen Sechseck der Euro-Betrag, den man “SOFORT (…) sparen!” konnte. Außerdem stand da in sehr kleiner Schriftgröße (oder wie der korrekte Tunnelblick-Einkaufsterminus heißt: “unsichtbar”), dass man vorher das “gold”-Magazin für 66 Cent an der Kasse erstanden haben und die herausgetrennten Coupons vorzeigen müsse.

So zum Beispiel:

Schattenmorellen für 1,99 Euro (mit 'Gold-Coupon' weniger)

Die Schattenmorellen kosten regulär 1,99 Euro. Mit “Gold-Coupon” werden an der Kasse 40 Cent abgezogen.

Noch ein Beispiel: Das Vollkorn-Müsli kostet regulär 1,89 Euro. Mit “Gold-Coupon” werden an der Kasse wieder 40 Cent abgezogen. Ganz leicht, oder?

Müsli für 1,89 Euro (mit 'Gold-Coupon' weniger)

Dann sind Sie bereit für die zweite Schwierigkeitsstufe am Regal mit den Paprika-Sticks. Die kosten nicht 1,58 Euro pro Packung, wie da in großen Ziffern auf dem Schild steht. Sondern 79 Cent. (Steht ganz klein unter den 1,58 Euro drunter.) 1,58 Euro kosten zwei Packungen Paprika-Sticks. Es sei denn, Sie haben den entsprechenden “Gold-Coupon” parat, dann kriegen sie eine dritte dazu geschenkt.

Zwei Packungen Paprika-Sticks für 1,58 Euro (mit 'Gold-Coupon' gibt's eine dazu)

Beim Pesto ist es ähnlich: Der große Preis (5,78 Euro) ist der für zwei Gläser – oder für drei mit “Gold Coupon”. Der winzige darunter (2,89 Euro) ist der reguläre für ein Glas ohne “Gold-Coupon”. Der mittelgroße links daneben (8,67 Euro durchgestrichen) der reguläre für drei Gläser, wenn man sie ohne die “3 für 2″-”Gold-Coupon”-Aktion kaufen würde. Und der kleinste daneben ist der Grundpreis pro 100 Gramm.

Zwei Gläser Pesto für 5,78 Euro (mit 'Gold-Coupon' gibt's eins dazu)

Verstehen Sie das?

Na gut: Was kostet ein Flaschengebinde Eistee ohne “Gold-Coupon”, wenn auf dem gelben Preisschild groß 2,45 Euro steht? 2,45 Euro (wie oben bei den Schattenmorellen und dem Müsli)? Die Hälfte von 2,45 Euro (wie bei den Paprika-Sticks und dem Pesto)?

Sechs Flaschen Eistee für 2,45 Euro (aber nur mit 'Gold-Coupon')

Nein. 2,45 Euro sind der Preis für ein Gebinde mit “Gold-Coupon” (“Nimm 6, zahl 5″). Ohne sind es regulär 2,94 Euro. Sie erkennen das am durchgestrichenen Preis links neben dem Grundpreis, der so aussieht wie der durchgestrichene Preis auf den normalen “Aktion”-Preisschildern, aber nur für “Gold-Coupon”-Besitzer nicht gilt.

Netto (ohne Hund) macht sich also einerseits die Mühe, seine Kunde mit der Signalfarbe Gelb auf vermeintliche Aktionspreise am Regal hinzuweisen. Und strengt sich gleichzeitig an, diese Klarheit gleich wieder zu ruinieren, indem auf den “Gold-Coupon”-Regalschildern die Systematik der Preisangabe ständig wechselt, weil darauf entweder der normale Einzelpreis und “Gold-Coupon”-Preise für unterschiedliche Produktmengen stehen.

Auf eine Supermarktblog-Anfrage, ob man Kunden damit wissentlich irritiere, hat sich Netto (ohne Hund) auch nach mehrfacher Nachfrage nicht geäußert. Inzwischen scheint die Mehrzahl der “Gold-Coupon”-Schilder aus den Läden wieder verschwunden zu sein.

Dank an Supermarktblog-Leser Nils W. aus Hannover für den Hinweis!

Fotos: Supermarktblog

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Made better? Das zweite Mahl in Rewes Gastro-Welt

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"Ready MIxed" und eingetuppert: Mittagssalat und Nachtisch bei "Made by Rewe"

Mit einem kleinen Liedchen auf den Lippen, der Bereitschaft, Vergangenes auf sich beruhen zu lassen und einer unbändigen Lust auf frische Pasta bin ich kürzlich an einem sonnigen Tag mit der Straßenbahn in den Kölner Süden gefahren, um dort mein zweites “Made by Rewe”-Mittagsmahl einzunehmen.

Die zweite Filiale von Rewes Gastrokonzept ist deutlich kleiner als die erste, liegt dafür aber in einem Viertel, wo tatsächlich die Chance besteht, dass sich mittags jemand hinverirrt. Selbst wenn man von draußen sehr genau schauen muss, um in “Made by Rewe” das Bistro-Restaurant zu erkennen.

Vielleicht hängt jemand ein Banner drunter: "Ich bin ein Restaurant"?

Nach dem Betreten habe ich gleich mehrere Fehler begangen:

1. Ich wollte Pasta bestellen. Penne mit Mozzarella, Kirschtomaten & Rucola vielleicht, wie’s auf der Karte im Netz und im großen “Made by Rewe” am Kölner Waidmarkt steht. Auf der Karte des kleinen “Made by Rewe” in der Kölner Südstadt steht die Pasta – leider nicht. Hm. Vielleicht zu aufwändig, das Nudelkochen.

2. Ich wollte stattdessen Salat bestellen. Was Leichtes. “Kleiner Teller mit 4 Komponenten” für 4,90 Euro, wie’s auf der Karte steht. Mit “Kichererbsen-Paprika”, “Orientalischer Couscous”, “Rote Beete-Apfel-Sellerie”, “Gurken-Joghurt-Minze”. Der freundliche Herr an der Theke sagte: “Oh, da muss ich erst schauen.” Er öffnete einen Kühlschrank unter der Theke, schaute, sagte: nee – und meinte: Heute bloß die Salate, die vorne in der Theke beispieldekoriert sind. Seitlich hinter ihm stand die Tür zum angeschlossenen Rewe-Supermarkt sperrangelweit offen, der größten Vorratskammer mit frischen Produkten, die man sich als Gastronom für eine “Salatvariation” wünschen kann. Doch Gurken, Joghurt und Minze sind von hier aus unerreichbar.

3. Ich wollte ein gekühltes Getränk zu mir nehmen. Der Griff nach der Cola im Kühlregal neben der Tür zwang den Service-Mitarbeiter jedoch zu einem weiteren Eingriff: “Das ist nur Dekoration!”, rief er mir zu und meinte die warmen Getränke in der abgestellten Kühltheke. Echte kühle Getränke gibt’s – natürlich! – aus dem Schrank unter der Theke.

Ich kaufte einen abgepackten “Ready Mixed”-Linsensalat mit roter Beete & Ziegenkäse samt Nachtisch dazu. Da ist schon alles drin, was draufsteht. Sah gut aus. Musste es auch, für zusammen 7,40 Euro.

Linsensalat mit roter Beete & Ziegenkäse samt Nachtisch zum Restaurantpreis

Der Mitarbeiter fragte, ob er den “Ready Mixed”-Salat aus der Plastikbox in Keramik umfüllen soll. Nein, danke.

4. Ich wollte Trinkgeld geben. Trinkgeld wird bei “Made by Rewe” in einen Schlitz geworfen, der sich an der Thekenvorderseite bei normalgroßen Menschen ungefähr auf Hüfthöhe befindet, aussieht wie ein Schlitz für sehr flach zusammengefalteten Abfall, und bei dem man nicht genau weiß, in welchen Keller das Geld danach fällt. “Das ist aber nicht so geschickt”, sagte ich zum Mitarbeiter. Der Mitarbeiter seufzte.

Der Salat war gut. Der Laden ist ganz nett. Die Toiletten sind auf halber Treppe neben der Rumpelkammer. Neben mir saß jemand, der Pizza bestellt hatte, die günstiger war als mein Salat.

Ich hab meinen Ziegenkäse, die rote Beete und den Joghurt aufgegessen und gedacht: Entweder hab ich immer Pech. Oder Rewe hat sein Gastrokonzept auch elf Monate nach dem Start nicht richtig in den Griff bekommen. Die Läden wecken falsche Erwartungen, enttäuschen ihre Kunden und hinken dem Wettbewerb hinterher. In der Südstadt-Filiale wird man geradezu symbolisch an einer leeren Kochnische mit Cerankochfeld und Backofen empfangen, weil ernsthaft mal angedacht war, die geplanten “Made by Rewe”-”Smart People”-Gerichte dort zusammen “mit den Kunden zu kochen”.

Bei "Made by Rewe" bleibt die "Smart People"-Kundenküche inzwischen kalt

“Smart People”-Gerichte hab ich bei “Made by Rewe” bisher nur auf Pressefotos gesehen. Und sowieso gibt es Wichtigeres, das mir beim Mittagessen im Laden durch den Kopf ging. Nämlich:

5. Ich hätte Pizza bestellen sollen.

Mehr zu “Made by Rewe” im Supermarktblog.

Fotos: Supermarktblog

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Wer einkauft, liest nicht: Discount-Eigenmarken gestern und heute (1)

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Fischen Sie aus dieser Discounttiefkühltruhe bitte schnell die Qualitäts-Fischstäbchen heraus. Zack, zack – eben war die Schlange an der Kasse noch nicht so lang. Zuhause wartet sicher schon die Familie mit einem Braunbärenhunger.

Abbildungsalternativarme Panierquader: "Iglo" und "Sea Gold" in der Tiefkühltruhe von Netto (ohne Hund)

Haben Sie?

Und was ist im Einkaufswagen gelandet – “Iglo” oder “Sea Gold”? Bzw.: Haben Sie überhaupt bemerkt, dass da unterschiedliche Marken rumfrieren? Falls ja, liegt das sicher daran, dass Sie als regelmäßige Leser dieses Blogs quasi zu den Experten unter den Einkaufslaien gehören. Denn designt hat Netto (ohne Hund) seine Tiefkühlfisch-Eigenmarke natürlich so, dass dem eiligen Kunden der Unterschied zu Iglo kaum auffällt.

Sowohl die Fischstäbchen vom Markenhersteller als auch die von Nettos “Sea Gold” stecken in der gleichen blauen Packung. Die Markenlogos stehen beide Male links in der Ecke, mit weißer Schrift auf (leicht unterschiedlich) geschwungenen Schippchen mit hellrotem Farbverlauf. Weil Fischstäbchenabbildungen generell eher alternativarm sind, sehen die Panierquader auf den zwei Packungen nahezu identisch aus. (Netto hat sich für eine zusätzliche Petersiliendeko entschieden.) Beide Marken tragen das MSC-Zertifikat für nachhaltige Fischerei. Netto (ohne Hund) hat zur zusätzlichen Unübersichtlichkeitsförderung das Pandalogo seines Kooperationpartners WWF hinzu gefügt, Iglo druckt ein “Forever Food”-Fantasielogo daneben. (Und natürlich fehlt Netto in diesem Fall nicht nur der Hund, sondern auch der Käpt’n.)

Kurz gesagt: Die “Sea Gold”-Packung sieht so aus wie sie aussieht, um mit der von “Iglo” verwechselt zu werden.

Im Discount gibt es eine lange Tradition, Eigenmarken ihren Vorbildern zum Verwechseln ähnlich aussehen zu lassen. Aldi hat deswegen gerade in Großbritannien Ärger mit dem Markenhersteller “The Saucy Fish Co.” bekommen, weil der sich sehr wunderte, dass Aldis Discount-Lachs dem eigenen nicht nur die Chili-Limone-Ingwer-Würzsoße nachmachte, sondern auch die Verpackung.

Dass ein Hersteller sich gegen eine solche Kopie wehrt, ist selten. Entweder, weil er sie im Auftrag des Händlers als No-Name-Produkt selbst produziert. Oder weil er nicht das Risiko eingehen will, sich die Geschäftsbeziehungen mit den großen Ketten zu verderben. Irgendwer muss die Markenprodukte ja auch verkaufen.

(Im oben genannten Fall war das Risiko für The Saucy Fish Co. gering, da Aldi kein Hauptumsatzpartner ist und trotz steigender Umsätze einen eher überschaubaren Marktanteil in Großbritannien hat.)

Der britische Supermarktforscher Siemon Scamell-Katz kann erklären, warum es diese Gleichmacherei überhaupt gibt: Weil wir uns als Kunden im Laden vor allem an gelernten Farben und Mustern orientieren – und nur in den allerseltensten Fällen überhaupt lesen, was auf der Packung steht. Das war zumindest das Ergebnis einer seiner Blickerfassungsstudien, bei der Kunden im Laden mit lustigen Brillen herumlaufen, die aufzeichnen, was die Testkunden im Laden wahrnehmen (“Eye Tracking”). Scamell-Katz kommt zu dem Ergebnis:

“Kunden lesen z.B. nicht ‘Coca-Cola light’, wenn sie eine Zwei-Liter-Flasche kaufen. Sie sehen eine braune Flüssigkeit mit einem silbergrauen Label und wissen, weil sie sich gerade in der Getränkeabteilung befinden: Diese Marke muss Coca-Cola light sein.”

(Quelle; stoppelige Übersetzung von mir)

Scamell-Katz nennt dieses Prinzip “Colourshape” (siehe dazu auch: Warum Kunden sich über umgeräumte Regale im Supermarkt ärgern). Und natürlich funktioniert es statt mit Cola genauso mit – Fischstäbchen. Discounter wie Netto (ohne Hund) nutzen unsere Unaufmerksamkeit, um uns die eigene Marke anzudrehen. Gleichzeitig suggerieren die fast identischen Discount-Verpackungen eine ähnliche Wertigkeit wie beim “echten” Markenprodukt bei niedrigerem Preis. Freilich ohne denselben Werbeaufwand wie der Produzent des Originals zu haben.

Was können Markenhersteller dagegen tun? Die Packung ändern? Orangensaft-Produzent Tropicana hat in den USA vor einigen Jahren genau das versucht. Das Unternehmen hat seine Saftkartons neu gestalten lassen, dabei genauestens auf die Ergebnisse der Marktforschung gehört – und ist grandios gescheitert. Weil die Kunden im Laden das neue Design nicht gewöhnt waren, meint Scamell-Katz:

“Sie konnten Tropicana einfach nicht mehr sehen, weil alle Orientierungspunkte des alten Designs, das sie mit der Marke verbanden, weg waren.”

(Dass viele Leute das neue Design schlicht hässlich fanden, könnte natürlich ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Wäre aber genauso interessant.)

Radikale Design-Änderungen sind, wenn die Forscher Recht haben, für Hersteller bekannter Marken tabu. Und die Discounter können weiter verhältnismäßig gefahrenfrei kopieren. Es sei denn, sie verlieren von alleine die Lust daran – so wie Lidl.

Mehr dazu steht im nächsten Blogeintrag.

(Ach ja, und weil Sie jetzt so lange rumgebummelt haben, sind Ihre Fischstäbchen natürlich aufgetaut.)

Fotos: Supermarktblog

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Lidls Asia-Lockruf: Discount-Eigenmarken gestern und heute (2)

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Auf Plakaten und im ungewöhnlich durchdesignten Wochenprospekt bewirbt Lidl derzeit “unsere größte asiatische Woche”. Wobei das Bemerkenswerte daran gar nicht die unfassbare Zahl an Fertigessen-Quatschartikeln ist, die marktmittig in Gitterinseln aufgetürmt wurden und deren Inhaltsangaben reichlich böse Überraschungen für nussallergische Vegetarier bereithalten. (“Kann Spuren von Erdnüssen, Soja, Sesamsamen, Fisch und Krebstieren enthalten” steht z.B. auf der eigentlich rein gemüsigen Thai-Fertigsuppe.)

Bemerkenswert ist vielmehr das neue Design, das Lidl seiner Eigenmarke “Vitasia” verpasst hat. Es ist: sehr bunt.

In der Neckarsulmer Lidl-Zentrale sind ein paar Farbeimer explodiert: Neues "Vitasia"-Design

Bisher waren die Produkte, die ungefähr zweimal pro Jahr in Aktionswochen angeboten werden, unspektakulär schwarz verkleidet. Über den Produktabbildungen stand meist in weißer Schrift der Rufname des Fertigessens. Jetzt gibt es verschiedene Farb-Designs mit unterschiedlichen Schriften für sämtliche, ähem, “Spezialitäten” der Geschmacks- und Kompassrichtungen “China”, “Thai” und “India”. (Ich hab da mal was vorbereitet.)

Drin ist zwar mehrheitlich immer noch dasselbe, weil “asiatisches” Kochen aus Lidl-Sicht offensichtlich vor allem aus Aufbacken, Einrühren, Vollgießen und Dosenöffnen besteht (Abb. oben ist untypisch). Aber die Verpackungen sind jetzt so modern, dass das beim Prospektdurchblättern gar nicht auffällt.

Das aufgepeppte Design ist der neuste Lidl-Streich im Bemühen, sich ein Stück weit vom reinen Billig-Image zu entfernen. Die Botschaft an die – vornehmlich jüngeren – Kunden ist: Wir können nicht nur günstig, sondern auch schick. Zugleich ist es eine Abkehr vom bisherigen Prinzip, Discount-Eigenmarken möglichst genauso aussehen zu lassen wie ihre Markenvorbilder.

Lidl wirbt für seine "größte asiatische Woche"

Bei Lidls Aktionswochen stand schon bisher eher die Länderzugehörigkeit der Produkte im Vordergrund. Jetzt folgt nach und nach der vollständige Abschied vom spärlich-schlichten Design. “Vitasia” ist die zweite aufgehübscht Ländermarke; im vergangenen Jahr wurde bereits “Italiamo” verpackungsveredelt. Das scheint gut funktioniert zu haben.

In der “Lebensmittelzeitung” notierte GfK-Einkaufsforscher Wolfgang Adlwarth kürzlich, dass die Umsätze, die Lidl 2013 mit Eigenmarken machte, gestiegen sei. Der Umsatz mit Markenprodukten sei hingegen gesunken. Das ist ein interessantes Detail: Weil Lidl sich einerseits gerade massiv anstrengt, deutlich supermarktiger aufzutreten; aber Discount-typisch dank Eigenmarken wächst.

Die Strategie passt gut in die Zeit. Die Private Label Manufacturers Association (PLMA), ein europäischer Verbund von Eigenmarkenherstellern, hat ermittelt, dass viele europäische Kunden sich daran gewöhnt haben, Produkte ohne Markennamen zu konsumieren. In der Schweiz und Spanien sind 53 bzw. 51 Prozent aller verkauften Produkte Eigenmarken. Auf den weiteren Plätzen folgen Großbritannien und Portugal mit jeweils 45 Prozent sowie Deutschland mit 44 Prozent.

Das liegt nicht (nur) daran, dass Kunden mit Eigenmarken Geld sparen. Die Deutschen z.B. kaufen im Supermarkt auch Bio-Artikel, Allergikerprodukte und “Luxus”-Lebensmittel, auf denen der Name des Händlers steht. Und sie sind bereit, dafür etwas mehr Geld auszugeben. Die alte Einteilung Eigenmarke = Billig und Marke = Wertvoll gilt nicht mehr. Einer weiteren Studie zufolge (LZ/Vermarktungsgruppe UGW) glauben inzwischen rund 59 Prozent der Deutschen, dass es keine großen qualitativen Unterschiede zwischen Marken und Eigenmarken gibt. Vor drei Jahren waren es nur 37 Prozent.

Für Discount-Ketten wie Lidl ist das von Vorteil, z.B. auch weil sie neue Kunden gewinnen. Die “Deluxe”-Lebensmittel, die es meist vor Feiertagen gibt (siehe Supermarktblog), sprechen laut GfK vor allem “ältere und größtenteils einkommensstarke Konsumenten” an. Und die brauchen, wenn die Qualität bei Lidl stimmt und man sich nicht mal mehr fürs schäbige Design der Produkte zu schämen braucht, nicht mehr zur Supermarktkonkurrenz zu gehen.

Die Farbe, die Lidl seinen Verpackungen gönnt, ist also ein Signal an neue Zielgruppen. Mit Ausnahme der älteren, größtenteils einkommensstarken nussallergischen Vegetarier, versteht sich.

Fotos: Supermarktblog

Mehr zum Thema: Wer einkauft, liest nicht: Discount-Eigenmarken gestern und heute (1)

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Esst dieses Sandwich!, sagt die Hollywood-Tante

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Die österreichische Supermarktkette Spar hat die frühere “Sex and the City”-Hauptprotagonistin Sarah Jessica Parker dafür gewinnen können, über den Kühltheken mit dem Sofortessen rumzuhängen. Nicht persönlich, versteht sich. Bei über 1600 Filialen wäre das vermutlich arg anstrengend, und da ist’s natürlich attraktiver, stattdessen weiter belanglose Hollywoodfilmchen zu drehen.

Parker hängt da nur auf Schildern, um Spar-Kunden mit einem pinken Zitat zum Verzehr der darunter zurechtportionierten und plastikeingeschalten Sandwiches und Obstmassaker aufzufordern. Das Zitat lautet:

“relax and enjoy”
Sarah Jessica Parker

Lecker, so ein "Spitzweckerl mit Burgunderschinken". Dafür bürgt Frau Bradshaw bei Spar mit ihrem Namen

Es handelt sich dabei nicht um einen Scherz. Spar hat tatsächlich Carrie Bradshaw eingekauft, damit die für ihr Sofortessen wirbt.

“[Sie] verkörpert wie keine andere den urbanen Lifeytle und ist daher für SPAR das passende Werbegesicht der neuen Convenience-Eigenmarke SPAR enjoy.”

Spar setzt auf Hollywood-Support beim Verkauf seines Sofortessens

So neu ist “Spar enjoy” zwar gar nicht mehr. Anders als viele deutsche Supermärkte haben die Österreicher jedoch tatsächlich die Chance ergriffen, sich ein Sofortessen-Sortiment zuzulegen, das auch als solches erkennbar und ernstnehmbar ist. Es gibt Säfte, belegte Brote, Obstsalate und Kuchen zu kaufen, alles ist schlicht, aber relativ modern verpackt und auf einen Blick zuzuordnen – ein bisschen so wie “penny to go”, bloß dass es schon über 100 “Spar enjoy”-Produkte gibt.

Nur eins passt so gar nicht dazu: die Frau im rosa Kleidch, die weniger den “urbanen Lifestyle” verkörpert (wie Spar es sich von der zuständigen Werbeagentur hat einreden lassen), sondern eher den Typ essscheue Hollywoodschauspielerin. Also das exakte Gegenteil einer prominenten Fürsprecherin allenfalls mittelkalorienarmer Zwischenmahlzeiten.

Parker wird das egal sein. Die Unannehmlichkeiten hielten sich für sie sichtlich in Grenzen. Für den TV-Spot, der seit Juni im österreichischen Fernsehen läuft (bei horizont.at ansehen), musste sie nicht mal das Land verlassen, sondern ließ sich bloß ebenso sinnfrei wie wortkarg durch den New Yorker Central Park steuern, um auf der Suche nach dem mysteriösen “Enjoy” von einem Unbekannten mit österreichisch draufsynchronisiertem Akzent ein Tütchen “Spar Enjoy”-Produkte überreicht zu kriegen.

So sehen also diese österreichischen Sandwiches aus: SJP beim Videodreh / Foto: (c) Spar

Dass sie vor der Kamera nicht am Smoothie nippen und eines der Klappbrote bloß kurz in der Hand zu halten brauchte anstatt reinzubeißen, hat ihr vermutlich das Management klug in den Vertrag reinverhandelt. Obwohl die Spar-Pressestelle behauptet, Frau Brotscheu habe “in den Drehpausen (…) u.a. den [sic!] SPAR enjoy Thunfisch Sandwich und den SPAR enjoy Bunter Obstmix” – Achtung, lustiges Verb: “gekostet”.

Die zuständige Wiener Werbeagentur revanchierte sich im Branchenblatt “Horizont” zum Kampagnenstart mit der fast schon karriereschädigenden Feststellung, es sei “gelungen, einen solchen Megastar zu sehr guten Konditionen, auch im Vergleich mit österreichischen Stars, zu bekommen”. (“Ein wahrer Spar-Star also”, witzelte “Horizont” darauf.)

Vor allem ist die Parker-Spar-Connection aber das derzeit schönste Beispiel dafür, wie schwer es für Supermärkte ist, geeignete Testimonials (also: Promi-Werbegesichter) zu finden. Und ein Plädoyer dafür, dass man’s vielleicht einfach besser lässt anstatt sich in fadenscheinigen Begründungen zu verheddern.

In Deutschland hat Rewe es mit Thomas Müller noch einigermaßen geschickt angestellt, weil man Müller mit seiner demonstrativen Bodenständigkeit unter all den Millionen verdienenden Fußballstars noch am ehesten zutrauen würde, dass er zwischendurch mal kurz in den nächsten Rewe huscht, wenn noch Salami für die Pizza fehlt. Wie Edeka allerdings auf Comedian Kaya Yanar als laufende Werbetafel gekommen ist, ist zumindest mir schleierhaft. Vielleicht, weil man sich in Hamburg ganz gut mit Yanars als weltoffen verkleideter Witzespießigkeit identifizieren konnte.

Dabei muss man sich ja bloß mal kurz in die Prominenten hineinversetzen, die nach der Unterschriftenleistung für Supermarkt-Werbezwecke auf Jahre hin damit zu rechnen haben, über Lebensmittelsortimente getackert zu werden, denen sie sich selbst niemals nähern würden. Ist auch nicht schön, sowas.

In Hollywood kann demnächst die erste Selbsthilfegruppe aufmachen, in der sich die Geschädigten über ihre leidvollen Erfahrungen austauschen. Parker ist nämlich nicht die erste, die Spar für sein “sogenanntes Kult- und Star-Prinzip” eingekauft hat. Vorher gingen schon Gwyneth Paltrow, Heidi Klum und Cindy Crawford in die Falle. Und Pierce Brosnan ist immer noch an die Eigenmarke “Spar Premium” vermietet, obwohl der Vertrag schon vier Jahre alt zu sein scheint.

1,59 statt 007: Pierce Brosnan wirbt schon seit einiger Zeit für "Spar Premium"-Produkte

Damit stehen die zuvor genannten Stars nun in einer Reihe mit dem bei unseren Nachbarn ebenso prominenten “Börserl”, das für die Billigeigenmarke der Kette wirbt. Der einzige Trost für die Hollywood-Prominenz ist, dass sie auf Anhieb mit dem Finger auf der Karte wohl kaum das Land finden dürfte, in dem sie im Supermarkt rumhängt.

Und natürlich: Mirjam Weichselbraun. Die Original-Österreicherin und langjährige Werbefrau für die “Spar Vital”-Produkte hat es schließlich am schwersten getroffen. Nicht, weil die Leute glauben könnte, Weichselbraun sei “Neu im Regal”…

Mirjam Weichselbraun mag "Natur Pur" von Spar und ist "Neu im Regal" (letzteres stimmt aber gar nicht)

…sondern weil man als Nicht-Hollywood-Star sein Gesicht offensichtlich auch gleich für die Fleischtheke mitzuvermieten hat.

Dieses Bio-Putenbruststeak (gewürzt) wird empfohlen von: einer Frau, die Sie aus dem Fernsehen kennen

Aber, ach, schauen Sie erstmal die Werbefilme an, die Weichselbraun für Spar gedreht hat. Danach hält sich das Mitleid in Grenzen.

(In Deutschland ist Spar übrigens 2005 zusammen mit Netto [ohne Hund] von Edeka übernommen worden. Seitdem gibt es i.d.R. nur noch “Spar express”-Minimärkte, z.B. in Bahnhöfen. Das Hollywoodstar-Werberisiko in deutschen Supermärkten bleibt also gering.)

Danke an Diana für den Hinweis!

Fotos: Spar (1), Supermarktblog

Im Lebensmittel-Loop: Edekas Rewe-City-Killer in Rostock

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Rostock muss sehr stolz auf sein Wappentier sein. Schließlich schmückt der Greif – eine mythische Fabeltierkreuzung – nicht nur historische Baumwerke und Fahnen.

Greif am Kröpeliner Tor in Rostock

Die Rostocker kleben ihn sich auch aufs Auto. Und seit ein paar Wochen schmückt der Greif die neue Edeka-Filiale in der Rostocker Fußgängerzone. Auf dem marmorig glänzenden Eingangsbogen steht in goldener Schrift:

“Qualität – Frische – Service – Vielfalt”.

Klingt nach einem großen Versprechen. Wer sich den Mitte Juli eröffneten Laden daraufhin von innen ansieht, stellt ziemlich schnell fest, dass er nicht in einem normalen Supermarkt gelandet ist. Weil der Laden anders funktioniert als üblich – und seine Kunden nicht linksrum-rechtsrum vom Eingang zur Kasse schickt.

Sondern in den Lebensmittel-Loop.

Hinterausgang mit Marmorbogen: Der Edeka Breite Straße verabschiedet seine Kunden stilvoll

Lange, gerade Regalreihen gibt es nur beim Weg durch die Obst- und Gemüse-Abteilung und bei den gekühlten Lebensmitteln. Aber wohl nur, weil sich Kühltheken so schwer abrunden lassen. Im Zentrum besteht der Laden nämlich komplett aus Regalen, die sich in Ringen ineinander fügen und so einen kleinen Lebensmittel- und Drogerie-Irrgarten formen.

Bei jedem Einkaufsforscher würde diese Konstruktion augenblicklich das Herzinfarktrisiko steigen lassen. Weil sicher in hundert Studien herausgefunden worden ist, dass die Leute es hassen, wenn sie in Gänge reinlaufen, bei denen sie nicht sehen können, was am anderen Ende im Regal steht.

Der Regalirrgarten, in dem man sich gerne verläuft: Startpunkt Schokoladentresen

In Rostock funktioniert es trotzdem: Weil die Rundregale gut zum edlen schwarzen Design passen und der Loop neugierige Kunden förmlich ansaugt. (Einige Anwohner sind weniger begeistert wegen der befürchteten Lautstärke bei der Warenanlieferung, wie Das-ist-rostock.de berichtet, während die lokale “Ostsee Zeitung” zur Eröffnung bloß PR-Sprüche runterzubeten wusste.)

Immer schön im Kreis: Lebensmittel-Regale im Edeka Rostock

Dabei ist das Design ist nicht die einzige Besonderheit. Edeka-Kaufmann Ingolf Schubert hat darauf geachtet, das Angebot seines Markts auf dessen Lage abzustimmen: Statt der üblichen wuchtigen Kassen sind gleich acht schmale Bezahltische vor den offen gestalteten Ausgang gebaut worden, Kunden stellen sich in einer Schlange an und werden jeweils zu dem Kassierer gerufen, der gerade frei ist. (Supermarktblog-Leser kennen das Prinzip z.B. vom Innenstadt-Aldi in London.)

Und an der ziemlich langen Bedientheke sind nicht nur Fisch, Fleisch und Käse zu kaufen, Kunden kriegen auch ein warmes Essen zum Mitnehmen vor ihren Augen zubereitet: Pizza, Eintopf, Suppe oder Gemüse aus dem Wok. “Ganz nach Ihrem Geschmack”, steht auf den Zetteln zum Ankreuzen des “Edeka-Woks”: Mit Tofu oder Rindfleisch? Bambussprossen, Sellerie, Paprika, Brokkoli oder Ananas dazu? Nudeln oder Reis? Und dann die Soße, Erdnuss, Chili, Curry, Kokos-Ingwer, süß-sauer?

Baguettes, Wraps, Wok-Gerichte: Die Supermarkt-Gastro in der Breiten Straße ist auf Mitnehm-Essen eingestellt

Günstig ist das alles nicht. Aber genau so gemacht wie man sich das wünscht, wenn man ein schnelles, frisches Essen mitnehmen will. (Sitzplätze gibt es in dem Laden keine.)

Vor allem haben die Rostocker nun einen Innenstadt-Supermarkt, der auch gut in die Fußgängerzonen anderer (mittelgroßer) Städte passen und sich perfekt als Rewe-City-Killer eignen würde. Der Kölner-Konkurrent hat schon vor Jahren den Trend zum Nah-Einkauf erkannt und eröffnet seitdem kleine Märkte in guten Lagen, die mit deutlich weniger Platz auskommen als die Standard-Rewes, Kunden aber trotzdem das Gefühl geben, einen kompletten Einkauf erledigen zu können. Ein Nachteil ist, dass man wegen des langweilig durchstandardisierten Designs als Kunde wirklich keine Sekunde daran denkt, dort länger zu bleiben als nötig.

Der Edeka Breite Straße versucht genau das Gegenteil: Die Leute sollen sich im Laden inspirieren lassen, bedient und beraten werden und natürlich: mehr einkaufen als geplant. Wenige Tage danach der Eröffnung im Juli wurden an den Eingängen immer noch Obst- und Käse-Kostproben verteilt und Sekt ausgeschenkt. An der Bedientheke gibt’s zum eingekauften Fleischs automatisch die Zubereitungsempfehlung dazu. (Hier gibt es weitere Bilder zu sehen.)

Für Schnelleinkäufer ist das nix. Muss es aber auch gar nicht sein. Der Loop-Markt nutzt genau die Lücke, die Rewe mit seinen City-Filialen lässt. Und wenn sich Edeka schlau anstellt, empfiehlt die Regionalgesellschaft Nord (in deren Gebiet die Filiale aufgemacht hat) den Kollegen anderswo im Land, sich schleunigst den Rostocker Markt anzusehen – und zu überlegen, ob sie sich sowas auch in ihrer Stadt vorstellen könnten.

Der Zeitpunkt wäre ideal: Die “Lebensmittelzeitung” meldete kürzlich, Edeka wolle in den Großstädten aufholen und neue Läden etablieren. Das muss gar nicht unbedingt mit riesigen Centern passieren. Gut gelegene Märkte, in die Kunden gerne zum Einkaufen kommen, weil sie etwas Besonderes sind, wären die weitaus clevere Lösung, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Noch dazu, weil Edeka damit eine deutlich elegantere Kombination aus Supermarkt und Gastronomie testen kann als Rewe mit seinem misslungenen “Made by Rewe”-Konzept.

Freilich gibt es dabei auch einen Haken, nämlich die Höhe der notwendigen Investitionen: Besonders günstig war’s nämlich vermutlich nicht, den früheren Klamottenladen in der Breiten Straße zum Edel-Edeka umzubauen.

Wer hat sonst schon eine Obst- und Gemüseabteilung mit Greifwache auf dem Eiswürfel-Obsttresen?

Falls sich doch ein Händler traut, dem Beispiel zu folgen, leihen die Rostocker ihm vielleicht auch ihr schmuckvolles Wappentier, das im Originalladen außerdem als goldene Miniatur auf der viereckigen Eistheke mit dem geschnittenen Obst thront und dort schweigend den Eiswürfelnachschub überwacht, der unter ihm zu Frischhaltezwecken dauerproduziert wird. Einen Namen für die Edeka-City-Filialen hätten wir damit ja auch schon:

“Greif zu.”

Fotos: Supermarktblog

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